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ächsische VorsMmS. 43. Jahrgang Sonnabend, den 29. Mtobcr 1881. W--eb. u. R,daktio> Dre»de« -Reustadt V.Äetß»er Sasse S. Dir Zritusg erscheint Dienfta,, «mmerst»» und E««na»e«b früh. Inserate »erde« di» Monta-, Mittwoch u. Freitag Mittag angenomwe» und koste«: dieispalt. Zeile 1b Pf. Unter Eingesandt SO Pf. Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerr manu Müller in DreSdtN. M»ouue«eol4- Prei-t werteliLhrl. M. Z> beziehen durch die kaiserlichen Post- instalten «nd durch unsere Boten. Sei freier Lieferung tu» Hau» erhebt die Pop noch eine Se- bichr von 2b Pfg. Inseraten- Aunahmeftele», Die Arnoldtsche Buchhandlung, Jnvalidendank, Haasenstein L Bögler, Rudolf Mosse, G. L. Daube « To. in Dresden, Leipzig, Hamburg, Berl«, Frankfurt a/M. u. s. w. Abonnements - Einladung. Bestellungen aus die „Sächsische Dorszeitung" für die Monate November und Tecember nehmen alle kaiserlichen Postaustalteu und Posterpeditioneu gegen Vorausbezahlung von 1 Mark entgegen. Die Verlags-Expedition. Komische Wettschau. Deutsches Reich. Die allgemeinen Wahlen, aus denen der deutsche Reichstag hervorgeht, vollziehen sich stets auf eine Weise, welche den demokratischen Trundzug der deutschen Reichsverfassung unverkennbar deutlich zu Tage treten läßt. DaS schließliche Facit der Abstimmung ist eS aber nicht allein, au- dem die ReichS- regierung einen volkSthümlichen UrlheilSspruch empfängt; dazu wirken zu viele Zufälle auf da- Exewpel ein, aber die Höhe der Minoritäten, besonder- da- Gesammtzahlrnbild giebt ihr einen politischen Anhalt für die Stimmung im Volke, denn Zahlen, nicht tönende Phrasen beweisen, wie die Massen denken und empfinden und führen eine stumme und doch beredte Sprache. Noch ist diese- Ge- sammtbild nicht aufgestellt, noch werden hier und da nöthig werdende Stichwahlen Einzelheiten desselben ver ändern, aber schon jetzt läßt sich übersehen, daß eS kein einheitliche-, sondern ein überaus bunte- vielgestaltiges ist. ES haben zu viele Parteien daran herumgemeistert, al» daß eS sich überall hätte so gestalten können, wie im Interesse drS Vaterlandes zu wünschen war. In der Reich-Hauptstadt errang die Fortschrittspartei einen entschiedenen Sieg. Im 1. Wahlkreise Berlin- erhielt der Fabrikbesitzer Ludwig Löwe 8713 Stimmen, der Gegenkandidat Liebermann nur 6295 Stimmen, Prof. Or. Virchow siegte im zweiten Wahlkreise mit 17.443 gegen Hofprediger Stöcker (11,233), im dritten Wahl kreise von Saucken-Larputschen mit 12,847 gegen Schulze (4926); Eugen Richttr wurde im fünften Wahlkreise m.t 10,239 gegen Cremer (5309 Stimmen) gewählt. Im vierten Wahlkreise kommt eS zur Stichwahl zwischen Träger (9,528) und Bebel (13,574 Stimmen), da auch auf Prof. Wagner 8239 Stimmen fielen. Im sechsten Wahlkreise wird eine Stichwahl nöthig zwischen LandgcrichtSrath Klotz (18,906) und Hasenclever (10,630 Stimmen), da auch Obermeister Meyer 8957 Stimmen erhielt. Von anderen Wahlresultaten sind bi- jetzt die folgenden bekannt: Von den Kandidaten der Fort schrittspartei wurden gewählt, in Königsberg i. Pr.: Möller, in Tilsit: Wander, in Potsdam: Prediger Reßler, in Hamburg: Sandtmann. Zn Stettin drang her Secessionist Schlutow, in Frankfurt a. O. dessen Gesinnungsgenosse