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ELchfifcher La«veS-A«zeige». Nr. 3S. Mittwoch, 15. Februar 1888. — Di« von d« .Neue» Freien Presse- veröffentlichten Mit- thrilnngen über die Bestimmungen, unter welchen Italien der deutsch österreichischen Allianz beigetreten, werden von der .Köln. Ztg." als i« wesentlichen richtig, wenn auch nicht ganz vollständig bezeichnet Das rheinische Blatt schließt seine ersichtlich aus offizieller Quelle stammende Bestätigung mit folgenden Wollen: Im großen Ganzen kau» eS jetzt auf Grund dieser drei Verträge als ausgemacht gelten, daß Frankreich, wenn eS allein entweder Deutschland oder Italien angreifen sollte, eS sofort Deutschland und Italien gemeinsam zu Gqznrrn habe» würde, daß Rußland, wenn es allein entweder Deutsch land oder Oesterreich-Ungar» angreifcn, diese beiden Staaten zu be kämpfen haben würde, und endlich, daß Rußland und Frankreich, Wenn sie gemeinsam auch nur einen einzigen der drei verbündeten Staaten angreifen sollten, alsobald die gesammte Kriegsmacht der drei Verbündeten Staaten Deutschland, Oesterreich-Ungarn und Italien herausfordern und zu bekämpfen haben würden. Dieser mächtige Frirdenswall wird hoffentlich genüge», den AllSbruch des Krieges für lange Zeit unmöglich zu machen. — Preußisches Abgeordnetenhaus. Am Montag wurde nun endlich der Antrag auf Verlängerung der Legislaturperioden definitiv in dritter Lesung angenommen. Voraus ging noch eine scharfe Debatte, die sich aber zumeist auf Parteistreitigkeilen zuspitzte. An derselben nahmen Theil Adgg. Pleß (Centrum), von Heede (natlib.), Meyer (freist), v. Tiedeniann (frcikons.), v. Schorlemer Alst (Centrum), Stöcker (kons.), Rickert, Munckel (freist). Zum Beginn der Sitzung Hrte dos Haus das Andenken des verstorbenen Abg. v Lessiug (kons.) durch Erheben von den Plätzen. Dienstag Etat. — Wie der „Franft. Ztg." aus Warschau gemeldet wird, ist «tu die dortige Censurbehörde die telegraphische Weisung ergangen, die Redakteure der Warschauer Blätter zur Kommentirung der Bis- worck'schen Rede in friedlichem Sinne zu veranlassen. Aus diesem Grunde wurde die Veröffentlichung mehrerer in entgegengesetztem Sinne gehaltener Artikel der polnischen Blätter von der russischen Ernsurbchörde beanstandet. — Im Scniorenkonvent des Reichstages sprach mau am Montag sich dahin aus, wenn die verbündeten Regierungen aus die Turchbe- rathung der Arbeiteraltersvorlage in dieser Session verzichteten, werde der Reichstag am 20. März geschloffen werden können. Ein so früher Sessionsschluß ist noch nicht dagewescn. — Dem Reichstage gingen die Berichte über die Verlängerung des kleinen Belagerungszustandes sÜr Stettin und Offenbach zu. In beiden Berichten wird die Fort dauer der sozialdemokratischen Agitation hervorgchobcn. — Wie verlautet, sind am Montag die Verhandlungen zwischen den Spiritus-Produzenten und dem Finanzkonsoniuni (Diskonto- Gesellschaft rc.) in Berlin abgebrochen. Die Interessenten wolle» Versuche», das Unternehmen niil anderen Finanzleuten zu Stande zu dringen. — Zu dem von uns gestern erwähnten Mordanfall auf den Äsäsfischen Polizeikommissar Stempel aus Mol-Heim wird noch weiter Berichtet: Nach der Rückkehr Stempels nach Hause wurde die Kugel, ein 6-Millimetcr-Geschoß, von dem Kreisarzt Or. Petri ohne be sondere Schwierigkeiten entfernt. Die Verwundung ist