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Sächsischer Landes-Anzeiger : 28.03.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-03-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188803286
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880328
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880328
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-03
- Tag 1888-03-28
-
Monat
1888-03
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 28.03.1888
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EM W « WEM - Kr. 73. — 8. Jahrgang. L« Irden Wochentag Abend (mit Datum »r« folgende» Tage-) zur Versendung zMtgende „Michftsche LandrS-Anzetgr^^ «lt tüglich einem besonderen Unter» baltunasblatte und mit dem Extrabeiblatt Lustige» Bilderbuch kostet bei den Ausgabe stellen monatlichwPfg., bei den Post-Anst. 75 Pf. (18SSer ZtgS.-PreiSliste Nr. SOSö.) Sommer-Lisenbah»f»l,rplanheft für Sachsen. Vinter-Eiseiibahiifahrplanbeft für Sachsen. Jllustr. stalender de» Sächsischen Laudboten. IllustrirIes2ahreSbnchdesLandes.«nzeiger». Aiichstscher Mittwoch, 28. Mir, 188». >»,eigenpreir»e»..««chf.ra-»r»-«u,el,er««, Raum einer schmalen Torpurzelle l» Pfa. Bevorzugte Stelle (lspalt.PetitzeilelsaPf. BeiWiederholung grober Annoncenmaban. Bei Bestellungen von Auswärts wolle ma» mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen «n- Thüringen. M«: AMn Me. Buchdnickerei. Chemnitz. , Dheaterstrabe 5 (Fenisprechstclle Nr. IR Lelegr..Adr.: Landes-Anzeiger, «heomt Mit täglich einem besonderen Unterhaltungsblatt: 1. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 4. Sächsisches Allerlei — 5. Jllnftrirtes Ünterbaltnngsblatt — 6. Sonntagsblatt — Ertra-Beiblatt: Lustiges Bilderbuch. - -»«SS—SSSSSSS—SSöSSSSSSS^——S-SSSSSSSS—ö Amtliche Bekanntmachungen. oelressrnven xfunum vermut , Beschluß der Generalversammlung vom 23. Februar 1888 die M 21 und 221 des Statuts abgeändcrt worden sind. Chemnitz, am 24. März 1888. Königliches Amtsgericht. Telegraphische Nachrichten. Vom 26. März. Paris. Bvulgnger wurde auf dem Hin- und Rückwege nach der Militärschule, wo der Untcrsuchungsrath tagte, von einer großen Menge begleitet, welche schrie: „vivo Boulangcr! L bas Ferry!" Vor dem Haus von Laguerre, wo der General nach dem Verhör frühstückte, waren Tausende versammelt. Das Urtheil wird geheim gehalten. Der morgige Ministcrrath wird einen Entschluß über die Ausführung des Urtheils fassen. — „Lanterne"-meldet, daß gestern in Marseille die Wahlbulletins Boulangers auf Befehl des Justiz ministers confiscirt wurden unter dem Vorwände, daß sie nicht den Namen der Druckerei, in der sie hergestellt worden, enthielten. Laguerre wird heule den Justizminister über diese Gesetzverletzung interpelliren. Die Mitglieder verschiedener Parlamentsparteien, auch der Präsident der Kammer, ersuchten Tirard, Wenn der Untersuchungs rath Boulangcr vcrurtheilte, dieses Urtheil nicht zu vollstrecke». Tirard a'ntwortete dein Präsidenten der Kammer, das Gesetz sei gleich für alle Soldaten und Bürger. Petersburg. Zu Beginn der Fasten besuchten der Kaiser und die Kaiserin das Alexander-Newski-Kloster. Auffälliger Weise unterblieb ein Empfang des Zaren durch die Klostergeistlichkeit, ob gleich der Besuch vorher angekündigt worden war. Ein Gottesdienst fand nicht statt, da die Geistlichen nicht erschienen. Mehrere derselben find infolgedessen verbannt worden. Politische Rundschau. Chemnitz, den 37. März. Deutsches