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Schwindel frechster Sorte zu thun hat, aber Niemand wagt, ein- zuschreiten oder dieser Ueberzeugung Worte zu leihen, aus dem einfachen Grunde, weil Niemand wissen kann, ob nicht doch in einer vergessenen Stunde die kaiserliche Hand eine solche Karte leichthin entworfen, oder Napoleon III. in zwangloser Frühstücks plauderei für die Ausführung derselben sich ausgesprochen. hat. AlS ich einen hochgestellten Beamten fragte, weshalb man kein Dementi bei der Hand habe, zuckte er lächelnd die Achseln und meinte: „Sehen Sie, unsere Dementi's' dürfen wir nicht mißbrauchen; gestern dementirte der Constitutionnel den angeb lichen politischen Vertrag mit Holland, und gleich argumentirte die Gazette de France: „Die Regierung läßt in Abrede stellen, folglich muß etwas daran sein!" Aehnlicher Auslegung würden wir unS in diesem Falle zu versehen haben, und da schließlich das kartographische Produkt des Herrn Girardin und seiner Helfershelfer Niemandem geradezu schadet, so kann es schon neben vielem unwiderlegt Gebliebenen und doch schnell Vergessenen wohl noch mit unterlaufen." So weit mein Gewährsmann; aber ich bin gewiß, daß er mir seinen Hintergedanken verschwieg, der da lautete: „Und woher kann ich denn wissen, daß ich mit einem offiziellen Dementi dem Kaiser gerade einen Gefallen thue? Vielleicht hat er wirklich einmal eine ähnliche Idee gehabt, die Girardin durch einen „indiscreten Frühstücksgast aus Biarritz" in Erfahrung gebracht hat; jedenfalls bin ich sicher, daß mich Schweigen am allerwenigsten kompromittier, und so schweige ich!" Spanien. Zwischen der provisorischen Regierung und der Junta von Madrid sollen Differenzen entstanden sein. Wie es heißt, beabsichtigt die provisorische Regierung eine Volksab stimmung über die künftige Regierungsform vorzunehmen, während sie den Kortes nur die Wahl der Person überlassen will. Dagegen hat die Central-Junta eine Erklärung ver öffentlicht, welche zum Zweck hat, jeder Ueberstürzung und Un überlegtheit bei Veranstaltung einer Volksabstimmung vorzu beugen. Die Junta schlägt schließlich der provisorischen Re gierung vor,, sie solle die Erklärung abgeberr, daß es lediglich Sache der konstituirenden Kortes sei, über die Fundamentalfrage der Regierungsform zu entscheiden. Zum besseren Verständniß dieser Differenz sei bemerkt, daß die provisorische Regierung für das monarchische, die Junta dagegen für das republikanische Prinzip agitirt, und letztere wahrscheinlich von einer baldigen Volksabstimmung die Annahme der monarchischen Regierungs form fürchtet. Die demokratische Partei, an deren Spitze der Bürgermeister Rivero steht, welcher auch gleichzeitig Präses der Junta ist, hat in einer Versammlung vom 19. d. M. die föderative Republik als die einzig richtige Staatsform für Spanien bezeichnet und bei der Regierung beantragt: 1) sie solle erklären, daß alle Spanier sich vom 20. Lebensjahre ab im Vollbesitz aller politischen Rechte befinden; 2) Mittel aufzubringen behufs Veröffentlichung von Broschüren, welche alle Regierungsformen dem Volke erklären sollen und 3) politische Schulen für das Volk zu gründen. — General Prim hat in der französischen Presse abermals einen Brief veröffentlicht, in.welchem es u. A. heißt: „Die provisorische Regierung funktionirt ohne Schwierig keiten und ohne Hindernisse. Das spanische Volk zeigt, obgleich es theilweise mit Waffen versehen ist, große Mäßigung und beweiset den civilisirten Völkern, daß Spanien in mehr als einer Hinsicht für diese Aera der Freiheit und Größe reif ist." — Einem Ge rücht zufolge sollte auf Prim ein Attentat versucht worden sein, doch scheint sich dasselbe nicht zu bestätigen. — Bekanntlich wird die Abschaffung der Sklaverei in den spanischen Kolonien beab sichtigt. Die französische Gesellschaft für Emancipation der Sklaven, welche ihren Sitz in Paris hat, erließ deshalb an die provisorische Regierung zu Madrid folgendes Schreiben: Wir beschwören die neue Regierung von Spanien, ohne Verzug die Abschaffung der Sklaverei in allen spanischen Kolonien zu dekretiren und so den Fleck zu entfernen, welcher die Fahne dieser Nation be sudelt, der letzten Nation von Europa, welche noch menschliche Geschöpft verkauft, kauft und besitzt. Die Gerechtigkeit, die Mensch lichkeit, daS Evangelium gebieten diese große Maßregel. Die Er fahrung giebt die beste« Mittel zur Hand, sie auszuführen, ohne die Organisation der Arbeit zu stören. Die Pflanzer von Cuba und