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besitz oher wesentlicher Aufenthalt im Wahlbezirk und seit dieser Zch Zahlung von 10 Thlr. jährlicher Grundsteuer oder 15 Thlr. (in großen) bez. 10 Thlr. (in mitteln und kleinen Städten) Steuer überhaupt (Gewerbe- und Personalsteuer u. s. w.) erfordert. Bei ererbten Grundstücken bedarf e- dreijährigen Besitzes nicht. ^,Nach wie vor sind übrigens die Mitglieder der Stadträthe und die Stadtverordneten ohne Rücksicht auf Ansässigkeit oder EMuS stimmberechtigt und wählbar „wegen der bei ihnen vor ausgesetzten Kenntnisse von den Stadtverhältniffen und wegen ihres vermutheten Interesses an dem Wohlstände der Städte" — wie es im älteren Wahlgesetze hieß. Offenbar, ist also das Stimm- und Wahlrecht in Städten erweitert, die Bevorzugung, ja theilweise Ausschließlichkeit der Angesessenen aufgehoben. Doch läßt sich nicht bergen, daß die Bestimmungen des neuen Wahlgesetzes immer noch exclusiv genug sind§ um «ine sehr bedeutende Anzahl tüchtiger intelligenter Bürger von der Wahl auszuschließen. Man denke an den hohen Ceysuö von 10 Thlr. für Wahlmänner, 15 Ehlr. für Abgeord nete, an die Gleichstellung der angesessenen Abgeordnetencandi daten zu 10 Ehlr. Grundsteuer mit den unangesessenen zu 15 Ehlr. Steuer in großen Städten. Ja, während auf der einen Seite daS neue Wahlgesetz einer großen Zahl Bürger die Betheiligung an der Landtagswahl eröffnet, giebt es auch nicht minder solche, denen ihr bisheriges Wahlrecht entzogen wird. Das sind die jenigen, die ein.Vermögen von 6000 Thlr. öder ein sicheres Einkommen vorl 400 Thlr. jährlich hatten. Nach den Tarifen zum Gewerbe- und.Personalsteuergesetz vom 23. April 1850 beträgt bei einem Einkommen von jährlich 400 Thlr. die Perso- nalsteuer 3 Thlr. 15 Nyr., also nur 15 Groschen mehr als daS Minimum für die Stlmmberechtigung zur Wahlmännerwahl. Nach eben diesem Tarife würde ein Vermögen von 6000 Thlr. bei gewöhnlichen Prozentsätzen kaum das Stimmrecht steigern. Wer z. B.,6000 Thlr. in 4prozentigen Staatspapieren besitzt, würde, wenn sonst kein Grund zur Besteuerung vorläge, nur nach seinem Einkommen von 240 Thlr. mit 1 Thlr. 25 Ngr. besteuert werden, mithin nicht nur auch jetzt noch unfähig sein, einen Wahlmann zu wählen, sondern auch sein früheres Recht, auf An melden mit in die Abgeordneten-Wahlliste ausgenommen zu wer den, entschieden verlieren. DaS ist allerdings eine Unzuträglichkeit mit der es thatsäch- lich nur deshalb nicht so schlimm steht,i weil die bisherige An meldungspflicht der Unangeseffenen eine selten gehandhabte war. Auf dem Papiere geht daher allerdings eine bedeutende Anzahl kleiner Rentner und Beamten der Wahlfähigkeit verlustig, tat sächlich nur wenige. Die bäuerlichen Wahlen erfolgten bisher in der Weise, daß alle Diejenigen berechtigt waren, Wahlmänner zu wählen, welche Eigenthümer eines mit Wohnsitz versehenen Landgrund stücks waren. Wahlmann konnte derjenige werden, dessen Grund stück mindestens 10 Thlr. Grundsteuer gab, Abgeordneter, wessen Grundstück mindestens 30 Thlr. Grundsteuer gab, und wer das lattdwirthschaftliche Gewerbe oder ein Fabrikgeschäft auf dem Land« als Hauptgewerbe trieb. Nunmehr sind zur Wahl von Wahlmännern nicht nur diejenigen Gemeindemitglieder berechtigt, welche Eigenthümer eines Grundstücks am Orte sind, sondern auch alle die Kemeinde- gKeder," welche 2 Ehlr. jährliche Steuern zahlen. Bäuerliche - Wahlmänner müssen 10 Thlr. jährlich Steuer zahlen, bäuerliche Abgeordnete seit 3 Jahren im Wahlbezirke angesessen und als GemeindemitgÜeder wesentlich wohnhaft sein, und 20 Thlr. jähr lich Grundsteuer entrichten. Es sind also die ersten, beiden Sta dien der Stimmberechtigung zu W.ahlmänner- und zu Abgeord neten-Wahlen nunmehr auch den unangesessenen Dorfbe wohnern eröffnet, sofern sie bez. 2 und 10 Thlr. Steuer zahlen. Das dritte Stadium, die Wahlfähigkeit zu Abgeordneten, steht nur Angesessenen zu, jedoch ist dabei der frühere Steuersatz von 30 Thlrn. auf 20 Ehlr. ermäßigt, und das frühere Erforderniß des Betriebes eines landwirthschaftlichen oder ländlichen Fabrik gewerbes beseitigt, dagegen dreijährige Ansässigkeit zur Voraus setzuna erhoben. Die zehn Vertreter des Handels- und Fabrikstandes