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hew«. ,/Unser moderner Staat", sagt die „Presse", „ruft zwar dk Mtger zu selbstthätiger Mitwirkung auf, er gestattet aber nicht, die Organisation unter einander zusammenhängender po litischer Vereine, welche den frommen Genossenschaften entgegen treten könnten und wacht ängstlich darüber, daß die Presse den Hirtenbriefschreibern gegenüber, welche ungestraft ihre Brand- schviften in das Volk schleudern dürfen, sich keine „Ausschreitungen" erlaube. Er bevormundet die weltliche Erziehung, läßt aber die Ausbildung des Priesternachwuchses in den Knaben- und Kleriker- Seminarien ohne genügende Aussicht; kurz er fristet in Allem und Jedem soweit es sich um den Kampf mit dm Missionären deS Syllabus- handelt, lediglich auf momentane Abwehr bedacht, seine Existenz von der Hand in den Mund, während seine Gegenpartner, auf breiter historischer Grundlage fußend, nur in den gewohnten überlieferten Bahnen zu verharren brauchen, um den Liberalismus zu ermüden und selbst ohne Staatsstreich all- malig wieder nach einigen Sessionen allerwärts das Oberwasser zu erlangen. Will sich der moderne Staat solchen Feinden gegen über behaupten, muß er zu anderen nachdrücklicheren Waffen greifen, als bisher, und aus der Defensive in die Offensive über gehen; zu einer Offensive, eben so rücksichtslos, wenn es noth thut, nue die der Gegner, welche er bisher nur gereizt, aber nicht gebeuat hat." Italien. Die französische Diplomatie hat in der italie nischen Politik einen Sieg errungen, der in demselben Augen blicke, wo es sich um Italiens künftige Allianzen handelt, sehr bezeichnend ist. Der neue Vertrag, den Menabrea mit Frank reich wegen Bezahlung des römischen Schuldentheiles geschloffen hat, ist höchst demüthigend für Italien. Die Kurie kennt nach wie vor kein Königreich Italien; sie zahlt nach wie vor die Zinsen für alle ihre (auch von Italien annektirten) Pro vinzen im Bettage von 35 Millionen, Italien aber steckt dem Kaffer der Franzosen jährlich 17 Mill, in die Tasche, die er dann unter vier Augen jährlich dem Papst zustellt. Ueber Ein zelnes, wofür Italien noch etwa U Millionen zu zahlen haben wird, hat man sich noch nicht geeinigt. Louis Napoleon sigurirt hier also als wirklicher Protektor des weltlichen Papstthums. — Die römische Kurie soll die bekannte Note des Freiherrn v. Beust in ganz entschiedener und abweisender Art beantwortet haben. Der nähere Inhalt des Schriftstücks ist noch unbekannt. JEankreich. Der Kaiser hat am 14. d. M. die Revue über die Nationalgarde und die Armee von Paris abge halten. Um 3 Uhr Nachmittags verließ er in Begleitung des kafferlichen Prinzen die Tuilerien zu Pferde und ritt die Fronte der Truppen herunter, welche im Garten der Tuilerien und in den elisäischen Feldern aufgestellt waren. Das Publikum empfing ihrN mit lebhaftem Zuruf. Die Kaiserin verließ etwa zehn Minuten vor dem Kaiser die Tuilerien und begab sich die Front der Truppen entlang nach dem Elisse. Die Revue verlief ohne Unfälle in befriedigender Weise. In einem Tagesbefehl drückt Marschall Canrobert, Kommandant des ersten Armeekorps, die Befriedigung des Kaisers über die Haltung der Truppen aus. — Am 15. d. M. empfing Louis Napoleon das diplomatische Korps in den Tuilerien. — Der „Moniteur" veröffentlicht den Bericht' de- Finanzminister Magne über den Erfolg der Anleche. 781,292 Personen haben gezeichnet. Die verlangte Summe ist fast 34 Mal überstiegen. Aus dieser außerordentlichen Bereit willigkeit des Publikums folgert der Bericht, daß die Rente in ihrem gegenwärtigen Kursstand ihren wahren Ausdruck nicht findet. Die Größe der eingezahlten Summe, heißt es, giebt eine richtigere Idee von dem angehäuften Reichthume; das Gesammt- resaltat ist die sprechendste Manifestation der Größe Frankreichs, seines Vertrauens in sich selbst, in seine Institutionen und in die Weisheit des Souveräns. — Die Tarifreduktion für den Getreide- Transport auf den französischen Eisenbahnen ist vom 15. August bis 15. October verlängert worden. — Rochefort, der Redakteur der „Lanterne", wurde am 14. d. M vom Zuchtpolizeigericht zu einem Jahr Gefängniß und 10,000 Frcs. Geldstrafe, der Drucker Dubuisson zu zwer Monaten Gefängniß und 2000 Frcs. Geld strafe