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Sächsischer Landes-Anzeiger : 14.03.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-03-14
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188803149
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880314
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880314
- Sammlungen
- Saxonica
- Zeitungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-03
- Tag 1888-03-14
-
Monat
1888-03
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 14.03.1888
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Nr. 61. — 8. Jahrgang. Der jeden Wochentag Abend (mit Datum de- folgenden Tage») zur Versendung gelangende..Sächsische LandeS-Anzetger" mit täglich einem besonderen Unter- Haltungsblatte und mit dem Extrabeiblatt Lustige- Bilderbuch kostet bei de» Ausgabe stellen monatlich70Pig., bei denPost-Anst. 7!> Ps. (1888er Ztgs.-Preislistc Nr. --035.) Für Abonnenten crscheintje cinmal imJahr: Souimer.Eisenbakufabrpiunbefl flirSactiftn. Ninter-Eiseiibaliilfabrpianbklt für Sachse». Illustr. Kalender tcs Lächsische» Laudbokcn. IlliistrirlcsIahrcSbuchdeSLaiidkS^uzkigcrs. SSchsischer Mit täglich einem besonderen 4. Sächsisches Allerlei — Miies-Ailieiljkr mit „Chemnitzer Stadt-Anzeiger". Unparteiische tägliche Zeitung sür Sachsen und Thüringen. Mittwoch, 14. MLrz 188S: Petitzeile) 3< BeiWiederholung großer AmioucenRabatt. Bei Bestellungen von AnswärtS wolle man Jnscrtionsbetrag (in Briesniarken) beifügen tt« 8 Silben Corpnsschrist bilden ca. 1 Zeile.) Annoncenannahme nur bi» Vormittag. Buchdrnckerei. Cbemnttz. Iheaterslraße 5 (Fernsprechstelle Nr. ISS). Telegr -Adr-: LandeS-Anzeiger, Chemnitz. Untcrhtiltnngsbltitt: i. Kleine Botschaft — 2. Sächsischer Erzähler — 3. Sächsische Gerichts-Zeitung 5. Illnstrirtes Unterballnngsblatt — 6. Sonntagsblatt — Eitra-Beiblatt: Lustiges Bilderbuch. Amtliche Bekanntmachungen. lieber das Vermög n der HandelSfran Auguste Florentiue verw. Bathelt, . „ . . - . - - » zu», Concurs Verwalter ernannt. Concurssordcrnngc' sind bis znm 7. Avril 1888 bei dem Gerichte anznmelden E» wird znr Beichlnßsassnng über die Wahl eines anderen Ve Walters, sowie über die Bestellung eines Glänbigeransschnsseö »nd eintretenden Falles über die in 8 12' der Concurs rdnnng bezcichnclen Gegenstände aus de» 28. März 1888 Nachmittags 4 Uhr und zur Prüfung der angemcldete» Forderungen auf den26. April 1888 Vorm. 10 Uhr vordem Unterzeichneten Gerichte Termin anberanmb Alle» Personen, welche eine znr Concnrsniassc gehörige Sache in Besitz haben oder zur Concursmasse etwas schuldig sind, wird aufgegcbe», nichts an den Gcmeinschnldner zu verabfolgen oder zu leiste», auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Forderungen, sür welche sie auS der Sache abgesonderte Be friedigung in Anspruch nehmen, dem ConcnrSverwalter bis zum 10. April 1888 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht zu Chemnitz. Das Konkursverfahren über das Vermögen des Kaufmanns Christian Casus Wommelsdors-Fciedrichsen, Inhabers der Firma Chr. Friedrichs» in Chemnitz, wird, nachdem der in dem Vergleichstermine vom 10. Fcbr. 1888 angenommene Zwanflsvergleich durch rechtskräftige» Beschluß von demselben Tage bestätigt ist, hierdurch aufgehoben. Chemnitz, den ö. März >8:8. Königliches Amtsgericht. Das Konkursverfahren über das Vermögen des Kaufmanns Jacob Mcyerhardt, Inhabers der Firma I. Meherhardt in Chemnitz, wird, nachdem der in dem Bergleichstcrmine vom 23. Februar 1884 angenommene Zwangs vergleich