glücklicherweise ungefährlich, sodaß voraussichtlich Stempel binnen Kurzem wieder dienstfähig sein wird. Ueber die Person des Thäters und die Be weggründe zur Thal ist zur Stunde noch nichts Näheres bekannt. Es erscheint die Annahme gerechtfertigt, daß hier ein Akt persönlicher Rachsucht vorliegt, da Stempel, der mit Recht den Ruf eines ener gischen und pflichtgetreuen Beamten genießt, verschiedentlich in seiner umtlichen Thätigkeit genöthigt war, gegenüber Rohheiten und groben Ausschreitungen in nachdrücklicher Weise vorzugehcn. Oesterreich - Ungarn. Zu den von Wien ansgegangcncn Publicationcn über den mitteleuropäischen Friedensbund schreibt der Londoner „Standard-, daß es besonderer Vereinbarungen mit Eng land, um die österreichischen und italienischen Küsten vor feindlichen Landungen zu schützen, nicht bedürfe, England könne keine Schutz- und Trutzbündniffe eingeheu. Es sei aber vorbereitet, die Vertrüge aufrecht zu halten, unter welchen seine Unterschrift stehe. Äo lange die Tripel-Allianz eine Bürgschaft für die Erhaltung des Friedens sei, werde sie Englands Unterstützung finden. Wenn der Friede von einer Macht außerhalb der Allianz gestört werden sollte, so werde Englands Gewicht in die Wagschale gegen de» Angreifer geworfen werden. Das sei die Politik der gegenwärtigen britischen Regierung. Frankreich. General Jappy, der den Befehl über das zwölfte Eorps mit dem über das fünfzehnte Corps vertauscht, brachte beim Abschiedsmahl einen Trinkspruch aus, in welchem er sagte: „In einer berühmten Rede wurde vor einigen Tagen vom kuror teutcmicns gesprochen. Ich trinke auf die kuriu t'rnuceso!" — Lucas, der Attentäter aus Louise Michel, wurde aus der Berwahrungshaft entlassen. England. In Chatham wurde Major Templer, zweiter Com- mandant der aeronautischen Kriegsschule, auf Beiehl ves Kriegs- Ministers verhaftet, weil er im Verdacht steht, aus seinem Departement einer Firma in Birmingham Geheimnisse verralhen zu haben. Mißtrauen gegen die Nichte des Kanzlers einzuslößcn. Als die Letztere zu der Kaiserin entboten wurde, gehorchte sie bereitwilliger als sonst; die außergewöhnliche Stunde schien ihr ein neuer Beweis zu sein, daß sie in Adelheids Gunst steige, und sie wünschte das letztere, trotzbem sie ihre Herrin haßte, weil ihr dadurch leichter Ge legenheit geboten wurde, das Thun und Treibe» ihrer Feindin aus zuspähen. Die Kaiserin lehnte lässig in den purpurnen Kiffen ihres Ruhe bettes, als Richenza eintrat, sie wandte das schöne Haupt kaum zur Seite, als sie ihreni Hoffräulein den Befehl ertheilte, um den es sich handelte. Eine wohlthätige Spende an Arme gab den leicht ge strudenen Vorwand für diesen Auftrag ab, und die ganze Angelegen heit war in kurzer Zeit erledigt. Das Fräulein stand noch wartend da, Adelheids Aufforderung zu fernerem Bleiben, oder ihrer Entlassung gewärtig; beides aber erfolgte nicht sogleich. Plötzlich wandte sich die Fürstin herum und fragte in strengem Tone: „Warum sagtet Ihr nicht, da Ihr cs doch Wußtet, Fräulein, daß es der Graf von Stahleck sei, den ich zum Turnier geladen, wie ich Euch neulich über ihn befragte?" Richenza's schönes Gesicht erblich in jähem Erschrecken; woher konnte der Verhaßten diese Kunde von dem, was gerade für ihre Ohren am wenigsten bestimmt war, geworden sein? Sie faßte sich indessen mit bewunderungswürdiger