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Sächsischer Landes-Anzeiger : 29.11.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-11-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188811299
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18881129
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18881129
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-11
- Tag 1888-11-29
-
Monat
1888-11
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 29.11.1888
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'Nr. 278. — 8. Jahrgang. Sächsischer Donnerstag, 29. November 1888. Dcr jeden Wochentag Abend (mit Datum dcS folgenden Tages) znr Versendung gelangende „Sächsische Landes-Anzeiger" mit täglich eil«, Extra-Beiblatt: 1. Kleine Botschaft 2. Sächsischer Erzähler 8. Sächsische Gerichtözcitnilg 4. Sächsisches Allerlei b. Lllnstrirtcs UnterhaltmlgSblatt 6. Sonntagsblatt 7. Lustiges Bilderbuch lostet bei den Ausgabestellen monatlich 70 Psg., bei de» Post-Anstalten 75 Psg. (Post'Zeltungs-PreiLliste Nr. 5035.) ««des Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen nnd Thüringen. Verlags-Expedition: Alexander Wiede. Bnchdrnlkerei, Chemnitz, Theaterstrahe Ar. S. Fernsprech-Anschluß Nr. 136. — Telegramm-Adresse: Landes-Anzeiger, Chemnitz Don den Hanplblättern des „Sächsischen LandeS-AnzcigcrS" erscheint (ohne dessen tägliche Ertrn-Beiblätter) eine billiger« Sondcr-NnSgabe unter dem Titel: Chemnitzer General-Anzeige» für monatlich nur 50 Pfg. mit Anträgen: außerhalb Chemnitz monatl. 57 Pf. m. Ztr. (Zeitungs-Preisliste 9. Nachtr. Nr. 1350».) FürAbonncntc» erscheintje einmal imJahr. Sonnuer-Eisenbahusayrdlanhesl für Sachsen; Wiiitcr-Eiseiibalinfahrplanheft für Sach en. JNustr. Kalender dcS Sächstschen Landbolen. Jllustrirtes Iahrcsbnch des Landes-Äiizeiger-, Anzeigenpreis: Rani» einer schmalen Corpuszeile 15 Pfg. — Bevorzugte Stelle (Ispaltige Pctitzeile) 30 Pfg. — Bei Wiederholung großer Anzeigen Preisermäßigung. — Bei Bestellungen von Auswärts wolle man de» Einrnckungsbetrag (in Briefmarke») beifügen (je 8 Silben CorpuSschrist bilden ca. 1 Zeile.) — Anzeigen können nur bis Bormittag angenommen werde», da Druck nnd Verbreitung der große» Auflage längere Zeit erfordern. — Die Anzeige» finden ohne Preisaufschlag gleichzeitig Verbreitung durch den „Chemnitzer General-Anzeiger" (billigere Sonder-Ausgabe dcr Hauvtblätter des „Sächsischen Landes-Anzeigers" ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter.) Neueste Nachrichten. Budapest, 27. November. Der Haudelsminister beruft eine Euguele zur Berathung der Unfallversicherung industrieller Arbeiter ein, um auf dieser Grundlage ein Gesetz auszuarbeiten. Demnächst beginnen die Konferenzen der hiesigen und der Wiener Regierung betr. Aufhebung der Freihäfen Triest und Fiume. Die Aufhebung soll nach dem Ausgleichsgesetz zu Ende 1889 erfolgen. Die Regierungen fordern jedoch eine zweijährige Erstreckung des Termins, weil noch Bauten auszuführen sind. Rom, 27. November. Die Heidelberger Studenten schickten den Bologneser Studenten eine künstlerisch auf Pergament ansge fertigte Adresse, in welcher sie für die herzliche Aufnahme, die sie beim Bologneser Universitätsjubiläum fanden, danken und die Freund schaft beider Hochschulen und Länder verherrlichen. — Baccarini hielt in Russi (Provinz Ravenna) eine Rede und sprach die Hoffnung aus, die Söhne Italiens würden im nächsten Kriege das Vaterland nicht nur zu verlheidigen, sondern auch, soweit die Alpen reichen, zu vervollständigen wissen. London, 27. November. Die britische Gesandtschaft in Washington