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tig, wie in großer Eile geschrieben. Und in großer Eile war auch die mir gänzlich unbekannte Person, die da- Recept machen ließ. Dazu blS über die Nasenspitze in ein braune- Luch ver mummt." Da- Alles war sehr auffällig, besonders, da es eine nicht geringe Quantität Morphium betraf. Dem Anscheine nach hatte sich Jemand durch Nachahmung der Handschrift des Arztes in den-Besitz der GifteS gesetzt. Aber wer? Zu welchem Zweck? Das Benehmen der Frau, ihre dichte sorgfältige Verhüllung war allerdings verdächtig. Dem Arzt erschien die ganze Geschichte abenteuerlich. Einen solchen Mißbrauch seiner Namenschiffre konnte er nicht ruhig hingehen lassen, besonders da es sich um eine solche Dosis Gift handelte. Die Sache wurde also zur Anzeige gebracht. Doch obwohl der Provisor die neuen graubaumwollenen Handschuhe genau beschrieb, vermochte dennoch die Polizei durch Nachfor schungen unter der Hand nichts zu erfahren. Von den wenigen Personen, die sich bei dem schlechten Wetter auf der Straße be fanden, hatte mehr als ein weibliches Individuum das Tuch zum Schutz gegen den Regen über den Kopf geschlagen. Eine öffentliche Bekanntmachung im Anzeigeblatt ward aber durch Zu fall um einige Tage verspätet. H- Eine hohe schlanke Frauengestalt saß, den Kopf in die Hand gestützt, an dem zierlichen Nähtisch. Es mochten nicht eben heitere Gedanken sein, die sie beschäftigten; denn ein Seufzer nach dem andern entschlüpfte ihrer Brust. Jetzt richtete sie sich auf und sagte leise vor sich hin: „Geduld und Nachsicht — wie leicht ist das gesagt, und wie schwer ist es zu üben! Mir liegt auch wohl Beides sehr wenig in der Natur, sonst würde ich nicht dazu gekommen sein - es ist offenbarer Wahnsinn!" Hastig öffnete sie den Tisch und ein darin verborgenes, kleines Fach. „Es brennt mir auf der Seele, wie ein Verbrechen; ich begreife mich selber nicht. Und noch weniger, wie ich darin nur einen Moment Trost und Beruhigung finden konnte." Mit zitternder Hand hatte sie einen Papierstreifen hervor genommen, riß ihn in kleine Stücke und diese wiederum quer durch. „Wenigstens sollte ich nun, da ich selber nicht schuldfrei bin, duldsamer sein". Wieder steckte sie die Hand in das kleine Behältniß, um einen zweiten Gegenstand hervorzuholen. Der Eintritt der Köchin mit einer Frage ließ sie erschreckt innehalten und hastig das Fach und auch den Tisch schließen. Der Ausdruck von Kummer und Sorge wich einem heiteren Lächeln, als sie sich nach der Dienerin umwandte: „Ich komme selbst; der Herr wollte heut früh zum Essen da sein, wir müssen uns also beeilen." Ber dem raschen Aufstehen beachtete sie es nicht, daß die Papierstückchen von ihrem Schooß unter den Tisch auf den Lep pich fielen. Nach einiger Zeit kehrte sie auS der Küche zurück und warf einen erwartungsvollen Blick zum Fenster hinaus. Dann nahm - sie den früheren Platz wieder ein und ihre Handarbeit auf. Die eifrige Förderung derselben hinderte indeß mcht die düsteren Ge danken, sich wieder geltend zu machen. Endlich öffnete sich abermals die Thür, um einen etwa neunjähngen Knaben nut dem Schulränzel einzulaffen. „Allein, Arnold, und ohne Ueberschuhe? Hat Hanna sie Dir nicht gebracht? Sie sollte Dieb mit Leo abholen." „Nein", war die kurze Antwort nach dem ebenso kurzen Gruß. Der Knabe wandte sich zum Gehen. Sie ließ das Jäckchen, an welchem sie nähte, sinken, rief ihn heran und schaute ihm prüfend ins Gesicht. Er ertrug diesen Blick nicht und schlug die Augen nieder. Um den Mund zuckle es wie verhaltenes Weinen, und die vor springende Stirn wies die Lrotzfalte auf. Nur widerstrebend überUeß er ihr seine Hand. „Warst Du unaufmerksam? Bist Du getadelt worden oder heruntergekommen?" fragte sie mit jener sanften Eindringlichkeit, die so sehr geeignet ist, das verstockte oder bedrückte Kindesherz zu erschließen. Vorhin, als sie einsam bei der Handarbeit saß und nur mechanisch die Augen sich zuweilen nach der Straße wandten, lag auf dem blaffen, eingefallenen Antlitz ein