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Nr. 84. — 8. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum mit täglich einem besonderen Unter- Haltungsblatt« und mit dem Lxtrabeiblatt Lästiges Bilderbuch kostet bei den Ausgabe stellen monatlich 70 Psg., bei denPost-Anst. 7!> Pf. (1888er ZtgS.-PreiSliste Nr. S0S5.) FürAbonnenten erscheintje einmal imJabr r Souimer-Eisenbahnfihrrlanheft für Sachse«. «inter-Elsenbahnfahrvlanheft für Eachsto. Jlliistr. «alender des Sächsischen Landbote«. Jllasttirte-JahrerbuchdtsLandeS-Snzeigerr. Sächsischer W-kS-Mkihtt mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen nnd Thüringen. Donnerstag, 12. April 1888. «»jelge»neirdtr „Siichs.Atndts-Sitzeia«»-. Raum einer schmalen TorpnSzeile lS Pfa. Bevorzugte Ltelle(lsvalt. Petitzeile) SO Pf.' BeiWiederholung grober Annonce»Rabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle man ZnsertionSbetrag (In Briefmarken) beifügen (je 8 Silben CorpuSschrist bilden ca. 1 Zeile.) Annoncenannahme nur bis Vormittag. Wk. Buchdrücke«!. Chemnitz. Theaterstrabe S (Fernsprechstelle Nr. 136). Telegr -Adr.: LandeS-Anzeiger, Chemnitz. Mit täglich einem besonderen Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 4. Sächsisches Allerlei — 5. JllnftrirteS Unterhaltungsblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Luftiges Bilderbuch. Amtliche Bekanntmachungen. In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Friedrich Amon Schuster in Chemnitz ist zur Abnahme der Schlus legen das Schlus Forderungen und , .. . aren Vermögens stücke der Schlußtermin aus den 8. Mai 1888 Vormittags 10 Uhr vor dem Königlichen Amtsgerichte hicrsclbst bestimnit. Chemnitz, an» 10. April 1888. Königliches Amtsgericht. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute auf Folium 3111 die Firma Paul Sturm in Chemnitz und als deren Inhaber der Kaufmann Herr Friedrich Wilhelm Paul Sturm daselbst, Besitzer eines Butter- und Käse-Handelsgeschästs, eingetragen. Chemnitz, den 10. April 1888. Königliches Amtsgericht. Telegraphische Nachrichten. Vom 10. April. Mährisch-Osterau. Neuerdings kamen Gruben-Unglückevor. Im Franz-Schachte der Nordbahngrube brach Wasser ein, was eine monatelange Sistirung des Betriebes nöthig macht. Im Herrmangilt- Schacht in Polnisch-Osterau brach ein Grubenbrand aus, der aber sofort abgemauert wurde. Menschenleben sind nicht zu beklagen. Wien. Die Meldung, daß die Ersetzung des Grafen Szechenyis als österreichisch-ungarischer Botschafter in Berlin durch den ehe maligen Gesandten in Belgrad, Baron Khevenhüller, bevvrstehe, ist vollständig grundlos. — Der „Polit. Corr." wird aus Sofia ge meldet, daß djx Soldaten und Unteroffiziere aus freien Stücken eine aufrührerische Prvclamation des „Comitees vom neunten August", in welcher die Soldaten zum Abfall vom Coburger aufgefordert werden, ihren Vorgesetzten adgclicfcrt haben. — Zur Kanzlerkrisis wird der „N. Fr. Pr." aus Berlin telcgraphirt: „In den der Wil- hclmstraße nahen Kreisen wird nicht so sehr die bestimmle Batten- bergijchc Verbindung als der Grund für die Rücktrittsabsicht des Kanzlers erklärt, als vielmehr angenomnien, daß der Kanzler hier dem ersten vermeintlichen Versuche einer dynastischen Familien-Politik grundsätzlichen Widerstand entgegenstellen wollte." — Der „Pester Lloyd" bringt gegen die „Kreuzzeitung", welche Ungarns Königslreue verdächtigte, einen