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Dresden unternehmen sollten, werden Sie sehen, ob Sie Mittel haben sich zu halten; wo nicht, so müssen Sie suchen, eine günstige Capitulation abzuschließen, das heißt freien Abzug für die ganze Besatzung, mit Kassen, Magazinen, Lazarethen und mit Allem, waS wir in Dresden haben, nach Berlin oder zu irgend einem andern Truppencorps zu erhalten. Da mir eine Krankheit zugestoßen ist, die jedoch, wie ich glaube, keine ernsten Folgen haben wird, habe ich einstweilen das Commando meiner Truppen dem Generallieutenant von Fink übergeben, dessen Befehle Sie so zu vollziehen haben, als ob sie unmittelbar von mir kämen." Eine lautlose Stille folgte der Vorlesung dieses königlichen Schreibens. Nachdem der Gouverneur da- Blatt niedergelegt hatte, sprach er weiter zu seinen Offizieren: : „ES würde unverzeihlich sein, wenn wir uns der Täuschung hingeben wollten, daß unsere Lage eine gefahrlose sei; im Gegen theile, sie ist mehr denn jemals von Gefahren umringt. Die Nachricht von der bei Kunnersdorf durch die Russen und das kaiserliche Laudon'sche Corps den Truppen Sr. Majestät beige- brachten schweren Niederlage, dann die Aussage des vom Kömge zum Ueberbringer des Ihnen vorgelesenen Schreibens an mich gewählten Offiziers, welcher Augenzeuge der Schlacht war, lauten beide so trostlos, daß man die Verluste, die unserer Armee zugefügt wurden, mit allem Recht eine schwere Niederlage nennen kann; sie wird wie Posaunenschall zu den Ohren der feindlichen Feldherren dringen und das Resultat davon wird kein anderes sein, als eine von allen ihren verfügbaren Mitteln unterstützte Unter nehmung gegen uns hier." Ein Lächeln überlief Schmettau's strenges Gesicht und er schalt die scherzende Bemerkung ein: „Die Festungsmauern find für den Fall unsere heiligen Schutz engel, denen wir zu Liebe jeden Stein des Aergerniffes aus dem Wege räumen wollen, worunter ich die vom letzten vorjährigen Feuer noch verschont gebliebenen Häuser der andern Vorstädte verstehe. So werden wir gegen den äußeren Feind gerüstet sein; aber der innere ist deshalb nicht aus den Augen zu verlieren. Die hiesige Bürgerschaft würde ein Jubelfest halten, wenn sie unS Alle in Ketten und Banden liegen sähe; der hier am Orte waltende Geist ist schlecht, voll heimlicher Bosheit. Ich sage Ihnen das, um Sie aufzufordern, ein strenges Augenmerk auf Alle- zu halten, besonders auf die unter Ihre Bataillone ein gereihten Sachsen. Ueberwachen Sie diese uns nie wohlwollenden Leute streng. Wer von Ihnen eine Bemerkung auszusprechen hat, der rede!" „Ich mit Ew. Ercellenz Erlaubniß!" rief der Obristlieute- nant und Platzcommandant Hoffmann. Graf Schmettau gestand ihm durch eine bejahende Kopf neigung das Wort zu. „Wofür, wenn ich Ew. Ercellenz fragen darf, steht vor -er Hauptwache der Galgen? Um Hundsfötter daran zu henken, die gegen die Gesetze gefehlt haben, wird die Antwort sein. Bisher habe ich aber noch keinen einzigen von hiesiger Bürger schaft di- Leiter hinauf zu diesen letzten Ehren steigen sehen und man fehlt mehr und absichtlicher gegen die Gesetze, die wir dictiren, weil wir die Herren vom Platze sind, als diese Sippschaft, die unS alle nur denkbaren Landplagen auf den Hals wünscht? Zwanzig solcher Hallunken sitzen noch in der Hauptwache und keiner will ein Geständniß ablegen, daß er von einem mit den Oesterreichern gegen uns angezettelten Complote wisse. . Nur Einen herausgenommen und ihn als Warnungsbeispiel aufge henkt, das würde die ganze Rotte Korah einschüchtern." Daß jetzt eine geharnischte Entgegnung erfolgen werde, konnte Jeder aus den unbeweglichen, wie versteinert sich zeigenden Zügen Schmettau's entnehmen, denn diese Ruhe im Antlitz dieses Kriegsmannes war etwas so Seltenes, daß man mit Recht eine Zurechtweisung Hoffmanns auf eben so seltene, als außergewöhnliche Art erwarten durfte. „Herr Platzcommandant," hob der Generallieutenant mit eisigem Tone an ... „als Se. Majestät die Vertheidigung dieser Festung in meine Hand legte, wußte der allerhöchste Herr, daß er sie einem ehrlichen Soldaten anvertrauete, der keine Anlage in sich hat, seinem Kriegsruhm den eines Henkers beigemischt zu sehen. Ueberdenke das der Herr! Muß ich auch als Ver- theidiger der Festung