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974 Frühjahr dieses Jahres habe die bairische Regierung-deshalb die nöthigen Schritte gethan, um eine defintive Regelung dieser An gelegenheit herbeizuführen und der Antrag Baierns habe all- seitige Zustimmung gefunden. ES sei jedoch als Zeit des Wieder zusammentritts erst der Herbst dieses Jahres in Aussicht ge-, nommen worden. * - --< Preußen. Der Aufenthalt des Königs Wilhelm in Ems nähert sich seinem Ende, denn nach den getroffenen Be stimmungen will derselbe am 12. oder 13. August schon in Homburg sein. Ueber die Dauer seines dortigen Aufenthalts steht noch nichts fest. — Der General Vogel v. Falkenstein ist vom Kommando des 1. Armeekorps zurückgetreten und an seine Stelle General v. Manteuffel zum Kommandirenden desselben Armeekorps ernannt worden. In seinem Abschied an das betreffende Korps sagt Vogel v. Falkenstein: „Es ist mir schwer geworden, zu scheiden; der große Eifer für den allerhöchsten Dienst, den ich überall gefunden, das sichtbare Bestreben, stets das Vorzüglichste zu leisten, dem ich jederzeit begegnet, hatten mir meine Stellung im Korps leicht und angenehm gemacht. Mein Bedauern über meine nunmehrige Trennung kann nur dadurch gemildert werden, daß einmal Verhältnisse beson derer Art und ein langbewegtes Leben es mir wünschenswerth erscheinen ließen, mindestens zeitweise mich der Ruhe hinzugeben und daß Se. Majestät diesem meinem Wunsche in der huld vollsten Weise gewillfahrt." Was es für „Verhältnisse besonderer Art" sind, die dem General seinen Abschied wünschenswerth erscheinen ließen, wird freilich nicht gesagt; aber fast möchte man glauben, daß seit der Erklärung des Staatsanzeigers über die Lamar- mora'sche Note die Emtracht zwischen der Regierung und der Militärpartei erschüttert worden sei. Wenigstens spricht man von einer Erbitterung der höheren Offiziere, die namentlich auch den General v. Moltke zum Rücktritt veranlassen würde, falls dem preußischen Generalstab für das Dementi des Staatsanzeigers keine Genugthuung geleistet würde. Auch die Ernennung des vor Kurzem erst zur Disposition gestellten Generals v. Manteuffel giebt mancherlei zu denken; denn bekanntlich wurde Manteuffel aus seiner früheren Stellung als Chef des Militär-Kabinets durch den Grafen Bismarck beseitigt. — Aus Tilsit wird gemeldet: In der Umgegend von Russisch-Georgenburg bei dem Dorfe Deine ist ein sehr umfangreiches, der Fürstin Wassilt- schikow gehöriges Torfmoor in Brand gerathen. Die vom Feuer ergriffene Fläche wird auf 2 Quadratmeilen geschätzt. Baiern. Die ofsiciöse „Süddeutsche Presse" erklärt sich gegen die Tendenzen der schwäbischen Demokratie, die beim Wiener Schützenfeste zu Tage traten, und bekämpft alsdann in einem längeren Artikel den Barth'schen Plan zur Errichtung eines süd deutschen Bundes, welchem Oesterreich beitreten solle. Ein solcher Plan, sagt das Blatt, sei unmöglich, da bei dem Eintritt Oesterreichs in denselben und der Verschmelzung mit dem Nordbunde die alte Nebenbuhlerschaft zwischen Oesterreich und Preußen wieder wachgerufen würde und alsdann nochmals blutig ausgekämpft werden müßte. Baden. Der Nachricht, daß Preußen die Verwaltung der ganzen Main-Neckar-Bahn übernehmen werde, tritt die „Karlsruher Ztg." mit einem Dementi entgegen. Ebensowenig sei in unter richteten Kreisen davon etwas bekannt, daß in naher Zeit die Verwaltung noch anderer badischer Bahnen in die Hand Preußens übergehen solle. Die einzige Veränderung seit dem Kriege von 1866 bestehe darin, daß Preußen als Rechtsnachfolger im Besitze der vormals freien Stadt Frankfurt a/M. Miteigenthümer ge nannter Bahnen geworden sei. Oesterreich. Nachrichten von politischer Bedeutung liegen aus dem Kaiserstaate nicht vor, dagegen verdient die vor treffliche Rede des Reichskanzlers von Beust, welche derselbe am Schluß des Schützenfestes über die Stellung Oesterreichs hielt, allgemeinste Verbreitung. Nachdem Herr v. Beust im Eingänge für den freundlichen Empfang auf dem Festplatze seinen Dank ausgesprochen, fuhr er werter fort: Meine Herren! Es war ein schönes, ein erhebendes Fest, das an dieser Stätte gefeiert wurde. Seine Erinnerung wird in den Herzen, ich denke, sie wird auch in den Geistern sortleben. Mußte ich dm Weihe tagen desselben fern bleiben, so war es mir um so mehr erwünscht, ihm wenigstens einen Scheidegruß widmen zu können, und e- ist viel leicht besser, daß ich hierzu und nicht zum Willkommen berufen war. Obwohl vorgerückt in Jahren, bin ich fähig der Begeisterung für Ver gangenes wie für