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Sächsischer Landes-Anzeiger : 06.04.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-04-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188804067
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880406
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880406
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-04
- Tag 1888-04-06
-
Monat
1888-04
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 06.04.1888
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Nr. 79. — 8. Iahraana. Der jeden Wochentag Abend (mit Datu« de» folgenden Tage») zur Versendung gelangende „Sächsische LandeS-Anzetger" mit tLglich einem besonderen Unter« haltunaSblatte und mit dem Extrabeiblatt Lustiges Bilderbuch kostet bei den Ausgabe stellen monatlichst) Psg„ bei denPost-Anst. 75 Pf. (1888er ZtgS.-PreiSliste Nr. 603o.) Für Abonnenten erscheint je einmal im Jahr; Sommer-Elsenbahnsahrplanhest für Sachsen. «inter-Eisenbahnsahrpianbett für Sachsen. Jllustr. «alender des Sschsischeu «andboten. Jllustrirtes Jahresbuch des Laudes-llnzelgers. Sächsischer Sttttag, s. A»rU 1888.1 Kililhks-Ailstiztr mit „Chemnitzev Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen nnd Thüringen. JnsertionSbetrag (in Briefmarken) beifüge» <>e S Silben EorvuSschrist bilden ca. 1 Zelle.) Annoncenannahnie nur bi» Bormtttag. M«: Amckr Mi. Buchdnickerei, Chemnitz. Theaterstrabe 8 (Fernsprechstille Nr. ISS). Telegr -Adr.: LandeS-Anzeiger, Chemnitz. Mit täglich einem besonderen Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 4. Sächsisches Allerlei — 5. Jllnsirirtes Unterbaltnngsblatt — 6 Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt. Lusiiges Bilderbuch. Amtliche Bekanntachungen. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute auf Folium 218 verlautbart, daß die Firma Herrniann Fritzsche Nachs. in Chemnitz künftig Auguste Hugo lautet. Chemnitz, am 3. April 1888. K- Amtsgericht. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute ans Folium 548 verlautbart, daß Frau Auguste Antonie verw. Gebhardt, geb. Boigtländer, in Chemnitz die Firma Wilh. Gebhardt daselbst aus dem Nachlasse de« bisherigen Inhabers derselben zur Fortführung über lassen erhalten hat. daß der Kaufmann Herr Johannes Curt Gebhardt daselbst In die genannte Firma als Thcilhaber eingetreten und daß die dem Letztge nannten bisher erthcilt gewesene Prokura erloschen ist. Chemnitz, am 3. April )888. Königliches Amtsgericht. Ueber das Vermögen der Handelsgesellschaft in Firma Schüller sc Seidel in Chcmuitz wird heute an, 3. April 1888 Nachmittags b Uhr vüs Konkurs verfahren eröffnet. Der Rechtsanwalt De. Casten in Chemnitz wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkurssorderunaen sind bis zun, 11. Mai 1888 bei dem Errichte anzumelde». Es wird zur Beschlußfassung Über die Wahl eines anderen Verwalters, sowie über die Bestellung eines Gläubigcrausschnsses und eintretendc» Falles Über die in 8 120 der Ko» kursordnung bezeichneten Gegenstände auf de» 23. April 1888 Vormittags 10 Uhr und zur Prüfung der angemelde e» Forderungen auf de» 2. Juni 1888 Vormittags 10 Uhr vor dem Unterzeichneten Gerichte Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Ko»kurs»iasse etwas schuldig sind, wird aufgegeben, nichts an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auser legt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehme», dem Konkursver walter bis znm 5. Mai 1888 Anzeige zu machen. K. Amtsgericht zu Chemnitz. Telegraphische Nachrichten. Vom 4. April. Wien. Das neue rumänische