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wir uns im nachstehenden Leitartikel ausgesprochen,' so daß unS an dieser Stelle nur wenig zu melden übrig bleibt. — Der in Paris lebende Fürst Beaucau ließ am Abend des 13. d. M. seinen Wagen vor dem Grand Caf6 halten, um in dasselbe einzutreten. Im Augenblicke, wo er aus dem Wagen stieg, fiel ein geladener Revolver, den er in der Tasche hatte, zu Boden, ging dabei los, und die Kugel traf den Fürsten in den Unter leib, von wo sie in die Brusthöhle drang. Der Fürst hatte Muth genug, den Revolver aufzuheben und wieder in seinen Wagen einzusteigen. Man brachte ihn nach der nächsten Apotheke, doch ehe er dort anlangte, hatte er bereits seinen Geist aufgegeben. Der Fürst wollte den Revolver dazu benutzen, seine Schwägerin, welche in dem genannten Caf6 wohnt, zu einem Schritte zu nöthigen, dessen sie sich bis dahin standhaft geweigert hatte. — Die „Patrie" bringt wichtige Nachrichten aus Japan vom 5. Juni. Die vom Mikado gestellten und vom Taikun an genommenen Bedingungen sind von den Anhängern des Letzteren verworfen worden. Sein Admiral hat dem Mikado die Flotte nicht ausgeliefert, sondern dieselbe nach der Nordküste geführt und sie daselbst einer neuen Koalition der Daimios zur Ver fügung gestellt. Ein hervorragender Daimio, Aidsen, hat am 10., 17. und 22. Mai die Truppen des Mikado geschlagen. Das letztere dieser Treffen fand 1^ Stunde von Peddo statt, und man versichert, daß zwei Rebellenarmeen diese Hauptstadt eingeschlossen und den Truppen des Mikado den Rückzug abge schnitten haben. Am 2. Juni wurde in Deddo ein Oheim des Mikado, ein energischer Gegner des Taikun, ermordet. Die politische Lage des Reiches ist noch verwirrter geworden durch das Auf treten des Hohenpriesters, von Kirto, welcher eine Proklamation verbreiten ließ, worin gesagt wird, daß der Mikado seine reli giösen und konstitutionellen Machtbefugnisse durch zu thätige Theilnahme an den durch den Taikun hervorgerufenen Streitig keiten überschritten habe. Großbritannien. Aus Anlaß von Religionsstreitig keiten fanden am 14. Juli in Irland wieder Krawalle statt. — Aus Newyork wird nach London gemeldet: Das Subsidien- Komits hat einstimmig den Antrag auf Couponsbesteuerung, als den Nationalkredit schädigend, gemißbilligt. Belgien. Der „Moniteur belge" publizirt einen Bericht deS Ministers des Innern über die Gefährlichkeit des Nitroglycerins, sowie ein königliches Dekret, welches die Fabrikation, die Aufbe wahrung, den Transport und die Anwendung dieses Stoffes im ganzen Königreiche untersagt. Spanten. Die „Patrie" will aus Privatnachrichten wissen, daß die Bevölkerung Spaniens der von einigen Generalen be absichtigten politischen Bewegung durchaus fremd war. Auch Marschall Espartero soll, vor einem Monate um seinen Beitritt zu derselben angegangen, ihn verweigert haben In Andalusien, wo der Hauptheerd des Complots war, kam nichts zum Ausbruche.— Nach Briefen aus Madrid, aus denen man der „Köln Ztg." von Paris aus berichtet, hätte die spanische Regierung sich genöthigt gesehen, die Marine-Infanterie aufzulösen. Nach der Epoque wäre Catalonien in Belagerungszustand versetzt und die Garnison von Saragossa nach Altcastilien geschickt. Die Königin sei in solcher Angst, daß sie zu jeder Gewaltmaßregel ihre Zustimmung ertheile. Portugal. Das Ministerium hat seine Entlassung ein gereicht. Der König nahm dieselbe an und beauftragte den Herzog, von Lou le mit der Neubildung des Kabinets. Serbien. Der Fürst Alexander Karageorgievic ist als Mitschuldiger der Mordverschwörung durch gerichtliches Edikt auf den 21. Juli vor das Stadtgericht zu Belgrad vorgeladen worden. — Am 16. Juli soll die Prozeßverhandlung gegen die Mörder des Kürsten Michael fortgesetzt werden. Ein gewisser Maritzsch, der ausführliche Mittheilungen über die politische Tragweite des dunklen Komplottes macht, ist der Einzige, den Blutrache zur Betheiligung getrieben. Er hat deshalb kein Geld für seine Dienstleistung genommen und fühlt sich auch nicht verpflichtet, über das Geheimniß der Ver schwörung zu schweigen. Norwegen. In Areudal wüthete in der Nacht vom 12. zum 13. d. M. eine große Feuersbrunst, welche erst früh gegen 6 Uhr gedämpft werden konnte. Die Zahl der niedergebrannten Häuser wird aus 100 angegeben. Die inneren Verhältnisse Frankreichs. Es