Volltext Seite (XML)
Daß diese Annahme eine -begründete LK, geht aus den stän dischen Berathungen zur Genüge hervor. Denn in dem ur- sprünglichen Entwürfe ging, wie aus den Erläuterungen des Herrn Gch. KirchenvathS vr. Keller (Leipzig, Tauchnitz) zu ersehen, die Abficht dahin, die Eigenschaften der Stimmberech tigung, da sie dem Principe nach kirchliche sein müssen, von den Ansichten und Beschlüssen politischer Korporationen nicht abhängig zu machen, und damit waren die ständischen Zwischen- drputativnen im Allgemeinen einverstanden. „Indessen," heißt eS an dem angegebenen Orte weiter, „genügte ihnen die erwähnte Bestimmung des Entwurfs nicht, sie glaubten vielmehr auch alle Diejenigen von der Stimm- und Wahlberechtigung ausschließen zu sollen, welche bei Wahlen der politischen Gemeinde davon ausgeschlossen sind, da eS einen eigenthümlichen Eindruck in der Gemeinde Hervorrufen müßte, sollten Männer im Kirchenvorstande fitzen, denm die Mitgliedschaften der Gemeindevertretung versagt ist, was zur Hebung des Ansehens der Kirchenvorstände in der Ehat nicht führen, duse vielmehr in der Meinung des Volkes nur herabsetzen könnte. Aus dieser Erwägung ist der von den Kammern MPenommene Zusatz hervorgegangen: „ oder von der Stimm - d^vechvignng b§i Wahlen der politischen Gemeinde ausgeschlossen sind." Nach dieser Erläuterung kann über die wahre Bedeutung der fraglichen -Vorschrift, welche nur Solche ausschließt, die ihre bürgerlichen Ehrenrechte verloren haben, ein begründeter Zweifel nicht mehr obwalten; bei alledem ist es aber nicht überflüssig, zur Vermeidung von Mißverständnissen, in der Presse besonders darauf hinzuweisen. Das Maß war überge- mit Lautem Auffchrei vücbvävtS Laumelle." ^Arthurhielt inne. ^Er^ß gebrochen da^ aber sein Auge blickte unheimlich glühend. „Und was .geschah?" fragte Heinrich -nach einiger Zeit. Ihm selbst war bei der Erzählung das-Blut in die Wangen geschaffen. steten den Blick auf mich, denn auch sie wußten längst, daß ich rmr gerufen wurde, um eine neue demüthigende Zurechtwessung gu empfangen. Mir schwindelte, als ich vortrat, so heftig gährte DS -in mir, denn das Maß des Erduldeten war längst voll, voll rbiS zum Ueberlaufen. „Premier-Leutnant Richter", wiederholte er Laut mit seiner schnarrenden, höhnenden Stimme, „der zweite cktnopf Ihrer Uniform ist halb abgerissen. Wenn Sie nicht wissen, was Ordnung ist, und wie man einen Knopf annäht, so werde ich Sie ein Vierteljahr zu dem Regimentsschneider in die Lehre schicken!" — Ich hörte mehrere der Soldaten lachen — es wurde mir schwarz vor den Auaen. Ich stotterte verlegen eine Ent schuldigung, daß sich her Knopf erst während des Ererzirens ge lockert habe, und dem war m der That so; die Erbitterung, welche mir fast die Brust zersprengte, hatte ihn halb abgerissen. ,Mnd ich sage Ähnen, PvemievHeutnant Richter, daß ich solche - Oottereien -in meinem Bataillone nicht-dulde!//schrie der Major Wäg. Da zuckte ^es kitr mir auf. — Das Maß war überge laufen — ich stand dicht vor ihm, ich hatte nicht Zeit, nicht Befirmung genug, - den Megen zu ziehen und oihn niederzustechen —- ich erhob den Arm — rch schlug ihm ms >Geficht, ? daß §r Tolle Streiche. Erzählung von Friedrich Friedrich. (Fortsetzung aus Nr. 54.) „Da," — fuhr Arthur in seiner Erzählung weiter fort — „eines Tages beim Exerziren bot der Major Alles auf, mich zu kränken. Er schimpfte und tadelte mich ohne jede Ursache. Nichts konnte ich ihm recht machen. Das Blut kochte in mir, die Brust drohte emr zu zerspringen. Den gemeinsten Soldaten behandelte er mit mehr Mücksicht, als mich, und ich war mir bewußt, daß ich mir nicht das Geringste hatte zu Schulden kommen lassen. Ick war -kaum noch im Stande, zu athmen, so gährte eS in mir — so mg wurde mir die Uniform. — Es war eine kurze Pause zur Echolung emgetreten, daS Gewehr am Kuß, standen die Soldaten -da. Er ^befand lsich in der Mitte vor der .Front mit mehrerm meiner ,Aameraden. „Premier-Leutnant Richter!" rief er plötzlich