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Ein unterhaltender Blatt für den Bürger und Landmann. Oreist ' vierteljährlich 12'/»Ngr. Zu beziehen durch alle kgl. Poft- Anstalten« Ake«ft«vr- Dresse«, ül der Expedi tion, L Meißn. Taffe Sir. 3, zu haVtL Nk. 9. 29. Januar 1869 erscheint jeden Dienstag und Freitag stütze Nedigirt unter Verantwortlichkeit de- Verleger- C. Heinrich. Politische Weltschau. Ueber die Dispositionen- welche Griechenland den Konferenz mächten gegenüber zu treffen gedenkt, ist bis heut etwas Zuver lässiges nicht bekannt. Graf Wa.lewski soll die Weisung haben, dem Athener Kabinet fünf Tage Bedenkzeit zu bewilligen. Europa befindet sich also gegenwärtig in einer Lage, wie die Weltgeschichte eine zweite nicht aufzuweisen vermag. Dieses winzige Griechen land mit seinen kaum 1^ Millionen Bewohnern hält die Ent scheidung über Krieg und Frieden in seiner Hand; von ihm, das sein Bestehen dem Willen dreier Großmächte verdankt, hängt die Ruhe des WelttheilS ab. Alle Gründe der Vernunft, der Politik und der Wahrscheinlichkeit, sagt die „N. F. P., sprechen dafür, daß Griechenland die Erklärung der Mächte annimmt und sich fügt. DaS Gegentheil ist b-inahe unglaublich, es wäre Heller Wahnsinn. Gleichwohl hält es der Times-Korrespondent in Athen nicht für unmöglich, daß Griechenland in seiner Verblen dung die Erwartungen der Mächte täuschte und eine abweisende Antwort ertheilte. Auch in Wien sind Nachrichten eingetroffen, die es nicht als unbedingt sicher erscheinen lassen, daß Griechen land sich fügen werde. Um solche Tollheit nur einigermaßen begreifen zu können, muß man erwägen, welche Aufregung in Athen herrscht und in welchen Vorstellungen über die innere Lage deS türkischen Reiches man dort befangen ist. Man erwartet, daß die Montenegriner und Serben losfthlagen, daß die rumä nische Armee die Donau überschreitet, die Bulgaren sich in Masse erbeben und ganz Thessalien wie Ein ManU aufsteht, sobald der erste Schuß fällt. All' das glaubt man in Athen ganz ernsthaft und könnte somit thöricht genug sein, die Beschlüsse der Konferenz abzuweisen. Kür diesen Fall soll die Mehrheit der Mächte ent schlossen sein, Griechenland der Zuchtruthe der Türkei zu über lassen — eine höchst vernünftige Ansicht, die besonders von Eng land vertreten wird, aber etwas spät kommt. Will Griechenland sein Verderben, so mag es hineinrennen. Daß der Kampf nicht lange dauern würde, dafür hat die Türker in den vier Wochen, welche ihr die Konferenz gönnte, ausreichende Sorge getragen. Uebrigens läßt neuesten Datums die Wiener „Presse" sich aus Athen telegraphiren, daß eine versöhnliche Antwort Griechenlands in Aussicht stehe und ein Ministerwechsel in nächster Zeit zu erwarten sei. Der»tfAl«nd. Gerechtes Aufsehen hat es in allen Staaten deS norddeutfthen Bundes erregt, daß die Verordnung vom 26. März 1868, mittelst welcher die Militärersatzinstruktion vom Bundespräfidium für den norddeutschen Bund eingeführt wurde, neben der Unterschrift deS Bundeskanzlers auch diejenige des preußischen Kriegsministers trägt. Den dieserhalb m der Presse laut gewordenen Beschwerden tritt die „Nordd. Allg. Atg." mit der Bemerkung gegenüber, daß derartige Instruktionen »ach der preußischen Mlitärgesetzgebung mit königlicher Geneh migung durch den betreffenden Ressort-Minister, also hier durch Herm v. Roon, verordnet würden. Das genannte Blatt schließt seine Erklärung folgendermaßen: „Nach Art. 19 deS Bundes gesetzes über dte