bleibt bis zum Amtsantritte Harrison's unbesetzt. Zum Nachfolger Sackvillc's ist Ford, gegenwärtig Gesandter in Madrid, bestimmt. London, 28. November. (Drahtnachricht unseres Anzeigers. Die Königin bestätigte die Ernennung James Mvnros zum Leiter der Londoner Polizei. Kairo, 28. November. (Drahtnachricht unseres Anzeigers.) Ein englisches Infanterie-Regiment und 100 Mann beritten gemachte Infanterie erhielten Befehl, sich unverzüglich nach Snakin zu begeben. Politische Nrmdschait. Chemnitz, den 28. November. Deutsches Reich. Dcr Kaiser ist ganz leicht erkrankt. Der „Reichsanzeiger" meldet amtlich: „Se. Maj. der Kaiser und König haben bei dem stürmischen Wetter der Letzlinger Jagd eine leichte Erkältung davongetragen und werden einige Tage das Zimmer hüten." Die Sache hat nichts weiter auf sich. Der Kaiser arbeitete auch am Dienstag mit dem Admiral Grafen Monts, dem General Hahnke und empfing zahlreiche Offiziere. Nach der Tafel blieb der Kaiser in seinen Zimmern. — Ans dem Reichstage. Die Kosten der Jlottenblokade in Ost afrika werden für Deutschland mehrere Millionen betrage». Znnächst ^vird eine Million vom Reichstage beansprucht werden. Bei dieser Gelegenheit mag übrigens gleich erwähnt werden, daß das deutsche Marinc-Kohlendcpot in Zanzibar kürzlich abgebrannt ist. — Die Centrnmspartci hat beschlossen, den Reichstag zu einer Resolution anfznsvrdcrn, worin derselbe die Erwartung anssprcchen soll, das Reich möge darauf hinwirken, Afrika für christliche Gesittung zu ge winnen. Weiter hat die Partei die bekannten Anträge über Frauen- nnd Kinderarbeit, Sonntagsruhe rc. wieder im Reichstage eingebracht. — Eingegangen ist die Denkschrift über die Handhabung des Socia- listcngesetzcs. Neues bietet dieselbe nicht. — Durch Ernennung des Abg. D>'. Banerschmidt zum Oberrcgicrungsrath ist das Neichstags- mantat für Celle erledigt. — Nach den amtlichen Angaben im Neichsetat betragen die Schulden Deutschlands fast 1150 Millionen Mark, welche 36^ Millionen Zinsen im Jahre beanspruche». In der Hauptsache rühren die Anleihe» von den Militärausgabcn her, doch fallen auch ans andere G>biete, wie auf de» Bau des Nordostscckanals, den Zoll anschluß von Hamburg rc., nicht unbeträchtliche Summen. Beäng stigen!) ist diese Schuldenlast noch nicht, wohl aber mahnt sie znr Vorsicht. Was der Reichstag im Interesse der Vcrtheidigung des Reiches noch wird bewilligen müssen, ist schon recht ansehnlich, um so mehr wird er also Anlaß haben, die übrigen Forderungen zu prüfe». Damit ergiebt sich von selbst die Stellung des Parlamentes gegen über dem angekündigten Ansuchen dcr deutschen ostafrikauischcn Gesell schaft, vom Reiche einen Vorschuß von 10 Millionen zu erbitten. Die Rcichsrcgiernng wird keine solche Forderung au den Reichstag richten, sonder» letzterem die Entscheidung überlassen. Thatsache ist, daß die Gesellschaft mit ihren jetzigen Mitteln zn Ende ist und daß an ein Aufbringen entsprechender Summen durch Privatzeichnungen nicht zu denken ist. Wir stehen in dieser Beziehung hinter England zurück, denn die britische ostafrikanische Gesellschaft hat ohne die ge ringsten Schwierigkeiten 60 Millionen Mark zusammengebracht. Er hält die ostafrikanische Gesellschaft kein Geld, so werden wahrschein lich die deutschen Besitzungen an der Zanzibarküste fallen gelassen werden müssen, und daß damit Deutschlands Ansehen in Colonial fragen schwer geschädigt wäre, ist selbstverständlich. In Anbetracht aller dieser Umstände wird angenommen, daß sich im Reichstage eine Mehrheit finden wird, welche unter bestimmten Bedingungen 10 Millionen hcrgiebt. In