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Preußen. Die in voriger Woche umlaufenden Gerüchte von einer bevorstehenden Auflösung oder Vertagung des^Ai-ge- orhnetenhauseS sind insofern nicht ganz unbegründet gewesen, alS eine derartige. Maßregel vom Ministerium allerdings angeregt, an höchster Stelle aber nicht genehmigt worden ist. ^Jn einem Artikel des offieiellen Staatsanzeigers, in welchem daS Abge ordnetenhaus wegen seiner angeblichen ungebührlichen Ausschreit ungen und wegen der in der Debatte über die/polnische Ange legenheit vorgerommenen Verunglimpfung der Minister arg ab gekanzelt wird, ist denn auch ziemlich offen eingestanden, daß die .Regierung sich wirklich mit der Auflösungsfrage beschäftigt hat; denn es heißt in jenem Artikel: „Wenn die Regierung von ernsten Schritten in dieser Beziehung vorläufig Abstand nimmt, und die Selbstverläugnung übt, sich möglicherweise der Wieder holung verletzender Verhandlungen auszusetzen, so dürfte eS nur in der Absicht geschehen, ihrerseits noch die Möglichkeit offen zu halten, zur verfassungsmäßigen Regelung der Kinanzverwaltung für 1863 zu gelangen.^ Das Abgeordnetenhaus soll hiernach nur das Budget fertig machen, und wenn die nöthigen Gelder verwilligt sind, so wird man es entlassen, unbekümmert, ob in den übrigen noch vorliegenden'Gesetzgebungsfragen ein Einver- ständniß erreicht wird, oder nicht. Das budgetlose Regiment scheint demnach selbst dem Ministerium Bismarck auf die Länge der Zeit nicht durchführbar zu sein, und in der That sollen sich die dadurch in allen Verwaltungsbranchen hervorgerufenen Verlegen heiten mit jedem Tage steigern, da für die außerordentlichen Aus gaben die verwilligten Mittel fehlten. Wenn aber das Budget zu Stande kommen soll, so wird das Herrenhaus sich entschließen müssen, seine im vorigen Jahre geübte Praxis zu verlassen und sich in die Annahme des von dem Abgeordnetenhause mehrfach herabgesetzten Staatshaushalts zu fügen. Die Regierung wird eS dann ihrerseits wahrscheinlich der Zukunft überlassen, dle schon jetzt in Aussicht genommenen Etatsüberschreitungen, die verfass ungsmäßig nur für unvorhergesehene Fälle zulässig find, zu recht fertigen, ein Verfahren, welches freilich mit der Verfassung nicht in Einklang zu bringen ist. ? . . Der von der Regierung vorgelegte Gesetzentwurf über die Regelung der Militärfrage wird, obgleich er in der Majorität des Abgeordnetenhauses keine Zustimmung finden kann, nicht einfach abgelehnt, sondern in dem Sinne amendirt: werden, wie die Reorganisation des Heeres nach den schon früher kundgegebenen Ansichten gewünscht wird; namentlich wird das Haus bei der Forderung einer zweijährigen Dienstpflicht stehen bleiben. Um aber der Regierung nicht Gelegenheit zu geben, ihre Pläne trotz der mangelnden Bewilligung mittelst Etatsüberschreitungen durch zusetzen, wird wahrscheinlich die Budgetberathung über den Armee- Etat so lange ausgesetzt bleiben, bis die Militärnovelle erledigt ist. Der Hauptmann v. Besser in Graudenz, welcher bekanntlich durch die harte Behandlung seiner Compagnie dieselbe zum offenen Ungehorsam trieb, ist am 4. März als geisteskrank einer Irrenanstalt übergeben worden Sein Vater befindet sich schon seit 20 Jahren als unheilbar in derselben Anstalt, und die Krank heit des Hauptmanns soll sich schon vor mehreren Jahren ge zeigt haben, i Bestätigt sich der letztere Umstand, so hofft man, daß die zu langen und schweren Strafen verurteilten Soldaten der betreffenden Compagnie eine Linderung ihres unglücklichen Looses erwarten dürfen. - r - 7 s. Aus der Provinz Posen sind Anfangs dieses Monats eine große Anzahl meistentheils junger Leute, mit Waffen versehen, über die polnische Grenze gegangen, um sich dem dortigen Auf stande anzuschließen. Die preußischen Truppen suchten diesen Zuzug zu verhindern, wobei es zu einem Zusammenstöße kam, bei welchem auf beiden Seiten von den Waffen Gebrauch gemacht wurde. Biele der Zuzügler wurden gefangen genommen und in Verwahrsam gebracht. Eine Schaar wurde, nachdem sie auf polnischem Gebiete mit den Russen ein Gefecht gehabt, über die Grenze zurückgedrängt und dort von den preußischen Truppen angehalten und zersprengt. Eine kleine Zahl der Insurgenten wurde gefangen genommen und mehrere Wagen mit Munition und Waffen sielen in die Hände der Preußen. Bei diesen Schar mützeln sind mehrere Soldaten und ein Offizier verwundet worden. Der Zuzug ist augenscheinlich ein längst vorbereiteter gewesen, denn gegen zweihundert der jungen Leute waren beritten und trugt« vollständige Uhlanen-Uniform.