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Nr. 99. 17. Decemkn 1872 - Dienstag, Sächsische DnsMMS Verantwortlicher Redakteur und Verleger: Gerrmamr Müler tu Dresden. in der Expedi tion, kl. Meißn. Gaffe Str. > -u haben. Uretsr vierteljährlich 18 Ngr. Zu beziehen durch 4 alle kais. Post- Anstalten. Nn unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Erscheint jeden Dienstag «nd Freitag früh. Inseratenpreis: Für dm Raum einer gespaltenm Jetle Ij Rgr. Unter „Eingesandt" s R,r. — Im An- s Polittsche Weltschau. Deutsches Reich. Großen aufregenden Konflikten und Lhaten folgt gewöhnlich eine Zeit übertreibender Vermulhungen und Kombinationen. Hierher gehört auch die von vielen preußi schen Blättern ganz neuerdings gebrachte Nachricht von dem Ausscheiden des Fürsten Bismarck auS dem preußischen Staats ministerium. Was den Fürsten veranlassen könnte, von der Leitung der preußischen Angelegenheiten zurückzutreten, läßt sich vorerst noch nicht gut einsehen, da der Reickskanzler die in vieler Hinsicht so ungewöhnliche Bildung deS Reichs seiner Individualität und Preußen so eng angepaßt hat, daß die Identität beider m vielen Staatsangelegenheiten völlig eins ist und sich vorerst eine Trennung des Reichskanzlers Bismarck von dem preußischen Ministerpräsidenten Bismarck ohne Gefahr für die noch mangel haft ausgebildeten Reichsorgane nicht denken läßt. Am we nigstens aber vermögen wir uns einen Reichskanzler von der Individualität des Fürsten Bismarck neben einem besonderen preußischen Ministerpräsidenten ohne Konflikt zwischen beiden Organismen vorzustellen, zumal der Fürst selbst genug die Noth wendigkeit einer einheitlichen Spitze in dieser Beziehung betonte. In wieweit nun die Bermuthungen über den Rücktritt deS Fürsten aus dem preußischen Kabinette sich bestätigen, werden die nächsten Tage zeigen, da der Reichskanzler am Sonnabend Abend mit seiner Familie in Berlin wieder eingetroffen ist. — DaS Kreisordnungsgesetz wird in aller nächster Zeit durch den Druck zur Publikation gelangen. —Im Abgeordneten hause ist in der Sitzung vom 13. December nach sehr lehhafter Debatte der Gesetzentwurf, betreffend die Aufhebung des Jagd rechts auf fremdem Grund und Boden in dem vormals kurfürst lich-hessischen und großherzoglich-hessischen Landestheilen und in der Provinz Schleswig-Holstein in zweiter Lesung unverändert angenommen. Die erste und zweite Lesung des Gesetzentwurfs, betreffend die Ablösung der Reallasten in Schleswig - Holstein kommt in der Sitzung vom 16. December neben derjenigen des Fischereiwefens und der Eisenbahnkommissariate zur Erledigung. — Die Ministerkonferenzen über Fragen der Reichsjustizge setzgebung sind in diesen Tagen unter Vorsitz des Justizmi nisters Leonhardt eröffnet worden. Daran Theil nehmen die bevollmächtigten Minister von Preußen, Baiern, Sachsen, Wür- temberg und Baden. — Der Gesammtschaden, welchen die un bemittelte Bevölkerung der Ostseeküsten erlitten, beträgt 3 z Million Thlr. Davon kommen auf Neuvorpommern und Rügen 950,000 Lhlr., Holstein 2j Millionen, die Stadt Lübeck 50,000 Thlr., Travemünde 66,000 Lhlr. Die Schäden in Mecklenburg sind noch nicht ermittelt. Beim ersten Armee-Korps werden auf An regung deS General-Kommandos Sammlungen für die Ueber- schwemmten der ganzen Ostseekasten veranstaltet. — Im An tz alt l sch en Landtage ist der Verkauf des Hüttenwerke- Mägde- sprung, der Harzbergwerke und des AlexisbadeS für 575,000 Thlr. an Herrn Hernmnn Geber in Berlin genehmigt. — Dieser Hessen die Wahlen zur Ab