Volltext Seite (XML)
Hprd. u. Redaktion Hrestzen-Neustadt s. Meißner Sasse 4. Die Zeitung erscheint Tiensta«, Eruuerftai und LennadenD früh. Stsnuement»- Preis: »terteljährl. M. 1,80. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post, anstalten und durch unsere Boten. vri freier Lieferung in« Haus erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Ps. Sächsische Vachnlmq. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und (andmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. verantwortlicher Redakteur und Verleger Lerrma«« Müller w Dresden. Inserate werden bis Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und losten: die 1 spalt. Zelle 20 Ps Unter Eingesandt. 10 Pf. Inferaten- Annahmestelle«: Jnvalidendank, Hassenstein L Vogler, Rudolf Mostes S. L Daud« « Co. in Dresden, Leipzig, Frankfurt a/M., S. Kohl, Kefselsdorf, Hugo Muchler, Kotzschenbroda u. s. w. Mr. 105. Donnerstag, den 5. September 1901. 63. Jahrgang. Das Bild des südafrikanischen Kriegs schanplatzes. Die barbarische Proklamation Lord Kitchener'- ist bis jetzt völlig wirkungslos verpufft, die Hoffnung England- auf eine Aenderung ist also getäuscht worden. Höchstens hat die unkluge Proklamation den Erfolg, daß sie das Anknüpfen von Unterhandlungen noch mehr erschwert, als eS ohnehin der Fall ist. Davon ist denn auch Alles ruhig geworden und immer neue Opfer an Gut und Blut fordert der Krieg. Genau wie vor einem Jahre wird auch heute auf fast allen Theilen des Schauplatzes gekämpft: keine großen Schlachten mehr, kein entscheidendes Ringen — ein endloser ermüdender Kleinkrieg ist eS, von dem die Kitchener'schen Telegramme melden. Viehherden werden zusammen getrieben und wieder auseinander gejagt, hie und da ein kleines Gefecht, ein Ueberfall auf einen Eisenbahnzug, einen Convoy oder eine Feldwache, der fast immer glückt, weil alle Erfahrungen beide Theile nicht vorsichtiger machen konnten, weil das Wachsystem weder bei den Buren noch bei den Engländern ausge bildet ist, vielleicht auch, weil die Erschöpfung beide Parteien gleichgiltig gemacht hat. Die Buren lassen ihre Gefangenen regelmäßig wieder frei; man rechnet damit und verzeichnet eS in den Telegrammen be sonders, wenn eS bis zum Abgänge der Meldung noch nicht geschehen ist. Die Engländer senden die, welche sich ergeben haben, außer Landes, aber wenn man die Zahl der Drportirten, der Verwundeten und Todten von der Zahl der Buren abzieht, welche zu Beginn de- Krieges im Felde gestanden, dann will der Rest mit der Zahl der heute noch im Felde Stehenden nicht stimmen. Dazu kommt noch das Wachsen deS Aufstandes der Kapholländer. Gerade sie sind jetzt vielleicht das ge fährlichste Element unter den Gegnern Englands. Sie haben ein Jntereffe an dem Kriege, wenn ihnen nicht unbedingte Straflosigkeit zugesichert wird, sie müssen ihr Leben möglichst theuer verkaufen und den Klein krieg in's Endlose hinausziehen. So werden sie immer ein neues Hmderniß für etwaige Friedens- Unterhandlungen bilden und in dieser Hinsicht be stimmend auf ihre Führer einwirken, selbst wenn diese geneigt sein sollten, den Kampf aufzugeben. Welche großen Schwierigkeiten die Fortsetzung deS Krieges aber sogar für die Engländer mit sich bringt, denen doch die Zufuhr zur See offen steht, das ist bekannt genug. AIS Lord Kitchener im vergangenen December be rittene Truppen verlangte, hat die Regierung seinen Wünschen bekanntlich sechs Wochen lang keine Be achtung geschenkt, dann aber in fieberhafter Eile ein zusammen gewürfeltes Korps mobil gemacht, das natürlich zum großen Theile weder im Reiten noch im Schießen ausgebildet war. Man mußte diese Neuan gekommenen daher zum Schaden der mobilen Kolonnen bei den rückwärtigen Verbindungen belassen und erst im Juli kamen sie überhaupt in'S Feuer. Sachver ständige glauben, daß sie gegön das Ende des afrika nischen Winters „in bescheidenem Maaße" als kriegS- tüchtig gelten könnten. Dazu kommt, daß die später in Eile zusammen gerafften Truppen nach Lord Kit- chener'S jüngst veröffentlichtem Berichte zum Theile überhaupt nicht auSbildungSfähig waren und zurück ge- sandt werden mußten. Die quantitative Bedeutung der britischen Streitmacht in Südafrika gestattete also keinen Schluß auf die Qualität des Heeres. Die eng lischen Generäle haben von der Minderwerthtgkeit ihres