Geldsachen hört bekanntlich die Freundschaft ans, nnd so wird auch die Reichstagsmehrheit Sicherstellung der 10 Millionen verlangen. Verpfänden kann die ostafrikanische Gesell schuft nichts und Hypotheken kann sie auch nicht anfnehmcn, bleibt also nur eine genaue Controlle ihrer Maßnahmen von Neichswegen als Garantie. Die Angelegenheit wird im Reichstage jedenfalls sehr genau erörtert werden. — Eine Uebersicht über die seit den Septennatswahlen von 1687 stattgehabten Neichstagsersatzwahlen ergiebt auf Grund der amtlichen Ziffern Folgendes: Stattgefunde» haben 12 Ersatzwahlen und zwar in Querfnrt-Merseburg, Sagan-Sprottau, Grcifenberg- Kannnin, Altena-Iserlohn, Sternberg, Berlin VI, Ansbach-Schwa bach, Schlochan-Flatvw, Stade, Melle-Diepholz, Anklam-Demmin, Insterburg-Gumbinnen. In Melle-Diepholz steht das Resultat der Stichwahl noch aus, in Berlin VI behaupteten die Sozialdemokraten ihren Sitz, in den übrigen zehn Fällen verloren die Kartellparteien Querfnrt, Sagan, Greifenbcrg» Altena, Ansbach, behaupteten sich in Sternbcrg, Schlvchau, Flatow, Stade, Anklai» und Insterburg. Die Zahl der Kartcllstimmen ist gegen 1887 um33'/gv/g zurückgegangen, die der Stimmen der gegnerischen Parteien um etwa 5 Prozent; allerdings war auch die Zahl der Kartellstimmen sehr viel größer, als die ihrer Gegner. — Es heißt, Leutnant Wißmanu werde von Witu aus zu Emin Pascha vorzudringen suchen. Etwa 50 Europäer erachtet der selbe für genügend; hinzukommen würden natürlich mehrere hundert Eingeborene. Die Kosten schätzt Wißmanu aus eine halbe Million Mark höchstens. Oesterreich-Ungarn. Die Pester Handelskammer unterzog die politische Thätigkcit und die Ungarn feindliche Haltung ihres Secretairs Steinacker, welcher sich wegen seiner heftigen Angriffe ans das ungarische Ministerium wegen dessen Haltung gegenüber den Siebenbürger Sachsen in der Kammer mehrere Ordnungsrufe zuge- zvgen hatte, einer strengen Prüfung. Steinacker nahm seine Angriffe zurück, that Abbitte und kam mit einer Rüge davon. Die Pester Blätter jubeln über die Abbitte. Und was ist im Grunde genommen das Ganze? Ein Abgeordneter ist geinaßrcgclt, weil er sich gegen die Unterdrückung dcr deutschen Sachsen durch die Magyaren ausge sprochen hatte. Das sind ungarische Zustände. — Die Berathung der Wehrvorlage in den Kammern dauert fort, bietet aber nichts Neues mehr. Italien. Der Ministerrath beschäftigt sich immer noch mit den neuen Militärvorlagcn, deren Höhe einzelnen Kabinetsmitgliedern doch Bedenken einzuflößcn scheint. Die Einnahmen sollen znr Deckung der Mehrausgaben um 110 bis 120 Millionen erhöht werde», natür lich wird das ohne neue Steuern nicht abgehen. — Die Publikation des neuen italienischen Strafgesetzbuches steht nahe bevor. Frankreich. Boulanger hat mit dem Dircctor des großen Pariser Modemagazins „Le Printemps" Verbindungen angcknüpft. Herr Jaluzot hat der boulangistischen Presse 200.000 Franken zur Verfügung gestellt, wofür er bei den nächsten Wahlen als Kandidat aufgestellt werden soll. Das Boulanger-Comitee hat einen den Namen des Generals tragenden Kalender hcrausgegebcn, in welchem Boulanger mächtig gefeiert wird. — Der Pariser Stadtrath beschloß dem be rüchtigten Kommunegeneral Eudes auf dem Kirchhofe Pore Lachaise eine ewige Grabstätte zu widmen. — In Blidah in Algerien ist eS thatsächlich zu Massenschlägereien zwischen französischen und italienischen Arbeitern gekommen. Militär mußte mit gefälltem Bajonnet die Ruhe wiederherstellen. In Belgien ist ein neuer Arbeiterstreik ausgebrochen. Ueber tausend Bergleute haben ihre Arbeit eingestellt. Rußland. Das