geharnischten Artikel, der auch die Haltung ge wisser deutscher Blätter gegen das Kaiserhaus in den schärfsten Aus drücken verdammt. London. Man erwartet hier vielfach einen baldigen Wieder ausbruch der Kanzlerkrisis und den definitiven Rücktritt des Fürsten Bismarck und zwar i» Folge tiefliegender Differenzen mit dem Kaiser; die projektirte Heirath sei blos ein Vorwand. Die Presse tadelt Bismarcks Vorgehen, welches in Deutschland Zwiespalt, in London und Wien Verstimmung, in Petersburg und Paris aber'Freude her vorrufe. ( ' Sofia. Es verlautet, der türkische Truppenkordvn sei bereis von der ostrumelischen Grenze zurückgezogen worden. Politische Rundschau. Chemnitz, den 11. April. Deutsches Reich. Kaiser Füedrich empfing am Dienstag Nach mittag den Reichskanzler Fürsten Bismarck in längerer Audienz. Dem Ccntralcomitee zu Berlin für die Ueberschwemmten aller deutschen Landcsthcile hat der Kaiser die Summe von fünfzigiausend Mark aus seiner Privatchatulle überwiesen. — Ucbcr das Befinden des' Monarchen verlautet, daß die Nacht zum Dienstag etwas weniger gni war und daß das Allgemeinbefinden demgemäß nicht ganz so gut am Tage war, wie in den früheren Tagen. Der Auswurf ist reich licher, Husten und Hustenreiz dauern namentlich des Nachts fort, störe» den Schlaf und beeinträchtigen eine schnellere Hebung der Kör- pcrkrüfte. Dagegen war am Dienstag der seit einigen Tagen anhal tende Kopfschmerz bis auf ein leichtes Druckgefühl in den Schläfen verschwunden. Auf Wunsch dcr Aerzte machte der Kaiser am Di^ii leine Ansfahrt, da er sich am Morgen etwas müde fühlte sich erst erholen soll. Dem Bericht der Kaiserin über ihre Reise in die Ucberschwemmungsgebiete lauschte der Kaiser mit sichtlicher Theil- nahme und gab wiederholt seiner Zufriedenheit über den herzlichen Empfang seiner Gemahlin Ausdruck. — Die vorstehenden Nachrichten über das Befinden des Kaisers werden durch folgende Notiz der „N. A. Ztg." bestätigt: Das Befinden Sr. Majestät des Kaisers, das in den letzten Tagen in Folge mehrfach durch Husten und Aus wurf unterbrochener Nächte, sowie leichter entzündlicher Schwellung am Halse etwas weniger günstig war, gestattete dennoch die ununter brochene Beschäftigung niit Regierungsangelegenheiten, sowie Ausfahr ten und Spaziergänge. Seit Montag haben sich Appetit und Kräfte zustand wieder etwas gehoben. Am Dienstag Vormittag nahm der Kaiser mehrere Vorträge entgegen und arbeitete längere Zeit mit dem General von Albedyll. — Kaiser Friedrich hat zum preußischen Gesandten in München als Nachfolger -des in den Ruhestand getretenen Grafen Werthern den Geh. Legationsrath Grafen Kuno Rantzau, Schwiegersohn des Fürsten Bismarck, ernannt. Derselbe ist seit Langem Vortragender Rath im Auswärtigen Ami, als solcher der Zweitälteste Rath der Politischen Abtheilung und hatte in den letzten Jahren stets den Dienst beim Reichskanzler, wenn derselbe sich außerhalb Berlins befand. — Der Kaiser hat nunmehr auch den Amnestie-Erlaß für Elsaß-Lothringen vollzogen, der wesentlich dem preußischen Erlaß ent> spricht, Verbrechen des Hoch- und Landesverrathes werden also nicht awnestirt. — Die Wiener „Neue Freie Presse" läßt sich aus Berlin be richten, daß der Kronprinz Wilhelm ein noch heftigerer Gegner des BatteNbergischen Heirathsprojectes als der Reichskanzler sei. Kaiser Friedrich selbst soll eine entschiedene Willensmeinung über die Sache