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erprd. u. Rrdaktt« Dresden-Ne«fta-1 ll. Meißner Tasse 4» Die Zeitung erscheint Dtenfta», Dvnuersta, und Gvanadeud srüh. Udvnnement»- Preis: »iettrljährl. M. IM Zu beziehen durch di« kaiserlichen Post- onstaltrn und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung in« Hau« erheb: dir Poft noch eine Te» hühr von 25 Pf. Sälhsisthe VochkitlMS. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. verantwortlicher RBatteur und Verleger Herrmeuue Müler in Dresden. Inserate werden bi» Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommeu und kosten: diel f-alt. Zeile SO Pt Unter Eingesandt: sO Pf. -nferaten- Annatzmeftelcn: Irwalidendank, Haasenstein L Bögler, Rudolf Mofir, S. L. Daube « To. in Dresden, Leipzig, Frankfurt aM, «. Sohl, Sesielsdorf, Hugo Muchler, Lotzschenbroda Dienstag, den 2V. August 1901. 63. Jahrgang. Die südafrikanischen KoneentrationS- lager. ES ist in den letzten Wochen sehr stille geworden betreffs der ungeheuerlichen Greuelthat, welche die englische Regierung beging, als sie durch ihre Heer- schaaren im Transvaal, im Orangefreistaat und in der Kapkolonie wehrlose Frauen und Kinder der Buren zu Zehntausenden in engen, ungesunden und in jeder Hin sicht verdammenSwerthen Zeltlagern gewaltsam zu- sammenpserchen ließ. Die sürchterlichen, von uns seiner Zett wieder gegebenen Schilderungen jener furchtlosen und unparteiischen Dame Miß Hobhouse wurden nach Kräften und mit allen unreellen Mitteln als unwahr hingestellt und todtgeschwiegen und um die Enthüllungen derselben zu balanciren, wurde schließlich sogar die Bildung eine- spectellen DamenkomitSS gestaltet, das natürlich au- Angehörigen der ersten Gesellschaftskreise zusammengesetzt war und mit allen möglichen Privilegien ausgerüstet nach Südafrika dampfte und dort jetzt die Koncentration-lager nach einander besucht, um nach Wunsch und Gefallen der britischen Regierung officiell sestzustellen, daß in diesen Heimstätten deS grenzen losesten Elend- natürlich Alles in tadellosester Ordnung ist und daß die unalücklichen Frauen und Kinder mit ihrem Loose unter britischer Protektion mehr wie zu frieden sind und ein behaglicher Dasein führen. Da- Einzige, wa- in jeder Woche über die Kon- centrationSIager in der englischen Presse osficiell und osfic-ö- laut wurde, war die immer wiederkehrende Versicherung, daß eS den Weibern und Kindern der Buren unter englischem Schutze in jenen Lagern durch weg viel besser ergehe, als sie es früher jemals ge wohnt gewesen seien und mit dieser pharisäerhaften Lüge glaubt man von oben herab da- Gewissen der englischen Nation mit Bezug auf den verübten Frevel gänzlich beruhigen zu können. Dabei werden aber ganz kaltblütig von Zeit zu Zeit die EterbltchkeitSziffern aus diesen KoncentrationS- lagern veröffentlicht und diese Statistiken sprechen an dauernd eine ernste beredte Sprache. Nach den letzten Veröffentlichungen hat e- den Anschein, als ob trotz der gegentheiligen osficiellen Versicherungen der englischen Regierung die Zustände in jenen Zwangsheimstätten der bedauernSwerthen Burenfauen und Kinder sich noch bedeutend verschlimmert haben und fortgesetzt eine stetig wachsende Zahl von Opfern fordern. Während im Monat Juni die Sterblichkeit