Kaltblütigkeit. „Ich hörte aller dings, wenn ich mich recht erinnere," antwortete sie ruhig und mit der ihr so sehr zu Gebote stehenden sanften Würde, „die Vermuthung Von irgend Jemandem des Hofgesindes aussprcchen, konnte aber nicht Wissen, daß Euer Kaiserlichen Gnaden Wille sei, solche Acußerungen müßigen Geschwätzes irgend eines Edelfräuleins oder Pagen wieder zu vernehmen, zumal ich die Annahme, als könne besagter Fremde der Stahlecker sein, nicht theile, da ich denselben vor einigen Jahren gesehen habe und die Beschreibung, die von jenem gemacht wurde, auf ihn nicht zutrifft.- Das Fräulein hatte aus dem veränderten Wesen der Kaiserin sofort begriffen, daß die Aussicht, sich Adclheiv's Vertrauen zu ge winnen, vorüber war; sie wußte aber auch ebenso gut, daß man eine RaugrSfin von Dassel, die Nichte des mächtigen Kanzlers, nicht so ohne weiteres bei Seite schieben konnte, und wagte daraufhin die dreiste Antwort, indem sie noch obendrein die Miene der unschuldig Gekränkten annahm. Adelheid ließ sich diesmal aber dadurch nicht täuschen, ihr Argwohn war einmal angefacht; zudem erregte die beißende Antwort Rußland. Der russische Botschafter Lobanow in Wien äußerte in Unterhaltungen mit verschiedenen Diplomaten, Rußland wäre auch jetzt noch fest entschlossen, weder eine diplomatische Initiative zur Löiung der bulgarischen Frage zu ergreifen, noch auf eventuelle Vor schläge anderer Mächte, welche der bisherigen Richtung der russischen Politik zuwiderlaufc», einzugehen. Das ließ sich bei der bekannten Strömung in Petersburg voraussehen. Spanien geht energisch mit der Erhöhung seiner Spiritussteucr vor. Nach einem in der Kammer cingcbrachteu Gesetzentwurf soll eine Zwchl agstener von hundert Franken per Hectoliter von aus ländischem, zu gewerblichen Zwecken bestimmtem Alcohol erhoben werden. Dagegen soll das inländische Brennereigewerbe für zehn Jahre von allen Abgaben frei sein. Orient. Aus Bulgarien kommen jetzt seltsame Gerüchte, denen zufolge sich Stambulow an die Spitze der Umsturzpartei gestellt habe und lebhaft für die Versagung des Fürsten Ferdinand agitire. In zwanzig Kreisen sollen bereits die Präsekten und alle einflußreichen Persönlichkeiten dafür gewonnen morden sein. Stambulow wolle, so heißt es, einen mindersährigcn Fürsten auf den bulgarischen Thron erheben, um eine Regentschaft cinzusühren. Die ganze abenteuerliche Geschichte bedarf natürlich noch sehr der Bestätigung, ist aber charakteristisch für die Unsicherheit, welche die bulgarischen Verhältnisse beherrscht. Daß sich in Bulgarien wieder eine Krise vorbereitet, ist kaum zu bezweifeln. Amerika. James Blaine, unter der früheren Hegemonie der Republikaner wiederholt Staatssekretär des Aeußeren der Vereinigte» Staaten von Nordamerika und Candidat bei der letzten Präsidenten wahl, richtete aus Florenz einen Brief an den Vorsitzenden des republikanischen National-Comitecs mit der bestimmten Bille, von der Aufstellung seines Namens für die Präsidentschafis-Candidatur bei Gelegenheit der bevorstehenden republikanischen Nalional-Cvnvcution Abstand zu nehmen, da seine Candidatur die größte Gefahr für die republikanische Partei bedeuten würde. (Der jetzige Präsident Cleve land trat sein Amt 1685 a», es würde demnach nächstes Jahr eine Neuwahl stattzufindcu haben.) Deutscher Reichstag. —NU. Berlin, den 13. Februar. Tie