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«r. 127. — 8. Jahrgang. ««irden Wochentag Abend lmit Datum «tt tS glich einem besonderen Unter- baltungsblatte und mit dem Extrabeiblatt Sttstjaes Bilderbuch kostet bei den Ausgabe stellen monatlich 70 Pfg., bei denPost-Anst. 75 Pf. (1888er ZtgS.-PreiSliste Nr. 503b.) stür Abonnenten erscheintjeeinmal imJabr: S»«mer-K!se»bah»fahrl,lanheft für Sachsen. kioter-EisenbahnsahrMichest für Sachsen, zllustr. «ulender des Sächsischen Landl,»«». Jllustrirte-JahreSbuch de- Lander-Anzeiger-. Sächsischer Sonntag, S. 3««i 1888. mit „ChemnitzeV Sta-t-Anzeigev". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachse» und Thüringen. Verlag: NeriM Wiek, Bnchbnilkerrt. Eliemultz. Theaters,rage 5 (Fernsprechstelle Nr. 1KS Telegr -Adr.: LandeS-Anzeiger, Lhenmis Mit täglich einem besonderen Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 4. Sächsisches Allerlei - 6. Jllnsirirtes Unterbaltnngsblatt - 6. Sonntagsblatt - Ertra-Beiblatt: Lustiges Bilderbuch: Amtliche Bekanntmachungen. Ueber das Bern,ögen'deS Kaufmanns Erdmann Bruno Ruttloff, Inhabers der Firma Bruno Ruttloff in Chemnitz, wird heute am I. Juni 1888, Vormittags '/.10 Uhr das Konkursverfahren eröffnet. Der Rechtsanwalt Liebe in Chemnitz wird zum Konkursverwalter ernannt. Konknrsforderungen sind bis zum 30. Juni 1888 bei dein Gerichte anzunielden- Es wird zur Beschlußfassung über dieWahl eines anderen Verwalters, sowie über die Bestellung eines Glänbiger- ausschnsscs und eintretenden Falles über die in 8 >20 der Konkursordnung bezeich ne«» Gegenstände auf den >8. Juni 1888 Nachmittags 4 Uhr und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 23. Juli 1888 Vormittags 10 Uhr vor dem Unterzeichneten Gerichte Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder znr Konkursmasse etwas schuldig sind, wird aufgegeben, nichts an den Gemein- schuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auserlegt, von dem Besitze der Sache und von de» Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkurs verwalter bis zum 3. Juli 1888 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht zu Chemnitz. DaS Konkursverfahren über das Vermögen der Bäckereigeschäftsinhabtrin Emma Clara verehel. Hirche in Chemnitz wird nach erfolgter Abhaltung des Schlußtermins hierdurch aufgehoben. Chemnitz, an, 30. Mai 1888. König!. Amtsgericht. Telegraphische Nachrichten. Vom 1. Juni. Prag. In der Sitzung des czechischen Executiv-Comitses für die Beschickung der Pariser Weltausstellung verlas der Obmann eine Zuschrift des österreichisch-ungarischen General-Ausstellungs-Comitss in Paris, wonach auf das Verlangen der Czcchen um eine eigene Ausstcllungs-Abcheilung nicht eingegangen werden konnte. Das Exckutiv-Comits beschloß die Uebermittelung von Denkschriften an das General-Ansstellnngs-Cvmits, an die Weltausstellungs-Kommission in Paris, sowie an die franjösische Botschaft in Wien, in welche» erklärt wird, daß die czechische Nation, welche den Franzosen stets freundlich gesinnt gewesen, demnach moralisch von der Pariser Welt ausstellung ausgeschlossen sei. I» einer Plenarversammlung des Ceiltral-Ausstellnngs-Cvmitös wird dessen sofortige Auflösung bean tragt werden. Wien. Mit der Erklärung Goblets gilt vom Standpunkte des Wiener Kabiucts aus der Zwischenfall für erledigt; auch Tisza dürfte schwerlich aiif denselben z»rüe1ko»»iien. In