unter den Kindern in sämmtlichen Lagern 334,8 per Tausend im Durch schnitt betrug, stieg diese Ziffer in den ersten 14 Tagen des Monats Juli auf die fürchterliche Höhe von 393,6 per Tausend und in einem Lager allein starben in dem letztgenannten Zeitraum nicht weniger al- 196 Frauen und Kinder. In dem Lager zu Potchefstroom, in dem sich 3002 Kinder jeden Alter- internirt befinden, starben in der ersten Woche drS Monat- Juli allein an den Masern 95 und in der folgenden Woche 105 Kinder. An Hand dieser Ziffern läßt sich seststellen, daß in dem genannten Lager, wenn dieser Kindermord im Großen im gleichen Procentsatze fortschrettet, in etwa acht Monaten keine Nachkommen der Buren mehr vorhanden sein werden. Auf welche Weise und mit welchen Lügen will die britische Regierung eine solche einfache und klare Statistik widerlegen? Sie wird darauf demnächst mit dem schönen Rapport ihre- vornehmen Damen- komits» antworten und sich inzwischen keine Skrupel über diese- grauenhafte Kinderkerben, das vielleicht gewissen Hoffnungen und Wünschen im Jingolazer nur zu sehr entspricht, machen. Geradezu heroisch scheinen unter diesen fürchter lichen Umständen sich nach wie vor die unglücklichen Frauen und Mütter in den KoncentrationSlagern zu verhalten, denn selbst im „Standard- wird ausdrücklich konstatirt, daß nur selten persönliche Klagen dieser Heldenweiber laut werden, daß sie schließlich, wenn fie zufällig mit gefangenen oder capitulirten Buren zusammen treffen, diese al- Feiglinge und Berräther mit Verachtung strafen und sich stolz von ihnen zurück ziehen. DaS ist echtes Heldenthum, — aber auf eng lischer Seite scheint man hierfür kein Berständniß und kein Auge zu haben und die elende Mißwirthschaft in diesen berüchtigten Lagern deS tödtlichen Jammers nimmt ruhig ihren Fortgang. Politische Weltschau. Deutsche- Sketch. Bei seiner Ankunst auf dem Bahnhofe in London wurden dem deutschen Kron prinzen von einer großen Menschenmaffe warme Ehrungen dargebracht. Der Besuch scheint längere Zeit dauern zu sollen, denn die Zimmer in dem von ihm bewohnten Hotel find auf unbestimmte Zeit belegt worden und die Hotelverwaltung hat alle nöthigen Schritte gelhan, um das gewünschte Inkognito zu wahren. ES handelt sich um eine Ferienreise deS Kronprinzen, die stch auch auf Schottland erstrecken wird. Selbst die deutsche Botschaft in London ist nicht officiell über seine Anwesenheit informirt worden. Prinzessin Friedrich Karl von Hessen ist zum Chef deS Füsilier-Regiments v. GerSdorf Nr. 80. das früher die verstorbene Kaiserin Friedrich zum Chef hatte, vom Kaiser ernannt worden. Damit wurde fie militärischer Vorgesetzter ihres Gemahls, da fie nun- mehr den militärischen Rang eine- Obersten einnimmt. Ihr Gemahl aber, Prinz Friedrich Karl von Hessen, ist noch lange nicht in einer gleich hohen militärischen Stellung; er ist zur Zeit Hauptmann und Kompagnie chef im I. hessischen Infanterie-Regiment Nr. 81. Der König von England weilt jetzt zu einem dreiwöchigen Kuraufenthalt in Homburg, sodann wird er der Herzogin Marie von Sachsen-Koburg-Gotha, sowie der Großherzogin und dem Großherzog von Hessen-Darmstadt in Rosenau, beziehungsweise in Wolfs- garten bei Darmstadt, kurze Besuche abstatten. Dann wird der König nach