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Neuftadt- Dresden, in der Expedi tion, N.Meißn. Gaffe Rr. S, -u haben. Sächsische DocheitmS. Vret-t »ietteljährUH IS'/r Ngr. Au beziehen dmch alle tgl. Poft- Gnftaiten. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Erscheint jeden Dienstag und Freitag früh. Redigirt unter Verantwortlichkeit des Verlegers E. Heinrich. Politische Weltschau. Deutschland. Die Thronrede, womit am 30. Mai Se. Majestät König Johann die Session unseres Landtags schloß, lautet: „Meine Herren Stände! Der Landtag, welcher heute ge schloffen wird, bildet in seiner zweimal unterbrochenen Thätigkeit einen der wichtigsten Abschnitte des sächsischen Verfassungslebens. War es in der ersten Periode desselben zunächst Ihre Auf gabe, den durch politische Ereignisse nothwendig gewordenen Aenderungen in der äußeren Stellung Sachsens die gesetzliche Sanktion zu ertheilen, so haben Sie durch ungesäumtes und entschlossenes Vorgehen in diesem Bezüge den geänderten Ver hältnissen schnell eine neue legale Grundlage gegeben und da durch wesentlich mit dazu beigetragen, daß Sachsen auch in dem neubegründeten norddeutschen Bunde eine geachtete Stellung erlangt hat. Im ferneren Verlauf kam es darauf an, auch unsere inneren Verhältnisse der neuen Ordnung der Dinge anzupaffen und an denselben mit ungebrochenem Muthe die für zweckmäßig erkannten Verbesserungen anzustreben. Zunächst mußte unser Staatshaushalt auf neuer Grundlage geordnet werden und hier gereicht es mir zu besonderer Zufrieden heit, aussprechen zu können, daß, ohnerachtet der unvermeidlichen finanziellen Opfer und Mehrausgaben, es den vereinten Bemüh ungen der Regierung und der Stände gelungen ist, diese neue Ordnung kn einer Art zu bewirken, durch welche weder den Steuer pflichtigen drückende Lasten auferlegt, noch die Ausgaben für dringende Bedürfnisse der Verwaltung über die Gebühr beschränkt werden. Dieses günstige Resultat hat sogar den Entschluß er möglicht, den Staatskredit in erweitertem Maße anzustrengen, theils um den Garnisonsstädten die Last der Einquartierung zu erleichtern, theils um neue Eisenbahnbauten ins Leben zu rufen, welche hoffentlich durch Ihren Einfluß auf Erhöhung des Volks wohlstandes und der Steuerkraft des Landes die augenblicklichen finanziellen Opfer reichlich aufwiegen werden. Eine wichtige Angelegenheit, die schon oft Ihre Thätigkeit in Anspruch genommen hat, die Berathung der neuen Kirchen- und Synodalordnung für die evangelisch lutherische Kirche Sachsens, ist diesmal zu einem befriedigenden Resultate gelangt. Ist da durch die Stellung der Kirche zum Staate eine freiere und klarere geworden, so hoffe ich auch, daß die den Kirchengemeinden und der Gesammtheit der Kirche gewährte freiere Theilnahme an den kirchlichen Angelegenheiten dazu beitragen werde, das im Volke tief begründete religiöse und sittliche Element zu beleben und zu stärken. Und wie durch das von Ihnen genehmigte EmeritirungS- gesetz für Volksschullehrer die Lage der Letzteren wesenlich günstiger werden wird, so haben Sie auch durch mehrfache Bewilligungen Ihr lebhaftes Interesse für unsere Bildungsanstalten aufs Neue bewährt. Auch die zum Schluß gelangte Revision der Bergordnung,' durch welche das Princip der Gewerbefreiheit auch auf d-en Berg bau in weitrer Ausdehnung angewendet wird, ist neben dem Zustandekommen mehrerer anderer nicht unwichtiger Gesetze unter den erfreulichen Ergebnissen