Regierungskreise» betont man die vollste Uevereinstinimung zwischen Kalnokh und Tisza in allen Stadien des Zwischenfalles. — Der „Pol. Corr." znsvlge findet der Empfang der Delegirten durch den Kaiser schon am 10. Juni statt. Die gemeinsame» Minister gehen am 8. d. Mo», nach Budapest. Triest. Bei der gestrigen Frohnleichnams-Prozession entstand durch schengewordene Pferde, welche in die dichte Menge hinein rannten, eine große Panik; fünfzehn Personen wurden verwundet, darunter vier schwer. Paris. Der päpstliche Nuntius beglückwünschte Goblet z» seiner friedlichen Rede. In Parlamentskreisen wird dieser Schritt des Nuntius viel besprochen und besonders hervorgehoben, daß er ihn einem radikalen Ministerium gegenüber gcthan habe, und daß derselbe im Wiversprnch stehe zu dem kühle» Verhalten der Rechte» Während der gestrigen Rede Goblets. Berlin. 2. Juni. 11 Uhr SO Min. Die erste vom Kaiser in Potcdam verlebte Nacht war eine gute, er fühlte sich jedoch infolge der gestrigen Neise etwas er müdet. Das Allgemeinbefinden ist gut. Die Uebersiedlung des Kaisers nach Schlotz Friedrichskron. Dieselbe hat am Freitag Vormittag 10 Uhr 50 Minuten stattge funden. Um 9 Uhr früh hatte eine Konsultation der Acrztc stattgc- fnnde» und war nach derselben die Abreise definitiv beschlossen wor den. Der Kaiser hatte eine recht gute, wenig vom Husten gestörte Nacht gehabt und der Schlaf war erquickend gewesen, so daß das Vier Verse Corneilles. Von W. Passauer. I. Nachdruck verboten. Es war im Juni 1636. Armand Jean du Plessis Cardinal und Herzog vvu Richelieu saß im Cabinct seines Palastes zu Paris und arbeitete. Er hatte das alte Hotel Rambouillet von Pierre Dufresnc im Jahre 1624 gekauft und von dem berühmten Le Mercier während sechs Jahren umbauen lassen. Der Cardinal arbeitete in seinem Cabinet neben einem Saal, der zur Stunde von einer großen Anzahl von Edellcuten jeden Alters und jeden Ranges angefüllt war, die alle sehnsüchtig auf den Augen blick warteten, vorgelassen zu werden. Es war eine von Furcht, Haß, Neid, von geheuchelter Freundlichkeit und unterdrückter Bosheit er füllte Atmosphäre. Finstere Stirnen und ängstliche Blicke verriethcn, daß das Geschick der Wartenden von dem Athcmzuge des allmächtige» Ministers abhing. Ihre Anzahl mehrte sich von Minute zu Minute. Oxenstierna, der schwedische Gesandte, der Graf von Coligny, der Herzog von Bourbon, der später der große Conds wurde, der Graf von Chavigny, Schüler und Rath des Cardinals, vier oder fünf Mit gliedcr der van Richelieu 1635 gegründeten ^onäsmis trrwyafts, Philosophen, die sich leise über tausend abgeschmackte Theorien des Tages stritten, und viele andere „Großen" des Tages. Der Cardinal ließ sie warten. Er war damals 51 Jahre alt und trug das lange Purpurgewand seines Standes und de» Cardi- nalshut, dessen glänzende Farbe sein krankhaftes hageres Gesicht mit den tiefeingesunkcnen Auge», die Furchen auf seinen bleichen Wangen fast geisterhaft erscheinen ließ. Aber aus seinen dunklen Augen strahlte durchdringender Scharfsinn, List und jenes stolze Selbstver trauen, die seine Politik so sehr auszeichneten und seine Stellung bis zu seinem im Jahre 1642 erfolgten Tod unerschütterlich machten. Die Unzulänglichkeit der Hilfsquelle»; die fortwährende Noihwendig- keit, Geld zu schaffe», die Jntriguen des Hofes, der Krieg der Weiber, der Mutter und Frau des