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Sächsische Nacheilung. Donnerstag, den 24. Ieöruar 1881 43. Jahrgang. Inserate werden bi» Montag Mittwoch n Freitag Mittag angenommen und kosten: die lspalt Zeile lbPf. , Unter Eingesandt: SO Pf. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und kandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. Juseraten- Annahmestelenr Die Arnoldische Buchhandlung Juvalidendank, HaasensteinL Bögler, Rudolf Mosse, G L. Daube L Lo. in Dresden, Leipzig, Hamburg, Berlm, Frankfurt a/M. u. s. w. Erped » Nrdaktiou Dresden-Neustadt kl Meißner «ässe». Dir Leitung erscheint Dteaftag, Donnerstag und . Sannadend f-^h Adonurment»- PretSr »ierteljährl. M Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- anstalten und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung in» Hau» erbebt die Post noch eine Ge bühr von 2ü Pfg. Polttifcht Weltschau. Deutsches Reich. Die Nachricht Traf Eulen- bürg, der preußische Minister deS Innern, habe in Folge einer im Herrenhause erhaltenen Demüthigung von Seiten deS Fürsten BiSwa,ck seine Demission eingereicht, bestätigt sich, doch ist Hoffnung vorhanden, daß der Konst kt beigelegt wnd und der verdienstvolle Staatsmann seinem so verantwortungsvollen Posten erhalten bleibt. Die Veranlagung dazu war daS vom Grafen Eulenburg eingebrachte sogenannte Zu- ständigkritSgesetz, nach welchem das AufsichtSrecht über die Landgemeinden den KrriSauSschüffen g'wab't bleiben und nicht nur speciell dem LandrathSamte zustchen soll. Der Ministerpräsident stimmte nun, Gott weiß auS welchen Gründen, in diesem Punkte mit dem Minister deS Innern nicht ganz überein und ließ vom Reg'truna-rath Komme! zum Erstaunen de» gelammten HauseS erklären, daß er zwar drm Könige nicht abrathm wolle, die Sanktion deS fraglichen Gesetzes zu vollziehen, daß je» doch noch Mancherlei geschehen müsse, bevor das Zu- ständigkeitsgesetz seinen Anforderungen entspreche. Das Auftreten BiSmarck- muß zum Mindesten überraschen, da das Kabinet einstimmig de.l Eulenburg'schen Entwurf gut geheißen hatte und eS nicht Sitte ist, daß ein Ministerpräsident seine Kollegen öffentlich mißkreditirt. Dessenungeachtet wurde daS ganze Gesetz in der Sitzung vom 21. d. M. angenommen, nachdem Fürst BiSmarck persönlich sein Verhalten zu rechtfertigen ge sucht hatte. Eine Anzahl von Rednern sprach Adrigen ebenfalls gegen die SelbstverwaltungSkollegien der Land gemeinden, namentlich der bekannte Graf v. Kleist-Retzow und einige andere junkerliche HerrenhauSmitglieder. Die Annahme deS ZuständigkeilSgesetzes ist unzweifelhaft als eine Niederlage deS Fürsten BiSmarck anzusehen, die sich im Herrenhause bei nächster Gelegenheit wieder holen dürfte. Aber nicht nur alle parlamentarischen Körperschaften hat der Kanzler gegen sich, sondern auch die gelammte öffentliche Meinung Deutschlands, und bezüglich der Form seines Vorgehen- selbst den Kaiser, so daß die BiSmarck feindliche Partei am Hofe von Neuem Oberwasser gewinnen dürfte. Wie lange unter diesen Um ständen sein „Ich bleibe" noch Geltung hat, steht dahin. Die Krisis wird durch Unbegreiflichkeiten anderer Art noch verschärft, die auch die Stellung deS Finanzministerö Bitter bedroht erscheinen lassen. Dieser zog nämlich am 19. d. M. im Ausschuss« deS Abgeordnetenhauses zur allge meinen