Petersburger amtliche Blatt veröffentlicht jetzt den schon von uns inhaltlich mitgetheilten Mas des Zaren über die Aufnahme einer neuen russischen Anleihe zu 4 »/, im Betrage von 500 Millionen Franken. Wir können nur unseren Rath an alle kleineren Kapitalisten, die auf sichere Papiere angewiesen sind, wiederholen, die Hände hiervon zu lassen. Die „Russen" haben schon Unheil genug in Deutschland angerichtet. Orient. Die Araber bedrängen die Festung Suakin am Rothen Meere dermaßen, daß besondere Maßnahmen gegen sie von Nöthen sind. Die englische Militärverwaltung in Kairo hat mehrere Neger- Regimenter aus Assuan dorthin gesandt, ein britisches Infanterie- Regiment soll folgen. Sobald die ganze Streitkraft beisammen ist, soll zum Angriff vorgegangen werden. — Der Wahlkampf in Serbien führt zu bösen Ausschreitungen. In Prokulpje wurde ein liberaler Wähler von dem radikalen Gemeindevorsteher erschossen. JnKuowo- Sello griffen Radicale das Gemeindehaus an, vertrieben die Behörden und brannten das Haus nieder. Auch aus vielen anderen Orten werden blutige Unruhen gemeldet. — 28 Mitglieder der Verfassungs- commission erklären öffentlich, König Milan habe in derselben den provisorischen Erlaß eines neuen, ganz freien Wahlgesetzes beantragt. Die Mehrheit der Commission habe angesichts der im Lande ausge brochenen Unruhen diesen Antrag aber nicht für zeitgemäß erachtet. Australien. Aus Sydney wird dem Bureau Reuter gemeldet, daß, den neuesten Nachrichten aus Samoa zufolge, der Gang der Ereignisse daselbst den Gegensatz zwischen Deutschen, Engländern und Amerikanern scharf hervortreten lasse. Gar kein Wunder, die Eng länder und Amerikaner haben ja den deutschfeindlichen König Mataafa mit Waffen unterstützt. Deutscher Reichstag. —- .a. Berltn, 27. November. 1 Uhr 20 Min. Präsident: von Levetzow. Am Bnndesrathstische: von Bötticher, Frhr. von Maltzahn-Gültz, von Schelling, von Scholz, Admiral Gros Monts. Haus und Tribüne» sind gut besetzt- Präsident v. Levetzow: Das Präsidium des Reichstages ist gestern um l2"/< Uhr von Sr. Maj. dem Kaiser in besonderer Audienz in sehr huldvoller Weise empfangen worden. Sc. Majestät äußerten dabei, daß Sie den Wunsch und auch die Zuversicht hätte», daß die Verhandlungen des Hauses in schneller und cinmüthiger Weise ihren Fortgang nehmen würden. — Abg. Graf Landsberg-Steinfnrt (Centn»») zeigt seine Ernennung zum Landrath an. Das Schreiben geht an die Geschäftsordnungscommission. — Das Haus tritt sodann in die Tages ordnung ein: Erste Berathung des Etats-Entwurfs pro 1889/90 in Verbind ung mit dem Anleihe-Gesetz. Staatssecrctär im Rcichsschatzamt Frhr. von Maltzahn-Gültz weist zum Beginn seiner Rede auf die formelle Unter scheidung des vorliegende» Entwurfs von denen früherer Jahre hin, welche gemäß dem früher ausgesprochenen Wunsche des Reichstages vorgcnommen sei. Die verbündeten Regierungen hoffen, daß diese neue Form des Etats sie Billigung des Hanfes finden wird. Redner erörtert sodann eingehend die formellen Aendcrungen dcr Etatsanfstcllung, wodurch viele der früher beklagten Unübersichtlichkeiten vermieden werden. Der Etat bringt in der vorliegenden Form jedenfalls das historisch gewordene finanzielle Verhältniß dcr Einzel staate», welche sich im Reiche vereinigen, znm klaren Ansdruck. Das Deficit ans 1887/88 in Höhe von 22'., Millionen ist bereits früher bei dcr EtatS- berathung in dieser Höhe geschätzt worden. Auch der Etat für 1888/89 wird voraussichtlich mit einem Deficit von 13V, Millionen abschließen und zwar infolge von Mehrbcdürfnissen i n verschiedenen Ressorts, so im Auswärtigen Amt, in der