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Snferate «erden bis Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen nnd losten: diel spalt. tzeUeLO Pf- Unter Eingesandt: 40 Pf. Jnferatea- An»«h»eftele«: Invalidendank, Haasenstein L Bögler, Rudolf Mosse, G. L. Daub« « To. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., S. Kohl, SesselSdorf, Hugo Müchler, Kötzschenbroda u. s. w. äMche DorheilliG Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und tandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschasten DreSden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. verantwortlicher Redakteur und Verleger Hernmum Müler in Dresden. Exped. u. Redaktion rvesden-Nenstadt kl. Meißner »ass« 4. Die Zeitung erscheint Ttenftaa, Taunerfta» und «»nnabend früh. A»*nue«eat»- Preis: viertel jtihrl. M. 1M Zu beziehen durch die kaiserlichen Post anstalten und durch unsere Boten. Bet freier Lieferung in- Hau- erhebt di« Post noch eine Go» bühr von 2b Pf. Ar. 129. Donnerstag, den 31. Mtoöer 1901. 63. Jahrgang. Bestellungen auf die „Sächsische Dorf- zeituug" für die Monate Aveuckr und Decemött nehmen alle kaiserlichen Postanstalten und Post- expeditionen, sowie auch alle Landbriefträger gegen Vorausbezahlung von 1 M. 20 Pfg. entgegen. Geschäftsstelle der „Sächsischen Dorfteitung". Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Von allen Ecken und Enden laufen Nachrichten darüber ein, daß man Maaßregeln trifft, um einer im kommenden Winter drohenden Arbeitslosigkeit vor. zubeugen. ES ist einmal leider der Laus der Welt, daß in Zeiten wirthfchastlichen Aufschwunges von dem Einzelnen, ja von ganz-n Ständen nicht so leicht an die Möglichkeit eines Niederganges gedacht wird; ist aber ein solcher einmal da, breitet sich die Arbeits losigkeit cu- und steht der Winter vor der Tbüre, dann klingen die Worte: WaS soll das werden? — für Bikle wie eine Frage an das Schicksal. Die »Magde burger Zeitung" weist darauf hin, daß eS augenblicklich kaum eine größere Industrie giebt, in der nicht Ar» bkivrentlassungen oder erheblich Betriebeeinschränkungen notwendig geworden sind. Auch das Kleingewerbe leidet unter der gegen wärtigen Krise, denn winn die Großindustrie danieder» liegt, wird das gesammte Erwerbsleben in Mitleiden schaft gezogen. Es ist also gegenwärtig nicht nur der Fabrikarbeiter durch die GeschäftSstockurg bedrückt, sondern sie trifft auch Len Handwerker und keineswegs nur den Arbeitnehmer, sondern auch vielfach den A - beitgeber empfindlich. Besonders leidet auch der Klern» handel unter der Krise und — WaS viel sagen will — selbst die Kneipen machen schlechte Geschäfte! Der kommende Winter trifft also eine Arbeiterbevölkerung, die mehr als in den letzten Wintern darauf angewiesen ist, von der Hand in d>n Mund zu leben und die im Allgemeinen mit ihrer Ernährung auf den Ver dienst des Tage- rechnen muß. Ganz abgesehen von christlicher Nächstenliebe ist es scciole Pflicht, der lohnarbeitenken B-völkerung ihre schwierige Laue so viel als möglich zu erleichtern. Aber wie kann das geschehen? Lin Beschäftigungs loser kann natürlich nicht ohne Weiteres Almosen empfänger sein. Sein berechtigte- Ehrgefühl wird sich dagegen sträuben und eine kluge Fürsorgepolitik verbietet eS. Also Arbeit, Verdienst schaffen! Da ist allerdings schwerer al- Almpsen geben. Sicher wird schon heute von den meisten Arbeitgebern im Sinne dieser socialen Verpflichtung gehandelt; aber selbst dem menschenfreundlichsten Unternehmer wird durch die harten wirthschaftlichen Thatsachen eine Grenze gezogen. Wenn die Aufträge au-dleiben und die Lager gefüllt sind, da ist die Grenze meisten- er reicht. Wo sie überschritten wird, kann der geschäft liche Ruin de- Unternehmers leicht die Folge sein. ES ist ganz selbstverständlich, daß auch Staat und Gemeinde in Zeiten der Arbeitslosigkeit größere sociale Pflichten zu erfüllen haben. Auch bei ihnen bestehen diese vor Allem in der Beschaffung van Arbeit. Dieser Aufgabe, wenigsten- vorübergehend, in einem Noth- standSwinter gerecht zu werden, sind sie mehr als der einzelne Unternehmer in der Lage. DaS Wort »Notstandsarbeiten" hat weder bei staatlichen und