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Mche VorsMV 43. Jahrgang Dienstag, den 1. Movemöer 1881 -- Juseraten- «uuatz»efteke»: n-erden bis Monta», Mittwoch u Freit-» Mittag angenommen und kosten: die Ispatt. Feile WW. Unter Eingesandt . SO Pf Abonnements - Einladung. Bestellungen aus die „Sächsische Dorszeitung" für die Monate November und Tecember nehmen alle kaiserlichen Postaustatten und Postexpeditionen gegen Vorausbezahlung von 1 Mark entgegen. Die Verlags-Expedition. PottttsHe Weltschav. Deutsches Reich. Von dm bisher bekannt gtwordenen 368 Wahlen zum deutschen Reichstage fielen auf Konservative 36, Freikonservative 24, auf das Emtrum 89, auf Nationalliberale 32, Secessionisten 30, die Fortschrittspartei 27, Lolkspartei 6, Polen 12, Protestler und Partikularisten 21. Stichwahlen sind 91 erforderlich. Die Social-Demokraten kommen in 30 Wahlkreisen in die Stichwahl. Einen definitiven Siez haben sie bisher nirgends errungen, jedoch dürften sie schließlich in etwa 5 Wahlkreisen durchkommen. ES wäre wohl an der Zeit, zu beherzigen, daß daS bloße Lästern auf die Liberalen, besonders aber die von staatSsocialisti- scher Seite aus den Arbeitern versprochenen goldenen Berge, trotz des strengen SocialistengesetzeS die starken Miroritäten der Socialdemokralen erzeugen halfen. Bei den bevorstehenden Stichwahlen wird man besonders zu bedenken haben, wie alle Ordnungsparteien dabei interessirt sind, die weitere Verbreitung socialistischer Anschauungen zu verhindern, die . den Gesetz gebern in Zukunft noch manchen Seufzer entlocken dürften. „Eine Schilberhebung des Radikalismus" nennen die Organe dcS Reichskanzler- daS bisherige Rrsultat der Wahlen und die „Nordd.' Allg. Ztg." schreibt: „Das Ergebniß der Berliner Wahlen bringt nur zu sehr die Pariser Zustände in Erinnerung, wo ebenfalls die politisch-radikale Richtung, die staatSerhal- tenden Elemente zu überschreien weiß." Trotzdem ruft das Blatt den Konservativen Muth zu. „Ihre Kan didaten haben in der Niederlage einen ungeheuren Sieg erfochten. Die Anstrengung darf nicht erlahmen, bis der stolze Tag anbricht, an dem Beilin konservative Abgeordnete wählt." AlleMeldungenbestätigrnjrdoch, daß die Wahlen eine Niederlage der Bismarck'schen Wirth- schaftspolitik bedeuten. Die Zusammensetzung deS künf tigen Reichstages dürfte ungefähr die folgende werden: Deutschkonfervative im alten Reichstage 57, jetzt 50!; Freikonservative früher 47, jetzt 35; Nationalliterale früher 63, jetzt 50; liberale Gruppe früher 15, jetzt 10; Fortschrittspartei früher 28, jetzt 45; Secessionisten früher 21, jetzt 32; deutsche Volkspartei von 4 auf 10; Emtrum mit Hospitanten von 102 auf 110. Gras , Socialdemokraten al- einen Juden!) Ich kann Ihne« dies auf keinem Falle anrathen. Wenn auch der socml- demokratische Abgeordnete Kayser «klärt hat, seine Gesinnungsgenossen seien nicht abgeneigt, die sonalen Reformen der Regierung, obwohl diese mcht den social- demokratischen Idealen entsprächen zu acceptiren s. dürfen wir doch niemals verg ffen, daß da- Endziel der Socialdemokraten der gewaltsame Umsturz aller socialen, religiösen und zum Theil auch sittlichen Einrichtungen unsere- StaatiS ist. Wenn die Socialdemokraten erklärten, sie wollen Frieden mit un- schließen, daun würben wir ihnen