Ministerium, besonders die Uebev nähme des Ministeriums des Aeußern durch Carp, wird in den hiesigen officiellcn Kreisen wohlwollend beurtheilt. London, vr. Morris Wollenden von Bolton, welcher im vorigen Sommer gemeinsam mit vr. Mackenzie den Kaiser Friedrich in England behandelte, ist heute nach Berlin abgcreist, um vr. Mackenzie während dessen Abwesenheit zeitweilig zu vertreten. Sofia. Das neue rumänische Kabinct macht hier keinen guten Eindruck, da man befürchtet, daß dasselbe der durch Bratiano einge- däwmten Agitation gegen Bulgarien wieder freieren Spielraum ge Währen, wenn nicht gar dieselbe unterstützen werde. Politische Rundschau. Chemnitz, den 5. April. Deutsches Reich. Kaiser Friedrich arbeitete am Dienstag mit den, Finanzminister von Scholz, sowie mit dem Münzdirector Conrad und dem Modelleur Weigand. Letztere legten die Modellbilder des Kaisers für die neu zu prägenden Münzen vor. Am Mittwoch Vormittag arbeitete der Kaiser mit dem Geh. Rath von Wilmowski und unternahm später eine Promenade, der noch mehrere Besuche und Empfänge folgten. Am Diner nahmen außer den kaiserliche» Majestäten der Kronprinz und die Kronprinzessin, die Prinzessinnen- Töchter, welche anmmedr nach Charlottenburg übcrgcsicdelt sind, die großherzoglich ibaden'schen Herrschaften, die Kronprinzessin von Schweden thekl. In den letzten Tagen war das Befinden des Kaisers im Allgemeinen befriedigend, aber die Nächte waren etwas mehr durch stärkeren Auswurf gestört. Der Answurf ist indessen fast gar nicht mehr gefärbt. Um keine größere Mattigkeit auskvmmen zu lasten ruht der Kaiser jetzt auch während des Tages mehrere Stunde» Die regelmäßigen Spaziergänge in-der Orangerie, zuweilen im Park, find nicht susgcsetzt, svndevn, was -ganz natürlich, bei dem uuge müthlichen -Wetter etwas beschränkt worden. Der Appetit >tst gut. Husten fast gar nicht vorhanden; feit der Kaiser in Charlottenburg ist hat er gegen drei Pfund an Körpergewicht zugenommen. — Der „Rcichsanzeiger" veröffentlicht an der Spitze seiner letzte» Nummer folgenden Dankcrlaß Kaiser Friedrichs: „Der Heim gang Meines geliebten Herrn Vaters, weiland Sr. Majestät des llaisers und Königs Wilhelm, hat zu einer so überwältigenden Be- vegung Anlaß gegeben, wie sie bisher kaum erlebt worden ist. Um einen ruhmvollen Kaiser trauert einmüthig das ganze deutsche Volk, das mit Ihm den milden und gerechten Herrscher, den weisen und kraftvollen Lenker seiner Geschicke, den Wjederbenrün8-x ^cher Einigung verloren hat. Fast alle fremden Nationen auf dem weiten Erden rund nehmen Antheil an diesem Verluste eines Fürsten, in dem sie den sicheren Hort des Friedens erkannten. So zahlreich, so mannich- altig sind die Kundgebungen liebevoller Theilnahme, daß cs erst jetzt, nach Wochen möglich gewesen ist, einen Ueberblick über die große Fülle der Spenden zu gewinnen. In allen Theilen Deutschlands, n ganz Europa, selbst in fernen Welttheilen, wo nur deutsche Herzen chlagen, ist gewetteifert worden, dem theurcn Entschlafenen die letzten Zeichen der Liebe nnd Verehrung, wie sie Mein hvchseliger Herr Vater m Leben so oft erfahren, nun auch im Tode darzubringen. Ein er hebendes Denkmal bildet die Sammlung von herrlichen Palmen, Blumen und Kränzen, welche in ihrer zum Theil kunstvollen Her- tellung bei der feierlichen Aufbahrung der Leiche im Dom, wie an der Ruhestätte im Mausoleum zu einem beredten Schmuck wurden. In Adressen von geschmackvoller, oft künstlerischer Ausstattung haben Verbände, Gemeinden und Corporation«!, wissenschaftliche und Kunst- institute, Vereine und