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Sächsischer Landes-Anzeiger : 01.02.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-02-01
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188802018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880201
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-02
- Tag 1888-02-01
-
Monat
1888-02
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 01.02.1888
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— Nr. 26. — 8. Jahrgang. — Der jeden Wochentag Abend (mit Datum de- folgenden TageS) zur Versendung gelangende „Sächsische LandeS-Anzeiger" mit täglich einem besonderen Unter» Haltungsblatte und mit dem Extrabeiblatt Lustige» Bilderbuch kostet bei den Ausgabe stellen monatlich 70 Pfg., bei den Post-Anst. 75 Pf. (1886er ZtgS.-PreiSliste Nr. 5035.) Für Abonnenten erscheint je eininal imJahr: Smnmer-Eisenbahnfahrplanheft für Sachsen. Siuter-Eisenbahnfahrplanheft für Sachsen. Jllustr. Aalender de- Sächsische» «andboten. Jllustrirtes Jahresbuch des Landes-Anzeigers. SZchsischer Mittwoch, 1. Februar 1888. »de» „Sachs. LandeS-Anzeiger»"« schmalen TorvnSzelle U» Pfg. Stelle (ispalt. Petitzeile) SO Pf. I,zeigen »reis de». ^ llaum einer mit,,Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. veiWIederholunggroßerAnnoncenRabatt. Bei Bestellungen von Auswärts wolle MM« JnsertionSbetrag (in Briefmarken) beifüge«« Ne 8 Silben EorpuSschrift bilden ca. 1 Zeile.) Annoncenannahme nur bis Vormittag. LM: Amin Me. Buchdrücke«!. Chemnitz. Theaterstraße 8 (Fernsprechstelle Nr. ISS). Telegr.-Adr.: LandeS-Anzeiger, Chemnitz. Mit täglich einem besonderen 4. Sächsisches Allerlei - Unterhaltungsblatt: i. Kleine Botschaft — 2 Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 5. Jllnftrirtes Unterhalt,lngSblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Luftiges Bilderbuch. Politische Rundschau Amtliche Bekanntmachungen. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des »iitcrzeichiictcii Amtsgerichts wnrde heute auf Fvlium 3093 die Firma B. Flohrschütz Nachf. in Chemnitz (Passage) und als deren Inhaber Herr Friedrich Franz Funke in Leutewitz bei Dresden, Besitzer einer Musikalienhandlung, eingetragen. Chemnitz, am 27. Januar 1888. Königliches Amtsgericht. Im Handelsregister für den Stadtbezirk des Unterzeichnete» Amtsgerichts wurde heute ans Folium 3091 die am 15. Januar 1888 errichtete Firma Lindner n. Co. in Chemnitz (Zschopanerstraße Nr. 30) eingetragen und zu gleich verlautbart, daß die Kaufleute Herr Gustav Hermann Lindner und Herr Emil Hermann Heinrich Mönch daselbst, Besitzer einer Verbandstoss-Fabrik, sowie eines Commisslonsgeschäfts. Inhaber der Firma sind. Chemnitz, am 27. Januar 1888. Königliches Amtsgericht. Im Handelsregister für den Landbezirk des nnterzeichnetc» Amtsgerichts wurde heute auf Folium 228 verlautbart, daß dem Kaufmann Herrn Emil Georg Reichel in Rcichenbrand für die Firma Bernhard Reichel daselbst Prokura erlhcilt worden ist. Chemnitz, am 28. Januar 1888. Königliches Amtsgericht. Im Handelsregister für de» Stadtbezirk des Unterzeichneten Amtsgerichts wurde heute aus Folium 2881 verlautbart, daß der Kaufmann Herr Anton Bernhard Knorr aus der Handelsgesellschaft unter der Firma Knorr u. Sturm in Chemnitz als Mitinhaber ausgcschieden ist, sowie, daß der seitherige Thcil- haber, der Kaufmann Herr Carl Emil Sturm daselbst, das Handelsgeschäft der ausgelösten Gesellschaft künftig unter der Firma Emil Sturm fortsührt. Chemnitz, am 28. Januar 1888. Königliches Amtsgericht. In dem