durch rechtskräftigen Beschluß von demselben Tage bestätigt ist, hier durch aufgehoben. Chemnitz, den 10. März 1838. Königliches Amtsgericht. Telegraphische Nachrichten. Vom 12. März. Frankfurt a. M. Professor Waldeyer verweigert jede Aus kunft über das Leiden des Kaisers, nichts, was über die von ihm angestcllte Untersuchung mitgethcilt worden, sei richtig. München. De» „Neuesten Nachrichten" wird aus Sofia tele- graphirt: Die Havasmeldung, der Fürst begleite demnächst seine Mutter nach Wien, sei unbegründet. Bremen. Bei Carthagena (Columbia) explodirte ein Fluß dampfer, wobei 40 Personen ums Leben kamen. — Der schon lange fällige Kapdampfcr „Nvrham Castle" ist in beschädigtem Zustande in St. Helena angckvmme». Bern. Es verlautet, daß Deutschland in Basel wegen des bekannten Fastnqchtsgedichtes S-rasantrag gestellt habe. Wien. Nach Meldungen aus Bukarest ist es sicher, daß der König von Nnmälüen zur Leichenfeier nach Berlin gehen wird. — Aus Warschau wird der „Pol. Corr." berichtet, daß neuerdings einige Bahnstationen zur Einschränkung der Aufnahme großer Waaren- transporte migcmicscn worden sind. In Kiew werden Güterwagen für etwa nothwendig werdende Beförderungen von Mannschaften zu recht gemacht. Paris. Die Verhandlungen über den Handelsvertrag mit Italien wurden wieder ausgenommen und gewinnen an Aussicht auf Erfolg. Flourens drückte dem General Menabrea seine Genugthuung über die Versöhnlichkeit der italienischen Vorschläge aus. — Die neueste „Cocarde" wird rasend gekauft. Sie enthält einen Leit artikel im Sinne der Patriotenliga, der den Parlamentarismus be kämpft und sich offen zu dem auf dem Plebiscit beruhenden Cäsaren thum bekennt. Zwei Erlasse Kaiser Friedrich s. Von größter Bedeutung sind zwei Erlaffe des neuen vie gestern Abend amtlich veröffentlicht worden sind. Der erste die Proclamation Kaiser Friedrichs; sie lautet: An Mein Volk! Aus Seinem glorreichen Leben schied der Kaiser. — In dem vielgeliebten Baxter, den Ich beweine und um den mit Mir Mein königliches Haus in tiefstem Schmerze trauert, verlor Preuße» und sein treues Volk seinen ruhmgekrönten König, die deutsche Nation den Gründer ihrer Einigung, das wicdererstandene Reich den ersten Kaffer. — Unzertrennlich wird Sein hoher Name verbunden bleiben mit aller Größe des deutschen Vaterlandes, in dessen Neubcgründuiig die ausdauernde Arbeit von Preußens Volk »nd Fürste» ihren schönsten Lohn gefunden hat. — Indem König Wilhelm mit nie ermüdender landesväterlicher Fürsorge das preußische Heer ans die Höhe seines ernsten Berufes erhob, legte er den sicheren Grund zu den unter Seiner Führung errungenen Siegen der deutschen Waffen, aus denen die nationale Einigung hcrvorging. Er sicherte dadurch dem Reiche eine Machtstellung, wie sie bis dahin jedes deutsche Herz ersehnt, aber kaum zu erhoffen gewagt hatte. — Und was Er im heißen opfcrvollen Kampfe Seinem Volke errungen, das war Ihm beschickten durch die lange Friedeiisarbeit mühevoller Negiernngsjahre zu befestigen und segensreich zu fördern. Sicher in seiner eigenen Kraft ruhend, steht Deutschland geachtet iin Rothe der Völker und begehrt nur des Gewonnenen in friedlicher Entwickelung froh zu werde». Daß dem so ist, verdanken wir dem Kaiser Wilhelm, Seiner nie wankenden Pflichttreue, Seiner unablässige», nur dem Wohle des B terlandcs gewidmete» Thätigkeit, gestützt auf die von dem preußi schen Volke unwandelbar bewiesene und von allen deutschen Stämmen gctheilte opferfreudige Hingebung. — Ans Mich sind nunmehr alle