Armee- und Marine-Verwaltung. Namentlich sind erhöhte Ausgaben Eine Künstler-Erinnerung. Nach dem Leben von Marie Romany. Nachdruck verboten. Welches Wort unter allen Sprachen findet sich wohl mit so vielen Wenn und Aber verknüpft, von so vielen gcheimnißvollen Möglichkeiten umflossen, an welche Laute hängen sich wohl so viele Erwartungen, so viel spannende Neugier, wie es bei dem einfachen Wörtchen „Künstlercarriöre" seit undenklichen Zeiten der Fall gewesen Ist. — Wähnte sich jemals ein Gottbegnadeter zu dem erhabenen Dienste dcr Muse» geboren und folgte er dem Impulse, der ihn zur Anbct»»g dcr hohen Gottheit trieb, so fanden sich im Fluge tausend Zungen, um das Bestehen seiner Fähigkeiten zu bekritteln, um sich in allen nur erdenklichen Möglichkeiten seines Succe-s zn ergehe»; tausend Augen folgten seinen Schritte», hingen mit erwartungsvoller Spann ung an seincm Erfolge; allseitig drängte und beschäftigte man sich, z» erfahren, wie er das Wagniß, die Ruhmeslciter zu erklimmen, beginne und ob cs ihm gelinge, den Lorbecrkranz des Sieges auf seiner Stirne zu sehe». Es wird viel und manches über die Schwierigkeiten, mit denen ein Mnsensohn im Beginn und vielleicht auch in der Folge seiner irdischen Laufbahn zu kämpfen hat, erzählt und geschrieben; Künstler, die cs zu einer gewissen Größe gebracht haben, rühmen sich dcr An fechtungen, welche sie um ihrer Göttin willen besiegt; Romanschrift steller lieben cs, Klippen anfzuthürmen, um alsdann den begeisterten Tcmpcldicncr Polyhymnias unter tausend Beschwerden und Mühen über dieselben weg, zu endlichem Ruhme zu führen; und doch liegen die meisten all dieser Erzählungen der Wahrheit so fern. Es soll hiermit nicht gesagt werden, daß der Weg zurNuhmcs- größe nicht ein dornenvoller sei, daß er nicht unter Mühseligkeiten erkämpft werden müsse; aber die gewöhnlichen Annahmen von der Laufbahn eines Künstlers sind irrig, zumal in dcr neueren Zeit nach den rie senhaften Fortschritten, welche die Cnltur im letzten Jahrhundert nach eben dieser Richtung gemacht hat. Wohl sind die Pfade, die zur Unsterblichkeit fuhren, rauh und mit Dorne» besetzt; aber es bedarf nicht immer eines mühevollen Ringens, Schweißtropfen und kummer voll durchwachte Nächte sind nicht immer am Platze; der Talisman, der die größere Mehrzahl unserer gefeierten Mnsensvhne zum Lichte erhoben hat, ist die lieblich ans die Glücklichen niedcrlächclnde Göttin Fortuna gewesen, deren zauberrciche Hand wie im Fluge alle Schwie rigkeiten, welche sich den von ihr Beschützten cntgcgcnstellten, zur Seite stieß. Auch Thomas Nimily war Künstler, doch zu seinem Leidwesen gehörte er nicht zu den Auserwählten des Glückes. Er war als der Sohn rechtschaffener und gebildeter, doch unbemittelter Eltern geboren; sein Vater, ein trockner Geschäftsmann und Feind alles Illusorischen, hatte von allem Anbeginn seiner Neigung, ein Künstler zu werden, entgegcngestrebt; er hielt cs für seine Pflicht, den Sohn an ein prak tisches Geschästslcben zu gewöhnen; und daß dieser, seinem Wille» trotzend, dennoch die Geige in die Hand nahm, mag ein Beweis sein, wie sehr der Enthusiasmus für die Kunst ihn beseelte, denn der un selige Schritt, wie man sich ausdrückt, kostete ihn die Freundschaft seiner Angehörigen. Doch gleichviel; Thomas Nimily war ein Genie. Er entwickelte eine glänzende Technik und verstand mit einer Bravour zu spielen, die zu den lebhaftesten Beifallsbezcugungen hinriß; wiederholt war er in Berlin, in Magdeburg und Bremen vor ein Publikum getreten, welches seinem Vortrag mit Bewunderung lauschte; und dennoch wollte es ihm nicht