schon gern zur gemeinsamen Be kämpfung de- jüdischen Fortschritt- die Hand reichen." Der Kaiser kehrte am Freitag Abend mit dem Großherzog und der Großherzogin von Mecklenburg, dem Prinzen Karl, Prinz August von Würtemberg, sowie mit den Herzögen Paul und Johann Friedrich von Mecklenburg von der in Jaßnitz abg.haltenen Jagd ! im besten Wohlsein nach Ludwig-lust zurück. Die Stadt war festlich illuminirt. Am Sonnabend Abend fand Galadiner und Theater-Kestvorstellung im Schlosse statt. Der Kaiser traf am Sonntag Nachmittag 5 Uhr ! wieder wohlbehalten in Berlin ein. Am kaiserliche» Hofe herrscht lebhafte Besorgnifi um die Erbgroßher- zogin von Oldenburg, der Tochter drS Prinzen Friedrich Karl, welche im Kindbette ernstlich erkrankte. Oesterr.« Ungar. Monarcdte. Ein außer gewöhnliche- Schauspiel von historischer Bedeutung war eS, welche» sich am vergangenen Freitag glanzvoll auf dem MarSfelde Wien», der Schmelz, entfaltete. Aus der Reibe derselben Regimenter, zu deren ruhmvollsten Erinnerungen die Kämpfe gehören, die sie gegen italimische Truppen bestanden, ertönte, nachdem der österreichische Generalmarsch verhallt war, der italienische König-marsch, die msrois reale. Die schwarzgelben Banner Oester reichs senkten sich zur Begrüßung deS Kriegsherrn jener Armee, mit der die österreichische so oft im heißen Kampfe mit wechselndem Erfolge gerungen und der herzliche Händedruck der beiden Monarchen vor der Frort des wackeren Heeres deutete auf dauernden künftigen Frieden zwischen den so lange entfremdeten Nationen. Die Revue dauerte eine Stunde und wohnten derselben außer dem Kaiser Franz Jos f und feinem hohen Gaste, der Kronprinz Rudolf, die Erzherzöge, Herzog Ludwig von Baiern, sämmtliche militänsche hohe Würdenträger, die Militärattaches, Graf Robilant und Oberst Lanza bei. Die Königin von Italien, die Kronprinzessin Stephanie, Prinzessin Gisela und die Erzherzogin Mari« Theresia waren zu Wagen gegenwärtig. Der Kaiser und sein Gast wurden bei ihrer Ankunft und bei der Rückfahrt vom Publikum mit lebhaften Hochrufen be grüßt. Nach der Revue stattete die Königin von Jtaliea Atzed. u. RedEo» rrtsde».«e»ft«»t kl. Meißner Gaffe S. Die Zeitung erscheint Dienst««, Dannersta, und Lonnaße«» früh. U»,»»e«e»t»- PretSr vieNeliährl.M. 1^0. g» beziehen durch bst kaiserlichen Post. «Halten und durch unsere Boten. Mi freier Lieferung tu- HanS erbebt die Post noch eine Ge. rühr von 25 Pfg. Wilhelm BiSmarck ist in Mühlhausen dem Stadtrath Eberty unterlegen; Hofprediger vr. Stöcker dagegen könnte durch die Stichwahl in Mindrn noch einen ReichStagesitz erlangen. , Die „Nordd. Allg. Ztg." verweist ihre Gesinnungs genossen im Hinblick auf die große Stimmenzahl der Miroritäten auf künftige Wahlen, ermahnt zum Aus- harren und warnt vor Entmuthigung, da man koch un möglich habe erwarten können Berlin, die Hochburg der fort schrittlichen Opposition, mit einem Sturme zu nehmen. DaS gouvernementale Blatt knvvft daran folgende Be merkung: „Die Konservativen werden nicht umhin können, Mißgriffe und Mängel, welche in der jetzigen Kampagne zu Lage getreten sind, sich selber einzugr- stehen, um deren Wiederholung zu vermeiden. Man wird bei der Wahl der aufzustellenden Kandidaten mit größerer Berücksichtigung der socialen Beziehungen und