städtischen Verwaltungen, noch in der Arbeiter bevölkerung einen besonders guten Klang. Man hat sich daran gewöhnt, unter dresen solche zu verstehen, die eigentlich nicht recht nothwendig sind und schlecht bezahlt werden. DaS braucht aber nicht die Eigenschaft von Nothstandsarbeiten zu sein. ES ist zu bedauern, daß weder Slaat noch Gemeinden aus die Erfüllung ihrer socialen Pfl'cht bei größerer Ar beitslosigkeit genügend vorbereiter sind. Schlimme Zeiten kehren regelmäßig wieder. Man hat auch Er fahrung genug, um aus bestimmten Zeichen erkennen zu können, wann etwa eine Kuse und größere Arbeits losigkeit zu erwarten ist. Eine weise sociale Fürsorge politik sollte auch Staat und Gemeinden zur Be- achtung dieser Zeichen bestimmen. Staat und Ge meinden würden sich dann auf die socialen Aufgaben, die ihnen während einer wirthschaftlichen Krise zufallen, rechtzeitig vor bereiten können. E« giebt sowohl bei staatlichen wie kommunalen Verwaltungen gewisse um fangreiche Arbeiten, die in Zeiten starker Beschäftigung auf weniger günstige Jahre verschoben, andre, die vielleicht erst in geraumer Zkit nothwendig, aber bei Arbeitsmangel in Angriff genommen werden können. ES sollte in dieser Beziehung gewissermaßen von allen öffentlichen Behörden eine ArbeitStheilung im großen Style statlfinden; man sollte in ohnehin guten Jahren nicht allzu viele staatliche und städtische große Arbeiten gleichz<itig in Angriff nehmen, um, wie gesagt, für die beschäftigungslosen Zeiten, die regelmäßig wiederkehren, auch noch größere nothwendige Arbeiten übrig zu lasten. Natürlich ist da- nicht immer möglich; aber bei guter Voraussicht könnte Biele- in dieser Beziehung geschehen. Eine derartige Fürsorgepolitik würde auch für Staat und Gemeinde vortherlhaft sein. Die bessere Beschäftigung der arbeitenden Bevölkerung würde den Ausfall von staatlichen und städtischen Steuern, der sonst in Zeiten der Krise erheblich ist, die fruchtlosen, aber Geld kostenden Pfändungen, die Armeuunterftütz- ungen rc. vermindern. Die Kaufkraft der ärmeren Bevölkerung würde zum Vortheil anderer Erwerbs» zweige, wie Handwerk, Handel und Lanbwtrthschaft, weniger tief finken. Freilich wird die weiseste sociale Fürsorgepolitik die Folgen einer geschäftlichen Krise nicht beseitigen können, aber erheblich mildern lasten sie sich mit Umsicht, Erfahrung und festem Willen. Allerdings muß sich auch der Einzelne, wie der ganze nothleidende Stand gesagt sein lasten, daß alle Für sorge zur Schaffung von Arbeitsgelegenheiten in schweren arbeitslosen Monaten nicht dieselben Früchte zu tragen vermag, wie die Befolgung eines alten, leider immer mehr in Vergessenheit gerathenden Sprüchlein-: »Spare in der Zeit, so Haft Du in der Noihl- Selbsthilfe, die in Selbstzucht, Einschränkung und Genügsamkeit während der fetten Tage besteht, wird immer ein nicht zu unterschätzende- Mittel sein und bleiben, die drückenden Folgen einer hoffentlich nicht allzu la^ge andauernden Arbeitslosigkeit wenig sten- zu mildern. Wie dem auch sei, die Bemühung, den nun ein mal in Noth Befindlichen zu helfen, ist durchaus an. erkennenSwerth. Aber au- so weitauSschauenden, praktisch nicht spruchreifen Dingen wie AröenSlosen- versicherung und allgemelnem Achtstundentag ist d»n A beitSlosen von heute dauernd ebensowenig gedient, wie mit den alten Brandreden gegen die herrschende Gesell schaftsordnung. Das wichtigste Auskunftsmittel ist vorläufig, daß man den Arbeitslosen den Rückweg in die Landwirthschaft bahnt und ihnen hier nach Beoarf auch wieder die Plötz; öffnet, die inzwischen der mangelhafte Ersatz durch ausländische Hilfskräfte auS- gefüllt hat. WaS an eigentlichen, ursprünglich w- vustriellen Arbeitslosen übrig bleibt, wird wohl durch den Staat und die Städte mit NothstandSarbeit-n über die schwierige Lage binweggebracht werden. Politische Weltscharr. Deutsches Reich. Der Kaiser weilt augen blicklich in Liebenburg als Gast deS Fürsten Eulenburg. Da sich auch der Reichskanzler Graf Bülow dahin be geben hat, tauchen wieder einmal Krisengerüchte auf, AeuMeton. Das Gesellschastsfräulein. Novelle von Gustav Höcker. (Nachdruck verboten.) 