Reich. Aus Charlottenburg. Vordem Schlosse waren am Sonntag zahlreiche Neugierige versammelt, um den Kaiser für einen Augenblick zu sehen. Der Monarch trat auch zweimal an's Fenster, von lautem Jubel begrüßt. Die Nacht zum Montag war nicht ganz so gut, wie die vorhergehenden, der Auswurf aber an dauernd geringer und weniger blutig gefärbt. Das Allgemeinbefinden war am Montag befriedigend, der Kaiser unternahm auch die ge wohnten Spaziergänge in der Orangerie und hörte mehrere Vorträge, darunter den des Generalmajors von Winterfeld und des Geh. Rathes von Wilmowski, und empfing verschiedene Besuche. Wie nachträglich bekannt wird, hat der Kaiser Sonnabend Mittag den Präsidenten des Herrenhauses, Herzog von Natibor, empfangen. Montag Vormittag war die Kaiserin Victoria längere Zeit in Berlin. — Die „Nordd. Allg. Ztg." berichtet über das Befinden des Kaisers, daß die Nacht zum Montag bisweilen durch Husten unter brachen war. Der Auswurf ist geringer. Die Arzte erwarten sehn- lichst den Eintritt wärmerer Witterung, um dFn Kaiser den Genuß frischer Luft zu gewähren. — Im Berliner Kaiserlichen Palais wurden am Montag von der Kaiserin Victoria die unter ihrem Protectorat stehenden Wohl- thätigkeitsvereine einzeln in besonderen Audienzen empfangen. — Die Kaiserin Augusts empfing den Generalseldmarschall Grafen Moltke, sowie das gesammte preußische Staatsministerium und sprach demselben den Dank für die dem Kaiser Wilhelm ge leisteten treuen Dienste aus. — Aus Darmstadt wird berichtet, daß nach neueren Bestimm ungen die Hochzeit des Prinzen Heinrich von Preußen mit der Prin zessin Irene von Hesse» bereits im Monat Mai stattfinden wird. — Aus dem Palais in Berlin wird versichert, daß alle An gaben über das hinterlasscne Privatverniögen des verstorbenen Kaisers auf willkürlichen Combiuationen beruhen, da das Vermögen von dem Verwalter desselben, Hofbanquier Baron von Cohn in Dessau, noch Von Geschlecht zu Geschlecht. Erzählung von M. Widdern. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Seine breite Brust hob und senkte sich, dann erhob er sich schnell Nur noch einen langen, schmerzlichen Blick warf er auf das schöne Mädchen, dann ging er wie gebeugt von einer schweren Last aus der Laube. x Nahe dem Hause traf er seine Schwester. Er hatte Juanita Marento gesagt, daß er heute um Gittas Hand werben wollte, und so trat sie rasch auf ihn zu und fragte mit fliegendem Athen, „Bruder, wie ist es, — kann sie vergessen?" Belloni stieß mit dem Fuß leidenschaftlich auf den Boden. „Nein, nein, — jetzt freilich hieß sie mich nur gehen. Und ich gehe, Jua nita, — ich gehe!" „Riccardo l" sagte sie weich. Dann schlang sie ihre Arme um den Hals des Mannes und jammerte: „O, mein Gott, ich bin Dir zum Fluch geworden, Dir und meinem Alfonso. Aber — nein!" Belloni ließ sie nicht ausreden. Fast zornig schob er die Erregte von sich. „Sage Denen da unter den Lorbeeren, daß ich nach der Stadt zurückgefahren bin!" rief er. „Ich will jetzt Niemand mehr sehen! Addio, Juanita, die Heiligen schützen Dich!" Noch an demselben Tage hatte Gitta eine lange Unterredung niit Lotte Gröning. Dem alten Fräulein vertraute sie zuerst ihr Gcheimniß an, ihr wiederholte sie Wort für Wort von dem, was Belloni erzählt. Es war spät am Abend. Hand in Hand hatten die Beiden auf der Causcuse in Tante Lottes Zimmer gesessen und Thränen genug vergossen, während Gitta erzählte und das alte Fräulein mit äuge