Königs, die Dichter, die Schriftsteller, das Theater — darunter littz er, verzehrte er sich und hatte keine gesunde Stunde. Das größte Nebel aber, an dem er litt, war der König, den er trotzdem jeden Augenblick zu verliere» fürchtete. Mit 23 Jahren war Ludwig XIII. ein Sterbender. Der König und Richelieu bildeten eine sonderbare Verbindung zweier Kranke». Allgemeinbefinden ein gutes genannt werden konnte. Schon um 8 Uhr hatte die Kaiserin ihren hohe» Gemahl besticht. Der Kaiser hatte dabei betheuert, daß er sich hinreichend kräftig und wohl genug fühle, um die Fahrt zu unternehmen. Das Wetter war nicht gerade günstig, der Himmel war mit Wolken bedeckt und ab und zu fielen Regentropfen; das Thermometer zeigte gegen 10 Uhr nur 17 Grad Wärme. Der Dampfer „Alexandra" hatte schon gegen ^9 Uhr Morgens geheizt und hielt beständig Dampf; Donnerstag Abend hatte Kronprinz Wilhelm noch den Dampfer besichtigt und die nöthigen Anordnungen getroffen. Am Freitag Morgen um 6 Uhr war der kaiserliche Marstall »ach Potsdam übergeführt worden; die entbehrliche Dienerschaft und die Hofstaaten waren um 6 resp. r/z10 Uhr Mor gens nach dort per Bahn übergesiedelt. Eine zahllose Menschen menge hielt den Tegeler Weg, gegenüber der Rückfront des Schlosses, besetzt. Die „Alexandra" lag gerade vor den Augen der Zuschauer an der Schloßpforte, so daß das Schiff bequem gemustert werden konnte. Um 10 Uhr Vormittags traten die Prinzessinnen Victoria und Margarethe, sowie die Frau Erbprinzessin von Meiningen die Reise nach Potsdam zu Pferd an, begleitet von mehreren Stall meistern und Reitknechten. Die Cavalcade nahm ihren Weg quer durch den Gruncwald. 10 Uhr 25 Minuten betrat Kronprinz Wil helm die Dampfyacht, um die letzten Vorbereitungen zum Empfange des Kaisers zu treffen; Diener und Mannschaften des Elisabeth- rcgimentes trugen fortwährend Handgepäck auf das Schiff. Um »/tll Uhr verkündeten langanhaltende begeisterte Hochrufe die Ankunft des Kaisers; der Monarch, in der Gencralsuniform und Mütze, sitzt in seinem kleinen Ponnywagcn, zur Seite desselben gehen die beiden Flügeladjutantcn vom Dienst; ihnen folgen auf dem Fuße Kaiserin Victoria und Prinzessin Sophie, Hofdamen und Gefolge. Die Spitzen der Civil- und Militärbehörden waren zur Verabschied ung anwesend. Der Kaiser, nur leicht von einem Diener unterstützt, verläßt das Gefährt und geht elastischen Schrittes über die Landungs brücke, um sofort die am Bugspriet belegene Kajüte aufzusuche»; niiter dem Zelt am Bugspriet nehmen die Kaiserin, Kronprinz Wil helm und Prinzessin Sophie Platz. Am Backbord stehen die Aerzte, der Obcrhofmarschall Nadolin und der Oberhofmeister Graf Secken dorf. Nun ertönt das Signal „Langsam vorwärts!" und während das Publikum am Ufer vicltauscndstimmig das „Heil Dir im Sieger- kranz!" singt, donnernde Hochrufe ausbringt, wendet sich das Schiff, auf dessen Mast seit Anwcjcnheit des Kaisers die Piupurstandarde flattert, vom Ufer. Am Kajütenfenster steht der Kaiser, fortwährend grüßt er durch Neigen des Hauptes und Winken mit der Hand die Tan ende, welche ihm einen Abschiedsgruß zuwinken. Auch die Kaiserin und der Kronprinz winken nnaüshörlich nach allen Seiten und unter diesem herzlichem Abschiede gleitet das Schiff über die Wellen dahin Im Voraus ist in einem kleinen Dampfboot der Bühnenmeister ge fahren, der das Oeffne» der unweit gelegenen Schlenße befiehlt