nicht abgegeben haben. — Zur Kanzlerkrisis bringt die „Kreuzztg." folgende Mittheil ung: „In der Presse wird noch immer die Frage eifrig erörtert, ob die Kanzlerkrisis beendet sei oder nicht. Man unterscheidet hierbei nicht hinreichend scharf zwischen einer akuten und latenten Krisis. Die erstere entstand, als der Reichskanzler erfuhr, daß Prinz Alexander von Battenberg demnächst zum Besuche am kaiserlichen Hofe erwartet werde; sie war zugleich beseitigt in dem Augenblick, als auf den dringenden Rath des Reichskanzlers dieser Plan vor der Hand nicht zur Ausführung gelangte. Die latente Krisis dagegen wird so lange fortbestehen, als die Hierherkunft des Prinzen von Battenberg nicht definitiv aufgegeben ist, es sei denn, daß Sondirungen in Petersburg dem Reichskanzler die Gewißheit geben, daß der Zar in der Heirath nicht länger eine Abwendung der deutschen Politik von ihrer bis herigen friedlichen und Rußland freundlichen Bahn erblicken würde. Daß eine solche Auffassung in Petersburg Platz greifen würde, sobald die bulgarische Frage im Einverständniß »nt Rußland definitiv ge ordnet wäre, scheint zweifellos." — Obgleich die Heirathsangelegen- heit thatsächlich in den Hintergrund getreten ist, bildet sie doch noch de» Gegenstand von Erörterungen. Auswärtigen Blättern ver schiedener Partcirichtung wird von Berlin gemeldet: „Es heißt, Bismarck werde auch im Amte bleiben, wen» der Plan der Verbindung des Prinzen Battenberg mit der Prinzessin Victoria wieder auftauchen sollte, ja sogar, wenn die Verlobung demnächst erfolgte. Das ist eine absichtliche Irreführung der öffentlichen Meinung. Was geschehen würde, wenn diese Angelegenheit unter völlig veränderten Verhältnissen, beispielsweise nach der Lösung der bulgarischen Frage, wieder auftauchte, das entzieht sich heute der Beurtheilung. Zur Zeit aber liegt die Sache so, daß der Reichs kanzler entschlossen ist, zurückzutrcten, falls die Verlobung erfolgen sollte. Wir haben schon vor einigen Tagen die Ueberzeugung aus gesprochen, daß der Kaiser im Sinne des Fürsten Bismarck entschieden habe, nachdem dieser die gegen das Heirathsproject sprechenden Gründe geltend gemacht hatte. So hat es sich, wie wir bestimmt erfahren, thatsächlich Verhalten. Der Kaiser war mit dem Kanzler einig, nach dem die Angelegenheit zur ersten ernsten Erörterung gelangt war, Im unheimlichen Haufe. Erzählung von Friedrich Berner. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Der Tscherkesse ergriff einen Leuchter, öffnete die Flügelthüren und führte die Gesellschaft hinaus auf den weiten, finsteren Korridor, der mit seinen Nischen und Statuen und undurchdringlichen Schatten der Vorhalle eines antiken Mausoleums nicht unähnlich war. Vor der Thür mit dem Löwenfell blieb der Tscherkesse stehen. Kamphoven konnte den Blechkasten nicht aus den Augen lassen, den der Justizrath mitgenommen hatte; Janka Pokorni beobachtete Wassili Petrowitsch, der aus seinem breiten Leibgurt eine» Schlüssel hervorzog ünd Paul, der keine Ahnung davon hatte, daß Helenens Blicke mit zärtlicher, hoffnungsloser Trauer an ihm hingen, vermochte sich von dem Anblick der schönen, dicht vor ihm stehenden Böhmin nicht los zureißen. Der Justizrath schaute ernst und feierlich im Kreise herum, wie um zu fragen, ob Alle bereit seien. Dann gab er Wassili ein Zeichen. Der Tscherkesse erhob das Licht hoch über seinen kahlen Schädel, bückte sich, brachte leise den Schlüssel ins Schloß und öffnete dann weit die Thür. Aus der Finsterniß innerhalb derselben fluthete ein fast betäubender, aromatischer Duft hervor. „Herr von Roland, Sie sind hier der Hausherr," sagte Or. Horn leise. „Ich bitte Sie, zuerst einzutreten." 