halten»» Athen, ihren Worte» lauschte. Endlich hatte die Komtesse geendet, und nun schlang sie ihre Arme um den Hals deS Fräuleins. „Lotte, gute Tante Lotte, und ich liebe ihn doch, ich liebe ihn so heiß und so innig, wie nur ein treues Mädchenherz zu lieben vermag. Ach, und auch Angelica könnte noch glücklich werden, wenn wir eS vergessen dürften, was Belloni gethan, und daß es unser Vater war, den er geopfert." gar nicht abgenommen worden ist und auch vor Ostern schwerlich noch abgenommen werde. — Kaiser Friedrich hat die ganze militärische Umgebung des hochseligen Kaisers durch Cabinetsordre vom 33. März zu sich über treten lassen. Zugleich hat der Kaiser den in seinem persönlichen Dienst verbliebenen General von Winterfeld zum Generaladjutanten ernannt. Dem Herzog Ludwig von Bayern und dem Prinzen Fried rich von Hohenzollern ist der Schwarze Adlerorden verliehen worden. — Der Reichsanzeiger publizirt die folgenden beiden vom Kaiser Friedrich Unterzeichneten Gesetzentwürfe: 1.) Gesetz betr. die Ver längerung des Socialistengesetzes bis zum 30. September 1890; 3.) Gesetz betr. die Einführung fünfjähriger Legislaturperioden zum Reichstage vom Jahre 1890 ab. — Die kaiserliche Verordnung über den Abbau von Gold und Edelsteinen in Südwestafrika wird im Laufe dieser Woche erscheinen. Eine besondere Bergbehörde wird eingesetzt, der ganze Golddistrict in Damaraland wird als Regal der Colonialgesellschaft erklärt, doch ist auch sonst Jedermann der Abbau unter gewissen Bedingungen gestattet. — Zur Frage der Errichtung eines Nationaldenkmals für Kaiser Wilhelm in Berlin schreibt die „N. A. Z." Folgendes: Am Lust garten, dem herrlichen Platze, haben die großen nationalen Festfeiern stets ihren Höhepunkt gefunden. Der Ostseite dieses Platzes fehlt noch der monumentale Abschluß, dort ist der gegebene Platz zur Er richtung des National-Denkmals für Kaiser Wilhelm. Der Raum ist nach sachverständigen Untersuchungen ausreichend groß für einen Fcstraum von den Abmessungen der römischen St. Peters-Kuppel, davor in einer mächtigen Triumphbogennische das Reiterstandbild des Kaisers Wilhelm. Der Bauplatz ist groß genug, um noch südlich eine Predigt kirche für die Domgemeinde, nördlich eine Grabkirche für die Hohen- zollern anzufügen. (Der Bau der letzteren ist ein Lieblingswunsch Kaiser Friedrichs.) Alle späteren nationalen Feiern, sei es im Lust garten, sei eS in der Festkirche, würden sich vor dem Bronzebilde des Begründers des deutschen Reiches vollziehen. Durch Aufrichtung eines solchen Nationaldenkmals an dieser Stelle würde der Lustgarten, das Herz der Reichshauptstadt, an monumentaler Schönheit seines Gleichen nicht haben. — Wie aus Bremen telegraphisch gemeldet wird, hat sich dort ebenfalls ein Comitee zur Errichtung einer Reiterstatue für Kaiser Wilhelm gebildet. — Zur Verleihung des Schwarzen Adlerordens an den Reichs gerichtspräsidenten vr. Simson wird der „Köln Ztg." geschrieben: „Es wird weiteren Kreisen zu erfahren willkommen sein, daß Fürst Bismarck in der Sitzung deS Landtages, in welcher die kaiserliche Botschaft verlesen wurde, zu einem hervorragenden und sehr bekannten Abgeordneten äußerte, er habe auf der Fahrt von Leipzig nach Berlin Sr. Majestät für die fragliche Auszeichnung einen Nationalliberalen (wie er später bemerkte, eben Eduard Simson) vorgeschlagen und zu seiner großen Freude sei Se. Majestät darauf eingegangen. Fürst Bismarck bezeichnete dann weiter in den wärmsten