Konkursverfahren über das Vermögen 1. der aufgelösten Kom manditgesellschaft unter der Firma Fauland ». Co. in Liquidation, 2. Jakob Mcyerhardt's, in Firma I. Meyerhardt, und 3. das Nachlaßvermögcn des verstorbenen Rechtsanwalts Carl Ernst Bleyl in Chemnitz ist zur Prüfung der nachträglich angemcldeten Forderungen Termin ans den 8. Februar 1888 Nachmittags 4 Uhr vor dem Königliche» Amtsgerichte Hierselbst anberaumt. Chemnitz, den 27. Januar 1888. Königliches Amtsgericht. Ueber das Vermögen des Handschnhfabrikanten Friedrich Hermann Barthold, Inhabers der Firma F. G. Barthold in Mittelbach, wird heute am 27. Januar 1888 Vormittags °/,12 Uhr das Concursver- sahren eröffnet. Der Rechtsanwalt Justizrath 11,. Enzmann in Chemnitz wird zum ConcnrSverwaltcr ernannt. Concursforderungen sind bis zum 21. Februar 1888 bei dem Gerichte anzumelde». Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Verwalters, sowie über die . Bestellung eines Gläubigeransschusses und eiutretendcn Falles über die in 8 120 der Concnrsordming bczeichncten Gegenstände aus den 11. Februar ' 1888 Vormittags 10 Uhr und zur Prüfung der angemcldeten Forderungen aus den 15. März 1888 Vormittags 10 Uhr vor dem Unterzeichneten Gerichte Termin anberanmt. Allen Personen, welche eine zur Cvncursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Concursinasse etwas schuldig sind, wird aus- gegeben, nichts an den Gemeinschuldner zu verabfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung anfcrlcgt, von dem Besitze der Sache und von den Forder ungen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Concnrsvcrwalter bis zum 28. Februar 1888 Anzeige z» machen. Königliches Amtsgericht zu Chemnitz. Telegraphische Nachrichten. Von, 30. Januar. Wien. Der rumänische Minister Stourdza konferirte gestern lange mit Kalnoky. Man legt dieser Unterredung die größte Be deutung bei. — Auf den meisten ungarischen Staatsbahnlinicn mußte infolge der Schneestürme der Verkehr abermals eingestellt werden. Bern. Der Bnndesrnih ordnete Untersuchung gegen den Polizeihanptmann Fischer wegen dessen Mittheilungen an Bebel und Singer an. London. Der „St. James' Gazette" wird aus Petersburg gemeldet, daß ein Offizier sterbend in das Hospital gebracht worden sei, der einen Selbstmord verübt hatte, um einem Befehl des revo lutionären Cvmitces, den Zaren zu tödien, zu entgehen. Es seien Verhaftungen vorgenommen und Geständnisse abgelegt worden. — Die meisten Blätter sprechen sich befriedigend über die friedliche Tendenz und den Ton der Rede Tisza's aus. Der „Standard" meint, Oesterreichs und Englands Politik sei identisch, weil sie überein stimmend die Erhaltung der Verträge und der Freiheit Bulgariens wollen. Chemnitz, den 31. Januar. Dentfches Reich. Aus San Rcmo. Noch am Sonntag Abend haben vr. Mackenzie und vr. Krause eine gemeinsame Besichtigung des Halses des deutschen Kronprinzen vorgenommen. Am Montag fand eine zweite allgemeine Konsultation statt, zu welcher auch der Chirurg Or. Bemann hinzugezogcn wurde. Unter den Acrzicn herrschte volle Ucbereinstimmung, Mackenzie und Krause prvmenirtcn Arm in Arm. In dem örtlichen Leiden des Kronprinzen ist eine Besserung einge- ireien. An der linken Kehlkopfseite ist nur eine geringe Schwellung zurückgeblieben, ein klein wenig größer ist die Entzündung auf der rechten Seite, aber auch nicht gefahrdrohend. Der K.onprinz athmct und schläft gut, die Stimme leidet noch unter der Entzündung des rechten Stimmbandes, welches geröthet ist, während das linke Stimm band eine normale, Weiße