6. Kapitel. Auf dem Paradebette. Paul von Roland wendete sich nach Fräulein Pokorni um, die nicht verfehlte, ihm einen heißen Blick zuzuwerfen, und überschritt dann die breite Schwelle. Die Anderen folgten. Als Alle im Zimmer waren, verschloß Wassili die Thür und zog einen schweren Vorhang vor dieselbe, dessen Ringe mit eigenthümlich schrillem Ton über die dicke Messingstange klirrten. Der Tscherkesse glitt lautlos zum Kamin und zündete zwei auf dem Gesims desselben stehende Wachslichte an, dann ging er zu einem kleinen Toilettentisch und that hier dasselbe. Die spärliche Helligkeit genügte, um die Größe des Zimmers ünd die Gegenstände in dem selben in die Erscheinung treten zu lassen; man sah auch das um fangreiche, altmodische Bett mit seinen schweren Gardinen von dem selben dunklen Stoff, aus welchem auch die Draperien vor dem einzige» Fenster und die Portieren über den beiden Ausgängen bestanden. und insofern war und ist die Krisis beendet. Aber es giebt Per sönlichkeiten, welche, ohne Befugnis zum Eingreifen in die Leitung der' Staatsangelegenheiten, die Hoffnung zu hegen scheinen, irgendwie eine vollendete Thatsache schaffen zu können, welche der vom Kaiser Friedrich gebilligten Auffassung des Kanzlers entgegenstünde. In diesem Falle wäre die Krisis und zugleich ihre Wirkung, der Rücktritt des Kanzlers, da. Wir halten an der Erwartung fest, daß ein solcher Ausgang unmöglich ist." — Die „Köln. Ztg." schreibt; „Man glaubt allgemein, daß es sich bei der geplanten Verbindung des Battenbergers mit der Prinzessin Victoria um eine LiebeSheirath handle. Wenn nun das Gegentheil der Wahrheit näher käme, wenn das von dem Berliner Berichterstatter der „Times" verzeichnete Gerücht, das in gut unterrichteten Kreisen der Reichshauptstadt umgeht und wissen will, „Prinz Alexander stände dem Heirathsplan, um das Geringste zu sagen, gleichgiltig gegenüber", wenn dies Gerücht das Richtige träfe und wenn Kaiser Friedrich selbst, wie der gleiche Berichterstatter erwähnt, für diese Verbindung seiner Tochter sich durchaus nicht erwärmen könnte, wenn es also, um bei dem, bürger lichen Verhältnissen entnommenen Bilde zu bleiben, von Seiten des Prinzen nicht auf eine Liebes-, sondern auf eine Jnteressenheirath abgesehen wäre? Würden dann nicht Prinzessin Victoria und ihre kaiserliche Mutter, die als eifrige Förderin des Herzenswunsches ihrer Tochter bezeichnet wird, von den möglichen politischen Folgen ganz abgesehen, Persönlich am schwersten unter denzEnttäuschungen, die ein solcher Bund ihnen bringen müßte, zu lewen haben?" — Die „Königsb. Hart. Ztg." bringt noch folgende Mittheilung: „Wir sind in der Lage, aus einer Quelle, deren Glaubwürdigkeit über jeden Zweifel erhaben ist, mitzntheilcn, daß der Kronprinz vor Kurzem gegenüber einer hochgestellten Persönlichkeit mit Thränen in den Augen erklärt hat, „er wisse sich völlig eins mit seinem Vater und es schmerze ihn aufs Tiefste, wenn man mehr oder minder offen von einem Gegensätze oder gar von einer Entfremdung zwischen Vater und Sohn spreche." — Auch in Berlin wird eine Adresse an den Reichskanzler vor bereitet, in welcher die Hoffnung ausgesprochen wird, Fürst Bismarck werde im Amte bleiben und der Kaiser Mittel finden, den Rücktritt abzuwenden. — Es ist nicht anzunehmen, daß der Kanzler eine einzige Adresse annehmen wird, in welche die Person Kaiser Friedrichs hineingezogen ist. Der Kaiser steht denn doch außerhalb der poli tischen Bewegung und Diskussion. — Wie die „Nat.