Wahl des Abg. Heunebcrg (2. Sachsen-Coburg-Gotha), über welche die Beschlußfassung i» voriger Sitzung ausgcsetzt war. wird entsprechend dem Commissionsantrage beanstandet. Es folgt zweite Berathung des Gesetzentwurfes betr. d:e Verlängerung des Sozialistengesetzes. Tic Commission beantragt Ablehnung der von den verbündeten Regierungen vorgeschlagenen Verschärfungen und Verlängerung des unveränderten Gesetzes ans zwei Jahre, bis zum 30. September 1890. Tie Regierungsvorlage hatte eine fünfjährige Verlängerung (bis 1893) gefordert. Abg. Hegel (kons.): Namens meiner politischen Freunde habe ich zu erklären, daß wir, nur der Noth gehorchend, uns entschlossen haben, aus die längere Geltungs dauer und die Verschärfungen des Gesetzes zu verzichten, um nicht das Zustandekommen der Vorlage überhaupt zu vereiteln. Meine Partei ist der Meinung, daß das Sozialistengesetz nicht früher ausgehoben werden kann, als bis die Veranlassung zu demselben ge schwunden ist oder aber etwas Besseres als das Gesetz vorliegt. Ein Grund spricht jedoch für die nur zweijährige Verlängerung, nämlich der, daß es nach zwei Jahren vielleicht möglich sein wird, die jetzt abgelehnten Verschärfungen durchzusetzen. Tie Mehrheit der Com mission hat die Verschärfungen verworfen; wenn jetzt das Gesetz seinen Zweck nicht ganz erfüllt, so können Sie doch der Regierung keinen Vorwurf mehr machen, Sie Halen selbst Schuld. Meine Partei will übrigens keineswegs die sozialdemokratische Bewegung nur mit Polizeimaßregeln bekämpfen, sondern legt den höchsten Werth darauf, die Lage der Arbeiter zu verbessern. Vor Allem verlangt sie die Altcrsunterstützung der Arbeiter und das ArbeitcrschuZgesetz. «Beifall rechts.) Abg. Bebel (Soz.) erklärt, er befürchte, der Präsident werde bei der jetzigen Specialdiscussion längere Ausfübr- ungen nicht gestalten. Er behalte sich deshalb die von ihm geplante Darlegung neuer Gesichtspunkte bis zur dritten Lesung vor. Abg. Windthvrst: Das Centrum hat in der Commission gegen die Ver schärfungsauträge gestimmt, zum Theil deshalb, weil es am eigenen Leibe die traurige Wirkung einer Ausnahmcgcsctzgebung erfahren hat. Ter Abg. Hegel hat erklärt, er wolle dcn Arbeitern freie Hand lassen, nur die auf den Umsturz berechneten Tendenzen müßten bekämpft werden. Biele von diesem Hause volirtc Gesetze können aber sehr wohl als auf Umsturz berechnet bezeichnet werden, und das gleiche kann man vonGesctzen sagen, welche noch bcvorsteheu. Wie wollen Sie denn die berechtigten Tendcnzcnvon den Umsturzbestrebungen unterscheiden? Wenn man z. B. Lassalle und Professor Wagner liest, so kann mau wirklich nicht unter scheiden, was berechtigt und was staatsgesährlich ist. Wir müssen deshalb endlich an die Ucberführung des Socialistcugesetzes aus das gemeine Recht herantreten. Daß das Ausnahmegesetz nichts nützt, beweist die Richenza's, für die sie obendrein kaum in ihre Schranken zurückzu weisen war, ihren Zorn. „Ich danke Euch, Fräulein," sagte sie eiskalt, „Ihr mögt jetzt gehen. Ich werde cs Euch wissen lassen, so ich Eurer Dienste wiederum bedarf." Richenza verneigte sich und ging. Das war eine Entlassung, die fast einer Verbannung glich! Sie bebte vor Wuth, und doch ging sie erhobenen Hauptes und lächelnden Mundes durch die Vor- gemächer ihrer Gebieterin, damit Keiner es ahne, wie tief sie soeben gedemüthigt