Verpflichtung zum Kriegsdienst sollen die zur Ausführung diese- Gesetzes erforderlichen Bestimmungen durch Einun-dreißigster Jahrgang. I. Garartat. besondere Verordnungen erlassen werden. Nun ist nach der preußischen Mlitärgesetzgebung, die auch im Bundesgebiete ein geführt ist, für Instruktionen, welche der König bei Ausführung der Gesetze zu dem Zwecke anordnet, um denselben ihre volle Anwendung zu verschaffen und zu sichern, der Weg der Gesetz gebung nicht erforderlich. Sie werden im Verordnungswege erlassen. DieS ist auch mit der Ersatzinstruktion vom 26. März 1868 geschehen. Folglich kann in der Form des Erlasses keine Beeinträchtigung der Bundesgesetzgebung gesunden werden. Der Umstand, daß der preußische Kriegsminister die Ersatzinstruktion ebenfalls unterzeichnet hat, ist nur als eine Erklärung zu be trachten, daß diese Verordnung, in welcher eine Anzahl militärisch technischer Bestimmungen enthalten ist, den in Preußen bestehen den militärischen Einrichtungen entspricht, oder in Uebereinstim mung mit den Grundsätzen der preußischen Mlitärgesetzgebung ist." Nach dieser Logik des offiziösen BlatteS könnten sich nach und nach bei allen Bundesgesetzen, welche mit den Grundsätzen preußischer Einrichtungen Zusammentreffen, die Minister des preußischen Staates als Bundes-Minister entpuppen, was offen bar mit den Bestimmungen der Bundesverfassung im Wider-' spruch steht. Hoffentlich werden unsere Reichstagsabgeordneten Gelegenheit nehmen, diese Sache seiner Zeit zur Sprache zu bringen. — Der Bundesrath de- norddeutschen Bundes wird in den Tagen des Februar wieder zusammentreten und dann ohne Unterbrechung zunächst bis Ostern versammelt bleiben, um die für den Reichstag bestimmten Vorlagen vorzubereiten. Wäh rend der Abwesenheit des Bundesrathes hat man sich im Laufe dieses Mynats im Bundeskanzleramte hauptsächlich mit der Aufstellung des Bundes-Etats pro 1870 beschäftigt, und die betreffenden Arbeiten sind gegenwärtig so weit gediehen, daß sich erwarten läßt, daß das Budget bereits gegen Mitte Februar an den Bundesrath werde gelangen können. Von den übrigen Vor lagen, welche vorbereitet werden, ist zunächst ein ausführliches Gesetz über die Rechtsverhältnisse rc. der Bundesbeam ten zu erwähnen. Eine andere Vorlage wird sich auf die Er ledigung mehrerer Streitfragen beziehen, welche aus Anlaß verschiedener Interpretationen des Artikel 3 der Bundesverfassung, namentlich in Bezug auf Armen-Unterstützung und eventuelle Restitution derselben seitens der fremden Gemeinde, welcher der Unterstützte angehört, entstanden sind. Endlich ist auch die- im verflossenen Jahre nicht zur Erledigung gekommene Gewerbe- Ordnung wieder ausgenommen worden. Nachdem das Noth- Gewerbegesttz erlassen worden ist, hat sich der Erlaß einer voll ständigen Gewerbeordnung für den Bund womöglich noch noth- wendiger und unaufschiebbarer herausgestellt als früher. Denn das Nothgewerbegesctz macht jetzt, in der Praxis, nach den ver schiedensten Seiten Ergänzungen nöthig, ohne welche in einigen Bundesstaaten absolut nicht weiter zu kommen ist, und ohne welche daS Gesetz selbst nicht in der ursprünglich vorwaltenden Absicht zur Geltung gelangen kann. Preußen. König Wilhelm hat nach stattgefundener Wahl der Ritter des Ordens pour Iv m^rite für Wissenschaften und Künste seinen Bundesgenossen, König Johann von Sachsen, unter die stimmfähigen Ritter dieses OrdenS ausgenommen. — Dom Görlitz-Laubaner Wahlkreise ist der zur Fortschrittspartei v