laut. Ich kannte bereits den Ton seiner Stimme; alle Soldaten rich- „WaS geschah?" wiederholte Archur mit bitterem Lächeln. „Ich wurde sofort verhaftet — ich ließ mich auch ruhiq verhüten. Dann wurde ich vor ein Kriegsgericht gestellt und Pas Urtheil lautete kurz: Degradirt zum Gemeinen und sechs Jahre. FestungS- strafe als Militärsträfling." „Das ist nicht möglich!" rief Heinrich, in dem das Rechtf- gefühl sich empörte. „Und Du hast nicht gesagt, wie Du mit Gewalt zu der That getrieben bist?" „Ich habe es gesagt, ich berief mich auf meine Kameraden, auf das ganze Bataillon, welches so ost Zeuge der Behandlung, die mir durch den Major widerfahren, gewesen war, und sie be zeugten auch, daß ich die Wahrheit gesprochen hatte." „Und dennoch!-^ rief Heinrich. „Und dennoch// wiederholte der Unglückliche langsam. „Dp kennst die Militärgesetze nicht// „Und der Major?" rief Heinrich frageyd. „Er wurde in ein anderes Regiment — in eine andere Stadt versetzt// „Er erhielt keine Strafe?" „Er wurde in ein anderes Regiment — in eine andere Staht versetzt," wiederholte Arthur langsam. — „Das war MeS! — weiter nichts!" „O, es ist empörend — empörend!" rief Heinrich autzeregt. „Und seit wann — seit wann bist Du hier?" „Schon länger als ein Jahr. Du blickst mich erstaunt an. Du begreifst nicht, wie ich das ertragen kann! Ö, auch ich begreife es oft nicht! Ich wollte Anfangs, als noch Alles frisch m mir lebte, meinem Leben gewaltsam ein Ende machen, ich wollte die sechsjährige Sträflingszeit mit einem einzigen Stoße in die Brust enden — der Entschluß stand fest in mir — da erblickte ich hier — hier ein Wesen — doch still davon! Du siehst, ich habe den Entschluß nicht ausgeführt, ich lebe noch, ich trage diese Jacke, und wenn ich vor den übrigen Sträflingen einige Bevorzugung und mildere Behandlung ge nieße, so verdarcke ich dies allein dem menschlichen Herzen des Kommandanten, der Mitleid mkt mir fühlt// Heinrich schwieg, er war nicht im Stande, etwas zu er- wiedern, so gewaltrg hatte ihn das Geschick seines Keundes erschüttert, dem einst Alle eine glänzende Zukunft prophezeiet«, well er vor all' seinen Kameraden durch reiche Kenntnisse und einen klar« Geist sich auszeichnete. „Doch wie kamst Du hierher?// fragte Arthur endlich. „Der Kommandant ist mein Onkel-" entgegnete Heinrich. „Ich bin schon seit Tagen hier und habe keine Ahnung davon gehabt, daß Du mit mir in den Mauern derselben Wälle lebst.// „Wer spricht von einem armen Sträfling," warf Arthur mit bitterem Lächeln ein. „Der Kommandant ist mÄd gegen - mich, vielleicht milder, als er sein darf. Er hat mir hier die Pflege dieses kleinen Gartens anvertraut, well er weiß, daß ich die Blumen liebe. -An einem Morgen jede Woche darf ich fr-h eine Stunde lang hier meine Lieblinge pflegen, darf hier pflanzen und gießen, und diese eine Stunde ist mein Festtag, an dem ich acht Tage lang zehre, wie ein Kind von der Hoffnung auf Weih nachten! Und meine Genossen beneiden mich noch darum — o — o ein Sträfling Hat ja keine Hoffnung und keine Freuden mehr!" Er barg daß Gesicht in beiden Händen, die Fassung, welche er bis dahin bewahrt hatte, schien ihn mit einem Male zu verlassen. Heinrich schlang den Arm um ihn und suchte ihn zu be ruhigen. Er versprach, all' seinen Einfluß aufzumeten, daß et begnadigt werde. ,-Jch will keine Gnade!// rief er, fast heftig auffahrend. „Ich will meine Zeit hier verbüßen! Glaubst Du vielleicht, es könne mir Unrecht geschehen sein oder meine Strafe sei zu hart? Ich habe den Major von Plattner ins Gesicht geschlagen, vor der ganzen Front. Hnd wenn er mich auch gequält Hat 4is zum Uebermaß, wenn er das ruhige Blut in gährÄd Gist mir ver wandelt — gegen die Diseiplln darf nicht gesündigt werden — sonst — sonst geht der Staat zu Grunde! — DÄH meine Zeit, die ich den Blumen widmen darf, ist ahgelaufen j" fuhr ^r ssortj indem er aufstand. „Ich muß fort, Du blÄbst noch hier?// ,Melleicht noch Wochen," gab Heinrich halb fafsimgsloS zur Antwort. "