Ueberraschung indirekt daS VerwendungSgesetz zurück, dessen Zustandekommen in dieser Session Fürst Bis marck noch vor Kurzem als eine Nothwendigkeit be zeichnet hatte, indem Bitter erklärte, man scheine die Sache noch nicht reif für die Gesetzgebung zu betrachten. Unter Feuilleton. Der Herr Baron. Novelle von Ludwig Habicht. (19. Fortsetzung.) Iwan war überhaupt plötzlich ganz verändert Im Schlosse hatte er sich äußerst lebhaft und energisch ge zeigt, Alles zum Empfang der Baronin sorgfältig an geordnet und überwacht; jetzt saß er schweigsam auf- dem Bock, in Nachdenken versunken, auS dem ihn kaum die lebhaften Fragrn Johann'S ein wenig aufscheuchen konnten. Nach zweistündiger Fahrt war der Bahnhof erreicht. Der Kutscher mußte bei seinen Pferd n bleiben und Iwan eilte in dm Wartesalon. Ungeduldig wanderte brr Kammerdiener darin auf und ab, von Zeit zu Zeit hinausblickend, ob noch nicht gezogen sei. Ei waS Lausend, Du hier? ließ sich plötzlich hinter ihm eine scharfe Stimme vernehmen und ein hochge- wachsener alter Herr legte leicht di« Hand auf seine Schuller. Iwan blickte sich erschrocken um und starrte nicht ohne Bestürzung in da- vornehme Gesicht d«S Frager-, eh' er sich zu einer raschen Antwort aufraffm konnte. Ja wohl, ja wohl, Herr Baron, sagte er dann mit einer höflichen Verbeugung. Du erwartest wohl Deinen Herrn? WaS macht mein lieber Freund Gregor BloomhauS? Wissen Sie da- noch nicht, Hcrr Baron, er ist tvdt, antwortete Iwan mit einrrn schweren Seufzer, dcr diesen Umständen lege die Regirrung auf eine weitere Durchberathung der Vorlage keinen Werth. DaS StaatSmimsterium werde d,«nächst beschließen, ob ter Entwurf in einer Nachsession weiter zu derathen oder ein ähnlicher Entwurf dem Landtage im kommenden Herbste abermals vorzulegen fe». Welchen Weg die Steuerpolitik deS Reichskanzler» einschlagen wird, darüber ist man noch immer im Unklaren. Freilich hat er selbst gesagt, daß der Labak noch weitere bluten müsse, indessen in der Thronrede fehlt auch die kleinste Andeutung, wie man eS anfangen will, der LabakSindustrie und dem Tabakskonsum noch weiter Lasten aufzuerlegen. Dennoch bleibt, wenn man nen- nenSwerthe Erträge erzielen will, nichts Andere- übrig, al- dem Labak noch schärfer zu Leibe zu gehen und und die Branntweinbesteuerung auf einer ganz anderen Basis einzur chten. Wehrsteuer, Stempelsteuer und er höhte B,aufteuer, mit denen sich der Reichstag wieder beschäftigen dürfte, werden schwerlich genug abwerfen, um auch nur die Mehrausgabe in Folge der Militär- gesetznovelle zu decken. Die großen Summen zu liefern, welche der R.ichökanzler zu seiner Steuerreform in den Einzelstaaten bedarf, dazu sind sie absolut außer Stande. Bei ter ersten Lesung deS Etat» wird jedrnfallö daS Be streben aller Parteien deS Reichstags darauf gerichtet sein, über die Steuerplän.e der Regierungen oder viel mehr de- Kanzler- — denn jene find schwerlich schon in seine Ideen eingeweiht — etwas Genaueres zu er fahren. Personen, die dem Fürsten nahestehen, ver- sichern, daß Alles, waS jetzt geschehen solle, doch schließ lich nur dahin führen würde, die Einrichtung deS TabakS- moi opolS als unvermeidlich für daS deutsche Reich er scheinen zu lassen. ES unterliegt keinem Zweifel, daß daS Unfallver- sicherung-gesetz in der gegenwärtigen Form bei den Ver tretern