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rot Karawanenhandel, hat fruchtbare Umgegend und herrliches Klima; dazu kommt, daß Herat gerade minenwegs zwischen dem kas- pischen Meere und Indien liegt und in militärischer Hinsicht d^n Schlüssel bildet, welcher die bequemste Straße nach Indien eröffnet. Kaiser Nikolaus hatte mtt den mißvergnügten Kürsten in diesem letzteren Lande geheime Verbindungen ange- knüpft, um den Engländern am Indus und Ganges Verlegen heiten zu bereiten; der Schah von Persien war von ihm so gut wie abhängig geworden; es ist also sehr begreiflich, weshalb die Engländer in große Unruhe geriethen, als vor acht Jahren, auf Rußlands Antrieb, der Schah Herat besetzte. Sie rüsteten so fort eine Flotte nach dem persischen Meerbusen aus, besetzten die Insel Karrak, schloffen mit Dost Mohammed noch engere Freundschaft, und hätten den Krieg gegen Persien auf s Aeußerste geführt, wenn der Schah nicht noch zu rechter Zeit seine Beute wieder losgelaffen hätte. Er mußte weichen. Damals wurden im Londoner Parlament folgende inhaltschwere Worte gesprochen: „Eine von Herat nach Indien vorrückende, von russischen Offizieren angeführte Armee könnte unsre Herrschaft im höchsten Grade gefährden. Allerdings würden wir sie vernichten, aber es würde unsre Aufgabe sein, Nordindien wieder zu erobern. Also müssen wir um jeden Preis den Schah zwingen, von Herat abzulassen; er muß nachgeben, denn er hat in Asien die selbe Stellung, wie der Sultan in Europa; Herat ist eine viel zu wichtige Stellung, als daß sie in den Händen einer Macht sein dürfte, welche ihre Bedeutung geltend machen könnte. Der Schlüssel von Centralasien darfnicht in die Hände des russischen Kaisers fallen." Wie großen Werth man in England auf das Alles legte, ergiebt sich daraus, daß 1853 die persische Regierung sich gegen Herrn Murray (damals Gesandter in Teheran, nachher in Dres den) zu einem Uebereinkommen verstehen mußte, demzufolge sie sich verpflichtete, sich all und jeder Einmischung in Afghanistan zu enthalten; sie brach aber das Uebereinkommen 1855, indem sie Herat besetzte. Sofort aber schickten sich die Engländer zum Krieg an, erklärten denselben.am 1. November 1856, besetzten auch Abuschahr und die Euphratmündung. Am 4. März 1857 schloß zu Paris England und Persien Frieden; das letztere ver zichtete ausdrücklich auf alle Souveränetätsansprüche über Herat und Afghanistan, auch auf jede künftige Intervention; bei allen Schwierigkeiten, welche sich erheben, soll es englische Vermitt lung nachsuchen und darf nicht zu den Waffen greifen. Alsdann kehrte der englische Gesandte Murray nach Teheran zurück. Herat bekam nun einens afghanischen Häuptling, Dschan, zum Herrscher, der aber bald mit Dost Mohammed von Kabul in Streitigkeiten gerieth. Der Letztere marschirte gegen Herat und belagerte die Stadt, welche er, den neueren Nachrichten zu folge, eingenommen hat, während persische Truppen gegen ihn anrücken. Ein Zusammenstoß zwischen Persern und Afghanen kann aber weder den Engländern noch den Russen gleichgiltig sein, und der Leser ersieht aus dem Obigen, von welcher Trag weite möglicherweise dieser Streit um Herat abermals werden kann. Drei Brüder und ihre Wege. >. Erzählung aus neuerer Zeit von Franz Lubojatzk§. " . (Fortsetzung.) Der Besuch des Kaufherrn war somit zu Ende. Als der selbe das Zimmer verlassen, sank der Finanzrath in seinen Sessel und bedeckte sein Gesicht mit den Händen. Seine Brust athmete stark und als er sich nach einer langen Weile erhob, entschlüpften seinem Munde einzelne Laute, die mehr auf Angst als auf eine sonstige Gemüthsstimmung deuteten. Ein tiefes schweres Denken Lagerte wie ein finsterer Schatten auf seiner Stirn und die ohne hin bleichen Züge seines Gesichtes sahen leichenhaft aus. Endlich, nachdem er auf dem weichen Leppich eine Zeit lang auf und nieder gegangen war, verließ er sein ArbeitScabinet und begab sich nach dem Zimmer seiner Gemahlin. Ehe er dasselbe erreichte, wurde seine Aufmerksamkeit durch eine weinende Stimme in einem der Zwischengemächer erregt; er blieb stehen und hörte die Worte der drinnen Weinenden: „Wie tief demüthigen Sie mich, gnädige