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MGMWMSMWWMWWW 18. Mgust 1888 Dienstag, Neustadt« Dresden, in der Expedi tion, N.Meißn, Gasse Nr. 3, zu haben. Kreist" vierteljährlich l2'/»Rgr. Zu beziehen durch > alle kgl. Post- Anstalten. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. . i r Redigirt unter Berantwortlichkeit des Verlegers E. Heinrich. !I'_^ I >> >. Politische Weltschau. Deutschland. Zunächst liegt uns heute ob, auf die Mittel hinzuweisen, durch welche nach unserem Dafürhalten der immer weiter um sich greifenden politischen Apathie im deutschen Volke wirksam zu begegnen sei. Jedermann kennt den Ursprung des jetzigen Regiments. Blut und Eisen hat es fundamentirt und was aus diesem Material erbaut wird, kann sich niemals einer sittlich wirkenden Idee rühmen. Das eben ist der Fluch solcher Schöpfungen, daß sie mit ihrer rohen Macht alles geistige Sein der Nation in Stillstand versetzen. Die Ordnung von Blut und Eisen reglementier auch die Frei heit und damit vernichtet sie dieselbe. Entzieht man aber dem politischen Körper die naturgemäße Freiheit, so ertödtet man in ihm die Wärme des Herzens und es tritt ein matterer Puls schlag, eine krankhafte Erkältung ein. Sehen wir es doch an allen Völkern, die unter die bloße ideenfeindliche Macht gestellt sind: sie verfallen in eine politische Apathie, ja in eine geistige Armuth, die sich bei ihnen oft zum völligen Widerwillen gegen jede höhere Idee steigert. Warum sollte man denn heute die Einheit Deutschlands nicht ebenso sehr für ein Glück ansehen, als früher, wo sie in Liedern und Reden verherrlicht wurde? Nicht die Idee selbst, sondern deren Verwirklichung als Militär- und Steuercentralisation bildet den Gegensatz, in dem sich ein großer Theil des deutschen Volkes zur heutigen Ein- heitStendenz befindet. Nach unserer jetzigen Einrichtung wächst der Staat ins Allmächtige und die Einzelheit der Person, der Gemeinde, der Provinz rc. wird dadurch erdrückt, zumal man in der Staatsmacht den Feind des Volksthümlichen erwachsen sieht. Eine. Einheit Deutschlands, in welcher der gemeinsame Staatsgedanke des deutschen Volkes durch eine fähige Regierung vertreten ist^ wird Niemand bekämpfen wollen. Preußen ist hierzu allerdings der kräftigste deutsche Staat. Aber wir wünschen die Einheit nicht in Form centralisirter Regierungsmacht zu Gunsten einer Dynastie, sondern zu Gunsten der gemeinsamen deutschen Volksinteressen. Deshalb muß erstrebt werden: mög lichste Freiheit, möglichstes Recht jedes Einzelnen; eine Gemeinde- und Städteordnung, welche die Kommune in ihren inneren An gelegenheiten selbständig macht und den Staat mit seiner Ein mischung beschränkt. Im Zusammenhänge damit stehen die Einrichtungen für größere Verbände, als Kreise, Bezirke, Provinzen u. s. w. — mit einem Wort: wir verlangen eine Reform der jetzigen Bundesgesetzgebung, welche geeignet ist, die Lheil- nahme des Volkes an der politischen Gestaltung der vaterländischen Verhältnisse wieder in Fluß zu bringen. Und haben wir nicht ein Recht zu diesem Verlangen? Ist uns nicht oft genug zu gerufen worden: Laßt nur erst das Gebäude unter Dach und 'Fach gebracht sein, der wohnliche Ausbau wird alsdann schon erfolgen! Aber von dem Ausbau war bis jetzt noch blutwenig, ja gar' nichts zu spüren. Vielleicht ist es als ein günstiges Zeichen der Zeit zu betrachten, daß nicht blos von unserer d. h. von liberaler Seite diese Forderung erhoben wird, sondern auch von Männern hochkonservativer Richtung. So