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S22 mit dem Zusammentritt derselben eS sich zeigen muß, in wieweit daS Fortbestehen der ohyehin vielfach gefährdeten Verfassung gesichert erscheint -der nicht. Daß die herrschen den Besorgnisse nicht unßrßrü^det sinh, beweist die Sprache der Ministerien HvVMtte. Pp schreibt z. B. die halb- officielle Rheinische Zeitung unteren 8. Octbr.: „Der könig liche Commissar hat, als er den rheinischen Provinzialland tag eröffnete, mit fester Hand die Sonde in die Wunde unserer öffentlichen Zustände gelegt, welche parlamentarische Quacksalber so lange überpflastert und überkleistert haben, bis der Brand die edlen Theile anzufressen drohte. Ja, wahrlich, ein kluger und kühner, ein echter und rechter Arzt muß kommen, wenn wir Heilung und Genesung hoffen wollen. . . ? Unsere Krankheit, sagen wir eS gerade heraus, unsere Krankheit ist die, daß die beschworene Ver fassung gleichwohl unmöglich ist. Wir kennen die Krankheit, und da- ist der erste Schritt zur Genesung." DaS ist ziemlich deutlich gesprochen. — Mit dem DeutschkatholiciSmuS wie mit den freien Ge meinden wird eS in Preußen, trotz der in der Verfassung verbürgten Gewissens- und Bekenntnißfreiheit, bald zu Ende gehen. Man erkennt nämlich an jenen Gemeinden einen religiösen Eharacter nicht an, sondern bringt sie in die Kate gorie politischer Vereine, und auf diesem Felde ist für die po lizeiliche Verfolgung ein so weiter Spielraum gelassen, daß die Vernichtung jener Genossenschaften bald erzielt werden kann. Man entzieht den Gemeinden ein Local nach dem anderen, «eist ihre Prediger auS und sucht so ihre Versammlungen über haupt unmöglich zu machen. In Berlin ist der Prediger der dasigen deutschkatholischen Gemeinde, Brauner, ausge wiesen worden; als er sich nun nach seiner Vaterstadt Habel- schwerdt wandte, wieS man ihn wieder fort, weil er seit seinem dreizehnten Lebensjahre sich von dort entfernt, mithin daS HeimathSrecht verloren habe. Er ist demnach ganz ohne Heimath, was bei mißliebigen Personen gegenwärtig in Preu ßen sehr oft vorzukommen pflegt.' Die polnischen Deputaten deS gegenwärtig in Posen Versammelten Provinziallandtags haben letzterem einen förm lichen Entwurf zu einer polnischen Sonderconstitu- tion für das Großherzogthum Posen überreicht und eine Denkschrift hinzugesügt, in welcher die RechtSgründe der be anspruchten besonder« Verfassung für dieses Großherzog thum näher entwickelt worden find. Daß die Polen mit einem solchen Constitutionsantrage in Berlin keinen Erfolg erziel« werden, ist im Voraus nicht zu bezweifeln. Oesterreich. Der Kaiser ist am 2. Oct. von seiner italienischen Reise wieder in Wien eingetroffen. Die osfi- ciellen Blätter wissen nicht genug zu erzählen von dem Jubel, mit welchem der Monarch in der Lombardei und namentlich in Mailand ausgenommen worden sti; andere unabhängige Blätter geben freilich ganz andere Bericht«, in denen von dem Enthusia-muS des Volke- keine Rede ist. Wenn «an die Vorgänge der letzten Jahre erwägt und einen Blick auf die gegenwärtigen Zustände de- Lan de- wirft, wird e- nicht schwer werden, da- Wahre herauS- zufinden. Selbst die dem österreichischen Interesse fast ganz er- -gebeae AugSb. A. Zeitung giebt zu, daß die Haltung der Mai länder beim Empfange de-Kaiser- keine solche gewesen sei, welche auf einen Umschwung der Gesinnung schließ« lasse; die Empfangsfeierlichkeiten seien nur von den Brhörd« auSgegangen, welche letztere zu diesem Zwecke allerdings Mes ausgeboten hält«. — In nächster Zeit ist die Publi kation des neuen Zolltarif- zu erwarten, und e- ist dieser Schritt von um so größerer Wichtigkeit, als sich die Regierung entschlossen hat, von dem zeither festgehaltenen Prohibitivsysteme abzugehen, um so den Abschluß neuer Handelsverträge möglich zu machen. Oesterreich beabsicktigt nicht nut mit den italienischen Staaten Zollverträge abzu- schließen, sondern e- wird auch seinen ganzen Einfluß geltend machen, um