Färbung zeigt. Die Entfernung der ab gestorbenen Knorpelthcilchen hat sehr wohlihätig gewirkt. Eine Opera tion dürfte zunächst nicht von nöihen sein. Mackenzie hofft, die Krebsdiagnose werde sich als falsch erweisen, man werde auf Knorpel- Hautentzündung in einiger Zeit erkennen können; vor der Hand läßt sich aber Sicheres »och nicht sage». Morgen oder übermorgen wird ein neues Bulletin erscheinen. Montag machte der Kronprinz wieder einen Ausflug. Für die Besserung spricht auch, daß schon die zweite Sendung Spatcnbrän in San Rcmo ankam. — Der Gedanke, den deutschen Kronprinzen bei seiner Heimkehr festlich zu empfangen, hat in Berlin den allgemeinsten Widerhall gefunden. Jetzt schon laufe» auch ans dem Reiche Zimmerbestellungen bei den unter den Linden wohnenden Hoteliers ein. Ein Comitee für die pompöse Ausschmück ung der Linden ist in Bildung begriffen. — Der langerwartcle Aufruf des unter dem Protektorat des Prinzen und der Prinzessin Wilhelm von Preußen stehenden Hilfs komiiec's für die Stadtmission in den großen Städten wird nun mit einer sehr bedeutenden Zahl von Unterschriften publizirt. Konserva tive und naiionalliberale Politiker haben ihre Namen neben die nicht- politischer Persönlichkeiten gesetzt. In dem Aufruf wird lediglich die kirchliche, seclsorgcrischc Thätigkeit der Stadimissio» hervorgehoben. — Der Reichskanzler ist wider alles Erwarten am Montag nicht im Reichstage für das Socialistengesctz eingctreten. Man meint, er wird sein Schweigen bei der zweiten Lesung brechen. Das Re sultat der am Montag beendeten ersten Lesung crgiebt als Möglichkeit nur die Verlängerung des unveränderten Gesetzes auf zwei Jahre, wofür auch wieder ein Theil der Centrumspariei cintreten will. An die Annahme der im neuen Entwurf vorgeschlagenen Verschärfungen ist nach den Reden der einzelnen Parteivertrcicr nicht mehr zu denken. — Die „Nyrdd. Allg. Zig." konstaiirt gegenüber dem Hctzariikcl eines Moskauer Panslawistenblattes in sehr scharfem Tone, cs sei der Reichsregiernng niemals eingefallen, Oesterreich-Ungarn zum Kriege gegen Rußland zu Hetzen. Im Gegcntheil sei die Reichsregierung stets bemüht gewesen, die Schroffheit der Gegensätze zwischen Peters burg und Wien zu mildern. — Lobend bespricht die „Kölnische Zeitung" die Rede des un garischen Ministerpräsidenten Tisza, die dieser neulich im ungarischen Abgeordnctenhanse gehalten hat. Das betreffende Blatt hebt beson ders hervor, die Rede habe einen klaren Einblick in das Wesen des deutsch österreichischen Bündnisses gewährt und den festen Entschluß be kundet, an demselben allen Ränke» zum Trotz festzuhalten. — Dem Bundesraih ist der Entwurf eines Fcldpolizeistrafgesetzes für Elsaß-Lothringen nebst Begründung zugegangcn. — Es heißt jetzt, der Pastor und Redakteur Dietz aus Bielefeld werde neben Herrn Stöcker die Leitung der Berliner Stadtmission über nehmen, nachdem ihm eine bestimmte Summe als Gehalt überwiesen sei. — DaS bayerische Abgeordnetenhaus hat das Bau-Unfallver- sicherungsgcsctz einstimmig angenommen. — In dem Socialistenproceß in Posen wurde am Montag da» Urtheil gefällt. Vier Angeklagte gingen frei ans, sieben erhielten 4 bis 9 Monate Gefängniß, zwei 18 Monate, einer 31 Monate, zwei 30 Monate, einer 33 Monate Gefängniß. Es handelt sich um Geheimbündelei und Verbreitung verbotener Schriften. Oesterreich-Ungar««. Bezüglich der Meldung, GrafSchuwa- low sei der Ueberbringer russischer Vorschläge betreffs Bulgariens, wird an Wiener kompetenter Stelle versichert: Es sind dem Wiener Kabinete noch von keiner