Struve (gegen Hofprediger Stöcker) durch. In Bremen wurde ter Nationalliberale Meyer gewählt. Zn zwei Wahlbezirken Hamburg- kommt e» zu Stichwahlen zwischen den fortschrittlichen, national liberalen und soeialdemokratischen Kandidaten, während in Breslau und Magdeburg Stichwahlen zwischen einem Socialdemokraten und einem FortschrittSmann bevor stehen. Die Frage der Einführung deS Tabaksmonopols spielte eine so hervorragende Rolle in der Wahlbe- wegung, daß auch eine Anzahl Kandidaten der CentrumS- partei um schriftliche Erklärungen über ihre Stellung zum Monopol von den betreffenden Wählerschaften er sucht wurden. Unter Anderm gab Abg. Majunke feinen Trierer Wählern die Erklärung ab, daß er nach wie vor die Einführung des LabaksmonopolS auS wirth- schaftlichen, politischen und privatrechtlichen Gründen verurtheile und daß eS geradezu die Würde der Kirche verletzen müsse, wenn er bei dieser seiner Anschauung einem Friedensschlüsse zwischen der Kirche und dem Staate „auf der Grundlage deS LabaksmonopolS" zustimmen wollte. Ein erfreuliches Zeichen für da- Wohlbefinden deS Kaisers ist dessen Beschluß, sich an den Jagden in Mecklenburg zu betheiligen. Die Abreise nach Ludwigs- lust erfolgte am Donnerstag Nachmittag und die Rück kehr nach Berlin wird am Sonntag erwartet. Am ver gangenen Mittwoch hob Kaiser Wilhelm den Erstge- borenen deS General- Grafen Lehntmff persönlich an der Taufe. Als Pathen fungirten neben dem Kaiser, in Stellvertretung deS Reichskanzler- Fürsten Bismarck, dessen Schwiegersohn, Legationsrath Graf zu Rantzau und Generalfeldmarschall Graf von Moltke, ferner Gräfin Dönhoff-Friedrichstein und Frau v. Gerlach- Rohrbrck. Die „Nordd. Allg. Ztg." berichtigt die Sensationsnachrichten einzelner Blätter, nach welchen der deutsche Kaiser zeitiger auS Baden-Baden zurück- gekehrt. al- beabsichtigt gewesen, weil die Ankunft deS Königs von Italien devorstehe, sowie daß eS noch von dem Gesundheitszustände de- Kaiser- abhänge, ob der König von Italien komme oder nicht, durch folgende bestimmte Erklärung: „Eine Beschleunigung der Rück- kehr deS Kaisers hat nicht stattgefunden, vielmehr war die Abreise von Baden-Baden ursprünglich auf einen früheren Termin angefetzt worden. Der Gesundheits zustand deS Kaisers ist ein durchaus günstiger. Ein Besuch de- Königs von Italien endlich ist bei der jetzigen Gelegenheit von Anfang an nicht beabsichtigt worden." Die Einladung noch Barzin, der Fürst Hohenlohe gefolgt ist, bevor er sich zur Rückreise nach Paris an- schickte, scheint in naher Beziehung zu der Wandlung zu stehen, die sich jetzt in den Kreisen der französischen Regierung vollzieht. Fürst Hohenlohe, der sich unverzüg lich auf seinen Botschafter posten nach Pari- zurückbegehen wird, dürfte vom Reichskanzler gerade in diesem Augen blicke neuer Instruktionen bedürfen, da Gambetta, zu dem der Botschafter persönliche freundschaftliche Beziehungen hat, sich anschickt, die Zügel der französischen Regierung zu ergreifen. UebrigenS wird auch an den amtlichen Stellen, welche bisher an der Bismarck-Gambetta-Begegnung Zweifel zu hegen schienen, fitzt unverhüllt erklärt, daß ein Zusammentreffen der genannten Staatsmänner nach vorauSgegangener bestimmter Verabredung stattgefunden habe. In Köln wurde