Truppenmaterials so wenig wie möglich Aufheben- ge macht; erst jetzt, wo das Londoner KriegSamt mit Vorwürfen darüber zu kommen scheint, daß mit den vielen Soldaten so wenig ausgertchtet werde, kommt die Erklärung. An diesem minderwerthigen Soldaten materiale scheiterte vor Allem die Aufgabe de- General- French, der die Kapkolonie säubern sollte. Ein Blick auf den Kriegsschauplatz zeigt, daß die Buren sich fast überall an der Peripherie, die Eng- änder an den Verbindungslinien deS CentrumS be- rnden. Auf diese Beobachtung gründet sich eine von üdafrikanischer Seite ausgehende Muthmaaßung über >aS Ende des Krieges: „ES wird vielleicht überhaupt zu keinem Friedensschlüsse kommen", heißt eS in einem Privatbriefe, „die Engländer werden sich in den Centren, welche sie heute schon im Besitze haben, immer mehr häuslich einrichten und sich dann ihrerseits auf die Vertheidigung beschränken, für welche Südafrika solch' günstiger Boden ist. Sie werden andererseits den Buren nichts in den Weg legen, wenn diese wieder zu ihren Farmen zurückkehren, ja sie werden ihnen einen Kredit eröffnen, damit sie ihre landwirthschast, Uche Arbeit wieder aufnehmen können und mit der Zeit wird man suchen, die Intelligentesten für die neue Ver, waltung zu interesfiren; man wird sie in die parla mentarische Vertretung htneinnehmen und dadurch viel leicht Garantien gewinnen, welche die Abschaffung deS MilitärregimentS ermöglichen. Eine starke Truppen macht wird aber noch viele Jahre in Südafrika ver bleiben müssen." Aber selbst diese Hoffnung, daß der Krieg gleichsam im Sande verlausen und die Eng länder als faktische Besitzer der zu Unrecht besetzten Republiken zurücklaffen werbe, dürste sich als trügerisch erweisen, so lange sich wenigstens noch ein Buren kommando im Sattel erhalten kann und Munition be sitzt, um auf die englischen Eindringlinge zu feuern. Politische Weltscha«. Deutsches Reich. Nachdem die deutsche Regierung gegenüber den chinesischen Bedenken gegen das E m p s a n g S c e r e - moniell starkes Entgegenkommen gezeigt hat, ist die Sühnegesandtschast Montag Abend 11 Uhr nach Berlin abgereist. Vor der Abreise hatte der Gesandte mit seinem Nachfolger und dem Prinzen Tschun eine lange Konferenz. Zu der Unmöglichkeit des ge forderten „Kotau" wurde bemerkt, daß ein Ge sandter, der sich vor dem Souverän eines europäischen KulturstaateS zu Boden geworfen, dem diplomatischen Korps nicht mehr als ebenbürtig erscheinen könne und folglich als diplomatischer Vertreter unmöglich geworden sei. Das Entgegenkommen gegenüber chine sischer Empfindlichkeit soll sogar so weit gehen, daß der Kaiser dem Prinzen mitgetheilt haben soll, daß er denselben in Potsdam und zwar allein, nur von einem Dolmetscher begleitet, zu empfangen geruhen wolle. Der Prinz hat telegraphisch seinen Dank für diese so gnädige Behebung der Schwierigkeit ausgedrückt. Die Audienz dürfte am Mittwoch oder Donnerstag erfolgen. Die Ankunft in Potsdam erfolgte Dienstag Nach mittag ^,4 Uhr. Die Nachricht der Ankunft des Prinzen hatte sich in der Stadt sehr spät verbreitet, so daß sich erst gegen drei Uhr die Straßen mit Menschen süllten. Der Prinz Tschun wurde vom Platzkommandanten begrüßt, dem er herzlich die Hände schüttelte. Darauf begrüßte er die übrigen Anwesenden. Der Prinz, eine jugendliche Erscheinung, trug ein himmelblaues, seidenes Gewand und eine schwarze Kappe mit gelbem Bande. Ueber die Verhandlungen, die der Ankunft des Prinzen vorhergingen, werden von zu- verlässiger Seite noch folgende Einzelheiten berichtet: WaS die Forderungen betreffs deS CeremoniellS beim Empfange der Sühnemiffion anbelangt, so hat man deutscherseits niemals an den Prinzen Tschun persönlich das Verlangen gestellt, etwas zu thun, was seiner Stellung als Bruder des Kaisers Kwangsü nicht ent sprochen hätte. Dagegen wurde von den anderen Mit gliedern der Gesandtschaft die Erfüllung gewißer For malitäten verlangt. Die Chinesen lehnten letztere ab und versuchten auf dem Wege der Verhandlungen eine Abänderung de- EmpfangSceremoniellS zu erreichen. Darauf ließ man sich deutscherseits nicht ein, sondern erklärte, daß, wenn die Begleiter deS Prinzen auS irgend welchen Gründen sich den deutschen Forderungen nicht fügen wollten, man eben darauf verzichten würde, sie überhaupt zu empfangen. Und dabei blieb eS. Prinz