-Ztg." zuverlässig vernimmt, ist die Nachricht, daß Fürst Bismarck dieser Tage nach Varzin abreisen werde, un richtig. Der Kanzler hat überhaupt nicht die Absicht, in der nächsten Zeit Berlin zu verlassen. — Heute Mittwoch .tritt das preußische Abgeordnetenhaus wieder > in Berlin zusammen. Wahrscheinlich findet es sofort die Nothstands- vorlage für die überschwemmten Gebiete vor. Wie in voriger Woche' schon mitgetheilt, ist der Betrag der Vorlage etwa 30 Millionen Mark. — Auf Veranlassung des Staatssecrctärs Or. von Stephan sind in den Orten, wo es an anderen Sammelstellen fehlt, die Reichs- Postanstalien zur Entgegennahme von Spenden für die Ueber schwemmten ermächtigt worden. — Der belgische Gesandte in Berlin, Grafen von der Straten- Ponthoz, wird Ende April von seinem bisherigen Posten zurücktreten. Als sein Nachfolger wird der belgische Gesandte in Konstantinopel, de Borchgrave, genannt. — Das Reichsgesetzblatt publizirt das Gesetz betr. die unter Ausschluß der Oeffentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen. — An eine Anzahl Secretäre des Berliner Haupt-Telegraphen amtes ist die Anfrage ergangen, in welcher diejenigen sich zu melden aufgefordert werde», die Neigung haben, einen Posten als Gouver- nementssecretär in Kamerun zu übernehmen. Die Stelle in Kamerun ist mit 7500 M. dotirt, es werden die in Kamerun verbrachten Jahre beim Dienstaltcr doppelt gerechnet. Einer der befragten fünfzehn jnngen Beamten hat sich zur Uebernahme der Stellung bereit erklärt. Das Gemach war außerordentlich reich ausgestattet; sein Be wohner hatte augenscheinlich eine ganz besondere Sorgfalt darauf verwendet, unserem rauhen, nordischen Klima nach Möglichkeit ent gegenzuwirken, welches ihm, nach seinem fast ein Menschenalter währenden Aufenthalt unter heißerer Sonne, Wohl oft recht beschwerlich gefallen sein mochte. Ein dicker persischer Teppich bedeckte den ganzen Fußboden und mächtige, zottige Thierfelle waren vor dem Kamin, vor dem Bett und noch anderen Stellen ausgebrcitet. Feinere, aber eben so große Felle lagen über den Lehnstühlen und auf dem Divan, der neben dem hohen Kaminofen stand; Waffen von seltsamen, fremdartigen Formen schmückten die dunkel bekleideten Wände und lagen auf den Tischen und auf dem Kamingesims umher. In einer Ecke des Gemachs stand ein Ding, welches oberflächlich einer grotesken, menschlichen Figur glich; cs war dies die einem Gestell aufgepaßte Uniform des alten Offiziers: der Helm, der gold gestickte Rock mit dem kostbaren Leibgurt, von welchem das Schwert herabhing, darunter der ebenfalls goldgestickte Sattel mit den Pistolen halftern und der Schabracke, alles verschossen und fadenscheinig vor Alter. Nicht weit davon kauerte ein asiatisches Götzenbild auf einem großen Konsol, eine scheußliche Mißgestalt, deren aus edlen Steinen hergestellte, funkelnde Augen unverwandt auf das gegenüberstehende Bett gerichtet zu sein schienen. Vor diesem verhangenen Bett stand mit hoch erhobenem Leuchter Wassili