ist eine bemerkenswerthe Thatsache, daß von Jahr zu Jahr die Debatten im- gesetzgebenden Körper zu Paris ein schneidender in der Kritik aller Verhältnisse Frankreichs und aller Zustände werden, wie sie das gegenwärtige Kaiserreich ge schaffen hat. Nach langer Zeit erheben sich die niedergeworfenen Parteien wieder aus dem Staube und erhalten ihre alte Sprache und den Muth des Angriffs zurück. Die Anhänger des Kaiser reichs scheiden sich in blinde, der Regierung fanatisch ergebene, die ihr, wie toll es auch gehe, durch Dick und Dünn folgen und stets zu Munde reden, und in aufrichtige, welche auf die Ge brechen des Staates zeigen, damit ihnen abgeholfen werde. Wie sehr dies auch beweiset, daß das Parteileben und das politische Selbstgefühl der Nation wieder erstarkt, so läßt sich doch auch nicht leugnen, daß diese Thatsache ein Zeugniß von der Kraft und der gesicherten Stellung des kaiserlichen Regiments abzu- legen scheint. Der Napoleonismus hat in den Debatten des vorigen und dieses Jahres Dinge zu hören bekommen, welche ihn bis in die Fundamente erschüttern mußten und die er gleich wohl ohne Schaden, wenigstens ohne sichtbaren, bisher ertrug. Gewiß wird Niemand behaupten, daß sich die Nation aufrichtig mit dem Kaiserreich befreundet und versöhnt hat; aber ebenso unbestreitbar hat der Napoleonismus zu rechter Zeit durch Tri bünenfreiheit und eine gewisse Freiheit der Presse die Ventile geöffnet, welche den langsam und mächtig angesammelten revo lutionären Stoff entweichen ließen, ehe der Kessel platzte. Diese Reden und diese Artikel, welche die Gegner des Kaiserreichs aus allen Parteien gegen dasselbe richteten, sie haben wie Ge witter gewirkt und zogen dann vorüber: das Kaiserreich hielt sie aus, und zwar um so ruhiger, je mehr es nach dem ersten Anprall sah, daß die große Masse des französischen Volkes, un beweglich blieb und daß die Geister zum Aufruhr nicht ge neigt waren. Wahrlich hat es in letzter Zeit nicht an einer Fülle ge waltiger Anklagen gefehlt, welche gegen das kaiserliche Regiment gerichtet worden sind, und die der Nation klar machen mußten, wenn sie es zum großen Theil nicht selbst schon gefühlt, daß unter einem solchen Regiment Frankreich seinen Ruhm mit dem Ruin seines Nationalwohlstandes, sowie mit dem Verlust der politischen Freiheit und der geistigen Kraft zu theuer bezahle. Auch heute findet die auswärtige Politik keine Lobpreiser, wohl aber schlimme Kritiker; in vorderster Reihe Thiers, der sie als gänzlich anti-französisch und charakterlos, ja außerdem noch als schädlich für das Land verwirft. Thiers ist freilich ein überlebter Staatsmann, ein Polterer, der seine Monologe mehr für eigene Befriedigung hält, als daß er in Grundsätzen das Richtige predigt. Indessen die Schlüsse, die er zieht, wenn er die auswärtige Politik des Kaiserreichs beleuchtet, treffen in vielen Punkten eine nicht zu bestreitende Wahrheit. Es ist seine Einbildung, daß Frankreichs Politik weder eine Einheit Italiens, noch die Ver größerung Preußens zum Zweck der Herstellung einer deutschen Einheit dulden mußte. Aber es ist richtig, wenn er folgert, daß durch dies Alles die Lage Europas durch einander geworfen ist und Frankreich deshalb — nächst ihm Norddeulschland — so ungeheuer große Ausgaben machen muß, um Unfertiges ertragen zu können. Das Kaiserreich hat eben nicht den Muth gehabt, die auf das Schild erhobene Nationalitäts-Politik aufrichtig und mit einem kühnen Geist durchzuführen. Auch die preußische Politik von 1866 ermangelte der großen Idee, welche uns die deutsche Einheit schnell hätte erreichen lassen, während jetzt geradezu dies Ideal durch die Dreitheilung Deutschlands verwischt und verstümmelt worden ist. Frankreich wird durch diese auswärtige Politik auf die Länge der Zeit geradezu ruinirt — eine Politik, die es aus Ruhmsucht begonnen, aber nicht weiter fortzusetzen vermochte, als bis zu einer allgemeinen Kriegsrüstung Europas, und die nur beweist, daß Alles unfertig ist und des Augenblicks der letzten Abrechnung gewärtig sein muß. Die kaiserliche Regierung kann nicht leugnen, daß sie eine kolossale Armee braucht, die Millionen verzehrt und die Schulden Frankreichs wie die Defizits in den jährlichen Einnahmen erschreckend steigert. Man hat ihr vorgerechnet, daß sie drei Milliarden Schulden auf Frankreich ge-