Ausdruck von Bitterkeit und Strenge, wie ihn geheimer Kummer oder verwundeter Stolz so oft dem Gesicht einer edlen Frau aufprägt. Jetzt sprach aus ihren Zügen nur die unerschöpfliche Liebe und Güte der Mutter neben jener wehmüthigen Heiterkeit, mit welcher der Erwachsene, in Erwägung der Lasten, die seine Seele drücken, auf die Leiden der Kindheit herniederlächelt. „Mir, Arnold, kannst und wirst Du doch Alles sagen, was Du hast?" fügte ie zärtlich hinzu, als er auf ihre Fragen nur durch ein Kopf- chütteln geantwortet hatte. Mit jäh hervorbrechender Heftigkeit schlang der Knabe seine Arme um ihren Hals und drückte sein Gesicht an ihre Schulter. In lauten ungleichen Athemzügen hob sich die kleine Brust, und er schwieg eine Weile um erst die aufsteigenden Thränen nieder zukämpfen. Liebkosend strich sie über den braunen Krauskopf und ließ ihn seine Fassung wiedergewinnen, ehe sie zum Reden drängte. Ein Ausdruck von Unruhe und Unsicherheit trat dabei in ihr Gesicht, wie ihn die ohne Zweifel unbedeutende Ursache der knabenhaften Erregung kaum verdiente, wie ihn nicht einmal die Bestürzung über eine solche Heftigkeit Hervorrufen konnte. Doch bezwang sie diese Regung schnell, da sie überhaupt an strenge Selbstbeherrschung gewöhnt war. Er begann auch von selber sein Herz zu erleichtern. „Mutter, ich — ich schäme mich für — den Vater!" Erschreckt fuhr sie zusammen. (Fortsetzung folgt.) Dresdner Nachrichten vom 5. October. — Wie man neuerdings in militärischen Kreisen erzählt, wird im Königreiche Sachsen eine Reduktion der Garnisonen eintreten, welche vornehmlich die kleinen Städte treffen dürste, die sich zu Plätzen für größere militärische Körper nicht zu eignen scheinen. Löbau, Marienberg und Döbeln werden beispielsweise als solche genannt, die ihre bisherige Garnison verlieren werden, dagegen soll man beabsichtigen, die Gar nisonen von Dresden und Leipzig ansehnlich zu vermehren und zu dem Ende Kasernenbauten auszuführen. — Der Geh Regierungsrach v. Pflugk ist infolge eines Schlaganfalles plötzlich verschieden. Ec war in den Jahren 1855 — 1857 Ehef der hiesigen Polizeidirektion und Gatte der ehemaligen Host schauspielerin Marie Michalesie. — Nach einer Bekanntmachung des Finanzministeriums ist zwischen dem Zollverein und den mecklenburgischen Großherzogthümern, sowie der Hansestadt Lübeck ein völlig freier Verkehr eingetreten. In Bezug auf Lauenburg und die angeschlossenen Hamburger Gebietstheile hören die bisher stattgehabten Beschränkungen auf. — In welcher erfreulichen Weise wissenschaftliche Bestrebungen auch auf dem Lande Eingang und praktische Bethätigung gefunden haben, davon gab die in den Tagen vom 26. bis 29. Sept, in der Dampf- schiffwartehalle des Gasthofsgartens zu Loschwitz abgehaltene Ausstellung der Gesellschaft für angewandte Pflanzenkunde ein beredtes Zeugniß. Deutete einerseits die an pruchslose aber nichs desto weniger einen freundlichen und günstigen Eindruck machende Ausschmückung der Halle und die nahezu neunzig Einsendungen von vorzüglichen Frucht- und Blumenkollektionen rc. auf die rege Betheiligung der Mitglieder und Freunde dieses landwirthschaftlichen Vereines, so sprach andrerseits der überaus zahlreiche Besuch für das Interesse, da- der artige Schaustellungen stets beim Publikum finden. Möchte das Be ilreden, das die Gesellschaft -für angewandte Pflanzenkunde A befürdem sich angelegen sein läßt, stets durch guten Erfolg belohnt werden und namentlich die Verbesserung des Obstbaues, der nur da, wo er mit Liebe und Verständniß gepflegt wird, dann aber auch in noch nicht genug gewürdigter Weise sich dankbar erweist, auch anderwärts Nach folge finden. — In dem nahen Dorfe Klotzsche kam am 2. Oct. Mittags bei dem Begüterten Naumann daselbst, welcher mit vielen anderen Bewohnern des Dorfes z. A. zum Markte in Dresden war, Feuer aus und griff bei der großen Dürre und dem gänzlichen Wassermangel mit reißender Schnelligkeit um sich, so daß in ungefähr einer Stunde 12 Bauergüter und 12 Gatten- und Häuslerwohnungen in Klammers