mit den deutschen Lände« in nähere handels ¬ politische Beziehungen zu treten. Deßhalb wird den Be- stimmungen deS neuen Tarifs mit besonderer Spannung entgegengesehen. Wie eS scheint, ist der Abschluß de- preu ßisch-hannöverschen Vertrag- nicht ohne Einfluß auf die Beschleunigung dieser Angelegenheit geblieben; Oesterreich und Preußen bekämpfen sich gegenwärtig auf dem materiellen Gebiete, und wir wollen wünschen, daß der AuSgang diese- Kampfes den Völkern bessere Früchte tragen möge, als dies auf dem politischen Felde der Fall gewesen ist, wo sich die selben Parteien noch vor einem Jahre feindlich gegenüber standen. — Die schon erwähnte Spannung, welche in Folge der Freilassung der ungarischen Emigranten zwischen Oesterreich und der Pforte eingetreten ist, scheint recht bald ernstere Folgen herbeizuführen. Der Ban Jellachich ist nach Wien berufen, und man bringt seine Anwesenheit mit dem Beschlusse in Verbindung, an der türkischen Grenze von Bosnien ein österreichisches ArmeecorpS von 25,000 Mann aufzustellen. Strenge OrdreS find erlassen worden, keine Grenzverletzung von türkischer Seite ungeahndet hingehen zu lassen. Frankreich. In Ermangelung von Thatsachen sind eS vorzugweise Gerüchte, welche gegenwärtig die Pariser be schäftigen; der Präsident spielt dabei die Hauptrolle, und man scheint ihm von keiner Seite recht zu trauen. Er soll in dieser Woche wieder in St. Cloud große Bankete gegeben haben, bei denen die Offiziere der Pariser Garnison zuge zogen waren, und eS haben dadurch die Befürchtungen vor einem Staatsstreiche neue Nahrung gewonnen. Nicht wenig mag hierzu die schwankende Haltung des Präsidenten selbst beitragen; er ist unschlüssig und zweifelhaft und weiß nicht, welchen Weg er gehen soll. Nur darüber glaubt man Gewißheit zu haben, daß Ludwig Napoleon nicht gutwillig vom Staatsruder zurücktreten wird. Bei dem Wiederzu sammentritt der Nationalversammlung, welcher den 4. Nov. erfolgt, erwartet man ein Manifest deS Präsidenten, in welchem er sich über die Lage Frankreichs und über seine sich darauf beziehenden persönlichen Ansichten aussprechen wird. — Es ist wiederum ein neuer Candidat für die Präsidentschaft aufgetaucht, dessen Name eine, abermalige Zersplitterung der Parteien herbeiführen wird; es ist dies der General Ch an garnier, welchen man zeither zur Partei der Orleanisten zählte und auf dessen Einfluß diese Partei vorzugsweise baute. Der General scheint aber nicht übel Lust zu haben, die oberste Gewalt der Republik selbst zu führen, und die ihm ergebenen Blätter haben ihn offen als Candidaten hin gestellt. — Es ist aufgefallen, daß die Regierung die nach dem neuen Gesetze bevorstehende Reorganisation der Natio nalgarde schon jetzt dazu benutzt, die Nationalgarden zu entwaffnen; eS ist dies bereit- in drei Departements ge schehen, und man hegt die Meinung, daß die Regierung damit umgehe, auf solche Weise eine allgemeine Entwaff nung deS ganzen Landes bei der bevorstehenden KriflS von 1852 herbeizuführen. — Wie die Kölnische Zeitung wissen will, bereitet da- jüngst entdeckte deutsch-französische Com- plot der Regierung große Verlegenheit; sie wird^die Ver hafteten alle frei geben müssen, da, wie sich herausstellt, nicht- Sonderliches gegen sie geltend gemacht werden kann. Die veröffentlichten Urkunden scheinen in keinem Zusammen hänge mit den Angeschuldigten zu stehen. — Dem ungari schen Agitator Koffuth, welcher in Marseille gelandet war, ist die Erlaubniß zur Reise über Lyon nach Pari- von der Regierung der Republik versagt worden. Er hat sich nun auf dem amerikanisch« Dampfer „Mississippi" nach Eng land begeben. Italien. Die päpstliche Regierung giebt sich alle Mühe, die französischen Truppen wieder loszuwerden, damit dann die Oesterreicher einrücken können; allein der franzö sische Commandant zeigt wenig Geneigtheit- da- Feld frei willig zu räumen. — Sardinien concentrirt seine Trup pen an der lombardisch-piemontesischen Grenze; die Piemon-