Worten den Präsidenten Simson als einen der ausgezeichnetsten, von der reinsten Vaterlandsliebe getragenen Vertreter des nationalen Gedankens. — Graf Herbert Bismarck soll den weißen russischen Adlerorden erhalten haben. Oesterreich-Ungarn. Aus Wien werden die Nachrichten eng lischer Blätter, welche die Anwesenheit des Königs von Rumänien in Wien mit angeblichen Besprechungen militärischen Characters in Zu sammenhang brachten, für unbegründet erklärt. Italien. König Humbert unterhielt sich mit dem deutschen Abgesandten Prinz zu Hohenlohe - Jngelfingen in der demselben ge währten Audienz in herzlicher Weise und betonte namentlich die Theilnahme und Bundcstreue Italien- für Deutschland. Der Abge- gesandte erhielt einen hohen Orden. — Wie es heißt, werden der König Humbert und die Königin Margarethe der englischen Königin in Florenz einen Besuch abstatten, an welchen sich eine große britisch italienische Flottenrevue im Hafen von Livorno anschließen soll. — Der Finanzminister Magliani hat wegen eines Conflictes mit dem Senat seinen Abschied nehmen wollen, ist aber vom Könige und Crispi zur Zurücknahme des Entlassungsgesuch es bewogen worden. — In Rom spricht man von der Neigung der Regierung, einen Aus gleichsversuch mit Abcssynicn zu machen. Bei Massauah ist die Lage „Kind, cs war auch Euer Vater, der mit dem ganzen Lebens glück Juanita Marcntos ein leichtsinniges Spiel getrieben. Es war Dein Vater, durch den Alfonso mutterlos geworden, Dein Vater, welcher sich weigerte, mit wenigen erklärenden Worten gut zu machen, was er verbrochen und —" „Tante, so meinst Du —?" „Ich meine," sagte Fräulein Lotte, energisch mit dem Kopfe nickend, „ich meine, wenn Signor Riccardo Belloni sich auch in früheren Jahren eine schwere Schuld gegen die Görgensteins auf das Gewissen geladen hat, Du trotzdem ohne jedes Bedenken Deine Hand in die seine legen darfst. Er hat sich auf eine Weise entsühnt, die ihresgleichen sucht. — Ueberdics, Gitta, was that er eigentlich, das nicht jeder andere Mann von Ehre auch verlangt haben würde? Verächtlich ist der Cavalier, welcher in einer solchen Lage nicht die Waffen entscheiden lassen will! Das ist die Ansicht der alten Lotte Gröning, und sie denkt, daß es das Richtige ist. Deshalb nimm auch den kummervollen Ausdruck von Deinem Gesichtchen und schau wieder heiterer. Versuch es nur, muthig über die Zweifel zu siegen, die sich begreiflicherweise jetzt noch in Deiner Brust regen." Mit rührender Zärtlichkeit glitten die kleinen Finger der Alten dabei über das glänzende, dunkle Seidenhaar ihres Lieblings. „So, und jetzt sei's genug von diesem Thema zwischen uns," setzte sie dann in dem mildesten, gütigsten Tone hinzu, über den ihre tiefe Stimme verfügen konnte. „Ich will lieber hinunter zu Deiner Mutter, um mit ihr über Deine Angelegenheiten zu reden. Hoffentlich werde ich leichtes Spiel haben, denn erst heute sagte mir Mama, Doctor Belloni, dieser Prachtmensch, habe ihr den Glauben an die Männer wiedergegeben; wenn er eine ihrer Töchter zum Weibe begehrte, sie würde mit tausend Freuden „Ja" und „Amen" zu solchem Antrag sagen trotz seines bürgerlichen Namens und des Geheimnisses, in das er sich noch immer hüllt — bis heute gehüllt hat, mein Liebling; denn Mütterchen meinte die Beziehungen, in denen Belloni zu Deinem verstorbenen Vater stand." Wieder glitt die Hand der Alten kosend über Gitta's dunklen Scheitel, dann warf sie den Kopf energisch in den Nacken