werden, zu je zwei, in fünf Wahlbezirken gewählt, auch durch Wahlmänner. Für deren Stimmberechtigung wie Wählbarkeit als Wahlwänner und Abgeordnete ist ein EensuS von 24 Lhlrn. bei Kaufleute^ von 10 Thlrn. bei Fabrikanten gleichmäßig vorgeschrieben. Nur müssen die zu Abgeordneten Wählbaren seit drei Jahren ihren wesentlichen Aufenthalt im Lande haben und jene Steuer zahlen. r > Unter den allgemeinen Vorschriften deS neuen Wahlgesetzes über daS Wahlverfahren sind folgende hervorzuheben: Wer auf die Wahl durch Drohungen, falsche Vorspiegel ungen, Geschenke oder Versprechungen einzuwirken sucht, verliert das active, wie passive Wahlrecht für immer. Beamte, die sich das zu Schulden kommen lassen, werden überdies abgesetzt. Die Abstimmung erfolgt schriftlich und bei der Wahl von Abgeord neten nach vorgängigem Angelöbniß an EideSstatt, daß der Wahl mann seine Stimme nach bestem Wissen und Gewissen zum Wohle deS Lande- abgeben wolle. In Städten wie auf dem Lände wird auf je 500 Einwohner ein Mahlmann gewählt. Jeder Stimmberechtigte hat in der Regel so viel Personen zu bezeichnen, als Wahlmänner zu wählen sind. Doch können in größeren Städten kleinere Wahlabtheilungen gebildet werden. Dies die Hauptgrundzüge deS Gesetzes, das jedenfalls ein Fortschritt, wenn auch freilich nur ein sehr mäßiger, zu nennen ist. Läßt man das Prinzip, auf dem unsere Volksvertretung be ruht, gelten: die Theilung in die im bürgerlichen Leben längst beseitigten Stände der Rittergutsbesitzer, Bürger und Bauern, eine Theilung, welcher gegenüber die Vertretung des Handels- und Fabrikstandes ein modernes, dem Ständewesen fremde- Element darstellt; muß die Zusammensetzung der ersten Kammer die alte bleiben — so ist unter diesen gegebenen thatsächlichen Ver hältnissen jeder Luftzug freieren Leben-, den das neue Gesetz verheißt, mit Dank anzunehmen. Als ein definitives Wahlgesetz freilich, das den Bedürfnissen unserer Zeit vollauf genügt und auf die Lebensdauer eines Menschenalters berechnet ist, ist dies auf Ständesystem, Bezirkswahlzwang und hohen Census basirte Wahlgesetz nicht zu betrachten. Von diesem Gesichtspunkte aus wird immer lebhaft zu bedauern bleiben, daß die freisinnige Regierungsvorlage von 18"^ nicht damals zur Annahme gelangt und nicht später der Wahlreform zu Grunde gelegt worden ist. Jedenfalls wird man der Pflicht zur definitiven Revision der Verfassungsurkunde sich nicht allzulange mehr ent ziehen können, wobei denn auch die Vereinbarung eine- freieren definitiven Wahlgesetzes sich von selbst ergeben wird. Für jetzt wollen wir das Gegebene dankbar annehmen und von der hiermit erwei terten Wahlbefugniß durch Wahl tüchtiger, freisinniger Männer solchen Gebrauch machen, daß jene weiteren Forderungen schließ lich die Mehrheit erlangen. Selbst das freisinnigste Wahlgesetz hilft nichts, wenn die Wähler lässig sind, und umgekehrt lassen sich auch mit beschränkendem Wahlgesetze durch Energie und Ausdauer große Erfolge erzielen. ' A Dre-de«, den 23. Jull. — Das große Vogelschießen, welche- bit jetzt vom Wetter sehr begünstigt wurde, nimmt seinen gewöhnlichen Verlauf und die einzige Abänderung deS alten Programm- besteht darin, daß beim heu tigen Concert abwechselnd Gesangs-Productionen zum Vortrag kommen sollen. Für leibliche Erquickungen ist durch eine große Anzahl meist vortrefflicher Restaurationszelte besten- gesorgt; auch an Schaustet ungen fehlt eS nicht, obgleich die Mehrzahl derselben sich nicht überr da- Niveau de- Mittelmäßigen erhebt. Die chinesischen Jongleur-, das anatomische Museum und der Tausendkünstler Basch erfreuen sich eine- reichlichen Besuch-, und auch in der festlich au-geschmückten „Tonhalle", wo da- Musikchor der Leibbrigade concertirt, versammelt sich täglich ein zahlreiche- Publikum. — Am 17. Juli Abend- legte sich unweit von Niedersedlitz ein-junger Mensch über die Eisenbahnschienen, in der Absicht, sich von dem herankommenden Auge überfahren zu Lassen. Der vor sichtige Augführer gewahrte die- aber noch rechtzeitig, brachte den Jug zum Stehen und eS wurde hierauf der junge Mann festgenommen und verhaftet. — r AuS dem GerichtSsaale. Wie schon die vorige Woche nicht- brachte,-wa- der Erwähnung werth gewesen wäre, ist auch