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9. December 1853 «r. 49. -trcilag, l SächksthrDorßeitMg Neustadt- Ein unterhaltendes Wochenblatt für dm Bürger und Landmann. Markt, Rr. 2, in der Ver lags - Expedi tion zu haben. vierteljährlich 12LRgr. Au -beziehen durch alle Post-An stalten. Redacteur: Friedrich Walther. — «erlag von Heinrich und Walther. Politische Weltschau. Deutschland. Die Bundesversammlung ist, wie von verschiedenen Seilen versichert wird, im Begriff, einen Act der Gerechtigkeit auszuüben, der gewiß allseitige Zustimmung finden wird. Es sollen nämlich auf den Antrag Oesterreichs und Preußens denjenigen invaliden Offizieren des ehemaligen schleswig-holsteinischen Heeres, die ihre Stellung in Heeren deutscher Bundesstaaten aufgegeben hatten, um der Sache Schleswig-Holsteins zu dienen, sowie den Wittwen und Waisen solcher Militärs Pensionen zuerkannt und diese auf die Bundeskaffe übernommen werden. Die durch den Kirchenstreit im Großherzogthum Baden herbeigeführten Verwickelungen haben ihr Ende noch nicht er reicht, dieselben drohen vielmehr ungeachtet der milderen Maß regeln, welche die Regierung jetzt gegen die renitenten Geistlichen anwendet, immer weiter zu greifen. Die Geistlichen befinden ich auch in der That in einer sehr Übeln Lage; gehorchen re dem erzbischöflichen Gebote, so werden sie von der Staats- >ehörde bestraft, und thun sie den Willen der Regierung, so verfährt der Erzbischof gegen sie mit Strafe und Absetzung. Die meisten Straffälle hat die von der Regierung verpönte Verkündigung des erzbischöflichen Hirtenbriefes herbeigeführt. Im Kapitel Linzgau (Seekreis), welches 36 Pfarreien um faßt, haben allein 30 Geistliche den Hirtenbrief verkündet und gegen die übrigen hat der Erzbischof das Strafverfahren ein leiten lassen. In anderen Diöcesen hat aber die erzbischöfliche Aufforderung nicht gleichen Erfolg gehabt, und nicht wenige Priester händigten den Hirtenbrief den darauf fahndenden Gendarmen aus, um so der Verkündigung überhoben zu sein. Sie sind insgesammt mit Suspension vom Amte bedroht, wenn sie binnen vier Wochen dem Erzbischöfe nicht Gehor sam leisten. Viele Pfarrer haben die Verkündigung jenes Documentes mit einer beruhigenden Erklärung verbunden und namentlich von der Kanzel die Versicherung abgegeben, daß die katholische Religion nicht in Gefahr sei. Andere sind hierbei freilich mit mehrOstentation verfahren, und so ist aller dings hin und wieder unter den Pfarrkindern böses Blut ge macht worden. In Rastatt rief der Kaplan Finneisen nach Ver lesung des Hirtenbriefes von der Kanzel herab: „Der hochw. Erzbischof befiehlt, daß dieser Hirtenbrief unter den Gläubigen verbreitet werden soll. Wenn ich meinen Fuß vor das Gottes haus setze, werde ich festgenommen und diese Hirtenbriefe mit mir. So nimm sie denn hin, gläubiges Volk!" und hierauf streute er Hunderte von Exemplaren aus unter seine Zuhörer. Zu Ruhestörungen ist es glücklicherweise nirgends gekommen, und da die Regierung die zeither verbotene Besprechung des Kirchenstreites in den badischen Zeitungen endlich frerge- geben hat, so wird nun die Bevölkerung genügende Gelegen heit erhalten, sich über diese bedauerlichen Wirren ein eigenes Uriheil zu bilden. -- In Baiern sind die eben besproche nen Verhältnisse nicht ohne Rückwirkung geblieben. Ein Theil der dortigen Geistlichen hat Zustimmungsadressen nach Baden gesandt, und in München