Rechte und Pflichten übcrgegangen, die mit der Krone Meines Hauses verbunden sind und welche Ich in der Zeit, die nach Gottes Willen Meiner Negierung beschicken sein mag, geireulich wahrzunehmen ent schlossen bin. — Durchdrungen von der Größe Meiner Aufgabe, wird es mein ganzes Bestreben sein, das Werk in dem Sinne fort zuführen, in dem es begründet wurde, Deutschland zu elücin Horte des Friedens zu machen und in Ucberemstiinmnng mit den ver bündeten Regierungen, sowie mit den Vcrfassungsmäßipen Organen des Reiches, Wie Preußens, die Wohlfahrt des deutschen Landes zu Pflegen. Meinem getreuen Volke, welches durch eine Jahrhundert lange Geschichte in gute», wie iü schweren Tagen zu Meinem Hause gehalten hat, bringe Ich Mein rückhaltloses Vertrauen entgegen, denn Ich bin überzeugt, daß ans dem Grunde der untrennbaren Verbindung von Fürst und Volk, welche unabhängig von jeglicher Veränderung im Staatenlcben das unvergängliche Erbe der hohen- zollernschen Regierung war, Ich nunmehr berusen bi», und gelobe, ein gerechter und in Freude, wie im Leid ein treuer König zu sein. — Gott wolle Mir Seinen Segen und Kraft zu diesem Werke gebe», dem fortan mein Leben geweiht ist! Berlin, 12. März. Kaiser Friedrich III. Noch höheres Interesse beansprucht der zweite Erlaß, de» Kaiser Friedrich an den Reichskanzler und Präsidenten des Staalsniinisteriums Fürst Bismarck gerichtet hat; derselbe lautet: Mein lieber Fürst! Bei dem Antritt Meiner Regierung ist es Mir ein Bedürfniß, Mich an Sie, den langjährigen, vielbcwährten ersten Dieners Meines in Gott ruhenden Herrn Vaters zu wenden. Sie sind der treue und muthvolle Rathgcber gewesen, der den Zielen Seiner Politik die Form gegeben und deren erfolgreiche Durchführung gesichert hat. Ihnen bin Ich und Ihnen bleibt Mein Haus zu warmem Dank verpflichtet. Sie haben daher ein Recht vor Allen z» wissen, welches die Gesichtspunkte sind, die für die Haltung Meiner Negierung maßgebend sein sollen. Die Verfassung und Rechtsordnung Des Reiches und Preußens müssen vor Allem in der Ehlsnrcht und in dem System der Nation sich befestigen, es sind daher Erschütterungen möglichst zu vermeiden, welche häufigen Wechsel der Staateeinrich- tuiigen und Gesetze veranlasse». Die Förderung der Aufgabe» der Neichsrcgieruiig muß die festen Grundlagen unberührt lasse», auf denen bisher der preußische Staat sicher geruht hat. — Im Reich sind die verfassniigsmäßige» Rechte aller verbündeten Negie rungen ebenso gewissenhaft zu achten, wie die des Reichstags, aber von vcidcn ist eine gleiche Achtung der Rechte des Kaisers zu er heischen; dabei ist im Auge zu behalten, daß diese gegenseitigen Rechte nur zur Hebung der öffentlichen Wohlfahrt dienen sollen, welches das oberste Gesetz bleibt, und daß den neu hervortretenden unzweifelhaften nationalen Bedürfnissen stets in vollem Maße Genüge geleistet werden muß. Die »othwendige und sicherste Bürgschaft für ungestörte Förder ung dieser Aufgaben sehe Ich in der uiigeschwächtcn Erhaltung der Wehrkraft des Landes, Meines ererbten Heeres und der oufblülienden Marine, der durch die Gewinnung überseeischer Besitzungen Pflichten erwachsen sind. Dieselben müssen jeder Zeit auf der Höhe der Aus bildung und der Vollendung der Organisation erhalten werden, welche deren Ruhm begründet hat und welche deren fernere Leistungsfähigkeit sichert. Ich bin entschlossen, im Reiche und in Preußen die Regier ung unter gewissenhafter Beobachtung der Bestimmungen von Reichs und Landesverfassung zu führen; dieselben