^Deffenungeachtet scheut sich der officielleStaatsanzeiger nicht, diese Betheiligung preußischer Staats angehörigen an dem polnischen Aufstande als eine Folge dero DedattenDim Abgeordnetenhause zuibezeichnen, die erst wenige» Stunden vorher, ehe jener Zuzug erfolgte, zum Abschluß ge kommen war. Oesterreich. Wie Wiener Blätter berichten, ist nunmehr von höchster Stelle an den ungarischen Hofkanzler, den Grafen Forgach, die Aufforderung ergangen, seine Vorschläge zur Lösung der ungarischen Verfaffungsfrage endlich zu formuliren. Gleichzeitig erfährt man aber auch, daß eS der entschiedene und feste Wille deS Kaisers sei, die 1848er Gesetze auf keinen Fall alS AuS- gleichungSpunktt anzuerkennen. Der Kaiser hat die Begründung eines Oesterreichischen Museums für Kunst und Industrie m Wien angeordnet, in welchem geeignete Kunstgegenstände zur Förderung der vaterländi schen gewerblichen Thätigkeit ausgestellt werden sollen. Der Hof selbst wird mit gutem Beispiele vorangehen und die Samm lung mit interessanten Gegenständen, welche zeitweise dargeliehen werden, bereichern. Der Adel, die Gemeinden rc. werden aufge fordert, zur Förderung der guten Sache ein Gleiches zu thun. Jtsliea. Mit der Unterbringung der neuen italienischen Anleihe wird eS besser gehen, als man anfaugS hoffte. Der Senat zu Turin hatte am 9. März die DiscuMon über den hierauf bezüglichen Gesetzentwurf begonnen, welcher bekanntlich von der Deputirtenkammer bereits genehmigt worden ist. Aber schon vorher wurden Unterhandlungen mit mehreren Bankhäusern angeknüpft, und unter diesen scheint das Haus Rothschild geneigt, den größten Theil des Anlehens, man spricht von b(X) Mlll. Fr., zu übernehmen, während der Rest von 300 Millionen auf dem Wege der Subscription aufgebracht werden soll. Schon das Gerücht von der Willfährigkeit Rothschilds, auf die Sacke ein zugehen, hat die italienischen Course gehoben, und der Abschluß mit jenem Bankhause würde unstreitig dem Kredite der Regierung sehr nützlich sein, während Rothschild. dabei sicherlich auch ein gutes Geschäft machen wird. Ob die Gläubiger, in deren^ Hände die Anlehenscheine übergehen, eben so gut fahren werden, läßt sich freilich nicht verbürgen. . ' In Rom ist es beinahe zu einem Ministerwechsel gekommen. Der Sekretär der katholischen Höfe bei der pästlichen Pfründen- kammer, Herr Fausti, war auf Befehl des Kriegs- und Justiz- ministers verhaftet worden, waS zu einer Beschwerde des fran zösischen Gesandten Anlaß gab. Kardinal Antonelli, welcher alS Staatssekretär die auswärtigen Angelegenheiten leitet und zu den ältesten und einflußreichsten Rathgebern des Papstes gehört, war nun über jene ohne sein Wissen vorgenommene Verhaftung so erzürnt, daß er augenblicklich seine Entlassung einreichte^^Der Papst, welcher deshalb Thränen vergossen hat, weigerte sich jedoch beharrlich, die Demission anzunehmen, und so ist denn schließlich eine Ausgleichung versucht worden. Fausti ist seitdem wieder entlassen worden; über die eigentliche Ursache seiner Verhaftung, welche letztere der Kriegsminister Merode hauptsächlich betrieben zu haben scheint, erfährt man nichts Genaueres. — Graf Osten- Sacken ist als Abgesandter des Kaiser- von Rußland in Rom angekommen, um die päpstliche Regierung zu bestimmen,,, hen aufständischen Polen gegenüber eine andere Haltung anzunehmen, da die offene Sympathie, welche der Papst im katholischen Interesse dem Aufstande zuwendet, nicht ohne Einfluß auf daS Verhalten der polnischen Geistlichkeit bleibt. Der Papst und Kardinal Antonelli wollen indessen auf die Forderungen Rußlands nicht eingehen und man erwartet sogar, daß die im Consistorium vom 16. März zu erlassende Allocution einen Passus zu Gunsten her Polen enthalten werde. roeri Im ehemaligen Königreiche Neapel will eS mit der Aus rottung des Brigantenwesens noch immer nicht recht vorwärts gehen. Neuerdings sind wiederum kleinere Detachements von Truppen und Nationalgarden durch größere Räuberbanden über fallen und überwältigt worden. ;Jn Benevent wurde ein Offizier mit 12 Soldaten durch den berüchtigten Bandenführer Chiavone umgebracht; diese und ähnliche Gewattchätigkeiten.haben den Generalgouverneur Lamarmora veranlaßt, sich selbst in jene Pro-