gelingen, auf dem Boden dcr Kunst festen Fuß zu gewinnen; das Glück war ihm abhold; täglich athmctc er die Wonne der Unsterblichkeit im Traume, doch die Wirklichkeit bot ihm nichts wie Sorge und Noth. Drei Jahre gingen so dahin. Ohne seiner Gottheit einen Dienst zu erweisen, hatte er in kläglicher Weise den Kampf um's Dasein bestanden, sein Enthusiasmus für die Kunst drohte in dcr Fluth dcr Enttäuschung unterzugehe», da kam ihm Plötzlich in den Sinn, daß sein deutsches Vaterland nicht die Stätte seines Glückes, nicht dcr Schauplatz seines Ruhmes, seiner Größe sei. Es gab ja eine» anderen Boden, ans dem bis jetzt nicht, wie cs in Europa der Fall war, die enorme Anzahl ausübender Artisten einander unaufhaltsam verdrängte, cs gab ein anderes Land, wo an einem anderen Himmel andere Sterne erglänzten, wo ihm — (o, cs konnte ja nicht anders sein!) — Fortuna mit lieblicherem Antlitz cntgcgcnsah. Dorthin wollte er ziehen; jenes moderne Land Kanaan mußte auch ihm besseres Gelingen, neues Leben verleihen. An einem Octvbertage des Jahres 185— kam er in New-Aork, der Stadt aller Städte, an. Seinen Geigenkasten in der Linke», das Handköffcrchen, welches seine wenigen Habscligkeiten barg, in der rechten Hand, betrat er voll Muth und Zuversicht in die nunmehrige Verwirklichung seiner kühnen Träume den gesegneten Boden Amerika's. Es beengte ihn nicht, daß ein fremdes Etwas ihm aus allen Winkeln entgegensah; er hatte beinahe vergessen, daß einige Dollars, eine Uhr und ein Siegelring seine Baarschaft ausmachtcn; cS bekümmerte ihn nicht, daß er genöthigt war, Gasse auf Gasse zu durchwandern, bis er das kleine „Hotel für Deutsche" gefunden, dessen Billigkeit ihm für den Anfang ein sicheres Heim versprach; er war ja in New-Z)ork, der Stadt seiner Träume: Erwartung und Zuversicht auf nahen Ruhm und Größe ersülltcn ja so vollends seine Seele, daß ihn nichts mehr bewegte, daß er im Geiste nur noch den Lorbeer auf seiner Stirne sah. Armer Thor! glückselig schon im Vorgefühl des Erfolgs, welcher Dir vielleicht niemals zu Theil werden wird! Hast Du vergesse», daß viele gleich Dir im Vaterlande Verunglückte mit derselben Hoffnung ans die Wandlung zum Glück das Land dcr Freiheit betraten und deren Mehrzahl dennoch einem sicheren Ruin cntgegeneilten l Sticht ein Monat war vergangen, so hatte unser junger Freund die Eitelkeit seiner Erwartungen in ihrem ganzen Umfang kennen gelernt. Das Glück, auf welches er vertraut, hatte ihn betrogen; die Unkcnntniß dcr Verhältnisse, in die er hineingecilt war, hatte bittere Enttäuschungen für ih» zur Folge gehabt. „Sie sind ein Thor, Ihr Glück in einem Lande zu versuchen, in welchem mau nur Koryphäen bezahlt und Celebritäten bewundert", hatte man ihm von allen Seilen gesagt; und so sehr er sich sträubte, die Wahrheit zu erkennen, die Thatsache besiegen konnte er nicht. Bald hatte er zur Genüge begriffen, daß die nordamcrikanische Welt stadt kein bcarbcitungsfähigcr Boden für die Uucrfahrcnhcit eines deutsche» Kleinstädters sei, und daß er in dem unabsehbaren Strome des Auf- nnd Niedcrgehens verloren sei, wenn ihm nicht ein Zufall Rettung brachte Welch' entsetzlicher Gedanke lag für den jungen Mann in diesem Bilde! Wie schwarz, wie unheilvoll stellte sich ihm die Zukunft dar! Die kleine Baarschaft verzehrt, fremd in fremdem Lande, existenzlos. ohne Hoffnung, dcr Zuversicht ans die Möglichkeit eines EcfolgeS bcraubt — konnte man ih» tadeln, daß sei» Herz sich mit Erbitterung gegen das Schicksal erfüllte, daß cs sich zur Anklage gegen die ewige Gerechtigkeit erhob?
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