Volltext Seite (XML)
de- russischen Kabinetts eine Beleidigung der französischen Re gierung, die diese nicht ruhig hinnehmen könne. Bei alledem ist kaum zu glauben, daß Frankreich die russische Antwort als eine ihm direct zugefügte Unbill betrachten und sich zu einer Zurückweisung entschließen wird. Denn die polnische Frage ist bisher stets als eine europäische und nicht als eine französische aufgefaßt worden und jeder etwa zu unternehmende weitere Schritt wird daher wohl nur in Gemeinsamkeit mit England und Oesterreich erfolgen. Das in Paris mit großer Bestimmt heit auftretende Gerücht, als beabsichtige der Kaiser Napoleon die polnischen Insurgenten als kriegführende Macht anzuerkennen, entbehrt somit zur Zeit aller Begründung. Die Deputation aus Mexiko, welche nach Europa gekommen ist, um den Erzherzog Maximilian von Oesterreich die mexika nische Kaiserkrone anzubieten, wurde am 23. Sept, in Biarritz erwartet, um vom Kaiser Napoleon empfangen zu werden. Erst hierauf wird sich die Deputation nach Oesterreich begeben, um sich ihrer Mission bei dem Erzherzoge zu entledigen. Man will aus dem officiellen, vom Moniteur im Voraus angekündigten Empfange der Deputation beim Kaiser folgern, daß die An nahme der Krone von Seiten des Erzherzogs bereits gesichert sei. Hiermit stimmen auch die meisten Nachrichten aus Wien überein. Auch wird bereits von einer belangreichen Anleihe zu Gunsten Mexikos gesprochen, welche unter der Bürgschaft Frank reichs in nächster Zeit creirt werden soll und deren Betrag zum Theil zur Abzahlung der beträchtlichen französischen Kriegskosten verwendet werden würde. Großbritannien. Die englische Presse, welche sich mit wenigen Ausnahmen in der schleswig-holsteinischen Angelegenheit von jeher zu Gunsten Dänemarks ausgesprochen hat, ist in großer Bewegung darüber, daß nuw endlich einmal Ernst mit der Bundeserecution gemacht werden soll. Selbst die„Morninq- Post", das Organ Lord Palmerstons, warnt Deutschland vor jener Execution und meint, England, obwohl friedliebend, könne solchem Versuche „einer Erdrückung Dänemarks" nicht ruhig zusehen. Auf diese Drohungen ist indessen nicht viel zu geben; denn die Bundesexecution ist eine rein innere Angelegenheit Deutschlands, in welche sich das Ausland ohne Verletzung der bestehenden Verträge nicht mischen kann. Dänemark. Der neuerwählte König von Griechenland, Georg I., hat sich am 17. Sept, in Kopenhagen unter großen Festlichkeiten eingeschifft, um sich zunächst nach St. Petersburg zu begeben. Von dort wird der König den französischen und englischen Hof besuchen,, ehe er sich nach Griechenland einschifft. — Der dänische Kriegsminister hat Anfangs dieser Woche eine Bekanntmachung erlassen, welche die nöthigen Maßregeln zur Sicherung einer schnellen Entwickelung deL, Kriegsstärke der Armee anordnet. — Ueber den Eindruck, welchen die beim Bundestage beantragten Maßregeln in Kopenhagen gemacht, liegen noch keine Nachrichten vor. Rußland. Während im Königreiche Polen die strengste Militärherrschaft alle nationalen Regungen mit eiserner Hand darnieder hält, entwickeln sich in einem andern Theile des Czaaren- reichs, im Großfürstenthume Finnland, die ersten Keime eines neuen konstitutionellen Lebens. Nachdem in jenem seit 1809 an Rußland gefallenen Lande länger als fünfzig Jahre keine Volks vertretung getagt, hat am 18. Sept. Kaiser Alexander den ersten finnländischen Landtag zu Helsingfors mit einer Thronrede eröff net, welche von den versammelten Repräsentanten des Adels, der Geistlichkeit und des Bürger- und Bauernstandes mit lauter Begeisterung ausgenommen wurde. Nachdem der Kaiser die Gründe, welche dle Zusammenberufung des Landtags verhindert, auseinandergesetzt hatte, ging er auf eine Darlegung der Finanz lage des Großfürstenthums ein, die als eine allgemein befriedigende bezeichnet werden darf. Hieran knüpfte der Kaiser die Ver- sich!rung, daß künftighin, außer im Kriegsfall oder einem an deren unvorhergesehenen Unglück, keine Anleihe ohne ständische Genehmigung ausgeschrieben werden soll. Die Steuern, deren Erhebung den Ständen vorgeschlagen wird, sollen zur Hebung des Landeswohls und zur Beförderung des Volksunterrichts verwendet werden. Den letzten Theil der Thronrede lassen wir, seiner Bedeutsamkeit wegen, wörtlich folgen. Der Kaiser äußerte: „Manche Bestimmungen der Grundgesetze