Innungen ihrem Schmerze über das erschüt ternde Ereigniß Ausdruck gegeben. Noch hat die Menge der Bei leidsbezeugungen in Zuschriften, Gedichten und Telegrammen nicht ihren Abschluß gefunden. Rührend und ergreifend sind solche Beweise wahrer Trauer und inniger Theilnahme für das wunde Herz des Sohnes, dem si^ in dieser Zeit des tiefen Leids lindernden Trost und erquickende Stärkung gewähren. Sie crmuthigen Mich aber auch, an die schweren Aufgaben Meines fürstlichen Berufes als Erbe der Krone vertrauensvoll heranzutreten und als ein theures Vermächtniß Meines unvergeßlichen Herrn Vaters nach Seinem Vorbilde an der Wohlfahrt des deutschen Volkes mit allen Meinen Kräften fortzu arbeiten. In diesen Empfindungen drängt es Mich, Allen, welche durch ihre herzerhebenden Kundgebungen das thcure Andenken des dahingeschiedencn Kaisers geehrt haben, Meinen aufrichtigsten, herz lichsten Dank ausznsprechen. Ich beauftrage Sie, diesen Erlaß zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Charlottenburg, den 4. April 1888 Friedrich. An den Reichskanzler." — Aus Florenz wird berichtet, daß die Königin Victoria von England beabsichtige, auf ihrer Rückreise dem deutschen Kaiserpaar in Charlottenburg einen Besuch abzustatten. — Der Londoner „Standard" hatte geschrieben, man glaube vielfach, daß die deutsche Politik bezüglich Bulgariens sich ändern und mehr der englischen sich anschließcn werde. Dazu wird der „Köln Ztg." ans Berlin geschrieben: „Die englische Politik hat seit langer Zeit nur einen hervorstechenden Zug aufgewiesen: das war das Be treben, andere Staaten zum Vortheile Englands gegeneinander auf zubringen. In diesen Grundsatz scheint sich die englische Presse so tief verrannt zu haben, daß sie ruhige, politische Erwägungen für überflüssig hält. Wir Deutsche aber sind gar nicht gesonnen, die Kriege eines anderen Staates, und wäre es England, zu führen. Es ist ja sehr wohl verständlich, daß der „Standard" und seine eng lischen College» einen Krieg zwischen Deutschland und Rußland gern sehen würden. Das Interesse Englands erheischt nach ihrer Ansicht, daß Rußland durch einen Krieg geschwächt werde, und billiger läßt sich dieser Schwächungsprozeß für England nicht beschaffen, als wenn eine dritte Macht gegen Rußland die Waffen ergreift. Die englische Presse kennt unseren Kaiser aber noch schlecht, wenn sie glaubt, daß derselbe sich und sein Volk dazu hergeben werde, für England Kastanien aus dem Feuer zu holen, wie nahe uns Deutschen auch die Freund- schast mit unseren Vettern jenseits des Kanalcs am Herzen liegt." Die Geisterhütte. -Eine Reise-Erinnerung, ^erzählt von M. Romanch. Nachdruck verboten. Der Glaube an Gäster — so heißt es in Webers Demvkritos — ist -so alt wie die Welt. Indier und Acgypter, Griechen und Römer, Hebräer und Christen, Völker der Kultur und Unkultur haben von jeher Geister gesehen und sehen sie noch. Dämonen, Geister, Gespenster, friedlich stille und Poltergeister, reine und -unreine, Engel und Teufel, weiße und schwarze und graue Gespenster, mit Wohl gerüchen im Himmelsglanz -und mit Höllcngestank m scheußlichen Gestalten. Es ist nicht meine Absicht, in dem nun Folgenden eine Defini tion dieser Worte zu kneten.;' wer die Geschichte kennt, weiß zur Ge -nüge, daß die inhaltschwere Äolle, welche die Geister- und Gespenster- welt in allen Kreisen der Bevölkerung gespielt hat, fich zurückdehnt, wohin die Erinnerinig reicht. Schon die alte« Griechen und Römer erzählen uns von Geistern, die nordische Mythologie bringt ihre phantastischen Erörterungen über die Geistcrwelt an; und