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»7r erhob leine Stimme laut gegen diesen Unfug, aber er wurde durch Lärmen und Schreien wiederholt unterbrochen. So ver steht die jetzige Mehrheit deS HauseS die Redefreiheit. — Der Versammlung ist ein außerordentlich umfängliches Expose über die auswärtigen Angelegenheiten zugegangen, welche alle schweben den politischen Fragen eingehend und m dem Tone einer ge wissen Obervormundschast bespricht. Der Kaiser weiß eS, daß ihm ein vorwiegender Einfluß auf die Geschicke Europa s in die Hand gegeben ist und dieses Bewußtsein findet auch in den diplomatischen Aktenstücken geeigneten Ausdruck. In der deutsch dänischen Angelegenheit spricht sich daS Expoft weit entschiedener zu Gunsten Dänemarks aus, als man nach der bisherigen Haltung Frankreichs erwarten durfte. Auch die deutsche Reform frage ist in daS Bereich der Bettachtung gezogen und es fehlt dabei nicht an einem Hinweis auf „die europäischen Interessen und internationalen Rechte", welche nach der Ansicht der fran zösischen Regierung bei dieser Reform nicht aus den Augen ge setzt werden dürfen. Aus Toulon wird berichtet, daS Krieasministerium habe in allen Kriegshäfen Befehle zu möglichster Beschleunigung aller Schiffsbauten und Panzerungen der Schiffe erlassen. Ar beiten, die für sechs Monaten in Accord gegeben sind, sollen in drei Monaten vollendet sein. Französische Blätter dürfen über derartige Dinge nichts melden. Doch ist in diesen Tagen der Fall vorgekommen, daß ein Blatt in Marseille, welches ebenfalls über die Flottenrüstuugen berichtete und deshalb von der Re gierung wegen Verbreitung falscher Gerüchte verfolgt wurde, von den Gerichten freigesprochen worden ist. Großbritannien. Die aus London kommenden Nach richten stimmen darin überein, daß die Mitglieder des englischen Kabinets insgesammt von der Congreß-Jdee des Kaisers Napo leon wenig erbaut und weit mehr zu einer ablehnenden, als zu einer beistrmmenden Antwort geneigt sind. Dessenungeachtet hält man eine directe Zurückweisung der erhaltenen Einladung nicht für wahrscheinlich; man wird jedenfalls eine ausweichende Antwort ertheilen und die eventuelle Zustimmung an Bedingungen knüpfen, welche die Ausführung des französischen Planes wesentlich er schweren. Die englische Presse thut übrigens das Ihrige, um den Congreß zu bekämpfen, von dem sich die meisten Blätter nichts Gutes verspechen. Dänemark. Die neue Verfassung, welche die Einver leibung Schleswigs in das Königreich Dänemark decretirt, wurde vom Reichsrathe am 13. Nov. mit dem Zusatze, daß die Vor lage den 1. Jan. k. I. in Kraft treten soll, mit 41 gegen 16 Stimmen angenommen. Es waren somit in dem Rumpfreichs- rathe nur 57 Mitglieder zugegen, so daß die Minorität nur noch drei Stimmen bedurft hätte, um das Durchgehen der Ver fassungsänderung zu hindern. Die Zahl der Reichsräthe beträgt nämlich mit Einschluß der ausgetretenen schleswig'schen Mit glieder 80. Der König hatte sich am 10. Nov. durch eine Erkältung einen Anfall von Gesichtsrose zugezogen und mußte die beab- ichtigte Abreise von Glücksburg aufschieben. Das Uebel ver- chlimmerte sich an demselben Tage, an welchem das Ministerium >urch Annahme der neuen Verfassung seinen Triumph feierte, in bedrohlicher Weise und einen Tag später, am Nachmittag des 14. Nov., war der König nicht mehr unter den Lebenden. König Friedrich Vll., das letzte Glied aus dem Mannsstamme Friedrich 111. (des ersten dänischen Erbkönigs), war am 6 Oct. 1808 geboren und folgte seinem Vater, dem Könige Christian VUl. am 20. Jan. 1848 in der Regierung. Er war zweimal eben bürtig vermählt; zuerst (seit 1828) mit der Prinzessin Wilhelmine von Dänemark, von welcher er nach neun Jahren geschieden wurde -, dann vermählte er sich 1841 mit der Prinzessin Karoline von Mecklenburg-Strelitz, aber auch diese Ehe wurde 1846 wieder getrennt. Im Jahre 1850 trat der König mit der Jungfer Rasmussen, ernannter Lehnsgräfin von Danner, m eine morgana tische Ehe. Alle diese Bündmsse blieben kinderlos. Auf Grund des infolge des Londoner Protokolls 1853 publicirten neuen Erbfolge gesetzes (s. unter Deutschland) ist Prinz Christian von Glücksburg am 15. Nov. vom Balkon des ChristianSborger Schlosses als König Christian IX. proclamirt worden. Derselbe hat bereits den