Seite Andeutungen darüber zngegangen, daß Rußland mit bestimmten Vorschlägen zur diplomatischen Be handlung der bulgarischen Angelegenheit hervorzutreten gedenke. Da gegen melden sehr verläßliche Berichte aus Petersburg, daß die be kannte Neujahrsrede des Fürsten Ferdinand und dessen Philippopeler Reise, welche die leitenden russischen Kreise einer Ermnthignng seiten» des Wiener Kabinets zuschrciben, die an sich schon gereizte Stimm ung gegen Oesterreich-Ungarn in einer Weise steigerten, welche die leitenden österreichischen Kreise kaum erwarten lassen, daß Rußland seinen bereits scharf prononzirten Standpunkt in der Regelung der bulgarischen Frage modificiren werde. Franreich. Die italienische Negierung hat den französischen Botschafter in Rom benachrichtigt, daß neue Zugeständnisse von Be deutung in Bezug auf den Handelsvertrag sofort vorgclcgt werden sollen. — Der Hceresansschuß der Depntirtenkammer in Paris be schloß, die Neuerungen des früheren Kriegsministers Ferron, die Ab schaffung der vierten Bataillone rc., rückgängig zu machen. — Bei der Deputirtencrsatzwahl im Departement Haut-Saone siegte der republikanische Kandidat Mercier mit einer Mehrheit von 7000 Stimmen über den monarchistischen Gegenkandidaten. — Der Atten täter Lukas wird vor das Gericht in Havre gestellt werden. Louise Michel hat selbst den Abg. Lagncrre gebeten, Lukas zu vcrtheidigen, und dieser hat der Aufforderung entsprochen. Italic»«. Der Papst empfing am Sonntag im Vatikan 350 Pilger aus der Schweiz und sprach in Beantwortung der Glück wünsche derselben die Hoffnung ans, mit dem guten Willen der Schweizer Behörden würde die Beseitigung der noch obschwebenden kleinen Streitigkeiten leicht gelingen. Orient. Fürst Ferdinand hat seine Mutter zum Ehrenchef des neunten bulgarischen Infanterie Regimentes in Philippopel ernannt. Die Prinzessin hat dem Regiment zur Bestreitung der Kosten für die Unifvrm-Aendernng 30,000 Franken geschenkt. — Das serbische Regierungsblatt veröffentlicht das Gesetz wegen Aufnahme einer neuen serbischen Anleihe von 20 Millionen Franken. — Fürst Ferdinand von Bulgarien ist am Montag von Philippopel nach Burgas am Schwarzen Meere abgereist, dessen Besatzung sich bei den zahlreichen Revolten so vorzüglich bewährte. Der Fürst reist sicherheitshalber aber doch unter starker Militär-Eskorte. Amerika. Ans Panama wird gemeldet, daß die Volksvertret ung von Guatemala den Handels-Freundschafts- und Schifffahrts- Vertrag mit Deutschland einstimmig angenommen hat. Deutscher Reichstag. —NN. Berlin, den 30. Januar. Die erste Berathung des Socialistcngesetzes wird fortgesetzt. Abg. Bebel (Soc.) bestreitet, daß die Socialdemokraien revolutionär seien, und erhebt nachdrücklich Beschwerden über die bisherige Ausführung des Socialistengesetzes und urtheilt sehr abfällig über die Social reform. Zum Schluß seiner Rede, während welcher Bebel wieder holt zur Ordnung gerufen wird, behauptet er wiederholt, die preußische Regierung unterhalte nAsnts provooatsurs. Minister von Puttkamer, Geh. Rath Held treten diesen Ausführungen mit aller Entschiedenheit entgegen und konstatiren, daß Bebel für alle seine schweren Be schuldigungen keine Beweise gebracht. Abg. von Kardorff (freicons.) Schelm von Bergen. Historische Novelle von A. von Limburg. Nachdruck verboten. Es war ein ausnahmsweise schöner und warmer Okioberiag; ein heiterer, wolkenloser Himmel spannte sein blaues Zeltdach über die gesegneten Fluren des lachenden Mainthales ans und die waldigen Höhen des Taunus prangten im Hellen