so wie bei jenen Heiden des AÜerthums nennt man auch heute noch die Seelen .der A»geschied«ncn Geister; much heutzutage «och hängt man den Ent flohenen die absurdesten Bestimmungen und Dichtungen an. , Es soll hiermit nicht igcsagt sein, daß der freidenkende, civilisir tere Theil der menschlichen Gesellschaft sich heutzutage noch dem Glauben an die Gespeiisterwelt hingiebt; wir leben — sei's dem , Himmel gedankt! — in einer Zeit, welche die Welt über die Lacher lichkeit solcher Phantastereien aufgeklärt hat. Rodet heute noch Je mand von Gespenstern, so miag es vielleicht die Amme sein, die Len „bösen" Kleinen in der Kinderstube ein Märchen erzählt, sonst von Spuk und Geistern spricht vielleicht noch hier und dort der Bauer, 'dessen Einfalt man nicht verübeln darf, wenn er sich mit dem „Haber- mäunle" in der Hand Morgens und Abends gegen die bösen Geister vcrkreuzigt oder zum Schutz gegen Hexen und Hexenmeister das Hu bertuszeichen unter alle vier Ecken seines Strohdaches malt. — Und wenn man die Begrenztheit seines Verstandes betrachtet, in welcher er die Lehren von Hölle nud Fegefeuer, überhaupt von dem Seelen leben nach dem Tode aufznfassen und zu beurtheilen in, Stande ist thut er so unrecht nicht. Und wenn man zurückdenkt, wie vor nicht mehr als hundert Jahren die gelehrtesten und - scharfdenkendsteil Leute sogar Verträge mit Sterbenden schlossen, an einem bestimmten Tage .«Kf d» Welt zu erscheinen, .ivenn man sich erinnert, daß zu Beginn — Der Reichskanzler hat beim BundeSrath beantragt, zu bet schließen, für Rechnung des Reiches von den silbernen Zwanzigpfennig stücken für 5 Millionen Mark einzuziehen und in Fünf- und Zwei markstücke umzuprägen. Der Antrag wird dadurch motivirt, daß die silbernen Zwanzigpfennigstücke keine beliebte Verkehrsmünze sind und aus dem großen Publikum immer wieder schnellstens in die amtlichen Kassen zurückströmen. , — Die Verleihung des Rothen Adlerordens I. Classe an den Abg. von Bennigsen, den entschiedensten liberalen Führer der national- liberalen Partei, hat große« Aufsehen erregt. Die Verleihung, von der schon vor Ostern gesprochen wurde, kann natürlich nur dem Poli- tiker gelten, und es ist kein Wunder, wenn abermals von einem in, absehbarer Zeit bevorstehenden Eintritt Herrn von Bennigsens in das preußische Staatsministerium oder in ein Reichsamt gesprochen wsrd? — Kommenden Mittwoch wird das preußische Abgeordnetenhaus, wieder in Berlin zusammentreten und sofort die Nothstandsvorlage für die überschwemmten Gebiete vorfinden. Man spricht von Forder ungen bis zu 50 Millionen Mark. ^ — Zur Hebung der Schwierigkeiten, welche die Fertigstellung, des Schullastenerleichterungsgesetzes im preußischen Landtage bedrohen,' schlägt die „Post" vor, in einzelnen gehobenen Schulen größerer Städte dauernd und in anderen Schulen mit besonders schwierigen Verhältnissen zeitweise einen Theil des Schulgeldes weiter zu erheben? Die Regierungsvorlage forderte die totale Aufhebung des Schulgeldes. Frankreich. Kricgsminister Freycinet wird den commandibenden ° General Warnet zum Chef des Gcneralstabes, d. h. zum eigentlichen. Leiter des Kriegsministeriums ernennen. Es verlautet, daßdieGam- bettisten baldigst eine Interpellation über die allgemeine Politik des Kabincts in die Kammer einbringen werden, mit dem Hintergedanken natürlich, das eben gebildete Ministerium Floquet zu stürzen. Alle Journale, mit Ausnahme der radikalen, schreiben gegen das Mini sterium. Einzelne Blätter kündigen auch bereits ganz gemüthlich an, die Monarchisten würden im Verein mit den Gambettisten