und gekränkt war. O, wen» sie doch im Stande ge wesen wäre, ihrerseits die Verhaßte zu demnthigeu und zu stürzen! Wenn sie ihr doch das strahlende Kleinod hätte entreiße» können, das ihr so große Macht verlieh und mit dem sie sich so übermüthig schmückte .... Sollte etwas geschehen, die Stellung der Kaiserin zu erschüttern, so mußte es bald in s Werk gesetzt werden, das fühlte sie unabweisbar; denn ihre eigene Lage, als unbeliebtes Hoffräulein bei ihrer Herrin, konnte mit der Zeit, trotz ihres Oheims Einfluß, doch unhaltbar werden. Fonsexung folgt. Lttterarisches. P. K. Roscgger's ausgewählle Werke. Prachiausaabe. Mit 600 Illustrationen von A. Greil und A. Zchmidhammer. In 7S Lieferungen. Lcxikon-Octav. ä SO Pig. (A. Hanlcben's Verlag in Wien.) Von dieser de- mcrkenswerlhen Publicaüon, welche durch ihren Inhalt, schöne Ausstattung nnd wohlfeilen Preis die weiteste Verbreitung verdient, liegt uns die erste Lieferung vor. Es mag wohl kaum einen zweiten Autor geben, dessen lebens volle und kernige Schriften so gebieterisch nach sichtbarem Ansdrucke in Bildern drängen. Roseggers anmnthsvolle Natur- und Landschastsbilder erwecken unwillkürlich den Wunsch, die herrlichen Szenerien seiner Schilderungen von verständnißvoller Künstlerhand dargestellt zu sehen und in diesen Rihmen die herzgewinnenden Gestalten des Dichters hineinzudcnken. Rosegger hat das Glück gehabt, für feine Schriften Künstler zu finden, deren Stift mit der Feder des Erzählers eins zu sein scheint — Alois Greil, ein altbewährter Meister, der wie selten einer Herz »nd Gcmüth der Aelpler verstanden und der es vermocht, ihr Leben und Weben in tausend Zügen glücklich und meistcr- hast festzuhallen. Ihm ge'elli sich ein jüngerer tüchtiger Künstler A- Ichmid- hammer zu, der selbst ein Sohn der steierischen Berge und mit seinem Volke innig vertraut ist. Beite vereinte» sich im künstlerischen Bestreben, Rosegger s Schriften würd.g zu illnstriren — nnd dieses ist ihnen auch thalsächlich ge lungen. So ziehe denn diese schöne, illuslrirte Ausgabe von Roseggers Werken hin in die weite Welt, in ocr sie sich lange schon das Ehrenbürger- lhmn errungen, und pflanze aufs Neue in Tani'eude von empfänglichen Herzen dcn edlen Keim der Liebe zur Natur und wahren Poesie, der in dem unerlchöpfliche» Schatzkästlein unserer deutschen Alpen, im Herzen eines Rosegger in ewig junger Schönheit erblüht! ... Forderung der Regierung nach Verschärfungen. Durch meine von der Commission abgelehnten Anträge habe ich die Freiheit der Dil» cusfion herbeiführen wollen. Ohne letztere ist eS unmöglich, dem Volke die Unrichtigkeit der socialdemokratischen Theorie nachzuweise«. Würde der Unterricht geändert, die Schule der Kirche überlassen und die Kirche entfesselt, dann würde manches jetzt bestehende schlecht« Beispiel vermieden werden. Auch auf die Litteratur und das Theater muß man ein wachsames Auge haben. Daß dem Volke die Religion aus dem Herzen gerissen wird, dazu hat die Regierung selbst tüchtig mitgeholfen. Redner verweist noch auf die von ihm in der Com mission gestellten Resolutionen, worin er fordert, der Bundesrath möge rechtzeitig einen Gesetzentwurf vorlegen, welcher das gemeine Recht so weit abändert, daß dies Ausnahmegesetz überflüssig wird. Minister von Pultkam er: Der Herr Vorredner hat erklärt, er wolle den verbündeten Regierungen