den die Bürgerschaft beherrschenden Geist verdammen und ihn unschädlich machen, wie ich es vermag, so t:n doch gerade ich auch Derjenige wieder, der nichts so Unge heuerliches in dem Haffe dieser Leute gegen unS sieht. Sie betrachten unS als Feinde und die Berlmer würden eS gegen die Kaiserlichen nicht um ein Haar ander- machen. Nur der offenbaren Complotirung Ueberwiesene können dem Tode ver fallen. So ist meine Meinung, merke sich das der Herr!" (FoNse-ung folgt.) Der Juristentag in Mainz. ,,Inter arma -ilent lege-", wo die Waffen herrschen, schweigen die Gesetze. Diesem alten Spruch, der so lange neu bleibt, als Kriege, Revolutionen und Staatsstreiche den geordneten Gang friedlicher, gesetzlicher Entwicklung aufhalten, sollte der werte deutsche Juristentag, der vom 24. bis zum 28. d. M. in der Bundesfestung Mainz seine Berathungen pflog, in doppelter Richtung Schranken stellen. Einmal in freundlich geselliger, wie denn der Festungscommandant im Vorhinein dem Juristen tage ein Willkommen zugerufen und die Zusicherung ertheilt hatte, daß die Juristen sich innerhalb der Festungsmauern vom Gegen theil jenes Satzes überzeugen werden. Die zweite, bei Weitem wichtigere Einschränkung jenes Sgtzes hat der Juristentag selbst ausgesprochen, indem er in seiner ersten Plenarsitzung, am 25.Aug., die entscheidende und in das Verfaffungsleben tief eingreifende Frage berieth: hat der Richter auch über die Krage zu erkennen, ob ein Gesetz verfassungsmäßig zustandegekommen ist. Der um den Juristentag überhaupt sehr verdiente Stadt richter Hiersemenzel in Berlin, der Redacteur der, dem Juristen tage als Organ dienenden Deutschen Gerichtszeitung, hatte bereit- für den vorigen Juristentag den Anttag gestellt: „Der deutsche Juristentag wolle aussprechen, daß die Würde der Rechtspflege und die Handhabung wirklicher Gerechtigkeit nur da gesichert ist, wo der Richter auch die Frage, ob ein Gesetz verfassungsmäßig zustandegekommen, ohne Einschränkung zu prüfen hat." Bei der Berathung dieses Anttags auf vorigem Juristentage zu Wien ward ein Theil desselben, der sich auf Verordnungen bezieht, in folgender Fassung mit an Einstimmigkeit grenzender Mehrheit angenommen: „Verordnungen und Erlasse des Staatsoberhauptes oder der Staatsregierung, deren Inhalt nur in Form des Gesetzes mit Zustimmung der Stände hätte festgestellt werden können, haben für den Richter keine verbindliche Kraft." Dagegen wurde die Frage, ob der Richter auch die Verfassungsmäßigkeit der in gehöriger Form publizirten Gesetze zu prüfen habe, dem vierten Juristentage Vorbehalten und drei Mitgliedern zur Begutachtung übertragen, von denen das eine, Prof. vr. v. Stubenrauch in Wien, sich gegen, die beiden anderen, Prof. vr. Gneist in Berlin und Verwaltungsrath Jacques in Wien sich für das Prüfungs recht des Richters aussprachen. Trefflich ist namentlich die ebenso gelehrte, als gründliche Begutachtung Gneist's, des gelehrten Forschers und Schriftstellers auf dem Gebiete des englischen Verfaffungsrechts. Er schließt sein Gutachten damit: „So lange in den Dynastien wie in den Völkern der stille Wunsch lebt, die in den beschworenen Verfassungen enthaltenen Rechtsschranken bei erster günstiger Gelegenheit umzubiegen oder umzubrechen, wird man sich gern die Möglichkeit desselben offen halten, sei es im Namen der Autorität, sei es im Namen der Freiheit. Man wünscht dann die Institutionen, welche, unabhängig von den Mächten des Augenblicks, das Unrecht bei seinem Namen nennen möchten, möglichst aus dem Bereich dieser Fragen zu entfernen. Die napoleonische Gesetzgebung ist darauf berechnet, die napo leonische Gerichtsverfassung insbesondere darauf berechnet, das Richteramt in einer gewissen Indifferenz von seinem Zusammen hang mit dem öffentlichen Recht und dessen höchsten Fragen abzulösen. Wo dagegen Dynastien und Völker lange widerstre bende Gewohnheiten und Interessen in einer geschriebenen Ver fassung endlich zum Abschluß gebracht sehen, wo sie in heiligem Ernst entschlossen sind, in Freud und Leid, zum Schutz und Trutz der Gesammtheit wie des Einzelnen, an der beschworenen Grundlage des Landesrechts festzuhalten: da verzichtet man auf die Auswege und denkt nicht mehr an die Rückhalte der Macht gegen das beschworene Recht."