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284 Großfürst noch immer zu mild gegen die Polen verfährt, und die gern einen Murawiew in Warschau an der Spitze der Re- aierung sähe, hofft auf eine Systemveränderung in ihrem Sinne. Bis jetzt liegen aber keine Anzeichen für Erfüllung dieser Hoff nung vor. ES wird vielmehr versichert, daß die russische Re gierung entschlossen sei, durch unerwartete Zugeständnisse, nament lich durch Verleihung einer Verfassung, den polnischen Wirren ein Ende zu machen. Gleichzeitig kommen auch aus Peters burg Gerüchte, welche eine Annäherung zwischen Frankreich und Rußland als im Gange befindlich bezeichnen. Die allernächste Zeit muß lehren, waS von alledem wahr ist. Ein kaiserlicher Ukas verfügt, daß zwölf Divisionen der Armee-Reserve in die reguläre Armee eingereiht werden sollen; letztere gewinnt dadurch den beträchtlichen Zuwachs von 48 Re gimentern. Gin galizisches Blatt bringt die bisher von keiner anderen Seite bestätigte Nachricht, daß Mitte August in der Ukräne (Kleinrußland) ein Bauernaufstand ausgebrochen sei. Die Bauern wollen sich den Polen anschließen, mögen aber von der Adels- Herrschaft nichts wissen. Der russische General Lrexow griff die Aufständischen an; es fielen über 100 Mann der letzteren und viele wurden gefangen. 20 der Rädelsführer sind aufgehängt worden; dessenungeachtet soll aber der Aufstand weitere Aus breitung gefunden haben. — Auf dem polnischen Kriegsschau plätze hat sich nichts Außerordentliches zugetragen. Die Einzel kämpfe dauern fort und die Insurgenten sind durch neue Aus- hebunaen nicht unbeträchtlich verstärkt worden. Griechenland. Abermals haben vier Mitglieder des gegenwärtigen Ministeriums, welche der gemäßigten Partei an gehören, ihre Entlassung verlangt. — Die Reise des Königs der Griechen nach Athen, welche Anfangs September angetreten werden sollte, ist plötzlich wieder verschoben worden. Dieser Auf schub soll seinen Grund darin haben, daß die Geneigtheit des jonischen Parlaments für den Anschluß der Sieben-Jnsel-Republik an Griechenland in letzterer Zeit zweifelhaft geworden ist. Amerika. Obgleich die demokratischen Klubs in New- york nicht aufhören, die Conscription als eine verfassungswidrige Maßregel zu bezeichnen, so ist doch in jener Stadt am 19. und 20. Aug. die Aushebung vorgenommen worden, ohne neue Un ordnungen hervorzurufen. Es waren indessen sehr umfassende militärische Vorsichtsmaßregeln getroffen worden. Auf dem Kriegs schauplätze in Ost-Virginien steht noch Alles beim Alten; die außer ordentliche Hitze verhindert jedwede Operation der Truppen. — Die Belagerung von Charleston dauert fort, doch scheint sich trotz aller Anstrengungen der Bundestruppen die Entscheidung immer weiter hinauszuziehen, während die Einnahme der Stadt schon seit einiger Zeit als nahe bevorstehend verkündet wurde. Dresden vor hundert Jahren. Historische Erzählung von Franz Lubojahky. (Fortsetzung.) Der kaiserliche Hauptmann, in Wien bei den Seinigen angekommen, hatte Gathel's Billet an Egon als Einschluß eines an diesen seinen Freund geschriebenen Briefes durch einen der wöchentlich vom Wiener Hofe mit Depeschen an den Gene ralissimus, Grafen Daun, abgehenden Couriere übermittelt; aber eine Antwort ihr zukommen zu lassen, lag außer allem Gereiche der Möglichkeit für Egon, denn jeder Postverkehr, so schlecht er auch damals noch bestellt war, hatte sein Ende gefunden; eine den Preußen in die Hände fallende Correspondenz, wenn sie auch nichts enthielt, was sich auf die Kriegszustände bezog-, würde die Adressaten in einen Verdacht gebracht haben, der ihr und den Ihren eine Menge Molesten bereitet hätte, und dies mußte Egon verhüten. Aber das Glück stand ihm bei. Der Generalissimus betraute ihn mit einer Sendung an den zu Warschau lebenden sächsischen Polenkönig, welcher die kaiserliche Armee mit vier Uhlanen-Pulks zu unterstützen versprochen. Diese Verstärkung an Cavalerie sollte beschleunigt werden. Egon machte sich zu Warschau mit Gathels Vater bekannt, und die Folge dieser Bekanntschaft war die rückhaltlose Einwilligung deS Vater Hoffouriers hinsichtlich der Liebe seiner Tochter zu dem schmucken kaiserlichen Rittmeister. Theils