sorgfältigerer Schonung politischer Nuanclrungen ver fahren und die hervorragenden Konservativen im Lande werden die Berliner Wahlagitation nicht sich selber überlassen, sondern — wie das lediglich im Anfänge der diesmaligen Wahlkampagne geschah — auch im Verlaufe derselben künftig die Kraft parlamentarischer Autoritäten in dcS Gefecht führen." In Berlin fanden in der Nacht zum Freitag zabl- reiche antifortschrittlicht Demonstrationen statt, denen die reitenden Schutzleute nach Möglichkeit Einhalt thaten. Die beiderWahl unterlegenen Gegner der Fortschrittspartei trösten sich damit, daß sie doch 45,000. Stimmen zu- sammer.brachten und gedenken nun sofort in neue Agi tationen für die Landtagswahlen einzutreten. In der am Freitag Abend in per Tonhalle stattgehabten anti fortschrittlichen Versammlung herrschte eine ungemein gehobene Stimmung. Die im Wahlkampfe unterlegenen Kandidaten Stöcker, Wagner und Meyer, die vor Eröffnung der Versammlung den Saal betraten, wurden mit donnerndem Applaus begrüßt. Hofprediger Stöcker sprach über daS Thema „Nach den Wahlen". Ge schlagen seien die Konservativen, besiegt nicht. ES sei eine alte Erfahrung, daß starke Minoritäten bald Ma joritäten würden, diese Erfahrung werde sich auch in Berlin bewahrheiten. Die fortschrittliche Presse habe vor den Wahlen immer so kühl-vornehm von der Gefahr, besiegt zu werden, gesprochen — jetzt sei sie außer sich vor Jubel über den Sieg: da müsse doch entweder die vorher zur Schau getragene Zuver sicht oder die Siegesfreude jetzt unwahr sein. — „Die Fortschrittspartei", fuhr der Redner fort, „hat nun noch in Berlin zwei Stichwahlen gegen die Social- demokraten zu bestehen und ich bin überzeugt, viele von Ihnen möchten sehr gerne für den Socialdemokraten stimmen. (Stürmischer Beifall. Rufe: Lieber einen Die Brnoldische Buchhandlung, InvaUdeudank, Haasenstein LBvgler, Rudolf Moste, G. L Daube L Lo. in Dresden, Leipzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M u. s. «. Lin unterhaltendes B^tt für den Bürger und E^^mann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt un r^^ ^gden^ für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die rg . o Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerr««»» Müller in Dres Feuilleton. Zu spat. Novelle von Eduard Volger. (4. Fortsetzung.) DaS Heer hatte sich nach längerem Zögern von Moskau- Lrümmerstätte südlich gewandt, hoffte man doch dort in mildern Landstrichen Winterquartiere zu finden. Vergeblich, daS Grab Moskaus sollte auch daS Nrab deS Heeres werden; der Stern Napoleons war im Erlöschen. Es gelang uns nicht, daS russische Heer zu durchbrechen und jetzt blieb nichts weiter übrig, alö der Rückzug, wenn uns nicht der Mangel an Allem aus reiben sollte. Aber waS war daS für ein Rückzug! Schon seit Lagen hatten wir starke Kälte; eisige Nordwinde fegten über die endlosen Steppen, über eisige Schneefelder, die ganze Landschaft glich einem ungeheuren Leichentuch und alS ausgehungerte, bleiche, abgemagerte Gestalten, ohne schützende Kleider, zogen wir dahin. Unter den Reitern brachen die Pferde vor Hunger und Kälte zusammen, jede Nacht starben Hunderte von Soldaten und Hunderte sanken am Tage mitten im Marsche vor Hunger und Erschöpfung nieder, um sich nicht wieder zu erheben. Dabei waren wir