Dänemark gehen, um dort eine Woche mit der königlichen Familie im Schlosse FredenS- borg zu verbringen und schließlich von Dänemark aus wird er nach Schottland zurückreisen. Einer etwaigen Aenderung der Geschäfts ordnung deS Reichstage- ist dar Centrum ent schieden abhold. Die „Köln. BolkSztg - bemerkt dazu: Die äußerste Linke hat zwar durch ihre wiederholte frivole Obstruktion die Notwendigkeit einer Aenderung der Geschäftsordnung sehr nahe gelegt und die Mehrheit darf Schutz dagegen beanspruchen, daß eine kleine Minderheit fie durch den Mißbrauch der Geschäfts ordnung vergewaltigen kann. Allein die nächste Tagung gleich mit einem Streite über diese Frage zu beginnen, würden wir sür sehr unklug halten. Damit würde man den Zolltarif nur erst recht gefährden. Mit der Aenderung der Geschäftsordnung ginge e- überhaupt nicht so leicht. Selbst wenn nur ein einziger kurzer Paragraph vorgeschlagen würde, ließen sich Dutzende, ja beliebig viele Abänderung-anträge und zahllose namentliche Abstimmungen nicht verhindern. Mißlänge der VersuL einer GeschästSordnungSänderung, so würde die Linke nun erst recht Obstruktion treiben. Gelänge er wider Erwarten, so würden ihr vermuthlich auch noch genug Handhaben für eine wirksame Obstruktion bleiben. Vor dieser zweischneidigen Waffe warnt ferner da- Blatt ganz entschieden und meint, eine dauernde Obstruktion werde bei unS kaum den Au-gang nehmen, wie in anderen Ländern; fie könnte vielmehr unseren ganzen parlamentarischen Einrichtungen verhängnißvoll werden. Denn die Regierung könnte daraus Ver anlassung nehmen, daS Reichstag-Wahlrecht und die ReichStagSbefugniffe zu ändern. Am Freitag ist unter dem Borfitze de- Reichstags abgeordneten Grasen Schwerin-Löwitz der ständige Ausschuß deS Landwirthschast-rathS zur Be- sprechung deS Entwurf- eine» Zolltarifgesetzes zufammengetreten. Zu dieser Konferenz find eingeladen worden die Vorfitzenden der preußischen Landwtrth- schastSkammer und der osficiellen landwirthfchaftlichen Vertretungen in den süddeutschen Bundesstaaten und Keuilleton. Bürgermeisters Justine. Roman von Anna Hartenstein. (Rachdruck verboten.) (13. Fortsetzung.) Nein, wenn sie den Fuß im Ungehorsam über die Schwelle de- äUerlichen Hause- setzte, gab e- sür fie keine Rückkehr mehr. Der Gedanke ließ fie er schauern. Da klang draußen auf der Treppe ein leichter Schritt. Ein freudiger Schimmer flog über Justinen» verdüsterte Züge. Käthe und die Brüder haschten ost zu ihr herauf. Mit zärtlicher Liebe hingen die Geschwister an Justine. Sie hatte ja ihre Kind heit in dem öden, liebearmen Hause durchfonnt und mit oll dem Zauber der Poesie umsponnen, noch dem fie sich gesehnt. Unter der offenen Thüre erschien Köthe, allerliebst in einem rosafarbenen, leichten Sommerkleid, eine duftige Rose au dem herzförmigen Halsausschnitte. Eigentlich war fie böse auf Justine; die Schwester benahm sich doch im Grunde recht ab- schevlich gegen ihren Bräutigam. Wenn fie, die Braut, nicht- dartu fand, daß Lorenz erst um die Schwester geworben, konnte e» Justine erst recht gleichgittig fein. Aber Über geanfse Dinge war nun einmal nicht mit Justine zu streiten und Käthe zog e» vor, Justinen» „alberne» Borurtheil- großwüthig zu ignoriren. — „Rathe, wa» ich für Dich habe, Justine-, rief fie, als fie die Thüre hinter sich zugezogen. Und die Rechte hielt etwa» hinter de« Rucken verborgen. „Einen Brief von Tante Lina — ach, gieb her-, bat Justine mit frohem Aufathwen. Jeden Tag schaute sie sehnsüchtig nach einem Brief von Tante Lina au». Zweimal schon hatte fie ihr geschrieben und der treuen, mütterlichen Freundin ihr ganze» Herz auS- geschüttet — doch kein Wort de» Tröste», der Theil- nähme erhalten. „Nein.