und sagte mit affektirter Barschheit: „Das sei für heute mein letztes Wort an Dich, und nun marsch in Dein Bett! Zu Angelica sprich mir bei unverändert. Die Abessynier stehen den Italienern gegenüber, rühren sich aber nicht vom Fleck. Die Hitze beginnt sich bereit» empfindlich geltend zu machen. Frankreich. Am Sonntag hat Boulangcr bei de» Ersatzwahlen zur Dcputirtenkammer die Probe auf seine Beliebtheit im Volke ge macht. Er hatte sich darauf gespitzt, in Marseille eine Stimmen mehrheit zu erhalten, bekam aber nur 963 Stimmen. Der Kommunist Felix Pyat wurde mit über 40,000 Stimmen gewählt. Günstiger war elfterem das Glück im Bezirk Laon (Departement Aisne). Dort wurden auf Boulangcr 45,089 Stimmen, auf den Radikalen Doumer 26,608, auf den Monarchisten Jacquemand 24,670 Stimmen abge geben. Zwischen Boulangcr und Doumer findet nächsten Sonntag Stichwahl statt, in welcher der General gewählt werden dürfte. An- nehmen kann er aber eine Wahl nur, nachdem er definitiv aus dem Militärdienst ausgeschieden ist. Dies widergesetzliche Treiben wird nur von sehr wenigen Pariser Blättern beschönigt, die Mehrzahl äußert sich sehr erbittert gegen den ehrgeizigen General, der seinen Plänen zuliebe alle Achtung vor dem Gesetz außer Augen läßt, und fordert die Regierung und die Kammer zu Vorsichtsmaßregeln auf. — Die Entscheidung des Kriegsgerichts in der Boulangersache wird Wohl noch einige Tage auf sich warten kaffen. Der General ist äußerst stolz auf seinen Wahlerfolg und seine Blätter wissen nicht, wo sie vor Jubel bleiben sollen. An allerlei Redensarten gegen Deutsch land fehlt es wieder nicht. Beschließt das Kriegsgericht die Kassirung Boulangers, wird derselbe die fast sichere Wahl in Laon annehmen. Die Bedeutung von Pyat's Wahl in Marseille und Boulangers Er folg in Laon wird allgemein dahin aufgefaßt, daß die Wähler von dem jetzigen Regierungssystem wenig erbaut sind. Rother Radikalis mus oder Militärdictatur, eines von Beiden scheint über Frankreich dereinst herrschen zu sollen. Nach einem Abendtelegramm aus Paris indeß wurde der Urtheilsspruch des Kriegsgerichts gegen Boulanger nun doch sofort erwartet, und zwar die Entlassung aus der Armee. Dem Gericht sind vernichtende Beweise über Boulangers Schuld vor- gclegt. Es werden Skandale erwartet. — In Marseille gab eS Straßentumulte. — Einen überraschenden Ausgang hat, wie uns schon gestern Nachmittag ein durch Maueranschlag bekannt gegebenes Tele gramm meldete, der Ordensschacherprozcß gegen Wilson und Genoffen genommen. In erster Instanz war der Schwiegersohn von Grsvy bekanntlich zu 2 Jahren Gefängniß, Geldstrafe und Ehrverlust ver- urtheilt worden, während seine Mitangeklagten etwas billiger fort kamen. Darauf wurde Berufung angemeldet und in zweiter Instanz hat nunmehr das Appellgericht alle Angeklagten definitiv freigesprocheo. Der alte Grsvy, der die Freisprechung seines Schwiegersohnes in zweiter Instanz prophezeite, hat also Recht behalten. Das Appell gericht nahm nicht, wie der erste Richter, an, daß ein Betrug vorliege, tadelte Wilsons Treiben aber sehr scharf. Es fehlt an Strafbestimm ungen dafür. — Der deutsche Botschafter in Paris, Graf Münster, überbrachte Sonntag Mittag in besonderer Audienz dem Präsidenten der Republik einen Dankesbrief des Kaisers Friedrich für das durch General Billot in Berlin überreichte Kondolenzschreiben des Präsiden ten Carnot. — Montag Abend fand beim Minister Flourens ein Galadiner