sind von Meinen Vorfahren auf dem Throne in weiser Erkenntniß der unabweisbaren Bedürfnisse und zu lösenden schwierigen Aufgaben des gesellschaftlichen und staatlichen Lebens gegründet worden und müssen allseitig geachtet werden, um ihre Kraft und segensreiche Wirksamkeit bethätigen zu können. Ich will, daß der seit Jahrhunderten in Meinem Hause heilig gehaltene Grundsatz religiöser Duldung auch ferner alle Meinen Unterthanen, welcher Religionsgemeinschaft und welchem Bekemltniß sie auch angehören, zum Schutze gereiche. Ein Jeglicher unter ihnen steht Meinem Herzen gleich nahe, haben doch Alle gleichmäßig in den Tagen der Gefahr ihre volle Hingebung bewährt. Einig »>it den Anschauungen Meines Kaiserlichen Vaters werde Ich warm alle Bestrebungen unterstützen, welche geeignet sind, das wirth- schaftliche Gedeihen der verschiedenen Gesellschaftsklassen zu heben, die widerstreitenden Interessen derselben zu versöhnen und un vermeidliche Mißstände nach Kräften zu mildern, ohne doch die Erwartung hervorzurufen, als ob es möglich sei, durch Eingreifen de» Staates allen Uebeln der Gesellschaft ein Ende zu mache». Mit den sozialen Fragen enge verbunden erachie Ich die der Erziehung der Heranwachsenden Jugend zugewandte Pflege. Muß einerseits eine höhere Bildung immer weiteren Kreisen zugänglich gemacht werden, so ist doch zu vermeiden, daß durch Halbbildung ernste Gefahren geschaffen, daß Lebensansprüche geweckt werden, denen die wirth- schastlichen Kräfte der Nation nicht genügen können, oder daß durch einseitige Erstrebung vermehrten Wissens die erziehliche Aufgabe unberücksichtigt bleibe. Nur ein auf der gesunden Grundlage von Gottesfurcht in einfacher Sitte aufwachsendes Geschlecht wird hin reichende Widerstandskraft besitzen, die Gefahren zu überwinden, w.lche in einer Zeit rascher wirthschaftlicher Bewegung durch die Beispiele hochsteigender Lebensführung Einzelner für die Gesammt- hctt erwachsen. Es ist Mein Wille, daß keine Gelegenheit versäumt werde, in dem öffentlichen Dienste dahin einzuwirken, daß der Versuchung und niiverhältnißmäßigem Aufwands entgcgengelreten werde. Jedem Vorschläge in finanzieller Reform ist Meine vor- urtheilsfreie Erwägung imsVoraus gesichert, wenn sich nicht durch die in Preuße» altbewährte Sparsamk.it die Auflegung neuer Lasten umgehe» und eine Erleichterung der bisherigen Forderungen herbei- ührcn läßt. Die größeren und kleineren Verbänden im Staate ver liehene Selbstverwaltung halte Ich für ersprießlich, dagegen stelle ^ch es zur Prüfung, ob nicht das diesen Verbänden gewährte Recht der Steuerauflagen, welches von ihnen ohne hinreichende Rücksicht auf die gleichzeitige, von Reich und Staat ausgehende Belastung geübt wird, den Einzelnen unverhältnißmäßig beschweren kann. In gleicher Weise wird zu erwägen sein, ob nicht in der Gliederung der Behör den eine vereinfachende Aenderung zulässig erscheint, in welcher die Verminderung der Zahl der Angestellten eine Erhöhung ihrer Bezüge ermöglichen würde. Gelingt es, die Grundlagen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens zu erhalten, so wird es Mir zu besonderer Genugthuung gereichen, die Blüthe, welche die deutsche Kunst und Wissenschaft in so reichem Maße zeigt, zu voller Entfaltung zu bringen. Znr Verwirklichung dieser Meiner Absichten rechne Ich auf Von Geschlecht zu Geschlecht. Erzählung von W. Widdern. Fortsetzung. Nachdruck verboten. „Der könnte sich noch an Julia Onida erinnern," meinte Lotte Gröiiing mit vibrirender Stimme, als sie den Arm