auch dieser Regierung bald ein Ende bereiten. Znm Kammerpräsidenten ist Meline gewählt worden. — Die „N. A. Z." schreibt zur allge meinen Lage in Frankreich: Während das neue Kabinet gebildet ist, macht der Boulangisinus in der Provinz reißende Fortschritte. Im Aisne-Dcpartement hat der radicale Candidat Doumer jetzt offen das Panier des Generals a. D. anfgepflanzt und wird jedenfalls gewählt werden; Boulanger selbst betreibt seine Candidatur im Nord-Departe ment mit bestem Erfolge und macht außerdem noch Propaganda für Jnscenirung eines Staatsstreiches; auch in der Armee wird gewühlt. Man hört vielfach die Befürchtung äußern, daß das neue demokratische Kabinct in jedem Falle die Geschäfte der boulangistischen Macher be sorgen werde, es möge wollen oder nicht. — Ein Theil der Patrioten- liga in Paris hat sich jetzt zu einem Sonderbund vereinigt, welcher zunächst an Bonlanger eine Adresse richtete, in welcher die Hoffnung ausgesprochen wird, er werde Frankreich in naher Zukunft seine „natürliche" Grenze, den Rhein, wiedergeben. Italien. Das italienische Königspaar ist in Begleitung der Minister zum Besuche der Königin Victoria in Florenz angekommen und enthusiastisch empfangen worden. Im Palazzo Pitti ist Absteige quartier genommen. Nicht mit Unrecht wird darauf hingewiesen, daß diese Reise auch eine gewisse politische Bedeutung habe und bezeichnend ei für die sehr engen Beziehungen zwischen England und Italien, die in Frankreich nicht viel weniger Schmerzen machen, als das deutsch-italienische Bündniß. — Bei den verschiedenen Katastrophen der letzten Jahre in Italien sind regelmäßig auch aus Deutschland reiche Spenden über die Alpen geflossen. König Humbert hat sich nunmehr glänzend revanchirt, indem er für die von den Ueber- chwemmungen in Nvrddeutschland Betroffenen 40000 Lire (32000 Mk.) überweisen ließ. Das ist eine wahrhaft edle und königliche Gabe nnd noch kostbarer wird sie dadurch, daß der König überaus herzliche Frenndschaftsversicherungen für Deutschland beigefügt hat. des vorigen Säkuliims noch ein gekröntes Haupt (König August von Sachsen) sich durch ein Gespenst aus dem Palast jagen ließ, wenn man ins Auge faßt, daß es heutzutage noch eine Menge der gebil deten und aufgeklärten Menschcnklassen giebt, die an Spuk und Spuk geschichten glauben, so mag man schon dem Bauer vergeben, wenn er sich durch Vorstellungen von Geistern und Gespenstern aus der Fassung bringen läßt. Ob nun diese Vorstellungen in jedem Falle auf Ueberspanntheit des Hirns oder ans Furcht nnd Täuschung beruhen, mag folgende Episode erweisen. Ich erzähle die Begebenheit, ohne Namen und Ort zu verrathen, der Wahrheit getreu, so wie man sie mir selbst erzählte. Vor nicht langer Zeit (so berichtet mir ein Fachgenossc) unter nahm ich in Gesellschaft zweier Freunde einen Ausflug über die böh mischen Gebirgskunde bis hinunter nach dem bayrischen Walde, dessen malerische Schönheit, wie bekannt, (in den jüngeren Jahren vornehm lich) Touristen und schaulustige Reisende auf seine laubumgipfelten Berge zieht. Es war uns nicht darum zu thiiu, an einer der in die Mode steigenden „Sviiimcrfrischen" längere Zeit zu verweilen; wir wollten ja nur sehen, ohne an die Etiquetle gebunden zu sein, den Vorzug der reinen Berglnft in vollen Zügen genießen; diesen und jenen hervorragenden Punkt ins Auge zu nehmen, schien uns vcr langenswerth. Wir bewegte» uns demgemäß in der ungezwungensten Form moderner Touristen; Plaid, Fernrohr an der Seite, verließe» wir am frühen Morgen den Ort, welcher uns für die verstrichene Nacht zur Station