Tschun wird also vom Kaiser allein em. Aeuilleton. Bürgermeisters Justine. Roman von Anna Hartenstein. (Nachdruck verboten.) (20. Fortsetzung.) „Wer war da?" fragte Mutter Amrvt auS ihrem Stuhl heraus und forschend hingen ihre Augen an dem blassen Gesicht mit den gekniffenen Lippen. „Ich erzähle eS Dir heute Abend. Kannst Du noch ein Stündchen bet den Kindern bleiben, Lilli? Ich muß einen rothwendigea Gang tjtzzn." — Lilli erklärte zu warten, bis Justine zurückkäme. Nach wenigen Minuten verließ Justine, in den Pelz mantel gehüllt, einen Ehowl um den Kopf geschlungen, dar HauS. Da- Laternchen, da- sie trug, beleuchtete schwach den miserablen Weg, den eine dünne, zer fließende Schneedecke noch schwerer passirbar wachte. Trotzdem eilte sie rasch vorwärts. Als sie in das Be reich der Gasflammen kam, löschte sie das Lichtchen auS; ohne einen Blick auf daS älterliche HauS zu thun, ging fie über den Markt nach der Wohtauer S raße, wo daS neue Geschäft sich befand. Ruhige Ueber- legung war über fie gekommen. E st mußte fie sich nach Rühlmann'- erkundigen. Möglich, daß die Frau, die ihr ohnehin wenig ver'rauenerweckend erschienen, die Geschichte, wenn auch nicht zusammen gelogen, so doch stark en'stellt hatte. Ander» konnte e» ja gar nicht sei». Von dem Kirchthurme schlug eS erst Sech-, al» sie in dem Hause die Stufen emporstieg, aber im Komptoir schien schon Feierabendstimmung zu herrschen. Denn lautes Lachen scholl Justine entgegen. Kaum daß ihr Klopsen gehört ward. Doch als sie mit lautem „Guten Abend" in'S Komptoir trat, verstummten Alle in veilegenem Schreck. Eine Arbeiterin verschwand schleunigst im Nebenzimmer und der „schöne Arthur" kam in offenbarer Verlegen heit Justine mit einem Uebermaaß von devoter Höflich- k-tt entgegen. Zugleich schleuderte er dem jungen Manne, der am anderen Pulte faß, einen kurzen Be fehl zu. Ein Spottlächeln zuckte um dessen Lippen, während er sich tlefer über se>n Buch beugte und in rasender E le über daS Papier kritzelte. Dem scharfen Auge Justinen- wollte eS scheinen, als herrsche hier keine allzu große Ordnung. Auf dem Regal und dem quer im Zimmer stehenden Ladentisch lagerten Staubschichten. Am Boden standen offene Kartons, deren feinster, duflizrr Inhalt durch keine Hülle vor Licht und Staub geschützt war. Justine ließ sich durch Schlosser'- Redensarten nicht aufhalten. Sie ging durch den schmalen Lagerraum, in dem voll aufgedrehte Gasflammen brannten, in das große, hell erleuchtete Arbeitszimmer, daS eigentlich auS zwei Räumen bestand. Eine elegante, noch juoge Person kam ihr entgegen, mt einer gewissen herablassenden Miene, die der jungen Frau zu sagen schien: „WaS willst Du? Hier bin ich Herrin, denn wo- wäre da» G schäft ohne mich —" ES war die Direktrice, die seit der Gründung de- Geschäftes diese» Vorstand und von deren Geschrcklichkeit und gutem Willen in der That di: beiden Chefs vollständig abhängig Ware«. DaS wußte Justine, doch widerstrebte e» ihr, die Person, die etwa- Hochfahrende- hatte, mit jener fast unter- thänigen Freundlichkeit und Borficht zu behandeln, kie da- Fräulein zu fordern schien. — An zwei langen, quer durch da- Zimmer ge stellten Tafeln saßen die Arbeiterinnen bei einer sauberen, ja zierlichen Arbeit, die für den ersten Blick etwa» ungemein AnmuthendeS hatte. Nur der ab scheuliche fade, süßliche Geruch von Gummi, Farben und eingeschlossener Luft zerstörte die Illusion von einem wonnigen Frühling, der sich hier niedergelassen. Fast Alle harten Haufen zartlilafarbener Blüthen de» spanischen Flieder» vor sich liegen, die fie mit Staub gefäßen und Stielchen versahen, während ein Mädchen mit dichtem, blonden Haarbehavg über der Stirne ge schickt und zierlich die Blütqen zu Doldensträuhen band. Justine schaute den Arbeiterinnen ein paar Minuten zu, stellte hier und da eine sachliche Frage in freundlichem Tone und ließ sich belehren, was meist freundlich und klar geschah. Fräulein Stephan u» rümpfte dazu die Rase. „Haben Sie eine gewisse Rühlmann al- Arbeüeriv?" fragte Justine endlich und zog sich mit dem Fräulein m eine Fensternische zurück. „Ja, dort die Blonde", Fräulein Etephauu» deutete nach dem Mädchen mit den dichten Haar- fransen. „Sind Sie zufrieden mit ihr?* „O 'jo, fie ist eine geschickte Arbeiterin, aber schnippisch und schwatzhaft." Sonst wußte Fräulein