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mehr ver- erwaltuna habe, O nein, das Defizit ist eine erwiesene, öffentliche und unerhörte Dhatsache.... Man wirft 440 geborgte Millionen in den Abgrund, ohne sich auch nur eine Illusion darüber zu machen, wie sie gedeckt werden sollen. Aus welchem Grunde und zu welchem Zwecke werfen wir das Geld zum Fenster hinaus, welches wir nicht besitzen? Nur deshalb, weil die Wahlen vor der seit Jahren der Materialismus und die Genußsucht das geft schaftliche Leben in Paris "ft stark, daß dasselbe eine politische Idee, welche Aufopferung und Arbeit verlangt, durchaus von sich weisen würde. Man nimmt die Dinge, wre sie eben find und hat heut wie vor hundert Jahren den leidigm Drost: „Nach uns die Sündfluth!" Am Hofe des Kaisers weiß man recht wohl, Thür stehen." Die Wahlen kosten freilich sehr viel Geld, damit das Kaiserreich siegreich auS denselben hervoraehe. Mit dem besten Willen Dann sonach das Kaiserreich auch mit seiner inneren Politik nicht in ein glänzendes Licht gesetzt werden. Und wenn man nun, eingedenk seines gewaltthätigen Ursprungs, sich wundern muß, daß die sonst so leicht bewegliche Nation der Franzosen ruhig diese Beweise ihres Ruins durch den BonapartiSmuS hinttimmt, so stößt man dabei auf die Ursachen dieser auffälligen Erscheinung. Die besitzenden Klassen sind durch die Defizits, durch die Zerrüttung der französischen Finanzen wesentlich für die Erhaltung des Bestehenden interesfirt; jeder Umsturz würde die Kalamität nur noch viel größer machen und vorzugsweise ihnen die Opfer abverlangen. Außerdem beherrscht seit Jahren der Materialismus und die Genußsucht das aesell- daß ,Leit gewonnen, Alles gewonnen" ist, was eben nur noch für daß Kaiserreich zu gewinnen geht Das Proletariat sympathisirt seinerseits mit nichts weniger, als mit dem jetzigen Regiment; aber es nutzt dasselbe auS, es läßt sich die Vortheile gefallen, die ihm, um es zu beschwichtigen, von Oben herab durch massenhafte Bauten rc. zugewendet werden. Denn — das ist ja auch die Ha uptUrsache der politischen Abgestumpftheit des Volkes: man weiß nicht, was an die Stelle des napoleonischen Kaiserreichs treten sollte und was jetzt Kraft genug finden würde, sich zu be haupten. Dem Königthum ist der Franzose entschieden entfremdet; vielleicht wäre noch die einzige Möglichkeit, daß er ein ächt kon stitutionelles und aufrichtig fteisinniges sich gefallen ließe. Aber soll er dies mit den Orleans riSkiren? Dazu find wirklich keine Aussichten vorhanden. Und was die Republik betrifft, so würde sie augenblicklich von allen Parteien angenommen werden, weil jede sich der Hoffnung hinaiebt, im Trüben fischen und ihre besonderen Zwecke versiegen zu können. Die Erhaltung der Re publik scheint aber vor der Hand nicht denkbar in Frankreich; dazu sind neue Kräfte in dieser Gesinnung zu wenig vorhanden und bewährt — die alten sind gestorben oder im Kampf der Parteien abgenutzt. Der Arbeiter und der BoügeoiS trauen der Republik nicht, weil sich beide gegenseitig nnßtrauen. So ist eS denn wahr lich nicht die eigene Kraft der kaiserlichen Regierung, die sie im wälzt, daß sie jährlich schon vmhMd«t MA braucht als sie emnimMt und daß sie eine V die allein ein Viertel aller Einnahmen für ihre Unterhaltung absorbirt. Schmidts WeißenM in seinem lehrreichen Buch: „Frankreich und die Franzosen", berechnet die Gesammtsumme aller KriegSkosten deS zweiten Kaiserreichs — Krim, Italien, China, Rom, Mexiko, Rüstung 1867 -- auf 2450 Millionen; die Gesammtheit aller Schulden auf 12,000 Millionen, zu deren Verzinsung schon im Jahre 1865 mehr als 653 Millionen ge braucht wurden. Im Jahre 1838 kamen auf den Kopf in Frankreich 1^ FrcS. Steuer, 1855 bereits 32 FrcS., und 1868 kommen sogar 50 Fres, auf den Köpf. Die jährlichen Ein nahmen Frankreichs betragen jetzt 2500 Millionen, die Ausgaben bedeutend mehr und bringen also Defizits und damit immer wieder neue Schulden hervor. Während auf der einen Seite mehr und mehr Stimmen sich vereinigen, um darzuthun, daß dir Militärwirthschast an diesem Finanzruin Schuld ist, wächst auf der anderen Seite auch dir Zahl derjenigen Gegner, welche die Verschwendung in der Verwaltung artklagen und verantwort lich machen. „Aus dem Füllhorn der Freigebigkeit", sagt der Journalist Rochefort