war es die durch den plötzlichen Tod deS Hofkellerei-Inspektors abgeblaßte Hoffnung oes Hoffouriers, seiner Tochter eine sorgenlose Zukunft zu gründen, theilS sein geschmeichelter Ehrgeiz, einen Offizier, dessen Aus sicht auf Avancement unbestritten war, seinen Eidam nennen zu können, die ihn zu dieser Beistimmung veranlaßten.. ' Am Hofe zu Warschau hegte man keinen anderen Wunsch, als die Preußen aus Sachsen hinausgedrängt zu wissen, aber dieses Wunsches Erfüllung konnte nur dann ermöglicht werden, wenn es gelang, ihnen die beiden Hauptstützpunkte, Dresden und Leipzig, zu entreißen. Schmettau's Drohung, sich mit seiner Garnison in der größten Noth unter Dresdens Trümmern be graben zu wollen, hatte Furcht in aller Herzen erregt, aber die leichtbeschwingte Phantasie fand bald eine Hoffnung auf,. in einem bevorstehenden Kampfe um die sächsische Residenz dem hartnäckigen Feinde im Voraus einen Todesstoß beizubringen, wenn man einen kühnen Mann fand, der die Mission ausführe, in Dresden die preußischen Vertheidigungsanstalten auszuforschen und die, wie man wußte, in Menge daselbst im preußischen Dienste garnisonirenden Sachsen zum Aufstand im Moment deS Angriffs von außen zu veranlassen. Egon erbot sich zu dieser Mission, zu welcher ihn seine Oertlichreitskenntniffe so günstig befähigten und man war erfreut, diesen Plan der Ausführung näher gebracht zu sehen. Man zeichnete Egon aus und der König selbst versprach, an den Generalissimus Daun ein eigenhändiges Schreiben zu erlassen, um ihn für dies Project zu stimmen. Dies war der Inhalt des Briefes Egons an Gathel und der Schluß desselben ganz geeignet, ihr Herz mächtig schlagen zu machen. „Ich weiß," schrieb er, „es ist ein großes Wag- stück, zu dem ich mich verbindlich gemacht habe und von dessen Genehmigung Seiten des Generalissimus ich fest überzeugt bin; aber ich werde Dich sehen, Dich, Du theure Geliebte, und jeder Zweifel am Gelingen dieses Planes flieht auS meinem Herzen. Kann ich meine Liebe zu Dir thatsächlicher beweisen, als eine Mission zu übernehmen, die bei unglücklichem Ausgange mein Leben als Opfer fordert?" Diese Erregung Gathels war so mächtig, daß kein Schlaf in dieser Nacht ihre Augen schloß. Sie war froh, als wieder das Nachtdüster unter den Lichtpfeilen des Morgenrothes schwand, es allmälig zu tagen begann und später aus der Schmiedewerk statt herauf die donnernden Hammerschläge auf dem AmboS ihr zu Ohr drangen. Der August mit seinen abnehmenden Tagen hatte fast da- zweite Drittheil seiner Dauer erreicht, als ein Eilbote dem Gouverneur, Generallieutenant Grafen von Schmettau, ein eigenhändiges Schreiben seines Kriegsherrn überbrachte und schon eine Stunde später hatten sich die Offiziere der Dresdner Garnison auf seine Ordre bei ihm eingefunden. Auf den ersten Blick bemerkten sie, daß eine unheilvolle Nachricht eingegangen sein müsse, denn das strenge Gesicht der Excellenz sah wie mit Wetterwolken überdeckt aus, als er, ein Blatt in der Hand, vor sie hin mit den Worten trat: „Meine Herren, von Sr. Majestät, unserm allergnädigsten König und Herrn habe ich eine Nach richt erhalten^ die ganz und gar nicht geeignet ist, uns Freude zu bereiten. Allerhöchstderselbe verloren vor fünf Tagen eine Bataille bei Kunnersdorf gegen die Russen, mit denen sich, ohne daß es hatte verhindert werden können, der kaiserliche General Laudon vereinigt hatte." Der Generallieutenant machte eine Pause, sein Blick über streifte die vor ihm stehenden Offiziere; dann hob er wieder an: „Se. Majestät haben die Ueberzeugung, daß die Aufgabe, Dresden zu halten, unter so schwierigen Umständen, wo wir keinen Succurs zu hoffen haben, eine fast unausführbare sei, weswegen Allerhöchst Sie folgende Ordre zugeschickt haben." Nach Entfaltung des Blattes las er ein vom 14. Aug. (1759) datirtes Schreiben deS Königs ab: „Sie werden vielleicht schon von dem Unfälle unterrichtet sein, der mich hier (Kunnersdorf) am 12. August gegen die russische Armee betroffen hat. Obschon unsere Angelegenheiten hier dem Feinde gegenüber im Grunde nicht verzweifelt stehen, sehe ich mich doch in dem Falle, zu Ihrer Unterstützung Nicht- absenden zu können. Im Kall die Oesterreicher etwas gegen