sind nicht mehr an wendbar auf den Zustand der Dinge, der seit der Vereinigung de- Großfürstenlhum- mit dem russischen Reiche eingetreten ist; andern fehlt eS an Klarheit und Bestimmtheit. In dem Wunsche, diesen Unvollkommenheiten abzuhelfen, beabsichtige ich Gesetzentwürfe aus- arbeiten zu lassen, welche Erläuterungen und Ergänzungen jener Be stimmungen enthalten und dem nächsten Landtage, den ich in drei Jahren einzuberufen denke, vorgelegt werden sollen. Das konstitu tionell-monarchische Prinzip aufrecht erhaltend, welche- den Sitten des finnischen Volke- innewohnt und das in allen seinen Gesetzen und Institutionen ausgeprägt ist, will ich in diese Entwürfe ein ausgedehntere-, al- das jetzt von den Ständen besessene Recht zur Ordnung der Steuervertheilung, so wie das Recht, Anträge zu stellen, das sie vor Alter- besessen, aufnehmen lassen, werde mir jedoch in allen Fragen, welche eine Aenderung der Grundgesetze betreffen, das Recht der Initiative Vorbehalten." „Sie kennen meine Gesinnungen, meine Wünsche für da- Glück und Gedeihen der meiner Fürsorge anvertrauten Völker; keine meiner Handlungen ist dazu angethan gewesen, das Berständniß zu stören, welches zwischen dem Souverän und der Nation herrschen soll. Ich wünsche, daß dasselbe fortdauere, daß es wie bisher eine Bürgschaft der guten Beziehungen sein möge, die mich mit dem braven und loyalen finnischen Volke verbinden. Es wird mächtig beitragen zu der meinem Herzen so theuern Wohlfahrt des Landes und mir einen Beweggrund mehr liefern, Sie in regelmäßiger Wieder kehr um mich zu versammeln." „An Ihnen ist es, durch die Würde, Mäßigung und Ruhe Ihrer Verhandlungen zu beweisen, daß in den Händen eines ver ständigen, zur Arbeit entschlossenen, mit seinem Fürsten in einem praktischen Sinne für die Entwickelung seiner Wohlfahrt einigen Volkes liberale Institutionen, weit entfernt eine Gefahr zu sein, viel mehr eine Bürgschaft der Ordnung und des Gedeihens werden." Finnland, dessen Marken sich fast bis vor die Thore Peters burgs ausdehnen, und dessen Bevölkerung schon längst ein freieres und volkstümliches Regiment erstrebt, hat somit Aussicht, in die konstitutionellen Bahnen einzulenken, wenn sich die kaiser lichen Verheißungen vollständig erfüllen und nicht unvorherge sehene Ereignisse die weitere Entwickelung des inneren Staats lebens von Neuem aufhalten. In Warschau ist am 19. Sept, ein Attentat gegen das Leben des interimistischen Statthalters, General v. Berg, verübt worden. Der General fuhr am Nachmittage mit seiner zahl reichen Begleitung durch die Krakauer Vorstadt und als er vor dem Zamoyski'sehen Palais anlangte, wurde aus einem Fenster dieses Gebäudes eine Orsini'sche Bombe herabgeworfen, welche mit großem Getöse platzte, ohne jedoch den General zu erreichen. Dagegen wurden durch dieses Geschoß ein Kosake und sieden Pferde verwundet. Sofort versammelte sich eine Menge Militär, Kosaken und Tscherkessen, und die Straße wurde an beiden Enden abgesperrt; die Soldaten drangen nun von beiden weiten nach dem Zamoyski'schen Hause vor, in welchem gegen 200 Familien verschiedenen Standes wohnen. Das Gebäude wurde förmlich erstürmt und in den Wohnungen die gräulichste Verwüstung angerichtet. Die kostbarsten Möbel wurden auf das Straßenpflaster geworfen und dort verbrannt. Erst um 10 Uhr Abends, als die obersten 3 Stockwerke des umfänglichen Palais ausgeräumt waren, kam der Befehl mit der Plünderung einzuhalten; das erste Stockwerk und die im Parterre befindlichen Läden blieben daher, mit Aus nahme eines Weinkellers, den die Kosaken plünderten, unange tastet. Sämmtliche Bewohner des ausgedehnten Zamoyski'schen Gebäude-Compleres, welche in ihrer Behausung anwesend waren, wurden in Hast genommen. Die Frauen sind am anderen Morgen entlassen, die Männer aber, 180 an der Zahl, nach der Citadelle abgeführet worden; bis jetzt scheint der Anstifter des Attentats noch nicht entdeckt zu sein, und die zahlreiche Bewohner schaft des Hauses, welche zum großen Theil alle ihre Habe verloren, wird für das Verbrechen eines Einzelnen zu büßen haben. Das Zamoyski'sche Palais ist sofort consiscirt und in eine Kaserne verwandelt worden. Seit dem 14. Sept, werden in Warschau die Steuern durch Execution eingetrieben. Jeder Restant erhält je nach der Größe seines Steuerbetrags eine größere oder kleinere Militärabtheilung