seine Unterstützung im Kampfe gegen die Socialdemokratie nicht versagen, aber wo sich Gelegenheit zu solcher Unterstützung bietet, geht er nicht darauf ein. Wenn Herr Windthvrst fragt, wo die Grenze für socialdemokratische Tendenzen zu suchen ist, so erinnere ich daran, daß bereits im Jahre 1878 der Grundsatz ausgestellt wurde, die Socialdemokratie und ihre Lehre ist zu bekämpfen, sobald sie das Gebiet der blosen Theorie verläßt. Die Socialdemokratcn selbst haben erklärt, sie wollten das persönliche Eigenthum aufheben, die Grundlagen der gegenwärtigen Gesellschaft Umstürzen. Ich meine, das dürfte für Herrn Windthorst ge nügen. Auch ist cs sehr unvorsichtig, zu verlangen, daß das gemeine Recht an die Stelle des Ausnahmegesetzes ge setzt werde. Es beweist das eine Broschüre von dem bekannten Agi tator Christensen. Sie ist betitelt: „Der moderne Schul- und Bil dungsschwindel" und ergeht sich in den entsetzlichsten Angriffen auf unsere Schuleinrichtungen und Religion. Tie Schrift ist auf Grund des Sozialistengesetzes verboten, ohne dieses Geietz wäre das Verbot nach der Ansicht des Reichsgerichts nicht möglich gewesen. Das Ausnahmegesetz hat die extremen Theile der Sozialdemokratie, wie Most, Hasselmann rc., die Herr Bebel seine Freunde nannte, aus Deutschland getrieben. Entschieden muß ich gegen die Behauptung des Abg. Windthorst protestiren, daß die Regierung die Religion im Volke und in der Schule* vernichtet hat; es wundert mich dies um so mehr, als Herr Windthorst mich zu der Zeit, wo ich noch preußischer Kultusminister war, in dieser Beziehung in einer Weise gelobt hat, die mich anderen Parteien gegenüber in eine schiefe Stellung brachte. (Heiterkeit.) Tie verbündeten Regierungen werden dies Gesetz auch bei einer Weitcrverlängerung auf nur zwei Jahre annehmen müssen, können aber nicht den Grundsatz billigen, daß jeder Reichstag in der Lage sein soll, die Regierung bezüglich dieses Gesetzes anzugreifen. Abg Träger (freis.) erklärt, seine Partei werde gegen jede Ver längerung stimmen, das gemeine Recht enthalte die wirksamsten Be stimmungen zur Bekämpfung von Ausschreitungen. Tie berechtigten Forderungen der Sozialdemokraten müßten hingegen unterstützt werden. Abg. Nobbe (sreikons.) tritt für zweijährige Verlängerung des Ge setzes ein, empfiehlt aber auch dringende Beschleunigung der Arbeiter schutzgesetzgebung. Abg. Marquardseu (natlib.) spricht für Ver längerung des Gesetzes, Abg. Bebel (Soz.) dagegen. Darauf wird zur Abstimmung geschritten. Die Verlängerung des Gesetzes auf 5 Jahre wird gegen die konservativen Stimme» abgelchnt, die Ver längerung ans 2 Jahre (30. September 1890) wird mir 164 gegen 60 Stimmen (dafür Konservative, Naiionalliberale, Theile des Cen trums) genehmigt. Dienstag 1 Uhr wird die Berathung fortgesetzt Vom sächsischen Landtage. Am 13. Februar hielten beide Kammern kurze Sitzungen ab- In der II. Kammer erklärte Abg. Bramsch vor Eintritt in die Tagesordnung in Bezug auf die seitens des socialdemokratischen Abg. Kaden in der Cnltusdebatte gethane Aeußeruug, in der Gemeinde Cotta hätten die Grundbesitzer die Hälfte der Schnldotationen für sich in Anspruch genommen, daß diese Behauptung, wie ei» ihm zu- gegangenes Schreiben des dortigen Gci»ei>Herathes darlege, jeder Begründung entbehre. Das Geld sei im Interesse der Schulgemeinde verwendet worden. Er