am 26. Oktober unter »ahlreicher Betheiligung deS Publikums auf dem reich geschmückten Laurenzplatze die feierliche Enthüllung deS Moltke- DenkmalS vollzogen. Der Leiter deS deutschen Heerwesen» war auS Bescheidenheit der ihm geltenden Huldigung-feier fern geblieben. DaS Breslauer Domkapitel hat bereit» in der Person deS Weihbischofs Gleich einen Kapitelsvikar gewählt, in drr Hoffnung, daß die Regierung demselben durch Erlaß deS Eibe» die amtliche LHLtigkrit ermög lichen werde. Der bisherige Weihbischof und Kanoniku» Hermann Gleich ist am 10. September 1815 geboren, hat in Breslau studirt und bereits am 30. September 1838 die Priesterweihe empfangen. Die klerikale Mehrheit der baieriseben Kammer er fuhr eine empfindliche Zurückweisung. Als daS völlig ultramontane Direktorium den Wunsch au-drückte, dem König Ludwig seine Aufwartung zu machen, ließ der baie- rische Monarch von seinem Landschloffe au- demselben den Bescheid zukommen: „Ich will da» Direktorium der Kammer nicht hierher bemühen und beauftrage den Oberstkämmerer für die beabsichtigte Aufwartung meinen huldvollsten Dank zum Ausdrucke zu bringen." Die drei Fraktionen der Rechten haben sich nämlich über mehrere Anträge geeinigt, welche der Regierung nicht angenehm sein können, weil sie zum Theil der Kompetenz de» Reiches angehören. Dieselben betreffen die Aufhebung der Simultanschulen und daS Gesuch an den König, die baierischen Bevollmächtigten beim Bundesrathe anzo- weisen, nach Kräften dahin zu wirken, daß da» Reich»- gesetz vom 5. Fkbruar 1875 über die Beurkundung de» Personenstände» und der Eheschließung wieder aufge hoben und die Ebegtsetzgrbung auf die krrchlichen Grund sätze der Konfessionen zurückgeführt, sowie daß durch ein ReichSgesetz daS Konkubinat mit Strafe bedroht werde. Oesterr.« Ungar. Monarchie. In der Schluß fitzung de» Prager Landtage» bemerkte Fürst Schön bürg, er müsse offen seine Opposition wider die gegen wärtige Regierung al- einen Standpunkt bezeichne», Feuilleton. i Zu spät. Novelle von Edvard Volger. (4. Fvrtseynng.) Ich aber stirhe wie ein verfolgte» Wild hinein in den Wald — wie von Furien gejagt fort und fort, bi» ich kraftlo» zusammenbreche. — Doch wenn mir auch die Kraft versagt, mich weiter zu schleppen, Ruhe finde ich doch nicht — kein Schlaf kommt in mein Auge; peinigt mich doch da» Gewissen mit den furchtbarsten Anklagen und nennt mich: Mörder, Mörder! So verging die Nacht, so verging der folgende Lag, die Abendnebel senkten sich nieder auf die Bergreihen, dunkler wurde e» im Walde — da brach ich auf au» meinem Versteck und schleppte mich langsam meinem Hause zu. Noch einmal wollte ich sie sehen, sie und mein Kind, dann beabsichtigte ich jenseit» de» Meere» eine neue Heimath zu suchen. So dahin wankend, die gewöhnlichen Fußpfade meidend, muß ich wohl von der Richtung adgewichen sein, denn plötzlich sah ich mich an der Hütte de» alten Kohlenbrenner», au» deren Fenster ein trüber Lichtschein fiel. Ich schlich hinein, peinigte mich doch eia »üthender Durst, den ich hier stillen wollte. Durch die blinden Scheiben blickend, sah ich den Köhler am Herde sitzen, vor ihm stand sein Weib mit gefalteten Händen, erschreckt zu ihm aufblickend. Ich drückte da» Ohr an eine Spalte und lauschte; denn hatte