z. B. schlägt der Reichstags- abgeordntte Graf zu Münster in einer Broschüre vor, daß der König von Preußen den Titel als Kaiser von Deutschland Arrtßi-stn Jahrgang. IH. Quartal. annehmen und daß an Stelle des Bundesrathes ein verantwort liches Bundesministerium und ein Fürstenhaus treten solle, in dem die Fürsten der Bundesstaaten, die volljährigen Prinzen des preußischen und sächsischen Königshauses u. s. w. sitzen würden, wogegen das preußische Herrenhaus in Wegfall kommen und die Verfassungen der Bundesstaaten überhaupt sehr verein facht werden müßten. Der Schwerpunkt des deutschen Reiches sei in den Bund zu verlegen und die Bundesstaaten gewisser maßen als Provinzen zu decentralisiren. Weit entfernt, auf diese Vorschläge hier näher eingehen zu wollen, konstatiren wir schließlich nur die Thatsache, daß sich jetzt schon in allen Kreisen das Bedürfniß nach einer Reform unserer Bundesgesetzgebung ausspricht. Ein besseres Zeugniß für deren Mangelhaftigkeit dürfte kaum beizubringen sein, und deshalb erachten wir es nicht nur für Pflicht der Presse, sondern namentlich für Pflicht unserer Reichstagsabgeordneten, in ihren Wahlkörpern dem Reformaedanken entschiedenen Ausdruck zu geben und damit das Volk selbst wieder zu politischer Thätig- keit zu ermannen. Preußen. König Wilhelm verweilte die letzten Tage der vergangenen Woche in Wiesbaden, woselbst er der feier lichen Grundsteinlegung für das neue Militärkurhaus bei wohnte. Anfang dieser Woche begab sich der König nach Hom burg, wo er bis Ende dieses Monats zu bleiben gedenkt. — Nach Mittheilung preußischer Blätter geht die Regierung mit dem Plane um, eine Besteuer-ung der Börsengeschäfte herbei zuführen. Der betreffende Gesetzentwurf soll bereits alle Stadien der Berathung in den einzelnen Ressort-Ministerien durchlaufen haben, um nach Genehmigung des Gesammt-Ministeriums dem nächsten preußischen Landtage, oder wie man andererseits wissen will, dem norddeutschen Bundesrath vorgelegt zu werden, da das Gesetz für das ganze Gebiet des norddeutschen Bundes erlassen werden soll. Der Betrag dieser Steuer wird auf jährlich acht Millionen Thaler veranschlagt, doch wollen wir vorläufig die ganze Nachricht noch für eine politische Ente halten, welche der ereignißlosen Zeit ihre Entstehung verdankt. Jetzt schon wieder den Bund mit neuen Steuern belasten wollen, hieße ja wahr haftig den Bogen bis zum Brechen anspannen. Etwas mehr Klugheit trauen wir doch der preußischen Regierung zu. — Preußen hat nun auch Kugelspritzen. Ueber Schießversuche mit denselben entnehmen wir der „Ostpr. Ztg." folgenden Bericht aus Königsberg: ' Mit der neuen „Infanterie-Kanone" haben dieser Tage die Offiziere und Unteroffiziere des 43. Regts. Schießversuche angestellt, die sehr befriedigende Resultate geliefert haben. Die von hinten ladbare Infanterie-Kanone ruht beim Abschießen auf einem Untergestell; der Schütze legt sie mittelst eines Bügels über die Schulter und stemmt sie beim Abdrücken gegen die Brust. Der Rückschlag wird durch eine Spiralfeder sehr gemildert und äußert sich nur noch äußerst gelind. Das Geschütz hat 37, von einem gemeinschaftlichen cylinderischen Mantel umgeschlossene Rohre, 12 mehr als die französische Revolver- Kanone. Die Rohre liegen am Lade-Apparat fest an, während sie bei der französischen beweglich sind. Dafür ist bei unserer Kugelspritze das Bodenstück beweglich. Dieses enthält den aus 37 Zündstiften^ und Spiralfedern kombinirten Entzündungs-Mechanismus. Zwischen . - 64