- — Käthe lächelte geheimnißvoll. „Aber etwas viel, viel Schönere-.- — „Käthe!- mit einem leisen Aufschrei flog Justine auf fie zu — „Von Wilhelm —- Ihre Kniee zitterten. Eie wußte sich rasch setzen. Sekundenlang starrte fie auf da» Briefchen in unfaß barem Glück, ehe fie e» erbrach. La standen nicht viel LiebeSbetheuerungen, aber jede- Wort athmele die tiefe, mächtige Liebe de- ManneS. Er schrieb ihr von den vergeblichen Versuchen, die Einwilligung ihrer Selter« zu ihrer Verlobung zu erringen, von seiner namev- losen Sorge um fie Rach einer langen Weile erst ließ Justine den Brief finkeu und schaute zu Käthe hinüber, die auf der Tischecke saß, die Füße schlenkernd und, halb theil- nahwSvoll, halb neugierig die Schwester bettachtend. So ein Liebesbrief mußte etwas Schönes sein. Ob Lorenz wohl auch so recht feurige Briefe schreiben würde? Eie wußte ihn um deswillen doch einmal fragen, ob er nicht bald eine Reise vorhabe. „Wie kamst Dn zu dem Briefe, Käthe?- Da» junge Mädchen lächle lustig und sprang vom Tische. „Eine Liebe ist die andere werth, Tina. Du sollst auch glücklich werden, wie ich. Heute mußte ich oben im Garten Jotzannißbeertn pflücken. Da hab' ich aufgepaßt. Na — und vielleicht hat ihn mein Wünschen herbei gezogen, kurz, Dein Wilhelm verließ da- HauS. Ich guckte über die Mauer, ries ihn und ließ ihn schnell »um Pförtchen ein — kein Mensch hat wa» gewerkt. Er kam nur gar zu gern. Sehnsucht und Verlangen schauten ihm nur so au- den Augen. Weißt Du — hübsch ist er gerade nicht und nicht halb so stattlich wie Lorenz, aber riesig gescheit und sehr gut schaut er aus. Ich sagte ihm, daß ihr Beide mich dauert und daß ich mir Gotte» Lohn au Euch verdienen und Euer LiebeSbote sein wolle. In einer Viertelstunde würde ich wieder am Pförtchen fein, wena er etwa» für Dich zu bestellen hätte. Es schien mir fast, al» traue er wir nicht recht. Aber pünktlich nach einer Viertelstunde war er wieder da mit dem Brief. Da hab' ich ihm noch ein Andere- verrathen, da» Du auch noch nicht weißt —- „Wa-?- frug Justine alhemlo». „Am Sonntag ist auf de« Psaffevstein große» Koncert. Die ganze Gesellschaft gedt hin. Wir auch, aber natürlich fahren wir. Und Mama hat gesagt, daß Du mitfahren mühtest. E» ist von wegen dem Gerede und weil Dich jetzt Niemand gesehen hat.- „Und da- hast Du Wilhelm gesagt?- „Ja und daß sich wohl eine Gelegenheit für Euch finden würde —; vielleicht auf der Teufel-kanzrl, da kommt fetten Jemand hia.- _O Käthe, wie danke ich Dirl- Justine stand auf und küßte die Schwester so leidenschaftlich heiß, daß e- Käthe darchschauerte. Heute war erst Freitag, noch eine endlo- lange Zeit di» zum Sonntag Nachmittag, würde fie je vorüoer- geheu? Justine zählte die Stunden. Mit angstvoll klopfendem Herzen schaute fie nach jedem Wölkchen; — wenn der Himmel ihr Glück verregnet!