ihres jungen Schützlings in den ihren legte und beide nun rüstig durch die schmalen Straßen mit ihren niederen Häusern fürbaH schritten. Der alle Handwerksmeister war bald aufgefuiiden, und zur Freude der beiden Damen zeigte er sich ihnen als ein geistig noch ganz frischer Greis, wenn seine Erscheinung auch den denkbarste» körperlichen Verfall zeigte. Meister Minetti wohnte bei seiner Enkelin, einer ehrsame» Schneiderswittwe, und nahm gerade (sein einfaches Mittagsmahl ein, als die beiden Damen zu ihm in das Stübchen traten. Fräulein Lotte machte den Alten ohne lange Vorrede sofort mit der Veranlassung ihres Kommens bekannt und ersuchte ihn in ihrer freundlichen Weise, recht ernsthast darüber nachzudenke», ob er nicht i» seiner Jugend «ine gewisse Julia Onida gekannt habe, die hier im Orte Heiincithsrechte besessen habe. Der Greis fuhr fast freudig von -feinem Sitze -auf, und während seine Enkelin den vornehmen Besuch zum Platznehmen nöthigte, sagte er: „Julia Onida? Gewiß habe ich die gekannt, — o, und genau, — sehr genau! Signora Maria Onida, ihre Tante, wohnte ja bei meinen Elter», und mit der Julia habe ich als halbwüchsiger Bursche gespielt. Wir waren so ziemlich in einem Atter." „Arme Julia," setzte er dann nach kurzer Pause bedauernd hinzu, „sie hat ein gar trauriges Ende nehmen müsse». Doch wenn es Sie interessirt, Signora, will ich ihnen Näheres darüber erzählen ! Sehen Sie," sagte er, nur zu Lotte Gröniug gewendet, da diese ihn angc- redet hatte, während Angelica schweigend a» ihrer Seite gestanden hatte. Die Comtesie war der italienischen Sprache nicht in dem Um fange mächtig, um sich einem Eingeborenen des Landes vollständig verständlich zu machen; dennoch aber Lermochte sie in Folge ein gehender Studie», die sie seiner Zeit unter der Leitung Lotte Grö nings gemacht, fast jedes Wort des Erzählenden zu verstehen. „Sehen Sie," sagte der Alte also jetzt, „die Julia war das schönste Mädchen in ganz B. Ja, es gab weit über die Grenzen unjercs Städtchens hinaus keine, die ihr in dieser Beziehung, so zu lagen, das Wüster reichen konnte. Aber -sie war auchlugendhaft und die sittcnreinste unter allen, fast zu stolz und spröde, sodaß ihr die Männerwelt des Ortes bald den Rücken wandte. Sie sahen ja doch alle, daß die Julia n cht mit sich spielen ließ, und an das Heirathen dachte ihr gegenüber Keiner. Gebenedciete! Das Mädchen war ja so arm! Jahre vergingen den beiden Frauen in angestrengter Ar beit. Da eines Tages wurde die Kleine von ihrer Tante nach N. gesandt, um dort allerlei Material zu den Stickereien einzukaufen, die sie und Julia verfertigten. Diese kleine Reise aber bestimmte das Schicksal der Aermsten. In N. lernte sie nämlich eine» junge», ele ganten Deutschen kennen, der alsbald fast der tägliche Gast in diesem Hause war. Ja, in diesem Hause, Signora, — und, was noch mehr sagen will, in dieser Stube, den» die alte Maria Onida bewohnte das kleine Quartier, in welchem ich jetzt mit meiner Enkelin Hanse. „Der fremde Herr, — er nannte sich Stegmüll.r, ich glaube Leo Stcgmüller, — that schön mit der hübschen Julia, die sich auch für ihn zu interessiren schien, — und da er sehr reich war, begün stigte Signora Maria das Verhältnis;. Doch — zu böser Stunde — verschwand das junge Mädchen plötzlich ans dem Hanse, und hier mit hörten auch die Besuche des De ttsche» ans. Wir wußten alle, was die Glocke geschlagen hatte. Signora Maria aber war außer sich darüber, wie ihre Nichte mit dem fremden Mann gehen konnte, ohne daß er sie zu