in einem mit 10,000 Krams Geldbuße be straften Artikel, „läßt man die Millionen zu Hunderten entströmen. Hunderte von Millionen stießen in unsere Finanz-Kanäle. Haben wir etwa ein neues Mexiko und ein wirkliches Sonora erobert? Sturm bisher über Bord erhalten hat, sondern eS ist die Ohn macht der französischen Natron, die Unschlüfsigtrit, ja die augen blickliche Unmöglichkeit, etwas Anderes an deren Stelle zu Letzen. S»t. Dwm» Dir Kirchenvorstands-Wahlen. In diesen Tagen find die öffentlichen Aufforderungen, die Errichtung von Kirchenvorständen betreffend, ergangen und eS ist somit der Anfang genmcht worden, die Kirchenvorstands- und Synodal - Ordnung für die evangelisch-lutherische Kirche des Königreichs Sachsen ins Leben einzuführen. Es unterlagt keinem Zweifel, daß dieses Gesetz Vielen nicht zu genügen ver mag und dabei gar manche berechtigte Wünsche ihre Erfüllung nicht gefunden haben. Es wäre aber ein Fehler, wenn man sich durch diese Wahrnehmung wollte abhalton lassen, von dem Ge botenen Gebrauch zu machen und sich gegenüber dem Versuche, dm bisherigen gänzlichen Ausschluß der Gemeinde von der aotiven Betheiligung an den kirchlichen Angelegenheiten zu beseitigen, indifferent und passiv verhalten wollte. Die Kirchenvorstands wahlen aber sind um so wichtiger, als sie gewissermaßen die Grundlage bilden, auf welcher die ganze Kirchengememde- und Landeskirchenvertretung aufgebaut werden soll; vs ist daher Pflicht eines Jeden, dem das wahre Wohl unserer Kirche am Herzen liegt, sich an diesen Wahlen mit regem Eiftr zu betheiligen, damit in jene Korporationen erfahrene und einsichtige Männer gewählt werden, von lebendig kirchlicher Gesinnung, tüchtige Werkleute zum gedeihlichen Weiterbau unseres kirchlichen Verfassungslebens. Nun ist aber in dem Gesetze vom 30. März d. I. eine Bestimmung enthalten, welche in ihrer wörtlichen Fassung bei vielen Mitgliedern der Kirchengemeinde die irrthümliche Meinung hetvorzurufen geeignet ist, als seien sie ihrerseits gar nicht be rechtigt, an den Kirchenvorstandswahlen sich zu beteiligen. In h 8 des Gesetzes heißt es nämlich: „Stimmberechtigt sind alle selbständigen Hausväter, welche das 25. Lebensjahr erfüllt habm, sie seien verheirathet «der nicht, mit Au-nahme solcher, die durch Verachtung des Wortes Gottes oder unehrbaren Lebenswandel öffentliches, duoch nach haltige Besserung nicht wieder igehobenes Aergerniß gegeben haben, oder von der Stimm der ecktigung hei WahlLN der politischen Gemeinde, ausgeschlossen sinH." Von der Stimmberechtigung bei Wahlen der politischen Ge meinde sind aber in den Städten Alle ausgeschlossen, welche das Bürgerrecht nicht erlangt haben, mithin die ganze zahlreiche Klasse der Schutzverwandten, denn h 70der allg. Städte-Ordnung schreibt dies klar und zwar unter ausdrücklicher Anwendung des Wortes „Ausschließung" vor. Bei wörtlicher Auslegung wbiger gesetzlichen Vorschrift rmd der auf Grund derselben erlassenen pfarramtlichen Bekanntmachungen könnten daher doch Manche glauben, daß sie als Schutzverwandte, weil sie an den politischen Gemeindewahlen nicht theilnehmen dürfen, auch von der Stimm berechtigung und Wählbarkeit bei der Errichtung der Kirchenvorstäade ausgeschlossen seien. Dies wäre aber ein großer Jrrthum; denn durch eine solche Vorschrift würde ja offenbar, namentlich in den größeren Städten, die bei weitem zahlreichste Klasse der Kirchen gemeindemitglieder von der Vertretung der kirchlichen Interessen gänzlich ausgeschlossen, ja es würden selbst Diejenigen, welche durch daS Vertrauen ihrer Mitbürger in städtische Aemter be rufen find und um deswillen der LheiLnahme an den städtischen Gemeindewahlen sich zu enthalten haben, das gleiche Schicksal theilen. . . Daß dies nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen, ist wohl selbstverständlich, obgleich eine andere, zu irriger ArÄ weniger Anlaß gebende Fassung der betreffenden Vorschrift ^zu wünschen gewesen wäre. Offenbar bezieht sich die m h 8 tis Ge.etzes enthaltene Beschränkung nur auf Solche, ^welche nach hh 73 und 74 der allg. St.-Ordn. und durch die Bestimmungen deS Gesetzes vom 9. Decbr. 1837 von der Ausübung der Ehren rechte eines Bürgers ausgeschlossen sind und demgemäß die mit dieser Ausschließung verbundenen Folgen (h 76 der St.-OLdn.) zu tragen haben.