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I. Die königliche Staatsregierung möge dem nächsten ^ordent- lichen Landtage eine, di« vollständige Reorganisation unser- direkten Besteuerungssystems betreffende Vorlage machen, nach welcher, den jetzigen Verhältnissen entsprechend, die Zusagen in tz 39 der Verfassungs urkunde, d. h. eine gleichmäßige Zuziehung aller Steuerpflichtigen mehr als bisher in Wirksamkeit tritt, und sofort nach Schluß des gegen- -wärtigen Landtags eine aus Grundbesitzern und Gewerbe- und Per sonalsteuerpflichtigen zusammengesetzte Kommission zu dem Zwecke bilden, um, unter Zuziehung praktischer Steuerbeamten, der Regierung deshalb gutachtliche Vorschläge zu machen. II. Bei Ausarbeitung der Gesetzvorlagen für eine neue directe Besteuerung möge die königliche Staatsregierung die der Petition von Günther und Genossen beigefügten Grundsätze unter I bis 11 einer sorgfältigen Erwägung unterziehen. III. Die Kammer erklärt, daß sie mit dem Vorbehalte in Be- rathung des Decrets Nr. 69 eintritt: daß die Einführung der durch die Novelle beantragten Bestimmungen lediglich als ein Provisorium zu betrachten ist und durch dieselbe an der vereinbarten Verhältnißzahl für Steuerzuschläge, 100 resp. 80 Procent der Gewerbe- und Personal steuer gleich 2 Pf. Grundsteuer, Etwas nicht geändert werde. IV. Die Kammer erklärt, daß, insoweit durch Annahme der Anträge unter I, II und 111 der Antrag von Günther und Genossen nicht Erledigung gefunden, derselbe auf sich zu beruhen hat. V. Die Kammer erklärt, daß der ständische Antrag vom Jahre 1867, welcher lautet: „Die königliche Staatsregierung wolle die Gesetzgebung über die Grundsteuer, sowie die Gewerbe- und Personalsteuer, jede für sich und das Verhältniß beider zu einander, einer gründlichen Prüfung unterwerfen und die Resultate den Kammern bei deren nächstem Zusammentritt mittheilen und nach Befinden Abänderungsvorschläge machen," durch Annahme des Antrags unter I Erledigung gefunden. VI. ' Die Kammer erklärt, daß die Petitionen von verschiedenen Vereinen und Gemeinden, welche diesem Berichte beigefügt sind, inso weit dieselben durch die Anträge unter I und II nicht Erledigung gefunden, auf sich zu beruhen haben, jedoch noch an die Erste Kammer abzugeben sind. Nach dem Vortrag der beiden Referenten der Majorität (Mammen) und der Minorität (Seiler) trat die Kammer in die Generaldiscussion. Eröffnet wurde dieselbe durch die Erklärung des Abg. Reichhardt, daß der von ihm vertretene Principalabgeordnete ihn aufgefordert habe, in der Kammer zu beantragen, vor Berathung der heutigen Vorlage eine vom Adv. Schraps eingereichte kritische Beleuchtung der betreffenden Steuerfrage der Finanzdeputation zur Berichterstattung zu überweisen. Der Redner setzte in Kurzem seine Gründe auseinander, weshalb er von diesem Anträge absehe. — Es sprachen hierauf die Adgg. Günther, Mehnert, Knechtel, Seiler, Mai, Uhlemann, v. Criegern, Tempel, v. Nostitz-Paulsdorf rc. für die Minoritätsanträge, während sich die Abgg. Oehmichen, Riedel, Heinrich, Schreck, Or. Hertel, Pornitz, Fahnauer, Stauß rc. der Majorität der Deputation anschlossen. Finanz minister v. Friesen erklärte in einer sehr ausführlichen Darlegung der einschlagenden Steuerverhä'ltnisse das Einverständniß der Regierung mit der Majorität der Deputation. Bei der Abstimmung blieben die 40 Unterzeichner des Günther'schen Antrages sich treu, d. h. sie traten den Minoritätsanträgen bei. — Der Abg. Schreck machte hierauf von tz 121 der Verfassungsurkunde Gebrauch, um vorläufig seinen Protest gegen die heutige Abstimmung zu Protokoll zu geben. Am Sonnabend Vormittag 10 Uhr nahm die II. Kammer die abgebrochene Verhandlung über die .Gewerbe- und Personalsteuer-Novelle wieder auf und zwar trat man in die Spezial-Diskusstbn derselben ein. Obgleich am Abende zuvor beschlossen war, einzelne von der Regie rung zurückgezogenen Paragraphen keiner Diskussion zu unterwerfen, so wurde doch in Folge einer ziemlich pikanten Debatte Abstand von der Ausführung dieses Beschlusses genommen. Namentlich bedauerte Mehnert, daß der zurückgezogene § 1, welcher die Kaufleute ver pflichtet, die Dienst- und Lohnbezüge ihres Personals anzugeben, nicht in Kraft treten solle, v. Nostiz - Paulsdorf schloß sich diesem Be- dauern an. Nachdem man sich nahezu 2 Stunden lang darüber gestritten, ob. nach dem gestrigen Beschlusse die zurückgezogenen Para graphen diskutirbar seien, beantragte der Abg. Lang den Schluß der Debatte über