Tag und Nacht unaufhörlich umschwärmt von dem verfolgenden Feinde, von Kraken, die ohne Gnade selbst dem Sterbenden noch die Lanze In die Brust bohrten. Unser Heer glich längst keinem geordneten Korp» mehr, wie Schatten der Unterwelt zogen die Flüchtigen dahin, ohne Sprache, ohne Bewußtsein, wenige nur noch bewaffnet; so weit daS Auge reichte, sah man nicht- wie todte Pferde, todte Menschen — wie Geier fielen die Lebenden über die Lodten her, beraubten sie und balgten sich um ihre Lumpen. Unsere Nahrung war ein Fetzen rohe- Fleisch ge fallener Pferde, unser Getränk brr in den erstarrenden Fingern thauende Schnee, unser Lager die weiße Schnee- decke, von der sich Lausende am Morgen nicht wieder erhoben. So ging eS fort, wochenlang — dabei stieg die Kälte unaufhörlich, bis endlich, endlich Linderung eintrat. Wir hatten die Beresina erreicht und uns dort mit einem Korps frischer Truppen vereinigt; viele von unS fanden neue Kleider, wärmende Mäntel und neuer Muth zog in die verzweifelnden Menschen; der Anblick der neuen Regimenter stärkte uns unglaublich. So brach der 29. November heran, unser Heer überschritt auf zwei schnell hergestellten Brücken den leicht gefrorenen Fluß, da, kaum daß der Uebergang begonnen hatte, erschienen zwei feindliche Heere in unserem Rücken, die Kanonen donnerten den eh-rnen Gruß in unsere Reihen und eine der entsetzlichsten Schlachten begann die Tausende ron beiden Seiten an Opfern forderte. ' Schon brach der Abend an, al» da» Knattern d<- Gewehrfeuer», der Donner der Geschütze verstummt, nur hin und wieder blitzte noch ein Schuß durch die Nacht und einzelne Granaten zogen zischend über den Kluß zu un» herüber. Ich hatte mich glücklich an da» jenseitige Ufer ret ten können und stand dort, keuchend und schweißtriefend auf mein Gewehr gestützt. Da plötzlich krachte e» drüben wieder auf, im feurigen Bogen sauste die Granate heran und wühlte sich fast zu meinen Füßen in den Schnee. Sin dumpfer Knall ertönte — dann schwan- den mir die Sinne. AlS ich wieder erwachte, fand ich mich fast am Rande der Beresina liegen, vom wolkenlosen Himmel strahlte im ruhigen Glanze der Mond und beleuchtete weithin ein grauenerregende- Bild deS Lode- und der Verwüstung. Die Kälte hatte wieder zugenommen und der erstarrende Hauch Le» Nordosts fegte über die blutgetränkte Schneedecke. Ich versuchte mich zu erheben, eS gelang mir, ich prüfte meine Glieder und fand mich unverletzt, der Luft druck der vor mir eingeschlagenen Kugel hatte mich nur betäubt und mich fortgeschleudert. Wankend wollte ich die Stätte de- Grauen» ver lassen — ich stieg über Tobte und Sterbende, da plötz lich hörte ich dicht vor mir eine Stimme, eine Stimme, so bekannt, daß ich wie festgebannt stehen blieb und um mich schaute. »Wass r — Wasser j— um deS Himmel- Barm- h«zigk«t Willen, nur einen Trunk Wasser!' flchte d« dieselbe Stimme und nicht weit von mir erhob sich eine gestalt matt und halb vom eisigen Boden, flehend die Hände nach mir au-steckend. Wa- war da»? Täuschte mich ein Trugbild oder war e» Wirklichkeit? Mit einem Satze war ich an der Seite d - wieder Zurückfinkenden, ich r»ß ihn empor, daß da» bleiche Mondlicht seine Züge beleuchtete, — doch mit dem SchrlckenSruf: „Georg, Du!? Du hier!* fuhr ich zurück — ich hatte recht gesehen.