von Puerto Rico smd einsichtsvoll, edel und zum größten Theil im Voraus geneigt, die Emancipation der Sklaven anzunehme«, sowie auch diese Pflanzer selbst der politischen Freiheit würdig sind. Wir erwarten von Ihnen, meine Herren, ein Dekret, welchem in beiden Welten alle Freunde der nur allzulange gekränkten Gerechtigkeit ihren Beifall zollen werden. In einem Manifeste der Regierung an die diplomatischen Agenten im Auslande werden folgende Hauptpunkte aufgestellt: Die Nationalsouveränetät, Freiheit der religiösen Bekenntnisse, freundschaftliche Beziehungen zu den auswärtigen Mächten. DaS Manifest schweigt vollständig über die Frage der künftigen Regierungs form. — Wie zahlreich noch die Mitglieder der Familie Bourbon sind, welche Anspruch auf den spanischen Thron haben würden, wenn nicht der Volkswille sich einstimmig gegen diese Spröß- linge ausgesprochen, davon geben die „Debats" folgendes interessante Register: „Die Familie Isabella s besteht aus drei Linien, welche Karl IV. als gemeinschaftlichen Urheber haben, nämlich der Nach kommenschaft seiner drei Söhne, Ferdinand's VII., Vaters der Exkönigin Isabella, Karl Maria s (des bekannten Don Carlos) und Franz von Paula. Die älteste Linie, die Ferdinand's VI l., blieb durch die Abschaffung des salischen Gesetzes (Verbot der weib lichen Thronfolge) nach dem Tode desselben (1833) in der Person von Isabella an der Gewalt. Ihre Lhronentsetzung beruft ihren Sohn, den Prinzen von Astunen, auf den Thron. In Er mangelung dieses Prinzen, und wenn man das salische Gesetz als definitiv abgeschafft betrachtet, find die nächsten Thronerben Maria Isabella (geboren 1851), welche kürzlich den Grafen von Girgenti, Bruder des Exkönigs von Neapel, geheirathet hat, und die drei übrigen Töchter der Exkönigin Jffabella, welche von 1861 bis 1864 auf die Welt kamen. Werden die Kinder der Isabella ausgeschlossen, so fällt die Thronfolge auf die zweite Tochter Ferdinand's VII., die Infantin Marie Louise Fernande, Herzogin von Montpensier. Wenn die direkten Nachkommen Ferdinand's ausgeschlossen werden, so kommt die zweite Linie an s Ruder. Sie hat als Urheber den Bruder Ferdinand's V1I., nämlich den Jnfanten Karl Maria (1788 bis 1855), der mehr unter den Namen Don Carlos bekannt ist und welcher nach dem Tode seines Bruders sich König Karl V. nannte. Derselbe dankte 1845 die Krone, die er nie besessen, zu Gunsten seines ältesten Sohnes Karl ab. Dieser, der als Prätendent sich Graf von Montemolin nannte, und dem seine Anhänger den Titel König Karl VI. gaben, starb 1861 ohne Nachkommenschaft; sein Bruder, Don Juan (1822 geb.) auf den die Rechte der zweiten Linie übergingen, ist der nämliche Prinz, welcher vor einigen Tagen (am 3. Oct.) zu Gunsten seines Sohnes, des am 30 März 1848 geborenen Jnfanten Karl Maria abdankte, der bekanntlich unter dem Namen Karl VII. als Prätendent aufgestellt worden ist. Urheber der dritten, direkt von Karl IV. abstammenden Linie ist Franz von Paula, der 1794 geboren wurde und 1865 starb. Aus seiner ersten Ehe mit Louise Charlotte, Tochter Franz I. von Neapel (Großvater des 1860 entthronten Franz II.) stammen sieben Kinder. Davon sind vier zu citiren: 1) Der Jnfant Franz d'Assisi, der Gemahl der Exkönigin Isabella; 2) der Jnfant Enriquo Maria (geb. 1823), Vice-Admiral der spanischen Flotte; 3) Maria Christine Isabella, an den Jnfanten Don Sebastian (von dem weiter unten die Rede ist) verheirathet; 4) Amalie Philippine, seit 1856 an den Prinzen Adalbert von Baiern verheirathet. So die direkten Nachkommen Karls IV. Wenn dieselben alle beseitigt werden, so fällt die Thronfolge auf die übrigen Abkömmlinge der beiden anderen Söhne Karls »II., der 1788 starb. Diese sind 1) Ferdinand IV., König von Neapel, dessen direkter Nachkomme der Exkönig von Neapel, Franz II., ist, und 2) der Jnfant Gabriel Anton. Die heutigen Nachkommen Ferdinands IV. sind der Exkönig von Neapel und seine fünf Brüder, die Grafen v. Trani, v. Caferti, v. Girgenti (an die Tochter der Exkönigin Isabella verheirathet), v. Bari und v. Cal- tagirone. Der Nachkomme deS Jnfanten Gabriel Anton ist der oben erwähnte Jnfant Sebastian, welcher an Maria Christine Isabella, Tochter deS jüngsten Sohnes Karls IV. verheirathet ist. Derselbe hat vier Söhne, von denen der älteste erst 17 Jahre alt ist. Nach diesen haben nämlich die Bourbonen von Parma, welche die französischen Legitimisten mit Ausschluß der Orleans, auch als die wirklichen Erben ihres Heinrich V. (Grafen v. Cham-