seinem Weibe gemacht. „Darüber verging manches Jahr. Die Julia war verschollen, auch ihre Tante gestorben, und kein Mensch sprach mehr von der alten Geschichte. Da — es war an einem heißen Sommcrmvrgen, ich erinnere mich seiner »och ganz deutlich, — trat in meine Wcrk- stättc Plötzlich ein bleiches, verdünntes Weib, a» ihrer Hand ei» kleines, vielleicht zweijähriges Mädchen. Die Kleidung der Beide» war ans thcure» Stoffen verfertigt, aber jetzt beschmutzt und zerlumpt Anfangs erkannte ich die Frau nicht,-die mich mit so starren, »»heim lichen Blicken maß Dann aber schrie ich entsetzt auf: „Julia,— Ihr? Julia Onida, wo in aller Heilige» Namen kommt Ihr her, und wer brachte Euch in diese Verfassung?" „Ein -grelles Lachen antwortete mir. „Julia Onida ?" rief das arme Ge chöpf, — „wer ist das? Ich bin Madame Siegmüller — und auch nicht Madame Stcgmüller; eine Gräfin bin ich, hört Ihr, eine Gräfin!" „Dabei lachte sie wieder so laut und so schrill und schaute so unheimlich aus de» tiefliegenden Augen, daß es mir endlich klar üvnrde, ich hatte .es mit einer Wahnsinnigen zu thun." „Uno daun?" fragte Lotte Äröuing leise, auch jetzt mit vibri render Stimme, während Angelicas Blick gespannt an dem verfallenen Antlitz des alten Meisters hing. Minetti zuckte die Achseln. „Da ist wenig mehr zu sagen", erwiderte er traurig. „Man mußte die Aermste nach N. in das Irrenhaus bringen, wo sie auch bis zu ihrem Tode blieb. Sie starb übrigens bald; ihre letzten Worte aber sollen gewesen sein: „Ich heiße nicht Onida. nicht Slcgmüller; — ich bin die rechtmäßige Gemahlin des Grafen —" „Golo Rüle von Görgenstein!" sagte Angelica mit fliegendem Athem, als der Alte sinnend vor sich »iederblickte, anscheinend, um sich auf den Namen zu besinnen, mit dem die Unglückliche aus der Welt gegangen war. „Ja, ja, so sagte die Julia!" rief Minetti jetzt lebhaft, und »ach kurzer Pause fuhr er eifrig fort: „Und sie sagte es nicht zum- ersten Male; ilne Wahnidee» drehten sich ja »nr um den einen fixem Äeoankea, daß sie in England die Gemahlin Graf Görgensteins ge worden, dessen legitime Tochter auch ihr Kind sein sollte. Fragte man sie aber, wie der Ort hcche, an dem sie getraut worden, so lachte sie wieder und wußte ihn nicht zu nenne»." „Und was wurde ans der Kleinen?" fragte Lotte zögernd, von der Comtesie leise gebeten, anch noch diese Frage an den Alten zm richten. „Ach, das Würmchen! Von Hand zu Hand ging es, bis sich zuletzt vornehme Reisende des Kindes amiahine». Ich habe das arme Wese» nie wieder gesehen seit jenem erste» Morgen. Mit seiner Mutter kam es ja zugleich nach H. und hat unser Städtchen nicht wieder betreten. Sehr viel später freilich ist in ihrem Aufträge hier nachgeforscht worden. Es schien, daß dem armen Mädchen daran gelegen war, das Andenken der Mutter rein zu waschen. Gelungen aber ist ihr die gute Absicht nicht." Es war still geworden in dem kleinen Stübchen. Da faßte das alte Fräulein plötzlich die Hand des Greises und sagte leise, mit tiefer Erregung: „Meister, nun sagt mir aber auch, was hallet Ihr von dem allen? Glaubt Ihr, daß das Töchterchcn jenes niigliiälichen Ge schöpfe« legitim geboren, Julia eine verheirnthete Frau gewesen ist?" Der Alte kraute sich hinter den Ohre». „Die Wahrheit gestanden, nein! Ich denke mir, Julia ist zuerst von den gleißncrischen Versprechungen des galante» Herrn Stegmüller hintergange» worden, dann aber machte sie ein Gras Äörgenstcin zu. seiner Geliebten und —" M
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