geordnetenkammer stattgefunden und starke Agitationen wachge- rufen. D>« gewählten WahlmSnner gehören alle einer ausge- sprochenen Part« an, so daß sich das Wahlerg.bniß mit zi.m- Virrunddreißtgster Lahr-an-, IV. Euartal. kicher Genauigkeit vorauSbestimmen läßt. Darnach haben di reichsfreundlichen und liberalen Abgeordneten die Majorität nächst diesen im Odenwalds, an der Bergstraße und in Rhein' Hessen die Ultramontanen, während die Demokraten in Mainö die Oberhand behalten dürften. Der Landtag wird vom Groß herzog am 19. d. M. eröffnet werden. — In der Abgeord netenkammer zu Stuttgart ist mit Zustimmung der Re gierung die Summe von 11,800,000 Gulden zu Eisenbahn- und Telegraphenbauten bewilligt worden, bei welcher Gelegen heit der Regierungs-Kommissar die Erklärung abgab, daß das Prinzip festgehalten werden solle, die Eisenbahnen nur auf Staats kosten zu erbauen und keine Anschlußbahn an das Ausland auf würtembergischem Gebiete an Privatgesellschaften zu vergeben. Ganz unerwartet kommt die Nachricht von der Entlassung deS königlichen KabinetS-Chefs, GeheimratHS Freiherr von Egloff- stein, der sich bislang der seltensten Gunst des Königs zu er freuen hatte und ein entschiedener Gegner Preußens war. — Der Oldenburgische Landtag hat in einer seiner letzten Sitzungen den Antrag einstimmig angenommen, beim Bundesrathe dahin zu streben, daß den Retchstagsabgeordneten Diäten bezahlt würden. Beim Bun desrathe ist seitens Preußen ein Steuernach laß für das durch die Sturmfluth in Privatlagern der Ostseeküste verlorene oder unbrauchbar gewordene Salz eingebracht und von Baiern und Baden zur Abwendung von Nachtheilen, wie solche durch Einschleppung verheerender Insekten entstehen, ein Verbot gegen Wein reben-Einfuhr aus Frankreich wiederum angeregt worden. Obwohl nun in letzter Beziehung vom Oberpräsidenten in Straßburg konstatirt ist, daß im Reichslande von Verheerungen deS WeinstockeS durch Insekten nicht- bekannt sei, wird daS Ausfuhrverbot dennoch vom Bundesrathe befürwortet. — Der Reichskanzler hat dem Bundesrathe den Entwurf eines Ge setzes vorgelegt, durch welches daS Gesetz über das'Posttarwesen vom 28. Oct. 1871 in Bezug auf daS Packetporto und oas Porto so wie die Versickerungsgebühr für Sendungen mit Werth- angabe vom 1. Jan. 1874 an abgeändert wird. Packete bis zum Ge wicht von 5 Kilogramm sollen auf 10 Meilen 2z, darüber 5 Ngr. zahlen, bei unfrankirten Sendungen 1 Ngr. Zuschlag. Bei dem Gewichte von mehr als 5 Kilogramm: für jedes weitere Ki logramm bis 10 Meilen 4, bis 20 Meilen 1, bis 50 Meilen 2, bis 100 Meilen 3, bis 150 Meilen 4, darüber 5 Ngr. Sollte der Entwurf zur Annahme gelangen, so würde demnächst die Aus dehnung deS neuen Tarifs auf den Fahrpostoerkehr mit Oesterreich- Ungarn inS Auge zu fassen sein, wie die- bereits bei Abschluß des Postvertrags vom 7. Mai 1872 in Artikel 50 in Aussicht genommen ist. — Ein anderer dem Bundesrathe seitens deS Reichskanzlers eingereichter Gesetzentwurf betrifft die Einführung des ReichSgesetzeS über die Freizügigkeit vom 1. Novbr. 1867 ' und deS Reichsgesetzes über die Erwerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit vom 1. Juni 1870 in Elsaß- Lothringen. — Auf die Vorlage deS Präsidium-, betreffend die Wahrnehmung der Verrichtungen deS StaatSanwaltS beim ReickS- OberhandelSgericht, hat der Bundesrath in der Sitzung vom 27. v. M. nach Anhörung der Ausschüsse für da- Justizwesen und für das Rechnungswesen die Zustimmung dazu ertheilt, daß ein besonderer Beamter mit Wahrnehmung der Verrichtungen der so