selbst sei Grundbesitzer in Cotta, doch sei ihm von einem Erlaß der Grundsteuer nichts bekannt. Abg. v. Bosse erstattet sodann auderweite» Bericht über den Gesetzentwurf behufs Fürsorge für Beamte infolge von Betriebsunfällen. Er beantragt Ablehnung des von der 1. Kammer angenommene» Amendements, „die Regierung zu ermächtigen, denjenigen Beamten der Staats- und Civilverwaltung, welche im Dienste, jedoch nicht in einem gesetzlich der Unfallversicherung unterliegenden Betriebe, einen Un-all erleiden, sowie den Hinterblievenen derselben unter den Voraussetzungen und nach Maßgabe des erwähnten Gesetzes die in demselben vorgesehenen Bezüge aus der Staatskasse zu gewähren, sofern nicht diesen Beamten »ach anderweiter Bestimmung ein höherer Betrag zusteht." Die Deputation hofft, hierdurch im Bereiniguugsverfahren zu einem sachlich gleichbedeutende», formell aber präciser gefaßten Beschluß zu kommen. In diesem Sinne stimmt die Kammer dem Tcpulalions- Antrage zu. Tie I. Kammer erklärte die Petition des Friede. Däumlcr aus Rittcrsgrün und Ge», um Gewährung von Pension für unzu lässig und ließ, gleichfalls debattclos, die Beschwerde und Petition von Heinrich Dietz in Leipzig wegen Auflösung der dortige» Kramer- inuung auf sich beruhe». Ten Ständen ist ein neuerliches Dekret zugegange», welches eine nachträgliche Abänderung des Etats des Justizministeriums ent hält. Es sollen künftig zwei Abthcilungs-Direklvrenstellen bestehen, dagegen eine Rathsstelle in Wegfall kommen, was eine Mehrbelastung des Budgets mit 2100 Mark bedingt. Der Gesetzentwurf betreffs der Gerichtskosten in der nicht streitigen Rechtspflege stößt i» der Deputation der II. Kammer auf große Schwierigkeiten. Man findet maunigfachc Widersprüche in den ansgestellten Sätzen und vermißt sehr ein einheitliches Prinzip. Der ursprüngliche Entwurf soll von dem Geh. Justizrath Or. Rüger herrühreu. Sächsisches. — Dresden, 13. Februar. An unserem Königshofe weilen jetzt außer der Erzherzogin Maria Josepha auch der Herzog Johann Albrecht von Mecklenburg nebst Gemahlin, Fürst Heinrich XIV. von Reuß-Gera, Prinz Albert von Sachsen Altcnburg nebst Gemahlin und die Prinzessinnen Luise und Feodora zu Schleswig-Holstein zu Be such. Tie Genannten betheiligen sich Dienstag Abend an dem im kgl. Schlosse stattfindenden Fastnachtsballe. — Vor Kurzem starb der Geschäftsführer der Schankwirthschaft „Englischer Garten" hier und ließ seine Familie in beschränkten Verhältnissen zurück. Da haben die Gäste der verschiedenen Stammtische dieser Wirthschaft ein hoch- anerkcnnenswerthcs Licbeswerk gcthan. Man stellte im Geheimen eine Sammlung unter sich an und das Ergebniß derselben war über 1500 Mk. Da auch der Besitzer der Wirthschaft in fürsorglicher Weise für die Hinterbliebenen cintrctcn will und der Wittwe außer dem eine bescheidene Lebensversicherungsprämie zufällt, so ist dieselbe mit ihren Kindern vor Noth gesichert. — Heute früh hat sich in einem Hause an der Bürgcrwiese ein Bäckerlehrling an der Thür- kliuke eines Kunden, zu welchem er Semmel zu tragen hatte, durch Erhängen gctödtet. Der Lehrling hatte wegen Nachlässigkeit von seinem Lchrherrn kurze Zeit vorher eine ernste Zurechtweisung erhalten. — Leipzig. Die hier veranstaltete Sammlung für die Opfer der Trichincn-Krankhcit in Cunewalde hat bereits eine Summe von 3283 M. ergebe».