verurtheilt. Von beiden Angeklagten war keiner erschienen. — Bei det-letzten Prtisvertheilung im Quartier Latin weigerte sich der junge Cavaignac, eine Prämie aus den Händen des Unterrichtsministerß ent» lgnac auf stürmischen auf welcher neben den Unterrichtsminister, der kaiserliche Prinz saß, den Preis in Empfang zu nehmen. Der junge Cavaignac rührte sich nicht von seiner Bank. Herr Duruy wiederholt den Namen, ein Professor winkt den Knaben nach der Estrade, dieser zögert und macht eine Bewegung. Da erhebt sich ihm gegen über eine Dame und bedeutet ihm durch eine energische Geberde, auf seinem Platze zu bleiben — es war seine Mutter, die Wittwe des Generals. Sle wird erkannt und nun bereiten die Anwesen den ihr und ihrem Sohne eine förmliche Ovation, die Zöglinge selbst brachen in ein stürmisches Beifallsklatschen aus, der junge Cavaignac verbirgt erröthend sein Angesicht und Herr Duruy gewinnt mit Mühe das Wort, um zu dem nächsten Namen der Preisliste zu schreiten. „Der junge Erbe des Namens Cavaignac", sagt ein Abendblatt, „wollte keinen Händedruck von dem Sohn Jenes empfangen, der seinen Vater nächtlicher Weile, wie einen Verbrecher, in einen Zellenwagen werfen und von Mazaz nach Ham brinaen ließ." Rußland. Die Wald- und Moorbrände, welche in der Umgegend von Zarskoje-Selo und Colpino durch ein getretenen Regen gelöscht schienen, haben um die Mitte der ver gangenen Woche wieder begonnen. Besonders heftig wüthet der Brand in der Gegend der halben Entfernung zwischen ZarSkoje- Selo und Petersburg. Schwere Rauchwolken erheben sich schon ungefähr 20 Faden von der Fahrstraße und verhüllen die Um gegend weit und breit. Amerika. Das brasilianische Ministerium hat seine Entlassung gegeben, weil es die Ernennung eines Senators miß billigte. Das neue konservative Kabinet wurde am 16. v. M. gebildet. Am folgenden Tage nahm die Kammer mit 85 gegen 10 Stimmen eine gegen dasselbe gerichtete Resolution an und wurde infolge dessen aufgelöst. Die neue Kammer tritt erst am 3. Mai 1869 zusammen. - Vom südlichen Kriegsschauplätze wird gemeldet, daß 9 paraguitische Fahrzeuge am 12. Juli einen An griff auf 2 brasilianische Panzerschiffe machten und zurückge schlagen wurden. Unterrichtsministerß entgegen zu nehmen, weshalb es zu einigen stürmischen Auftritten kam, wie sie im Quartier Latin öfters stattzufinden pflegen, ohne daß denselben bis jetzt eine größere Bedeutung beizulegen gewesen wäre. Ein Schüler, welcher Cavaignac wegen seiner Demonstration allzu lauten Beifall zu rief, wurde rellgirt, Cavaignac selbst verließ freiwillig die Schule. Die betreffende Scene wird in französischen Blättern folgender maßen ^geschildert: „Als der Unterrichtsminister Cavaignac auf rief, wurde der bloße Name von den anwesenden mit stürmischen Beifall begrüßt. Alle Blicke richten sich nach der Schülergruppe, aus welcher der Knabe hervortreten sollte, um an der Estrade, Die Rache der Schwalben. Erzählung von Ferd. Stolle. (Fortsetzung aus Nr. 63.) Im Gefängniß. Wenn sich ein Untersuchungsrichter einmal in den Kopf ge setzt hat, einen Inquirenten für schuldig zu finden, wird er auch kein Mittel unversucht lassen, um seinen Zweck zu erreichen. Auch Doctor Neidhardt, der schon immer nach einem Aufsehen erregen den Criminalfalle, einer oau86 eMdre, und umfangreichen Unter suchung gelechzt, bot darum sein ganzes inquisitorisches Genie auf, um durch alle nur denkbare 'verfängliche Fragen Stephan auf's Glatteis zu führen und ihn, wenn auch nicht zu sofortigem Ge- ständniß der That — denn daß Stephan den Mord selbst be gangen haben sollte, glaubte der Doctor nicht — so doch zur Namhaftmachung von Mitbetheiligten und Mitschuldigen zu ver anlassen. Als würdiger Mitarbeiter stand ihm hier Hilsebein zur Seite, der selbst verbotene Mittel und Quälereien aller Art mcht scheute, den Jnhaftkrten zu irgend einem Geständniß zu bringen. „Ja," seufzte der Frohn, wenn er ohne seinen Zweck erreicht zu haben, die Gefängnißzelle verlassen hatte, „hier kann man wieder recht sehen, was wir an der alten braven Folter verloren haben. Hätten nur diese noch, wenn auch nur die Daumschrauben, wollt' ich diesen hartnäckigen Sünder bald mürbe machen. So muß ich mich auf diese Lappalien beschränken und auch hier nicht