Kommendes. Allein mein Beruf bringt es mit sich, daß ich überall die mäßigende Hand der Erfahrung über meine Ge fühle walten lasse. Diese auch ist es, meine Herren, welche mich heute leitet, wo ich zu Ihnen spreche, und doch — so hoffe ich — wird man meinen Worten anmerken, daß ich ein guter Oesterreicher geworden, ein guter Deutscher geblieben bin. (Stürmischer Beifall) — Ich komme eben jetzt aus einem jener herrlichen Thäler unserer Alpenwelt, da, wo inmitten gigantischer Berghöhen ein Wassersturz tosend und donnernd über den jähen Abhang sich ergießt, und wie es da zuweilen dem träumenden Wanderer geschieht, daß . er in diesem Getöse harmonische Melodieen zu vernehmen meint, so auch war es mir, als die Kunde der Festklänge dahin drang, als hörte ich aus den hoch anschäumenden Wogen den Schall der Begeisterung, und da stieg ich hinab in das tiefe Thal und sah, wie dieselben Fluchen, deren mächtigen Donner ich eben vernommen hatte, sich emsig und fleißig und unauf haltsam weiter bewegten, aber in geregelter Bahn und in ruhiger Klar heit. (Lebhafter Beifall.) — So auch, meine Herren, dachte ich, so mag, so wird der Volksgeist, wenn er im Augenblick der Begeisterung hochaufschäumend sich vernehmen läßt, dann in ruhige und feste Bahnen einlenken und in ihnen unaufhaltsam vorwärts dringen, bis er in der Ruhe des breiten, aber begrenzten Strombettes die Kraft findet, das Fahrzeug des Gemeinwesens sicher dahin zu tragen. So auch, und das, meine Herren, ist mein lebhafter Wunsch, so auch möge die Be geisterung, welche das nun abgeschlossene Fest in allen seinen Theil nehmern hervorgerufen hat, in dem weiteren Verlaufe seiner Folgen über die Klippen der Zwietracht und des Unfriedens hinweg in die ruhige Strömung des Friedens und der Versöhnung führen! (Beifall.) — Meine Herren! In dem Lande, dem ich früher angehörte, habe ich zwei große deutsche Nationalfeste mitgefeiert. Auch damals war Alles voll der edelsten Begeisterung, kein Mißton hat sie gestört und wie schön verschmolz nicht bei dem letzten jener Feste die Harmonie des Gesanges mit der Harmonie der Gedanken, der Gefühle, der Ge sinnungen ! Und kaum war ein Jahr vergangen und der Bürgerkrieg loderte in Hellen Flammen auf. Ja, man wird mir einhalten, das deutsche Volk war einig, aber seine Fürsten waren es nicht, seine Re gierungen waren eS, die sich entzweiten, die die Völker in den blutigen Kampf führten^ Großer und gewaltiger Jrrthum! In unseren Tagen wird kein Kabinetskrieg mehr geführt. (Stürmischer Beifall.) — Wer das behauptet, der kann eben so gut behaupten, daß, weil die Gewitter von oben herab sich entladen, sie in den obern Luftschichten erzeugt werden und nicht aus den Dünsten, die von unten nach oben empor steigen. (Beifall, Rufe: sehr gut!)-— DaS deutsche Volk war eben nicht einig. Freilich wollte Alles ein einiges, mächtiges, freies Deutsch land, aber wie dies zu schaffen sei, darüber dachte man anders im Norden und anders im Süden, anders in einem Theile des Nordens und anders in einem Theile des Südens. — Weil aber leider der Patteistandpunkt ein unbeugsamer ist und die vermittelnden Bestre bungen meist als nicht ebenbürtig behandelt werden, darum konnte es zu einem so gewaltigen Zusammenstöße kommen. — Möchten doch jene schmerzlichen Erfahrungen heute nicht vergessen sein! Schlagworte und Programme, so sehr sie den Richtungen des öffentlichen Geistes entsprechen mögen, sie können allein zur Förderung des Gemeinwohls nicht helfen, und selten frommen sie einer Verständigung über das gemeinsame Beste. Gerechtes und billiges Denken, entschlossenes und ehrliches Handeln, das ist eS, was die Parteien versöhnt (Beifall) und die Völker befreundet. (Lebhafter Beifall.) Oesterreichs Politik drängt sich hsute nicht mehrin d^Angelegenheit en Deutsch lands, und keine Gedanken der Wiedervergeltung sind es, die die Geister in diesem Reiche erfüllen (lebhafter Beifall), aber kein Vertrag hindert Oesterreich, durch das, was Volk und Regierung leisten und .schaffen, sich Achtung, Vertrauen und Zuneigung zu erwerben. — Die freie Entwickelung aller geistigen und materiellen Kräfte, welche heute weder die verkleinernde Mißgunst unserer Feinde, noch die ängst liche Schwarzseherei unserer Freunde dem Hellen Tage entziehen kann, ist keine diplomatische Action, die man als Jntrigue verdächtigt, sie ist die Arbeit des rechtschaffenen Mannes, der sich damit Ver trauen erwirbt. Möge, man uns nur-in dieser Arbeit nicht stören, und möge man unSj diese Arbeit durch eine offene ehrliche Sympathie