sind Schritte gethan wor den, um die Erlaubniß zu Geldsammlungen für die verfolgte badische Geistlichkeit zu erhalten. Die Regierung hat aber Hinhehnter Jahrgang. IV. «luartal. diese Erlaubniß. verweigert, und man glaubt, daß der Kle rus, wenn er den gleichen Weg betreten sollte, wie in Baden an höchster Stelle auf entschiedenen Widerstand stoßen werde. In der zweiten bairischen Kammer wurde übrigens in der Sitzung vom 29. Nov. die ultramontane Zeitungspresse durch einen förmlichen Beschluß als eine „verachtungswürdige" be zeichnet, und der Ministerpräsident von der Pfordten sah sich bei dieser Gelegenheit genöthigt, die „Pfälzer Zeitung," welche jener Kategorie angehort und vorzugsweise von der Regier ung zu amtlichen Inseraten benutzt wird, förmlich zu deS- avouiren. — In letzterer Zeit wurde mehrfach versichert, die Regierung von Würtemberg beabsichtige sich mit dem Bischöfe von Rottenburg zu verständigen und die von den Bischöfen der oberrheinischen Kirchenprovinz aufgestellten Forderungen zu genehmigen. ES wird aber dieser Angabe jetzt bestimmt widersprochen. Wenn die Bischöfe von Rotten- bürg, Mainz, Limburg und Fulda zeither noch nicht in gleich scharfer Weise hervorgetreten sind, wie der Erzbischof von Freiburg, so ist dies dadurch erklärlich, daß jene Prälaten erst abwarten wollen, auf welche Seite sich der Sieg in Baden wenden wird. Wie in Nassau, so wird auch in Kurhessen auf bischöfliche Anordnung gegen die „Verfolger der Kirche" ge betet; bis jetzt scheint diese gegen die Regieruna eines Nach barstaates gerichtete Demonstration des Bischofs von Fulda ungerügt geblieben zu sein. — Das Frankfurter Journal be richtet über eine neue Regierungsmaßregel, welche wohl ge eignet ist, Aufsehn zu erregen. Nach einer. Anordnung deS kurhessischen Ministeriums sind nämlich die Postanstalten an gewiesen worden, auf Requisition über die Empfänger und Absender von Briefen und den Briefverkehr einzelner Per sonen zu berichten, auch die Beschlagnahme von Briefen durch Gerichtspersonen geschehen zu lassen. Nach der beseitigten Verfassung, sowie nach dem octroyirten Verfassungsgesetze von 1852 soll die absichtliche unmittelbare als auch mittelbare Verletzung des Briefgeheimnisses peinlich bestraft werden. Das Ministerium hat dagegen in dem betreffenden Erlasse eine Interpretation gegeben, wonach durch Handhabung der getroffenen Anordnung das Briefgeheimniß nicht als verletzt angesehen werden könne. — Wie Berliner Berichte versichern, hat sich die kurhessi/che Regierung veranlaßt gesehen, eine Note an das preußische Kabinet zu richten, worin mit Aufhebung der bestehenden freundschaftlichen Verhältnisse gedroht wird; Gegenstand dieser Note soll das bekannte Berliner Witzblatt, der „Kladderadatsch", sein. Die kurhessische Regierung findet nämlich durch die Behandlung, welche ihr durch jenes Blatt zutheil wird, ihre Autorität untergraben. — Der regierende Herzog von Gotha hat sich am 3. Dec mit seiner Gemahlin in großer Lebensgefahr befunden; bei einer Fahrt von Callenberg, wobei der Herzog selbst fuhr, wurde derselbe aus dem Wagen und über die Pferde hinweg geschleudert, und die Pferde gingen mit dem Wagen, in wel chem sich die Herzogin befand, durch, bis durch daS Zerschel len der Deichsel das Gespann aufgehalten wurde. Trotz der augenscheinlichen großen Gefahr wurde weiteres Unglück ver hütet, und der Herzog ist mit einer Verstauchung glücklich