Sonnensche» mit dem bunten herbstlichen Schmuck ihrer Blätter. In nordwestlicher Richtung von der alten Reichsstadt Frankfurt, da, wo die letzten Ausläufer des Gebirges sich in die Ebene ver flachen und die lustige Nidda schäumend über blankes Gestein dahin fließt, erstreckle sich vor Alters ein ausgedehnter Wald und zog sich von dort bis in die nächste Umgebung der Stadt. Man mußte denselben passircn, wenn man von Homburg her gen Frankfurt reisen wollte, und es war das in damaliger Zeit, in Anbetracht der schlechten Wegeverhältniffe und des vielen sich nmhertreibenden Gesindels, noch ein mühsames und gefährliches Unternehme». Es mochte um die zwölfte Stunde am Tage sein — so still und heimlich war cs im Walde, daß die schlanken Weiden am Ufer der Nidda regungslos standen und ihre weißlich-grauen Zweige in den klaren Wellen spiegelte». Die farbenreichen Laubhölzer daneben sahen so prächtig und geputzt ans, als ob es zu einem lustigen Reigen hätte gehen sollen, während dazwischen die Edeltannen in ihrer immergrünen Herrlichkeit stolz und mitleidig auf sie hcrabschanien, in dem Gefühl, daß es mit dieser bunten Pracht i» wenige» Tagen ein Ende nehmen könnte. Einige zwanzig Schritte vom Ufer entfernt, unter den schattigen Zweigen einer alten Eiche, lag ein junger Mensch und dehnte be haglich seine kräftigen Glieder auf dem weichen Moose. Er trug eine mehr bürgerliche wie ritterliche Tracht, wenngleich der kecke Ausdruck in seinen Zügen und das Schwert an seiner Seite auf eine edle Geburt schließen ließen. Seine langen, schlanken Beine steckten i» engen ledernen Beinkleidern, während die starken Leder'chuhe mit festen Riemen verschnürt waren. Den Oberkörper bekleidete eine sogenannte Joppe von dunklem Kamclott, eine Art kurzer Ueberwnrf, welche von vornehmen Leuten nur auf Reisen und auf der Jagd ge tragen wurde. Auf seinem glänzend schwarzen Haar, das er, der Sitte der Zeit entgegen, ziemlich kurz geschnitten trug, saß eine flache, achteckige, mit Rauchwerk aufgeschlagene Mütze. Ebenso dem Brauch entgegen, welcher damals ein völlig glattes Gesicht verlangte, war ein langer, dunkler Schnurrbart, dessen Enden tief herabhingen. Diese Art, Haar und Bart zu tragen, sowie das Fehlen der Sporen und der gänzliche Mangel an goldenem oder doch metallenem Schmuck und Zierrats,, der zu jener Zeit so sehr an der Tagesordnung war, gaben dem jungen Knappen, oder was er nun sein mochte, eine» abcnleuerlichen, etwas verwilderte» Anstrich, so daß es zweifel haft blieb, wofür man ihn halten sollte. Er hatte den Kopf auf die Hand gestützt — eine Hand, zu fein für einen gewöhnlichen Knappen oder Schildträger, während sie doch markig genug zu sein schien, ein wuchtiges Schwert damit zu schwingen. Gedankenlos starrte er in die Krone der Eiche, deren knorrige Zweige sich über ihm zu einem Dache wölbten, und cs sah aus, als ob er sich wohl und heimisch fühle im einsamen Walde. Eine Flucht Krähen, die über den Fluß herüber geflattert kamen, schreckte ihn auf aus seiner Ruhe. Er stieß ein halb übcrmüthigcs, halb bitteres Lachen aus: „Grüß Gott, ihr Galgenvögel! Wittert ihr Arbeit für uns?" Indem drang auch noch ein anderer Ton an sein Ohr — er richtete sich aus seiner halb liegenden Stellung auf, und jetzt gewahrte man erst, was für ein riesiger Geselle er war. Er trat unter den Bäumen hervor und näherte sich dem Fluss e; da kam an dem gegenüberliegenden Ufer, ans dem Walde heraus, ein Trupp Reiter daher. Es war eine ziemliche Anzahl, Ritter und Reisige; auch Frauen sah man dabei, mit wehenden