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Darmstadt. Bekanntlich hatte Prinz Ludwig von Hessen seine Entlassung als Kommandeur der hessischen Division einge reicht. Zu diesem Schritt wurde derselbe nach Angabe dortiger Blätter deshalb gedrängt, um dem hergebrachten Schlendrian mit einem Schlage ein Ende zu machen. Die Politik des Ministerpräsidenten v. Dalwigk, der sich sowohl der Großherzog als auch der Kriegsminister zuneigt, wird als eine Politik der Hintergedanken geschildert, die ihre geheime Hoffnung für die Wiederherstellung der Zustände vor 1866 nicht aufgeben will. Prinz Ludwig, ein Schwager des preußischen Kronprinzen <seme Frau ist die englische Prinzessin Alice) und preußischer General- Major, hegt nicht die Antipathien seines Vaters gegen den Nord bund, ebenso wenig wie sein Bruder Prinz Karl, der als nächster Thronfolger mit der preußischen Prinzessin Elisabeth in kinder loser Ehe lebt. Sofern Prinz , Ludwlg einmal zur Regierung gelangt, wird das Großherzogthum Hessen sofort zum Eintritt in den norddeutschen Bund bereit sein. Was die obenerwähnten Differenzen betrifft, so sind dieselben durch die Vermittlung des preußischen General-Adjutanten v. Bonin gelöst worden, und zwar dergestalt, daß der Direktor des Kriegsministeriums, General major v. Grolmann, pensionirt wurde. Jedenfalls führt nun Prinz Ludwig das Kommando über die hessische Division weiter fort. Oesterreich. Noch immer die alte Ungewißheit, ob Herr v. Beust das Konkordat, oder das Konkordat Herrn v. Beust besiegen wird. Die Chancen für das liberale Ministerium stehen jetzt augenscheinlich günstig, da die Gegner der konfessionellen Gesetze den Kaiser in Pesth resultatlos verlassen haben sollen und die meisten Minister, auch Herr v. Beust, in der Umgebung des Kaisers sich befinden. Deshalb ist zu hoffen, daß der freiheitliche Aufschwung, den Oesterreich seit 1866 genommen, nicht erlahmen werde, ehe er sein Ziel erreicht hat. Die Nachricht, nach welcher der Papst zu Gunsten des Konkordats sich brieflich an den Kaiser gewendet haben soll, wird von der „Wiener Ztg." für unrichtig erklärt. Andererseits versichert man, der Papst habe unlängst ge äußert: „Säße in Oesterreich ein Joseph 11. auf dem Thron, so würde ich mich selbst auf den Weg nach Wien begeben; Franz Joseph wird nur gedrängt und es kann nicht fehlen, daß sich die Besinnung noch zu rechter Zeit bei ihm einstellt." Von ähnlicher Zuversicht ist das Organ der feudalen Partei, das „Vaterland", beseelt, indem es seine Sache noch nicht verloren giebt, sondern meint: „Niemand brauche sich graue Haare wachsen zu lassen über irgend welche Beschlüsse des sogenannten Reichs raths und über Maßregeln, die auf der gegenwärtig glorreichen Verfassung beruhen. Vorläufig wäre es jammerschade, wenn das gegenwärtige System schon heute stürzte; das wäre viel zu früh. Was heut geschehe, werde später in den Papierkorb ge worfen." Wir wünschen dem „Vaterlande", daß sich an ihm das Wort bethätige: „Hoffen und Harren macht Manchen zum Narren." — Die Untersuchungsakten gegen Julie von Ebergenyi (Gift mord Chorinsky in München) sind geschlossen und den Referenten übergeben worden. Vom Gericht wird jetzt die Anklage wegen Meuchelmords gegen die adelige Stiftsdame erhoben. — Großes Aufsehen erregt in Wien das Verschwinden des Direktors der in Fallissement gerathenen Schellenhofer.Aktienbrauerei, Werner. Es sind Blutspuren von der Wohnung des Verschwundenen bis zum Donaukanal verfolgt worden; die Leiche ist noch nicht ge funden. Die Wiener Zeitungen bringen spaltenlange Berichte und medizinische Gutachten über die Einzelheiten dieses Falles. Der Buchhalter der Brauerei, Spitzer, wurde verhaftet; er hat einge standen, die Bücher seien im Auftrage des Direktors falsch ge führt worden, und nach seinen Ausschreibungen, die er-für sich gemacht habe, seien falsche Buchungen bis zur Höhe von 470,000 Gulden vorgenommen worden. Angeblich soll keine eigentliche Defraudation vorliegen, sondern Werner nur, um die schlechte Lage des von ihm geleiteten Unternehmens zu verschleiern, jene Fälschungen angeordnet haben. — Auch in Wien ist in der Nacht vom Freitag zum Sonnabend starker Schneefall einge treten, so daß infolge der Schneeverwehungen selbst die Eisen bahnzüge verspätet eintrafen. Schweiz. Den Bemühungen des Genfer