ileberall stehen am Ufer der Spree große Menschenmengen, welche dem Kaiserpaare herzliche Grüße znrufen und harren, bis das Kaiser- Schiff hinter einer Biegung verschwindet. So hat Kaiser Friedrich Charlottenburg verlasse», in welches er am 11. März um Mitternacht bei heftigem Schneesturm seinen Einzug, aus Italien kommend, hielt. Tausende begrüßten ihn damals, Tanicnde sagten ihm heute Lebewohl vor der Reise nach dem nahe» Pot dam. Von schweren Stunden ist der Kaiser auch im Charlotten burger Schlosse nicht verich nt geblieben, aber im Ganzen hat ihm der dortige Aufenthalt doch auch viel Freude und eine erhebliche Zu nahme seiner Kräfte gebracht. Nun hat sein Lieblingsschloß Fried- richskron den Kaiser ausgenommen, Friedrichskron, dieser wunderbare Fürftensitz inmitten grüner Wälder und bunter Gärten. Wünschen wir von Herze», daß der Aufenthalt dort den hohe» Herrn immer mehr stärken möge, daß es nun immer weiter vorwärts geht zur Genesung, welche mit der kaiserlichen Familie das ganze Volk erhofft. In Spandau war das Ufer der Havel von Tausenden von Mensche» besetzt. Sämmtliche Vereine, die Schulen, die Behörden hatten Auf stellung genommen, alle Gebäude waren mit Kränzen, Guirlanden Der König hätte das Königreich für verloren gehalten, wenn ihm der der Cardinal gefehlt, Richelieu wußte, daß, wenn der König sterbe, er nicht zwei Tage zu leven habe. Und gerade deshalb mochte er dem düster», mißtrauischen, immer gclaiigweilten Könige gefallen, der ihn nicht liebte und von ihm sagte: „Sterbe ich, so kommt dieser Mann an den Galgen." Trotzdem machte Richelieu die Zeit, und die Zeit Nichelien's war ein Wendepunkt in der Geschichte der alten Welt und Frankreichs. Richelieu arbeitete an einem Tisch, der mit Papieren bedeckt war. Kaum, daß er sie las. Sein Blick flog so schnell über sie hi», daß er kaum mehr als eine allgemeine Kenntniß von ihrem In halte erhalten konnte. Er überflog sie, zeichnete sic und warf sie fort. „Ist er »och nicht da?" fragte er, ohne aufznschen, de» Diener, der an der Thürc stand. „Nein, Eminenz!" Richelieu schien ärgerlich. Ohne ein Wort zu sagen, Unterzeich nete er mit hastigem Federzugc ein Papier, das ihm gerade in d,c Hände kam, und reichte es einem finstere», bleiche» Mann in schwarz- seidenem Kleide, der hinter seinem Stuhle stand. Es war die soge nannte graue Eminenz, der Kapuziner Franyois le Clerc de Tremblah. „Schickt diese Tvdcsnrtheile zu Poterie in die Bastille — schnell" — sprach er ruhig. „Halt — nehmt diese Anweisung über 30,000 Francs in die Staatskasse — für die Witlwe des armen Darin von Avignon. — Zuerst die Anweisung, denn die Wittwe will leben — die Leute in der Bastiilc sterben früh genug. Ist er noch nicht da, Jean — seht hinaus!" Jean Goulticr, sein Kammerdiener, össnele die Thür und trat, sie schnell hinter sich schließend, in den Vorsaal. Als er die Thür öffnete, beugten sich alle Köpft nach ihm hin, wie ein Aehrenfcld, über das ein Sturm stiegt, und drängten gegen ihn vor, indem sich die Hintenstchende» auf die Spitzen der Füße erhoben, um zu sehen - und gesehen zu werden. Aber Jean verzog keine Miene seines ernsten, lauge», bartlosen Gesichts. Er blickte scharf ans nach rechts und links und drängte sich wortlos durch den Schwarm der Wartenden, ohne Rücksicht ans die Winke und Fragen, die von allen Seiten an ihn gerichtet wurde». Er suchte mit den Augen durch die ganze Tieft des Saales. Und er fand, was er suchte. In der Nähe des hintersten Fensters stand, vor einigen Minuten eiugctretcn, ein junger, kleiner Mann in einfacher schwarzer Kleidung. Er hatte die Arme über die Brust gekreuzt und betrachtete sinnend und Fahnen geschmückt. Um '/? 