Schleiern und lang hcrabwallcnden Gewänder». Der, welcher der Vornehmste der Herannahenden zu sein schien, sprengte einige Schritte voraus. Ein großer, gar stattlicher Ritter im blanken Schuppenpanzer, mit einem kurzen, scharlachnen Waffen hemd darüber. Unter der glänzenden Stahlhaube quoll dunkles, bis ans die Schultern herabfallendes Haar hervor, und aus dem zurück- geschlagenen Visir schaute ein Antlitz, dem die Leidenschaften ihr un verkennbares Siegel aufgedrückt hatten, dessen feurig blitzende Augen aber Muth und Thatkraft ausdrückten. Als er de» da drüben gewahrte, rief er ihn an: „Holla, Ge sellei Kannst Du uns die Furt zeigen, um hinüber zu kommen? Ein guter Lohn soll Dir werden." „Euern Lohn könnt Ihr behalten, ich brauche ihn nicht, aber die Furt will ich Euch zeigen", antwortete Jener in übcrmüthigem Tone. „Frecher Bube!" wallte der Ritter auf, besann sich aber rasch eines Besseren, da er wohl einsah, daß hier im Bösen nichts zu er reichen sei. Er wandte sein Pferd, kehrte zu den Seinigen zurück und schien dort in ehrerbietigster Haltung der einen Dame Bericht zu erstatten, während der Andere jetzt eine kurze Strecke am Ufer de» Flusses hinabschritt und dort an einer bestimmten Stelle, ohne zu zögern, in das Bett desselben hineinging. Er mußte in der That der Gegend wohl sehr kundig sein, denn daß er genau den richtigen Fleck getroffen hatte, bewies der sehr niedrige Stand des Wassers, indem dasselbe ihm nicht ganz bis an die Knie reichte. Gerade wie er am jenseitigen Ufer anlangte, trafen dort auch gleichzeitig die Reiter ein, und jetzt war cs die eine der Frauen, welche um einige Pferdelängen ihren Begleitern voraussprengte. Wie sie so auf ihrem weißen Zelter vor ihm anhielt, konnte man es dem selben, der vielleicht nie in seinem Leben Gelegenheit gehabt hatte, solche Schönheit und Herrlichkeit zu schaue», nicht verargen, daß er wie geblendet zu ihr emporstarrte. Die Dame, anscheinend den vornehmsten und höchsten Ständen angchörend, war nach dem neuesten burgnndische» Schnitt gekleidet. Der Hof der mächtigen und Prachtlicbenden Herzöge von Burgund war damals im Reiche der Mode, was später und bis auf den heutigen Tag Paris für Europa wnrde. Wohl zu keiner Zeit sind die Trachten der Frauen von einem so reinen und edlen Geschmack gewesen, als im zwölften Jahrhundert. Ein glatt bis über die Hüften anliegendes Oberkleid — die Sukenia — von feinem purpurfarbigen Wollstoff, dessen Ränder und weit herabfallende Aermel mit goldgcwirkten Borden besetzt waren, hob die wundervollen Formen der schönen Frauen auf das voriheil- hafieste hervor. In reichen Falten floß darunter ein milchweißes Unterkleid bis weit über die Füße herab. Auf den Schultern wurde ein mit Hermelin verbrämter Mantel aus braunem Sammet von einem Paar reich mit edlen Steinen verzierten Agraffen gehalten. An dem Schapel, einem schmalen, ebenfalls mit köstlichen Steinen verzierten ,, Stirnreif, war der Schleier von klarem, duftigem Stoff befestigt, . welcher wie eine lichte Wolke das schöne Haupt umfloß, ohne weder > das Gesicht, noch das nachtschwarze, frei herabwallende Haar zu ver bergen. Bei ihrem Anblick mußte es schwer werden, sich dem Zauber ihrer Erscheinung zu entziehen, gleich einem Himmel voll Gluth und Wetterleuchten — wie eine fremdartige Wunderblume war dies strahlende Antlitz anzuschaucn — konnte man sich darüber wundern, . daß der junge Mann, wie ein Verzückter vor einem Heiligenbilde, , regungslos zu ihr emporblickte?
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