1. Der »Tulperhof" war ein große- Landgut und verdankte seinen Namen den Tulpendäumen, welche in dem da- Herrenhaus umgebenden Parke in seltener Fülle und Schönheit wuchsen. Die Tulpenbäume ge- nassen in den Kreisen der Gartenfreunde eines weit verbreiteten RufeS und sehr häufig kamen von der zwei Stunden entfernten Eisenbahnstation Fremde zu- gerest, um Setzlinge zu kaufen. Sie wurden ohne Ansehen der Person an den Gärtner gewiesen, da der Tulpenhandel neben der ausgedehnten SutSwirthschaft nur eine sehr untergeordnete Rolle spielte. Auch der stattliche, hochelegant gekleidete Herr, der soeben in einem Zweispänner angekommen war, um die viel gepriesenen Tulpenbäume in Augenschein zu nehmen und einige Exemplare davon in seinen Gaiten zu ver setzen, wußte sich, trotz seine- vornehmen Aeußeren, da zu bi quemen, sem Geschäft mit der bescheidenen Person deS Gärtner- abzumachen. Er werde denselben im östlichen Theüe de- Parke» antreffen, wurde ihm von einem Knechte bedeutet und der bezeichneten Himmels» nchtunz folgend, schritt der Fremde den frisch ge- jäteten, gelben Eandweg entlang, welcher bald unter schattigen Vaumalleeo, bald zwischen saftig grünen Rasenflächen hinführte. Er mußte an dem Herren hause vorüber, einem im reizendsten Villenstyle er richteten Gebäude mit einer Terrasse, von welcher eine breite Steintreppe in Len Park führte. Auf der Terrasse prangte eine berauschend duftende Flora von Topfpflanzen, welche sich durch eine offeostehende, gläserne Bogenthür« nach dem Innern forlsetzte. Der Fremde betrachtete diese Schönheiten mit den Blicken eines Vornehmen, der AehnlicheS täglich vor Augen hat und wollte schon an der Billa vorübergehen, als eine Dame in eleganter Morgentoilette au« der GlaS- thüre auf die Terrasse trat. Wie von einem plötz lichen Zauber berührt, blieb der Fremde stehen. Er befand sich längst nicht mehr in dem Alter, wo Herz und Auge für überraschende Eindrücke leicht zugäng lich sind, denn er mochte bereit» den Fünfzigern nahe stehen. Auch hülle sich schwer sagen lassen, waS selbst den jugendlichen Beobachter an der Erscheinung froppirt haben könnte. Ihr Wuchs war allerdings tadellos; ihre Gesichtsbildung trug das unverkennbare Gepräge ehemaliger großer Schönheit; aber die Blüthe der Jugend war im Laufe von mindesten« vierzig Sommern von diesem Antlitz verschwunden. Die Dame ließ sich von dem fremden Manne anstarren, ohne daß seine Gegenwart auch nur daS leiseste Mienenzuckeu in ihrem Gesichte hervorgebracht hätte; eS war, als existire er überhaupt nicht für sie. Der Fremde schien dies als selbstverständlich voraus- zusetzen, denn er gab sich der Betrachtung mit jenem zwanglos prüfenden Blicke hin, als habe er -ine leb- lose Marworfiatue vor sich. Endlich wandte er sich zu« Weitergehrn und jetzt erst, wo unter seinem Schritte der Sand knirschte, hob die Dame lauschend da- Haupt und in ihren GchchiSzügen stellte sich eine gewisse Unruhe ein, als sei ihr die Nähe eine» anderen menschlichen Wesen- erst durch ihr Ohr verrathen worden. So verhielt eS sich denn auch in der That, denn die Dame war blind. Der fremde Besucher setzte seinen Weg fort und fand den gesuchten Gärtner bet den Tulpendäumen, welche in so erstaunlicher Menge wuchsen, daß sie einen kleinen Hain bildeten. Er traf seine Auswahl, ließ sich die Kaufpreise sagen und wurde dann von dem Gärtner zurückbegleitet. »Ich habe auf dem Wege hierher eine blinde Dame gesehen", bemerkte er im Gehen. »Gehört die zum Gute?" »DaS ist die Gutsherrin selber", gab der Ge fragte zur Antwort. »Wie heißt sie?" » näulein Haller." »Fiäulein?- wiederholte der Fremde, da« Wort betonend. »So ist sie also nicht durch Heirath zu der Besitzung gekommen?" »Nein", versetzte der Gärtner. »DaS ist sehr einfach zugegangen und doch eigentlich auch merk würdig. Jedermann auf dem Gute kennt die Ge. schichte, denn da» Fräulein macht kein Geheimuiß daraus, daß sie früher eine arme Lehrerin war, ohne Leitern, ohne Geldmittel. Nur über ihre Erblmduvg spricht sie sich nicht auS. Sie hat uemlich daS Ge brechen nicht mit auf die Welt gebracht, sondern bis in ihre zwanziaer Jahre so gut gesehen wie Sie und ich. Wodurch sie aber um'S Augenlicht gekommen ist,