gedient hatte, und erst am Abend wurde für das neu zu wählende Nachtquartier abgcstimmt. So führte uns die Wanderlust nach den verschiedensten Rich tungen hin; bald ging es über steile Höhen und durch Wälder, dann wieder an romantisch -sich hinstreckendcn Dörfern vorüber, immer süd wärts, bis wir den Hirschenstein hinter uns hatten und unsere Route mehr dem Westen zuwandtcn, denn cs war unsere Absicht, bevor wir bald nach Hause zurückkchrten, die Hauptstadt zu sehen. Eines Tages, cs hatte die Nacht zuvor stark geregnet und noch war der Himmel umzogen, so daß wir einestheils manchen Pfad, der aufgcweicht war, in weiter Rundung umgehen mußten, cmdenitheils durch die empvrsteigeiidoil .Nebel auf falsche Berechnung gebracht wurden, verirrten wir uns in der Waldung. Wir hatten uns an jenen. Morgen zum Ziel der Reise X. gesetzt und hielten uns demzu folge, hin und wider den Kompaß zum Führer nehmend, südwest, wärt»; ob» der Himmel miag wissen, welch unergründliche Verzwick- ungen sich die Felsmassen an jenem Punkte erlauben, denn nach einem vielstündigen und über alle Maßen beschwerlichen Marsche, der uns immer tiefer in das Felsenlabyrinth hineinführte, waren wir endlich auf einem sich hoch über die anderen Berge erhebenden Felsen vorsprung angelangt. Die Luft war jetzt heiter, und da unsere Glieder sich nach Ruhe sehnten, breiteten wir den Plaid, so gut es gehen wollte, über die steinige Fläche und machten ein kurzes Halt. Es darf Wohl kaum erwähnt werden, daß die Feldflasche ihre Dienste that; sieben Stunden lang hatten wir der Kreuz und Quere nach die Waldung durchirrt. Jetzt dehnte sich vor unseren Augen ein Panorama aus, wie es sich nicht prächtiger entfalten konnte. Hätte uns nicht die Pnrpurröthe, welche allmählich die Berge umrahmte, gemahnt, daß die Dämmerstunde bereits sei, so hätten wir vielleicht gegen unser» Willen die Nacht im Walde verbracht. Jetzt aber was thun? L., darüber waren wir einig, mußte in weiter Entfernung sein; auch ein anderes Städtchen zeigte sich nicht, so viel wir die Blicke umhersuchen ließen; also bestimmten wir, kurz entschlossen, in möglichst gerader Richtung vom Felsen hinunter zu steigen, wo ein winziger Flecken, ein Dorf war es kaum zu nennen, seine ziegelbcdecktcn Lehmhütten sehen ließ. Der Marsch war gewagt, denn nicht geringe Male schwebten wir in Gefahr, auf dem noch immer feuchten Moose in die Tiefe zu gleiten; dazu wuchs die Finsteriiiß merklich, und als wir endlich an unserem Ziele augelangt waren, lag tiefe Nacht auf der Flur. Doch nur ein kurzer Weg noch und wir waren in A. Hätten wir je zuvor eine derartige Ortschaft ins Auge genom men, so würden wir gewußt haben, daß unsere Hoffnung, einen Gasthof für uns offen zu finden, eine sehr vergebliche war. In U- cxistirte kein Gasthof. „Wenn die Herrschaften ein Nachtquartier benöthigen", erwiderte man auf unsere Frage, „so wenden Sie sich an. den Schulzen. Dort in jenem gelben Hause mit den dunkel braune» Läden wohnt er; zu Bette gegangen ist er noch nicht." Und wiewohl uns diese Auskunft im Moment fast lächerlich vorkam, auch nach einigem Nachdenken uns noch wenig behagte, so- blieb uns doch nichts übrig, als nach der Weisung zu thun. Ge mächlich näherten wir uns der Hütte und klopften a» die Thür Ein Rumoren und Schelten ließ sich vernehmen, dann öffnete sich über unseren Köpfen ein Fenster und ein dralles Bäuerlein streckte behutsam die Nase hervor. „Was ist geschehen?" fragt« er herunter und seine Stimme, klang, als sei sie von Furcht brwegk
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