statt zu Ehren des außerordentlichen deutschen Abgesandten Grafen Olten, welcher die Thronbesteigung Kaiser Friedrichs anzeigte. England. Wie aus Dublin berichtet wird, kam es am Sonn tag Nachmittag in dem Orte Jougsal zu einer ernstlichen OrdnungS- störung. In einer durch Proclamation des Vicekönigs verbotenen Pächterversammlung wollte der Abgeordnete O'Brien sprechen. So oft derselbe aber das Wort ergreifen wollte, befahl ihm die Polizei, zu schweigen. Schließlich beorderte der Richter Plunkett fünfzig Sol daten und Polizeibeamte, die Versammlung zu zerstreuen. Die Sol daten und Beamten gingen darauf mit dem Bajonnet vor-resp. schlugen mit den Polizeiknüppeln auf die Menge los, die heftigen Widerstand leistete und mit Steinen warf. Auf beiden Seiten kamen Verwund ungen vor, der Richter Plunkett selbst wurde durch einen Steinwurf im Gesicht verletzt. Nach längerem Tumult gelang die Zerstreuung der aufgeregten Menge. Rußland. Nach brieflichen Berichten aus Warschau haben di«, dortigen Eisenfabriken, namentlich das große Etablissement von Silpp Leibe vor dem Einschlafen keine Silbe mehr über all' dieses Neue, das Dir Herz und Kopf erfüllt. Wir wollen das Kind mit dem „Lit aceoinxli" überraschen, meinst Du nicht auch?" — Acht Tage waren vergangen, Doctor Belloni saß wieder in seinen vier Wänden, und ganz wie früher war auch jetzt seine HauS- thür belagert von Kranken und Siechen. Der geniale Arzt schien wirklich unverhältnißmäßig in Anspruch genommen; aber dies gerade war vielleicht ein Trost für den Mann, welcher sich jetzt so ungern seinen Gefühlen hingab. Nur Abends, wenn der letzte Krankenbesuch gemacht, fühlte er die ganze Schwere seines Elends, der bitteren Enttäuschungen, die ihm geworden, auf sich lasten. Aber heute be sonders, wo er seinen Namenstag beging, — von einer Feier konnte nicht die Rede sein, — drückte ihn der tiefe Seelenschmerz fast dar nieder. ^ Von Juanita, die sich noch immer bei den Damen in der Villa aufhielt, waren am Morgen reiche Blumcnspenden übersandt worden und ein herziges Briefchen dazu. Leider enthielt dasselbe nicht ein Wort über Gitta und in welcher Weise die Familie seiner gedächte. So ärgerte ihn das Schreiben mehr, als daß es ihn erfreute, und er hatte es unmuthig in ein Schubfach seines Schreibtisches geworfen. Jetzt am Abend überreichte ihm seine Wirthschafterin auch noch einen andern Brief, — er kam aus Madrid und zeigte Alfonso's Hand schrift. Belloni hatte den Neffen auf seinen Gütern geglaubt und war daher erstaunt, auf dem Schreiben den Poststempel „Madrid" zu sehen. Aber noch mehr mußte ihn der Inhalt des Briefes be fremden, der Ton dieser Zeilen. Es lag eine gewisse übersprudelnde Freudigkeit in den Worten, die Belloni, von dem Alfonso erst vor verhältnißmäßig kurzer Zeit so kummervoll geschieden, gar nicht begriff. „Sollte er auch nur ein charakterloser Don Juan sein und über ein anderes hübsches Gesicht seine Angelica vergessen haben?" fragt« der Doctor sich unmuthig, als er die herzlichen Glückwünsche gelesen, die ihm Alfonso aus weiter Ferne schickte. Schon wollte er den Brief fortwerfen, als sein Auge ans ein befremdendes Wort fiel, und so las er denn langsam folgende Zeilen: „Ich bin in Madrid durch die Majestät fcstgehalten worden," schrieb der Neffe; „man lud mich noch zu verschiedenen Hosfestlich- keiten. Ich durste nicht ablehnen, wenn ich unfern jungen König
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