man hier schon gehört, wat im Forsthause geschehen, so war meines Bleibens nicht länger. „Ja, ja, Margreth" hörte ich den Alten sagen, „e» ist so, der Förster Bredow hat sein Weib und Kind er schossen, fand man doch da- abgeschoffene Gewehr draußen vor dem Haufe im Grase liegen." Wie von einer giftigen Natter gestochen, so prallte ich zurück. „Ist der Alte bei Sinnen?" durchzuckte e- mein Hirn. „Auf ihn zielte ich ja — ihm galt meine Kugel, doch nicht meinem Weibe, nicht meinem Kinde!" — Firberfrost schüttelte mich, — ein Gedanke so entsetzlich, so vernichtend tauchte in mir auf und ließ mich in Winde-eile meinem Hause zustürzen. „Wie, wenn du wirklich gefehlt hättest, wenn du statt seiner, sie getroffen hättest — mein Arm war nicht ruhig, mein Blut siedete, alS ich die Büchse zum tödtlichen Schosse erhob." Gewißheit, Gewißheit, war mein einziger Gedanke und wenn er Recht hatte, der Alte, nun denn, so fand ich in meinem Haufe noch Pulver und Blei um selbst meinem Jammer ein Ende zu bereiten. Endlich hatte ich mein Heim erreicht. — Da lag e-, da» alte, freundliche Forsthau», aber kein Lichtstrahl drang au- seinen F.nstern, todt und öde schien e» darin zu sein, der heulende Wind spielte mit den offenen Fensterläden und warf sie kreischend hin und her. Ich tastete nach dem Drücker der Lhür — fie gab nach, war nicht verschloffen — aber im Hause war e» dunkel, nirgend fiel ein Lichtstrahl durch die Spalten ter Lhüren. Langsam, unhörbar, leise wie ein Dieb schlich ich der Lhür ihre» Zimmer» zu, ich öffnete, aber nirgend sah ich ein menschliche» Wesen, unheimliche Ruhe lagerte über dem Raum, nur da» Licken der alten Schwarz wälder tönte eintönig zu mir herab. Aber rra» war daS? Der Sturm hatte die Wolken am düstern Nacht- Himmel gelheilt, zitternd und bleich fiel der ungewisse Schein deS Monde- in'» Zimmer und beleuchtete dort in der Ecke da» Belt und auf diesem eine lang au-ge streckte Gestalt im lichten Kleide. Ich stürzte an - Bett, ich schlage da- weiße Tuch zurück, da- die Gestalt halb verhüllt — da erblickte ich da- Antlitz meine» Weibe-, wachsbleich wie da- Luch, da- r» verhüllte, bloß und starr — kalt und todt. Und in ihrem Arme hielt fie ein kleine» Wesen — wir fie kalt und stumm — tobt wie die Mutter. Erlaßt mir die Schilderung dessen, wa» mich bei dem Anblick der mir liebsten Wesen erfüllte; ich küßte mein Weib, mein Kind, ich rief fie mit den zärtlichsten Namen, ich weinte, flehte — vergeblich — fie hörten mich nicht mehr, stumm und starr lagen dort beide. Da» glanzlose Auge schien mich anzuklagen, mich, ihre» Mörder. Da hörte ich Schritte draußen, — hastig sprang ich auf. Hier, hier sollte man mich nicht finden, nicht von hier fortschleppen zum vergeltenden Richter, — selbst, mit eigener Hand, wollte ich es an mir sühnen. — Da kreischte die Hau»thür in den Angeln, ich hörte einen Mann eintr^ten, — schnell öffnete ich da» Fenster, sprang hinau» und floh wieder hinein in da» Dickicht, dl» ich ohnmächtig zusammenbrach. Al» ich wieder zum Bewußtsein gelangte und um mich schauend mich empor richtete, gewahrte ich dunkle Rauchwolkrn hinter dem Walde aufsteigen, dann Gewehr- knattern und gellende angsterfüllte Hilferufe. So rasch mich meine Füße tragen konnten, eilte ich dem Schrecken»-