diese Frage, an der sich sowohl StaatSminister v. Frie sen, als eine große Zahl Abgeordneter betheiligt hatten. Abg. Sachße entgegnete: Ich bin gegen den Schluß und muß meine Verwunderung darüber aussprechen, daß ein solcher Antrag von einem Abgeordneten ausgeht, der nach langer Abwesenheit erst vor wenigen Stunden wie der in die Kammer eingetceten ist. Präs. Haberkorn: Da- zu beur- theilen, ist die eigene Sache des Abg. Lang. Abg. Lang: Seit der Abg. Sachße das Wort von den „unreinen Händen" in diese Ver sammlung geworfen hat, habe ich ihm nichts zu erwidem. — Präs. Haberkorn: Auch diese Aeußerung gehört nicht hierher. Abg. Sachße: Ich muß den Herren Präsidenten um einen formalen Ordnungsruf bitten, damit ich der Nothwendigkeit überhoben werde, mir selbst Genug- thuung zu verschaffen. — Präs. Haberkorn: Ich erkläre, daß ich die Aeußer ung des Abg. Lang allerdings nicht in der Ordnung finde. — Nach Be endigung dieser Episode, und nachdem noch eine längere Debatte über tz L stattgefunden, ließ es die Kammer mit allen gegen 16 Stimmen bei der Zurückziehung desselben bewenden. — Bei § 2 erklärte die Re gierung ihr Einverständniß damit, daß die Stadt Treuen au- der Reihe der Mittelstädte gestrichen werde, waS Seitens der Kammer geschah, während ein Antrag des Abg. Friedrich: auch Stollberg au- der Reihe der Mittelstädte zu streichen, abgelehnt wurde. Die tztz 3, 4, 5 und 6 wurden ohne Debatte nach den Vorschlägen der Depu tation erledigt. — Bei tz 7, welcher die Durchschnittssätze, — nach welchen in den großen und Mittelstädten die Beiziehung der Kauf leute zur Gewerbesteuer stattzufinden hat, — in folgender Weise bestimmt bei Leipzig auf 42 Thlr., Dresden 28 Thlr., Chemnitz 26 Thlr., Budissin, Crimmitzschau, Freiberg, Glauchau, Meerane, Plauen, Zittau und Zwickau 18, bei Annaberg, Döbeln, Frankenberg, Großenhain, Meißen, Mittweida, Pirna, Reichenbach, Schneeberg, Werdau und Zschopau 14 und bei den neu hinzugetretenen Mittel städten auf 12 Thlr., hatte die Deputation den Antrag zur Annahme empfohlen: „der Jndividualsteuersatz der Kaufleute ist in der Regel in dm Städten, wo dec Durchschnittssatz 18 Thlr. und darüber beträgt, nicht unter 6 Thlr., in den übrigen Mittelstädten nicht unter 4 Thlr., in kleinen Städten und auf dem Lande nicht unter 2 Thlr. festzusetzen." In der Debatte beklagte Abg. Beckmann, daß die Leipziger Kaufmannschaft durch das neue Gesetz unverhältnißmäßig hart betrof fen würde und motivirte in längerer Rede einen Antrag, durch welchen der Minimalsatz für Leipzig auf 8 Thlr. erhöht werden soll. — Sehr ausführlich zu diesem Paragraphen sprach ferner der Abg. Jordan, indem er eine Ueberbürdung der Großindustrie durch die Vorlage fürchtet. Nachdem noch Geyer, Thiele, Mehnert, v. Nostiz-PaulSdorf, Stauß und Beckmann das Wort ergriffen, genehmigte die Kammer § 7, lehnte jedoch den obigen Deputations-Antrag mit 34 gegen 32 Stim men ab, wodurch auch der Beckmann'sche Antrag fiel. — Die übrigen Paragraphen veranlaßten, mit Ausnahme des tz 9, wo Abg. Jordan im Interesse der Aktien-Brauereien das Wort zu längerer Ausein andersetzung ergriff, keine Debatten und wurden sämmtlich nach den Vorschlägen der Deputation genehmigt. . .. Die zweite Kammer beschäftigte sich heute mit dem Bericht der Finanzdeputation, Referent Hecker, über Abtheilung I. des Bud gets der Staatseinkünfte, die Position 1 bis 22 umfassend. Von der Staatsregierung sind diese Positionen zusammen mit 6,559,440 Thlr. angesetzt, die Deputation hat dieselben um 495,000 Thlr. erhöht, also auf 7,054,440 Thlr. festgestellt und die Kammer genehmigte durchweg die betreffenden Summen. — Ihre Majestäten der König und die Königin, sowie Ihre königl. Hoheiten der Kronprinz und die Frau Kronprinzessin; der Prinz und die Frau Prinzessin Georg und die Prinzessin Amalie werden sich morgen nach Leipzig begeben, um daselbst der Eröffnung des neuen Stadttheaters beizuwohnen. — Laut Bekanntmachung des Ministerium- des Innern vom 21. Jan. ist es der Stadt Radeberg gestattet worden, eine Anleihe von 25,000 Thlr. gegen Ausgabe von 4'/,proze«tigen Schuldscheinen aufzunehmen. — Die königlich sächsische Armee zählt jetzt im Frieden 24,143 Mann mit 5075 Pferden, welche beständig im Dienste sind, da gegen im Kriege (die Landwehr eingerechnet) 67,599 Mann mit 15,715 Pferden. Den Truppengattungen nach vertheilen sich diese auf Infanterie 50,423 Mann,-Kavallerie 7346 Mann, Artillerie 4682 Mann mit 96 Geschützen, Pionniere 721 Mann, Tradz