12 Uhr erschien die Pacht „Alexandra*. Eine gewaltige Bewegung" ging durch die harrenden Menschenmassen. Tücher wurden geschwenkt, endlose Hochs und Hurrah's durchbrausten die Luft, die Fahnen senkten sich und die Musikkvrps spielten die Nationalhymne. Der Dampfer mäßigte etwas seine Fahrt und glitt majestätisch zwischen den gewaltigen Menschenmassen durch. Der Kaiser dankte von der Kajüte aus, die Kaiserin vom Verdeck. Die hohe Iran wehte mit dem Taschentuche nach allen Seiten hin» . Etwa zwei Minuten dauerte die Durchfahrt durch Spandau, dann entschwand das Kaiserschiff den Blicken. An sämmtlichen Orten der Havel zwischen Spandau und PotSe dam war die Bevölkerung an den Ufern erschienen, die Fahrzeug» waren geflaggt und mit Guirlanden geschmückt. Donnernde Hochrufe begrüßten den Kaiser, der in tiefster Bewegung von der Kajüte au« dankte. Inzwischen hatte sich auch der Himmel aufgeklärt und hell- leuchtender Sonnenschein lag aus dem blauen Wasser und den grüneist, waldgeschmückten Ufern. Unter dem erhebenden Jubel aller Anwohner wurde die Kaiserfahrt zu einem Siegeszuge. Und nun erst Pötsdcknl I Jeder offizielle Empfang war verbeten, um so herzlicher aber war der ungeschminkte Willkomm der Bevölkerung. Fast die ganzt Stadt war geflaggt. Um 1 Uhr legte der kaiserliche Dampfer, dem' zur Fernhaltung jeder Störung ein Rcgierungsdampfer voraufgefahren war, in Potsdam an. Kennzeichnend für den Sinn des Kaiser- ist es, daß er ausdrücklich befohlen hatte, etwa vom Lande abstoßende» Fahrzeugen, welche in seine Nähe zu kommen trachteten, keinerlei Hinderniß zu bereiten. Vor Potsdam war auch die ganze Havel mit festlich geschmückten Kähnen bedeckt. Nach der Ankunft bega sich der Kaiser über die herrlich mit Guirlanden und Flieder gs>, chmückte Landnngsbrücke zu dem geschlossenen Wagen, in welchem er mit der Kaiserin Platz nahm, um, gefolgt vom Kronprinzen und den Prinzessinnen, nach Friedrichskron zu fahre». Die Fahrt glich einem Trinmphzuge, überall Hochrufen, Hurrahs, Taschentüchertstehen und Hüteschwciikcn. So zog der Kaiser in sein herrliches Lustschloß ein, tief gerührt von der treuen Liede seines Volkes, froh über die jubelnde Begrüßung, die ihm allenthalben zu Theil geworden. Gott segne seinen Eingang I Politische Rundschau. Chemnitz, den 2. Juni. / ^ " Deutsches Reich. Unser Kaiser hatte die Nacht zum Frei tag im Allgmeinen gilt verbracht. Husten und EiterabsonderunK riefen zwar einige Störungen hervor, doch war das Befinden am Morgen befriedigend, so daß die Aerzte dem Wunsche des Kaiser-» trotz des regendrohenden Wetters die Uebersiedlung nach Potsdam vorzunehmen, nachgaben. Nur wenig ermüdet traf der Kaiser in Schloß Friedrichskron ein, ruhte aber auf den Wunsch der Aerzte dann geraume Zeit und verließ spät e das Schloß, um inmitten der prächtigen Gärten im Freien zu verweilen. Die Uebersiedlung ist dem hohen Herrn durchaus gut bekommen und wir können den fol genden Wochen ruhig entgegensetze». Von den deutschen Aerzten jahren die Professoren Leyden und Krause täglich nach Potsdam, die Professoren Bardeleben und Senator zweimal wöchentlich. Die Reise drr Kaiserin in das Ueberschwemmuiigsgebiet der Weichsel ist defini tiv aufgegcben. — Kaiser Friedrich hat mittels eines Erlasses vom 12. Mak das Protcctorat über den Gnstav-Adolph-Verein übernommen. In dem Schriftstück heißt es: ,.