der Mittelstaaten keine Unterstützung finden wird und zwar ungeachtet der vorsichtigen Erklärung deS baierischen Ministers v. Lutz auf die Interpellation de» ultramontanen Abg. Jörg. Auch die sächsische Regie rung soll brr Ansicht sein, die Wirkung deS Gesetze- würde, falls der Entwurf nicht abgeänkert werde, keine andere sein, als die, daß die E nzelftaaten sich eines werth- vollen Theiles ihrer Zuständigkeit und Selbstständigkeit beraubt sähen. Die Vorbereitungen zu den HochzeitSfeierlichkeiten deS Prinzen Wilhelm von Preußen und der Prinzessin Viktoria von Schleswig-Holstein sind im vollen Gange und ist auch eine Menge hervorragender Persönlichkeiten, unter ihmn die Vertreter auswärtiger Höfe, in Berlin bereits ringetroffen. WaS daS zu bildende Spalier am Sonnabend, dem Lage der Einholung, anlangt, so wird dasselbe vom großen Stern im Thiergarten bis zum königl. seine Anhänglichkeit an den verstorbenen Herren beweisen sollte. Ah, nicht möglich! Seit wann und wo ist er denn gestorben? Vor drei Monaten in Neapel, war die Antwort Hm, daS thut mir leid. Gregor war ein guter Kerl, ein bischen wunderlich, aber doch ein prächtiger Mensch. Da wird sich BloomhauS-Rosenberg schön freuen. Der ist plötzlich auS aller Verlegenheit und kann nun noch eine große Herrschaft verjubeln. Da- wird wohl nicht möglich sein. Mein gnädiger Herr hat im AuSlande geheirathet und ich erwarte soeben die Frau Baronin. Aber der Zug muß jetzt jeden Augen blick kommen und Sie entschuldigen mich daher wohl, Herr Baron. Mit diesen Worten versuchte der Kammer diener rasch hinau-zostürzen, doch der alte Herr hielt ihn energisch am Rockärmel fest Halt, ich begleite Dich. Ich muß doch sehen, wie die Frau meine- jungen Freunde- au-sieht, ob er einen guten Geschmack gehabt hat? Werden der Herr Baron darüber nicht den Zug verpaffen? Er hält hier nur wenige Minuten. Thut nicht», ich kann warten und fahre mit dem nächsten, denn ich bin viel zu neugierig auf die Wittwe meine- lieben Gregor und ohne Weitere» schloß sich der alte Herr dem Kammerdiener an und betrat mit ihm zu gleicher Alit den Perron. Baron Vreiffenthal hatte früher mit Gregor Bloom hauS viel verkehrt, obwohl ihre Besitzungen sehr weit auseinander lagen, aber für di« GutSherrrn in den Ost- seeprovinzen haben große Entfernungen wenig zu bedeu- ten und um einen Abend beim Whist oder in lustiger Schlosse reichen und eine Personencahl von ca. 40,000 Menschen umfaffrn, diein vier Glieder getbeiltwerden. Am kleinen Stern finden etwa vierzig Postillone und die Schlächter zu Pferde Aufstellung, sodann kommen 1) die Feuerwehr, 2) die Rüder-oorfer Bergleute, 3) der Ruderklub, 4) die Lurnerschaft, 5) die Gastwirthe und Kellner, 6) die Zimmerer, Maurer und Maschinenbauer; dieselben reichen bi» zum Brandenburger Thor. E» folgen hierauf innerhalb der Stad: von genanntem Thore ab 7) die Studtrenden der Hochschulen, Akademien rc., 8) die Innungen, Korporationen und Schützer.gilden und endlich 9) werden auf der Schloßbrücke Komman dos der Militärvereine, Olficüre und Mannschaften Auf stellung nehmen. Die Musiker, welche im Spalier placirt werden, spiel,n beim Passiren de- Biautpaare» und deS formirten ZuzeS die National-Hymne: „Heil Dir" »c. Desterreick.