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heit, welcher so viel« Menschen ausgesetzt find. Wer vom Morgen biS in die Nacht arbeiten muß, ohne Stunden zum Nachdenken und zu geistiger Veredelung zu Haben, muß in seinen Fähigkeiten und Ansichten beschränkt werden. Seine Gedanken find nur auf den gegenwärtigen Augenblick und auf den Leib gerichtet. WaS für Erholungen bleiben ihm übrig, als sinnliche Genüsse? Roch «eine Ursache der Unmäßigkeit ist der Mangel an * Selbstachtung, der bei dem gegenwärtigen Zu* stände der Gesellschaft unter den Armen und der arbeitenden Claffe entsteht. Gerade insofern Reich thum der Gegenstand der Verehrung, der Maß stab für die Wichtigkeit eines Menschen ist und Anspruch auf Auszeichnung giebt, insofern wird auch unter Denjenigen, deren Loos ihnen keine Aussicht öffnet, reich zu werden- eine Hinneigung entstehen, sich selber nicht zu achten und sich zu vernachlässigen. Ihre Lage scheidet sie von dem Verkehr mit sittlich gebildeten Menschen ab, und sie fühlen nicht, daß sie einen Ruf zu verlieren haben; nichts sagt ihnen, daß sie in ihrem ge ringen Loose die höchsten Erdengüter sich sichern können. Sie fassen aus der allgemeinen Richtung der Gesellschaft die verderbliche Ansicht auf, daß Reichthum sowohl Ebre als Glückseligkeit sei, und finden in ihrem beschränkten Loose nichts, was ihnen Selbstachtung einflößen könnte. In dieser Täuschung werden sie nicht mehr herabgewürdigt, als die Wohlhabenderen, aber auf sie wirkt diese Täuschung unmittelbarer und tiefer zu ihrem Ver derben» Sie sinken in ihren eigenen Augen, und sie werden eines mächtigen Schutzes gegen gemein« Laster beraubt. Sie neigen sich zu rohen Sitten hin, zu gemeinen Genüssen, zu viehischer Ent würdigung. Unter allen Classen der Gesellschaft sollte man die Armen mit besonderer Rücksicht behan- deltn, um dadurch der größten ihnen drohen den Gefahr* entgegenzuwirken, dem Verluste der Selbstachtung." „Es giebt aber noch andere Ursachen des Uebels, welchen alle Volksklassen unterworfen sind. Unserer Zeit ist eS eigen, starke Aufreizungen zu üchen. Die Ruhe, die Nüchternheit, der ArbeitS- ieiß unserer Väter sind durch eine fieberische Un ruhe verdrängt worden. Die Geschäftstätigkeit ist ein Wettlauf geworden, und er wird durch die Aufregung gespornt, die aus großen Wagnissen und aus der Hoffnung auf ansehnlichen Gewinn hervorgeht." Die Mittel zur Verhütung des Uebels sucht Channing nichts in den armseligen Mummereien, worauf man nicht bloß in Amerika verfallen ist, nicht in Gelübden, in Versprechungen, die man nur-giebt, um sie zu brechen, sondern in Mit teln, welche die Selbstachtung Der unteren Volks- klaffen (erhöhen, ihnen sittliche Kraft zum Tra» gen und Dulden geben» Er wendet fich aber attch ft? den Meven' find höchsten Gaffen mW fordert fle aüsj daß ste an rhre eigene Berbefferun- denken mögen, ehe sie sich anmaßen, M »w» besserung anderer Mensche« zu rachen, hast sie fich auS der Gclaverei des Kastengeister toSreiß«?, mit dem Volke wirken und sich nicht mit Rath geber? begnügen. Allerdings wird das Haupt mittel in der größeren sittlichen Stärke jedes Ein zelnen gesunden werden, in seiner größeren Kraft zur Selbstverläugnung, in einer lebendigeren Gvi wiffenhaftigkeit; aber die wichtigste Frage ist, dmch welche Mittel die Gesellschaft unterstützen oder dazu beitragen könne, solche Tugenden zu erwecken oder zu kräftigen. ES ist ein thörichter Gedanke, sagt er, daß man diese BolkSklassen von der Un mäßigkeit ablenken könne, so lange sie in anderen Rücksichten dieselben bleiben. Die Unmäßigkeit ist nur ein Theil oder ein Zeichen ihrer Herab- Würdigung und kann nur entfernt werden, wenn man ihren ganzen Charakter und Zustand erbebt. Man möge, sagt er, indem er zu den Mitteln übergeht, den sittlichen Zustand der arbeitenden Classen zu erhöhen, bei den begünstigten damit anfangen. Alle Volksklassen haben Verbindungen unter sich. Herrschen Selbstsucht und Sinnlich keit unter den Wohlhabenderen und Gebildeten, so werden die Armen und Ungebildeten solche La» ster in größerer Gestalt abspiegeln. Der beßte Freund der Mäßigkeit unter den höheren und ge ringeren Classen ist derjenige, dessen Charakter und Leben deutlich und kräftig sittliche Stärk-, Selbstverläugnung, Ueberlegenheit über den Kör per, hohe Gesinnung ankündigen. Der größt« Wohlthäter der menschlichen Gesellschaft ist nicht der Mann, der ihr durch einzelne Handlungen Dienste leistet, sondern derjenige, dessen Gesammt- charakter ein höheres Leben, einen höheren Geist offenbart, als wir in der Menge erkennen. Solche Menschen find das -Salz der Erde. Die Macht der Tugend einzelner Menschen überwiegt jede andere. Die Vermehrung der mit wahrer Kraft und Würde des Geistes begabten Menschen würde das sicherste Zeichen der Unterdrückung der Un mäßigkeit in allen Zuständen der Gesellschaft sein. — Eh anderes Mittel würde sich finden, meint Channing, wenn man einen brüderlicheren Ver kehr unter den mehr oder weniger gebildeten Thei len der Gesellschaft stiftete. Insofern die gegen» wärtigen gesellschaftlichen Schranken und Vorzügel die Sympathie dämpfen und den Kastengeist am die Stelle des Geistes der Humanität und derl Achtung gegen unsere gemeinsame Natur setzen, muß man darin eine große Verletzung der Gesetzei des Christenthums finden. Diejenigen Classen ve^ Gesellschaft, welchen Licht, Kraft und Tugend in» wohnt, sind verbunden, diese Vorzüge denjenigen mitzutheilen, welchen es daran fehlt. ES giebt Mittel, fährt CH an« i ng fort, welche Vie Gesellschaft besitzt, die Menschen z« kräftigen und zu erheben, aber auch Mittel, diesen woht- thätigen Zweck duvch EntfornWng von Versvchungew zu befördern, und sie bestehen darin, dem Volke Gelegenheit» za unschuldigen vtholungew za -eben. MSN Mte das Volk gegewWvef^ M^sttaP