Eid auf die Verfassung geleistet und daS deutschfeindliche Ministerium ist im Amte geblieben. König Christian, welcher zeither ge wöhnlich der Protokoll-Prinz genannt wurde, ist am 8. April 1818 aeboren und seit 1842 rmt der Prinzessin Louise, Tochter des 1817 verstorbenen Landgrafen von Hessen-Kassel vermählt. Dieser.Ehe sind folgende drei Söhne entsprossen: Prinz Christian Friedrich (geb. 1843), dänischer Hauptmann, Prinz Georg (geb. 1845), König von Griechenland, und Prinz Waldemar (geb. 18§8). Rußland. Der Kaiser ist von einer länger« Reise im Süden deS Reichs am 14. Nov. nach Petersburg zurückgekehrt. Durch ein kaiserliches Rescript ist Großfürst Konstantin nunmehr seiner Stellung als Statthalter des Königreichs Polen enthoben und dessen bisheriger Stellvertreter, General v. Berg, zum wirk lichen Statthalter ernannt worden. — In Warschau haben, nach dem eine größere Anzahl von Gefangenen in daS» Innere deS Reichs abgeführt worden, neue Verhaftungen im ausgedehnten Maßstabe stattgefunden. Namentlich wurden sämmtliche Geistliche deS dasigen Franziskaner-Klosters nach der Citadelle gebracht. — Im Süden und Südosten des Königreichs sind neuerdings die Aufständischen wieder in vermehrter Zahl ausgetreten und es ist dort zu mehrfachen Einzelkämpfen gekommen, welche jedoch bei der entschiedenen Uebermacht der Russen meistenthells zum Nach theil der Polen ausgefallen sind. Amerika. Bei den Wahlen im Staate Newyork haben diesmal die Republikaner den Sieg davon getragen; die dem Süden günstige demokratische Partei hatte allein in der Stadt Newyork circa 15,000 Stimmen weniger. — Der deutsche Flücht ling Louis Blenker, welcher sich in der Uuionsarmee bis zum General aufschwang, vor einem Jahre aber entlassen wurde, ist am 31. Oct. auf seiner Farm in Rockland County verstorben. — Amtliche Ausstellungen geben die Truppenzahl, welche der Norden seit dem Ausbruch des Bürgerkriegs bis zum 1. Jan. d. I. ins Feld gestellt hat, auf 1,276,246 Mann an. Der Staat Newyork hat hierzu allein 222,845 Mann beigetragen. — Vom Kriegs schauplätze ist etwas von Belang nicht zu melden. Das Bom bardement gegen das Fort Sumter (vor Charleston) ist von den Unionisten m den letzten Tagen des Octobers vom Neuen ausge nommen worden und hat den Conföderirten vielen Schaden zugefügt. Bor der Festung. Humoristische Erzählung aus dem Leben von Eduard Gottwald. Sieben Jahre hindurch chatte die freundliche Provinzialstadt Niedau, in welcher ein königliches Schloß mit berühmtem Garten sich befindet, ein Bataillon Infanterie als Garnison gehabt, und nirgends hatten Bürger und Soldat so friedlich mit einander gelebt, als hier, obgleich so mancher der heirathSfähigen Söhne der brauberechtigten Bürgerschaft der Garnison im Stillen gegrollt, da in den Schichten des Mittlern und untern Standes der schmucke Soldat und Unteroffizier von Seiten des schönen Geschlechts derselben Bevorzugung sich erfreut hatte, welche in den vornehmen Kreisen den jungen unverheiratheten Offizier- des Bataillons zu Theil geworden war, und deren Liebesschwüre so manche Schöne Niedau's mit einem Entzücken erfüllte, wie es wonniger der leidenschaftlichste Opiumraucher Stambuls nicht empfunden, obgleich dieß bei den Erstem wie bei den Letztem sich häufig eben nur auch in Täuschung aufgelöst hatte. Da nahete der 7. October des Jahres 1842 und das Bataillon, bei welchem der Stab des Regiments sich befand, rückte mit klingendem Spiel zu den Herbstmanövern der Armee aus, um nie wieder in das freundliche Städtchen zurückzukehreu, denn Niedau, so war es höhern Orts beschlossen, sollte von nun an keine Garnison mehr erhalten. Stolz und schadenfroh lächelnd schritt des Tages darauf die junge Männerwelt einher, von denen so Mancher seine Schöne durch die stets mit Schwüren ewiger Liebe ausgerüsteten Vaterlandsvertheidiger verloren hatte; bang und wehmüthig verbarg manch' lieblich Kind die verweinten Augen in der finstern Küche, im dunkeln Kämmerlein und hinter den schützenden Fenstervorsetzern deS traulichen Wohnzimmers; still und öde ward es auf den Straßen, in den Liqueurläden und in den Bierstuben, auf dem Rathhauskeller und im Schieß Hause, im Casino und in der Harmonie, keine Wachtparade mehr, kein AuS- rücken zum Exerciren, kein Zapfenstreich zur höhern CnLtjvirnng