Petrowitsch, unbeweglich wie eine Statue, in vollständiger Uebereinstimmnng mit dem Charakter des Zimmers und der düstere» Ausstattung desselben. Dabei aber beobachtete er jeden der An wesenden auf das Schärfste, und als er sah, daß sich der alte Justiz rath mit stummer Frage an Paul von Roland wendete, begab er sich gemessenen Schrittes an das Kopfende des Bettes, zog langsam und feierlich die eine Hälfte der faltigen Gardine zurück und ließ den Lichtschein auf die sterbliche Hülle seines ehemaligen Herrn fallen. Ehrfurchtsvoll und ergriffen trat der junge Erbe hinzu, aber selbst in diesem Augenblick durchfuhr ihn blitzartig ein Gefühl inner liches Glückes, als er gewahr wurde, daß eine seiner Begleiterinnen dicht an seine Seite getreten war. Unter den schweren Falten des dunklen Zeltes, innerhalb des weiten Bettgestelles, an dessen geschnitztem Kopfbrett zwei gekreuzte persische Scimitars angebracht waren, stand geöffnet ein einfacher Sarg aus starken geglätteten Eichenplanken; auf dem gegen die Hintere Wand gelehnten schmucklosen Deckel desselben toar eine bronzene Platte mit dem Namen des Todten und den Daten seiner Geburt und seines Todes angebracht. Ans den weißen, seidenen Kissen des Sarges lag in einfacher, dunkelgrüner Uniform der Generäl. Von dem wachsbleichen, edlen Antlitz floß ein schneeweißer Bart weit über die Brust, das dichte, weiße Haar war kurz verschnitten, ans der Stirn und der linken Wange waren zwei lange und tiefe Narben sichtbar. Ein heiterer Friede lag auf den ehrwürdigen Zügen des Ent schlafenen, der ein Alter von neunzig Jahren erreicht hatte. Paul beugte sich über ihn und küßte die eisige Stirn. Als er zurücktrat, bemerkte er, daß nicht Janka, sondern Helene sich an seiner Seite befunden hatte. Das junge Mädchen neigte sich über des Todten Hand, eine Thräne auf derselben zurücklassend. Wassili Petrowitsch, dein nichts ' entging, erwischte verstohlen einen losen Theil der Bekleidung ver gleich darauf zur Seite Getretenen und preßte denselben schnell und inbrünstig an seine Lippen. Kamphoven und Janka warfen einen kurzen Blick auf die Leiche und wendeten sich dann, wie von demselben Impulse bewegt, wieder ab. Der Tscherkesse ließ den Vorhang langsam wieder zurückfallen. Jetzt flüsterte der Justizrath dem alten Leibdiencr einige Worte ins Ohr, worauf dieser zu dem Toilettentisch ging, die beiden silbernen Leuchter aufnahm und dieselben Paul und Helene in die Hände gab; ' dann holte er die Leuchter vom Kamingesims und überreichte sie Kamphoven und Janka; Or. Horn hatte inzwischen Wassilis Leuchter ergriffen. Nachdem dies geschehen war, schritt Wassili quer durch das Zimmer zu der zweiten Portiere; wiederum vernahm man das schrille Geklirr der über die Messingstange gleitenden Ringe, und in der Wand erschien, in tiefer, gewölbter Bogennische, eine feste, eiserne Thür. Der Tscherkesse öffnete seinen Kaftan und zog drei Schlüssel von ungewöhnlicher Form hervor, von denen eine blanke Stahlkctte hcrab- hing, deren Ende um des Alten Leib befestigt zu sein schien- Als er einen der Schlüssel im Schlosse bewegte, hörte man drei Bolzen mit klingenden Schläge» zurückschnellen; darauf setzte er seine Schulter . gegen die Thür und drückte dieselbe mit Aufbietung aller Kraft nach innen. „Eine Schiffspanzerplattc vo» großer Stärke," sagte Or. Horn leise. „Darf ich Ihne» den Weg zeigen, Herr von Roland?"