dieses Landtags zu nennen. ArtHigstn Lahr-au^ H Guarta!. Daß eS Ihnen gelungen ist, noch in den letzten Tagen Ihrer ständischen Wirksamkeit die Vorlagen, welche die Einführung deS Geschwvrneninstituts betreffen, zur Verabschiedung zu bringen, habe ich mit besonderem Danke anzuerkennen. Bei der politischen Bildung, welche das sächsische Volk durch die längere Theilnahme an öffentlichen Angelegenheiten erlangt hat, hoffe ich, daß dieses Institut sich bei uns rasch einleben und um so günstigere Re sultate gewähren wird, als sein Princip in den Gesetzen rein durchgeführt und von lästigem Formalismus befreit ist. Ein wichtiger und mit Gottes Hilfe segensreicher Schritt ist auch durch die beschlossene Abschaffung der Todesstrafe geschehen. Die Frage ist so ernster Natur und greift so tief in das mensch liche Gewissen, daß jede aufrichtige Ueberzeugung, sei sie auch von der eigenen verschieden, hier vor Allem Achtung gebietet, und es war mir daher auch weder unerwartet, noch unerwünscht auf Widersprüche zu stoßen. Auch mir ist der Entschluß nicht leicht geworden. Er ist aber hervorgegangen nicht aus blos theoretischen Bedenken, sondern aus der Erwartung, daß bei der nach dem Charakter des sächsischen Volks anzunehmenden Entbehrlichkeit diefts Strafmittels für die gewöhnlichen Verhält nisse seine Beibehaltung den entgegenstehenden gewichtigen Zwei feln gegenüber nicht ferner gerechtfertigt erscheine. Und so hoffe ich denn, daß bei gemachten günstigen Erfahrungen Sachsen die Ehre Vorbehalten ist, einen Schritt gethan zu haben, der vielleicht in weiteren Kreisen dereinst Nachahmung findet. Wenn Sie endlich Ihre Zustimmung zu den beantragten Ver änderungen der Verfassungsurkunde und des Wahlgesetzes gegeben haben, so lieferten Sie durch diesen Beschluß, der das Opfer so mancher liebgewordenen Einrichtungen und Verhältnisse erheischte, einen neuen Beweis Ihrer patriotischen Gesinnungen. Auch ich sehe Sie heute nicht ohne Wehmuth scheiden, da ich seit langen Jahren gewohnt war, mit Ihnen in Ihrer seitl-erigen Zusammensetzung gemeinschaftlich so vieles Nützliche für das theure Vaterland ins Leben zu rufen und manchen schönen Augenblick patriotischer Erhebung bei dem Zusammenwirken mit Ihnen erlebt habe. Waren, aber die beschlossenen Veränderungen sowohl durch äußere Verhältnisse, als durch die Umgestaltung unseres inneren Volkslebens geboten, wurden sie mit Umsicht und weiser Rücksicht auf das Bestehende bewirkt, so hoffe ich mit Zuversicht von dem bewährten gesunden Sinn des sächsischen Volkes, daß auch die aus der neuen Wahlart hervorgehende Ständeversammlung den alten besonnenen Geist, das alte Ver trauen zu mir und die alten loyalen und patriotischen Gesinnungen bewähren wird, durch die sich von jeher die sächsischen Stände ausgezeichnet haben. — Sie, meine Herren Stände, können mit dem Bewußtsein von hier scheiden, eine große Aufgabe mit Aufopferung und Gewissenhaftigkeit gelöst zu haben." .Der norddeutsche Reichstag hat kurz vor dem Psingstfeste das Gesetz wegen Aufhebung der Schuldhaft angenommen und da dasselbe unmittelbar darauf durch das Bundesgesetzblatt publicirt wurde, so ist das Pfingstfest gewiß auch in dieser Be ziehung für Tausende innerhalb des norddeutschen Bundes zu einem Freudenfest geworden. Das betreffende Gesetz lautet: .tz 1. Der Personal-Arrest ist als Exekutionsmittel in bürgerlichen, Rechtssachen insoweit nicht mehr statthaft, als dadurch die Zahlung 4»