Fftau! Das kann Ihnen ja der liebe Gott nicht ver geben, wie Sie gegen ein armes Mädchen verfahren!" Der Finanzrath öffnete und trat ein. Melanie eilte aus» ihn zu, ergriff in großer Angst seine Hand und bat ihn, die Hellen Thränen in Augen und auf den Wangen: „Ach schützen Sie r mich, Herr Finanzrath, vor der Schande, mit der Ihre gnädige Frau Gemahlin mich überhäuft!" „Ich bedauere, Fräulein, daß meine Gemahlin sich so weit vergessen konnte vergeben Sie," entgegnete der Finanzrath mit einem Tone, in welchem der Zorn vorherrschte. „Wie? Was soll das?!" rief die Gnädige empört, ... „will man mich prostituiren vor solch' einer Creatur?" . Ohne: ihr eine Antwort zu geben, schritt ihr Gemahl auf sie zu, erfaßte hart ihre Hand und wollte sie aus dem Zlmmer führen. .. .! . „Sind Sie toll?" rief die Gnädige mit dem Versuche, sich ihm zu entringen. : „Etwas," antwortete der Gefragte mit einem seltsamen Lächeln, dann neigte er sich rasch, zu ihrem Ohr und flüsterte ihr einige Worte zu, welche die bedeutendste Wirkung bei ihr äußerten, denn wie von einem Schauer ergriffen, fuhr die dünkel hafte Krau zusammen und folgte, willenlos geworden, ihrem Ge mahle aus dem Zimmer, in dem außer Melanie noch Fräulein Emmeline nebst zwei Damen, gute Freundinnen von deren gnä digen Mama, zurückblieben, bestürzt von dom, was sie soeben erlebt und nicht deuten konnten. Melanie Müller hatte eine schlimme Erinnerung aus dem finanzräthlichen Hause mitgenommen. Zur Anprobe des Ball kleides war Fräulein Emmeline mit der gnädigen Mama und den beiden, die Letztere besuchenden Damen gekommen. Die Kleidtaille saß wie angegossen; aber es lag in der Manier der Finanzräthin, an Allem einen Tadel herauszufinden; Melanie wagte einen Widerspruch, was die Gnädige ungemein erbitterte. Eine der beiden Freundinnen glaubte sich berufen, der gnädigen Frau Räthin beizustehen, indem sie äußerte: sie dürfe sich gar nicht wundern, Widerspruch bei dieser Person zu finden, die unter dem Scheine bescheidener Sittsamkeit die Gemeinheit soweit treibe, jungen Herren in Wirthshäusern Rendezvous zu geben. Man wisse sehr gut, daß sie im „Wallfisch", mit Herrn Ehrhard zu sammentreffe; man habe sie sogar belauscht, wie sie vorgestern gegen Mitternacht am Arme dieses Herrn das genannte saubere Wirthshaus verlassen und gelacht und geschäkert habe. Es bedurfte nur einer solchen Rede, um die Krau Finanz räthin in einen Zorn zu versetzen, welcher sich in den stärksten Schmähungen und Beschimpfungen Melanie's kund gab, dieser jedes Wort der Verteidigung ihrer Ehre abschnitt und sogar in Tätlichkeiten überzugehen drohte. Der Eintritt des Finanz- rathes und sein ungewöhnliches Benehmen gegen seine Gemahün rettete das arme Mädchen vor jedem weiteren Zornausbruch der Gnädigen und da nach einem solchen Melanie s jungfräuliche Ehre auf s Grausamste verletzenden Auftritte das Verbleiben in diesem Hause für sie nur als ein, von ihrer Seite gemachtes Zugeständnis der ihr aufgebürdeten Unehre gewesen sein würde, so verließ sie sogleich, nachdem die Gnädige mit ihrem Gemahle sich entfernt hatte, das Arbeitszimmer, ohne Fräulein Emmeline ein Wort von ihrer Absicht zu sagen, : das Haus für immer zu verlassen. . n . Melanie weinte noch viel Thränen über die erlittene Schmach. Nur ihrem Bruder vertraute sie, was ihr geschehen und dieser fand es für geeignet, davon zu schweigen, weil, wenn Herr Ehr hard ein Wort von dieser auch auf seine Person gebürdete In famie erführe, dies böse Auseinandersetzungen gegenüber dem Finanzrathe und seiner Gemahlin veranlassen würde, zumal Herr Ehrhard nichts mehr von Fräulein Emmeline wissen wolle und sich täglich mehr herausstelle, wie sehr er das gute stille Lenchen recht von Herzen liebe und dann dürfte auch mcht übersehen werden, daß zwischen den beiden Brüdern Frosch, dem Finanzrach und dem Schmiedemeister, ein arges Zerwürfniß obwalte, welches dadurch wieder neue Nahrung erhalte. Wie Verabredung schien eS, daß in Meister DanieLS Ka mille des Herrn Bruders Finanzrath auch nicht mit einer Silbe erwähnt wurder selbst Frau Dore, die doch zuweilen unbesonnen in s Zeug hinemschwatzte, beobachtete in diesem Punkte eine ihr