*U> bin seit Jahren mit hohem Interesse der regen Thätigkeit gefolg Welche der Gnstav-Adolph-Verein i» der Fürsorge für die bedräi'E^ Glaubensgenossen der evangelischen Kirche unausgesetzt entfall und freue mich des reichen Segen-, welchen diese Gott wohlgefällige Arbeit in dem christlichen religiösen Leben der deutschen Nation gewirkt hat. Wenn der Gnstav- Adolph-Verein auch ferner, wie ich es wünsche, seine Ausgabe darin erkennt, die Ausbreitung des Evang liums auf dem Grunde des Wortes Gottes zu fördern, als ein einigende» Band, wie es des in die unter dem Namen In bslis jaräinisrs bekannte Madonna Na- phaet's, welche, von einem goldenen Gitterwcrk geschützt, die Waod zierte. Der kleine Mann mit dem sinnigen Blick hieß Pierre Corneille, war Advocat in Ronen und hielt sich, von seiner Familie getrennt, von Zeit zu Zeit in Paris ans. Er hatte bereits mehrere Theater tücke: Olitnnärs, In Vsuvs, In 8niv:>nts geschrieben, welche unter dem Beifall des Publikums und des Cardinals, seines ProtectorS, aufgeführt Ivaren, und gehörte zu de» fünf Autoren, denen der Car dinal Sujets zur dramatischen Bcaröcitung übertrug, mit denen er ich angelegentlich über Stoff und Plan ihrer Werke niiterhielt lin derten er reichliche Pensionen gewährte, welche ihnen jedenfalls ange nehmer waren, als seine dramaturgischen Jvcc». Seine vier College» >ahen dem wachsenden Ruhme Corneille's mit Geduld und Ruhe zu und betrachteten ihn als einen »nbcdcntcndcn Mode-Autor, dessen Stücke von den Schauspielern geschätzt wurden, weil sie viel ein brachten, und vom Publikum, weil sie unterhaltend waren. Dieser Corneille war es, vor dem sich jeht Jean Goulticr verbeugte. „Se. Eminenz gestattet Ihnen den Eintritt in das Kabinet, Monsieur Corneille!" Sprach's, wandte sich »in und schritt ebenso rasch, als er gekommen, nach dem Kabinet zurück. Corneille folgte ihm auf dem Fuße. Der Lakai riß die Ftngclthnre vor ihm auf und rief seinen Name» in das Kabinet hinein. Die Thür schloß sich hinter ihnen. Die Wartenden sahen sich erstaunt und verblüfft an. Sie, die vornehmen Edcllcutc, die Spitzen der Armee, die berühmten Philo- vphen, die Dichter, deren Namen Paris und Frankreich kannte, und — dieser kleine Advokat von Rouen! Es war ganz still im Saal. Man blickte sich erstaunt an, man runzelte die Stirn und zog die Augenbrauen zusammen, man biß sich auf den Bart, aber man schwieg, denn man war gewohnt, nichts zu sagen, wenn die Eminenz gesprochen. Aber der kleine Advokat von Rouen, der vor dcr Emiii'N' stand, schien doch nicht Willens zu sei», ohne Weiteres z» schweigen, wo die Eminenz sprach, denn er fühlte sich stark unter dem Schilde einer Macht, in dcrcn Gunst er höher stand, als die Eminenz vor ihm. Mau hörte im Saale, daß er sprach und sogar ziemlich laut sprach, obwohl die sehr massive und sehr fest verschlossene Eichenthür es ver hinderte, daß von den entfernter Stehenden der Inhalt des Gespräche- verstanden wnrde. Ader denen, die sich der Thür allmälich — zu fällig natürlich — mehr und mehr, Schritt vor Schritt genähert, Leute mit einem Gehöre, das von der Luft des Hofes ganz unge»