« Ungar. Monarchie. Die Be. rathungen deS BudgetauSschuffe» gehen ihrem Ende entgegen und man wird also bald üb>r die Höhe de- DeficitS, welche- in Folge der einigen Ländern zuge standenen Ermäßigung der Grund- und Grbäudesteuer > eintreten muß, Aufschluß hob<n. Inzwischen ab<r hat die Budgetkommission den Belchluß gefaßt, den B<trag von 20 Millionen Gulden zur Einlösung der in diesem Jahre fällig werkenden Schatzscheine in den Etat einzu stellen. In Bezug auf die Einnahmen auS den direkten Steuern ist jedoch heroorzuheben, daß der Budgetau»- schuß da- Erträguiß der Grundsteuer mit 35 Millionen im Regierungsentwurfc einzustellen für gut fand. Daß man das Erträgniß der Grundsteuer um eine Million n edriger stellte, hat wohl frinrn Grund darin, daß die Majorität deS Ausschusses auf ein reichlichere- Eingehen der Sieuerrückstände rechnet. — Während die Kaiserin in England der Jagd huldigt, hat sich dcr Kronprinz Rudolf vor einigen Lagen nach Aegypten begeben und ist am 19. d. MtS. in Kairo vom Licetönig in feierlicher Weise empfangen worden. Wie die ägyptischen Blättcr meldcn, wurden die Statthalter der Provinzen und die Bürgermeister der Städte am Nil, welche der Kronprinz auf seiner angelretenen Reise nach Oberägypten besuchen wird, angewiescn, den hohen Gast bei seiner Landung in den üblichen Galagewändern zu empfangen und ihn auch für den Kall eine- Besuche- desselben im Innern de» Lande- stets durch ein« Lruppen- abtheilung begleiten zu lassen. Der Kronprinz braucht zu dieser Reise zwei eigenS für ihn eingerichtete RegierungSdampfer; auf dem einen derselben wird er sich selbst mit seinem Gefolge, auf dem andern die ihm zugetheilte ägyptische Begleitung, sowie die Diener schaft mit den nöthigen Vorräthen für Küche und Keller befinden, da der Kronprinz auf dieser Reise Unterhaltung zuzubringen, unternimmt man gern halbe Tagereisen. Greiffenthal wußte nur, daß sein Freund nach Italien gegangen sei, «eiter hatte er nicht- von ihm gehört. Zu einem Briefwechsel hatte sich keiner von ihnen aufgeschwungen. WaS man inzwischen sah und erlcbte, konnte ja bei dem nächsten Wiedersehn mit- getheilt werden, daS war weit bequemer. Obwohl dcr alte Baron dem Kammerdiener gegen über die Nachricht von dem Ableben deS jungen Freundes ziemlich leicht nahm, war er davon doch tief erschüttert. Der arme Gregor! Ein so prächtiger, fröhlicher und guter Mensch mußte plötzlich sterben! Warum war er aber in'S Ausland gegangen! Er hatte ihm genug davon abgerathen. WaS war denn dort in kur Fremde zu holen und alS ob e- nicht in der Heimath viel schöner fei. Jetzt kam schon drr Zug und störte daS weitere Nachdenken de- BaronS, der ohnehin nicht dazu neigt«. Er nahm gern in feiner heitern, jovialen Weise alle Sachen leicht und spielte unter seinen Bekannten mit Vorliebe den lachenden Philosophen. Eine junge Dame blickte au» dem Koupü erster Klaffe und nickte schon von Weitem dem Kammerdiener freundlich zu, °der in ruhiger, erfurchtSooller Haltung ihren Gruß erwirderte. Oie Dame lehnte sich noch weiter hinaus und öffnete schon den Mund, um Iwan etwas zuzurufen, da sagte dieser rasch uns mit sehr lauter Stimme: Herr Baron Gie ffenthal will sich die Ehre geben, seine Nachbarin, die Krau Bironin hier willkommcn zu heiß'N und er wie- dabei auf den alten He«rn, der sich vor der Fremden höflich verbeugte und sie mit seinen Hellen gutmüthigen Augen schweigend