Staatsraths- präsidenten Camprerio ist es gelungen, die Arbeiterunruhen bei zulegen. Die feiernden Arbeiter haben die ihnen günstigen Vor schläge der Arbeitgeber angenommen. Die Arbeitszelt wird darnach um eine Stunde täglich herabgesetzt und der Lohn um 10 Pro zent erhöht. Es ist dies einer von den wenigen Fällen, wo die Arbeitseinstellung für die Arbeiter von günstigem Erfolg be gleitet wurde. Italien. Der Ministerpräsident Menabrea, welcher sich jetzt einige Zeit in Turin aufhielt, soll sehr unangenehme Ein drücke von den dortigen Zuständen mit nach Florenz gebracht haben. Auch lassen die Berichte aus anderen Theilen Italiens unruhige Austritte wegen Einführung der Mahlsteuer befürchten, welche der Regierung die Pflicht auferlegen, bei Zeiten die nöthigen Vorsichtsmaßregeln zu treffen. — Die Kammer tritt am 16. d. M. auf einige Tage wieder zusammen. Es werden jedoch nur untergeordnete Fragen zur Berathung gelangen und die Diskussion der Finanzgesetze erst am 10. Mai beginnen, also nach den Festlichkeiten, die aus Anlaß der Vermählung des Kronprinzen Humbert stattsinden werdend Frankreich. Die vorausgesagten Kriegsgerüchte sind bereits im vollsten Schwünge, denn alle Pariser Blätter variiren dieses Thema. Niemand weiß, woher auf einmal eine Kriegs gefahr kommen soll, da für den Augenblick nichts vorliegt, waS zu derartigen Befürchtungen Anlaß geben könnte. Man wird daher in der Annahme nicht irren, daß es die Regierung selbst ist, die etwas Säbelgerassel macht, um die Aufmerksamkeit der Franzosen nach Außen zu lenken und um in den Kammern die hohen Kriegs- und Marine-Budgets durchzubringen. Wenn Leute von der Opposition, wie Girardin, in diesen Spektakel einstimmen, so geschieht dies lediglich aus dem Grunde, die Franzosen nicht zur Ruhe kommen zu lassen und so das Kaiser- thum selbst, das die ewige Unsicherheit nicht vertragen kann, zu ruiniren. Eine wirkliche Gefahr für Deutschland liegt deshalb nicht vor, wenn auch nicht geleugnet werden kann, daß Handel und Wandel dabei freilich nichts profitiren. Uebrigens wollen wir nicht unerwähnt lassen, daß der Kultusminister Barsche am 15. d. M. bei der Grundsteinlegung einer Kirche in Rambouillet sehr friedlich sprach und seine Rede mit den Worten schloß: Frankreich, im Vertrauen auf seine Stärke, durch die Entwickelung seiner militärischen Organisation auf alle Eventualitäten gerüstet, sucht den Krieg nicht, und wir haben die Ueberzeugung, daß Niemand daran denkt, uns den Krieg erklären zu wollen. Der Frieden Europa's wird mithin nicht gestört werden. Glauben Sie daher nicht jenen Alarmrufen und Kriegsphrasen, welche Jrrthum und Uebelwollen in periodischer Wiederkehr aufs Neue laut werden lassen. Ueberlassen Sie sich in Ruhe und Sicherheit den Ar beiten der Industrie und des Ackerbaues. — Die nächste Sitzung des gesetzgebenden Körpers wird am 20. d. M. statt finden. — Am 13. April meldeten sich auf der preußischen Botschaft zu Paris die ersten Hannoveraner aus der ehe maligen Legion, um die Rückkehr in ihre Heimath zu bewert» stelligen. Nach ihrer Aussage hätten sie es nicht länger aus gehalten, zwecklos in Frankreich umherzustreifen, und ihren Kameraden erginge es nicht besser, nur fehle letzteren der moralische Muth, sich gerade an die preußische Botschaft zu wenden. Die Leute wurden sehr freundlich ausgenommen und nach Aachen dirigirt. Wahrscheinlich folgen die Uebrigen bald nach. Großbritannien. Auch die letzten Zweifel über daS Leben des berühmten Afrikareisenven David Livingstone sind .jetzt geschwunden, nachdem der Empfang eines vom 4. Febr. datirten Briefes des englischen Konsuls in Zanzibar, Or. Kirk, an den Präsidenten der Royal Geographica! Societo, Sir R. Murchison, von diesem angezeigt wird. .In diesem Briefe theilt Dr. Kirk die Ankunft des so lang erwarteten arabischen Boten, Bunduki, mit, welcher in der Stadt Mtuka (im Wembalande) mit Living stone vor ungefähr einem Jahre zusammengetroffen war, und von diesem Briefe und Depeschen zur Uebermittelung nach Zanzibar erhalten hatte. Belgien. In dem Kohlenreviere Charleroi fanden un mittelbar vor dem Osterfeste neue Ruhestörungen statt. Zweihundert Arbeiter aus Tammes haben die Arbeiter in Falisolles gezwungen, die Arbeit einzustellen. Die Ruhestörer wurden zu AüvelaiS durch Kavallerie und drei Kompagnien Infanterie, »0«