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unter jenen Personen sUch^k sei, welche der Ermordeten nahe gestanden, und in Erwägung, daß Graf Chorinsky sich erst vor Kurzem, und zwar auf polizeilichem Wege, nach der Woh nung seiner Gattin erkundigt hatte, sah die Münchener Behörde sich veranlaßtem 26. Novbr. milder Verhaftung des Grafen Gustav Chorinsky vorzugehen. Derselbe befand sich bei seiner Arretur im Besitze mehrerer Photographien, in denen von kom petenten Personen übereinstimmend und mit vollster Sicherheit das Bild jener Dame erkannt wurde, von welcher früher als Baronin Vay die Rede war und auf welcher der dringende Verdacht der unmittelbaren Betheiligung am Morde ruhte. Graf Gustav Chorinsky bezeichnete sie als die Brünner Stiftsdame Julie von Ebergenyi und gab zu verstehen/ daß^er zu ihr in gewissen Beziehungen stehe. Der Aufenthalt dieser Dame in München unter fremdem Namen, die plötzliche Abreise, die Beziehungen derselben zum Grafen Chorinsky, die nicht unschwer zu erkennen waren, da er ihr Bilkniß in. mehreren und ver schiedenartigen Ausfertigungen bei sich trug — dieß Alles im Zusammenhang mit den, gegen den Grafen Chorinsky vorliegen den subjektiven Momenten mußte den Verdacht wider beide Personen als so vollkommen begründet erscheinen lassen, daß auch die Verhaftung der Julie von Ebergenyi sofort auf telegraphischem Wege angeordnet wurde. Am Abende des 27. Novbr. als die Stiftsdame heiter und guter Dinge in Gesell schaft ihrer Schwester, in ihrer Wohnung in Wien beim Thee saß, fand die Verhaftung statt. Die von der Ueberraschten hierbei abgegebenen Erklärungen waren nicht derartige, welche den Unter suchungsrichter von der Ansicht, daß er auf richtiger Fährte sei, ab bringen konnten. Es war erwiesen, daß zwischen Julie von Ebergenyi und dem Gatten der Ermordeten, dem Grafen Gustav Chorinsky dft innigsten intimsten Beziehungen bestanden, daß Beide sich bereits verlobt und ihre Vermählung auf eine ggnz nahe.liegende Zeit festgesetzt hatten, ja, daß namentlich Julie von Ebergenyi sich in, einzelnen äußeren Formen schon vor dem Tode der Gräfin Mathilde, als Gattin des Grafen Gustav Chorinsky gerirte. Zu Erreichung des eben erwähnten Zieles stand die Existenz der Gräfin Mathilde im Wege und zwar auch deshalb, weil dieselbe ein Einkommen bezog, welches zum Theile die. Mittel zum Unterhalte des bleuen Paares bieten sollte. Es ist ferner bewiesen, daß Julie von Ebergenyi sich ein Gift, wie es der Gräfin Chorinsky, laut Ergebniß der Untersuchung, zu ihrer Tödtung beigebracht war, nicht nur zu verschaffen gewußt, sondern daß sie derlei Gift noch am Tage ihrer Verhaftung besessen hat und daß auch noch andere Mittel zur Vollführung des Verbrechens, ein falscher Paß und dergl. bei ihr gefunden wurden. Julie v. Eber genyi hat sich am Tage des Mordes unter falschem Namen in München aufgehalten, sie war bis zum Augenblick des Mordes allein in Gesellschaft der Gräfin und ist unmittelbar nach der That auS München entflohen. Nach dem Morde wurden Gegen stände im Besitze der Julie von Ebergenyi vorge funden, welche Eigenthum der Ermordeten waren, desgleichen, steht es unwiderlegbar fest, daß Julie v. Ebergenyi Gegenstände, welche vom Verbrechen herrühren, theils vertilgt, theils verborgen hatte. Endlich hat sie eine Reihe falscher Verantwortungen vorgebracht, welche, hinreichen würden, einem viel schwächeren Beweismateriale die Kraft der Ueberzeugung zu ver leihen. Alle diese Umstände haben die k. k. Staatsanwaltschaft und über deren Antrag das k., k. Landesgericht bewogen, die Julie von Ebergenyi für rechtlich beschuldigt zu erkennen, die Gräfin Mathilde Chorinsky am 21. Nov. 1867 mittelst Gist ermordet, und daher das Verbrechen des Meuchelmordes im Sinne der hh 134 und 135 der Straft)rozeßordnung begangen zu haben. In dem nunmehr stattfindenden Verhöre giebt die Angeklagte fast immer nur ausweichende Antworten, widerruft sogar das Geständniß, welches sie in der Voruntersuchung bereits abgegeben und welches lautet: „Ich habe von einem Photographen Cyankali erhalten und dieses der Gräfin, während ich dort Thee trank, unbemerkt, in die Lheeschaale geschüttet. Als ich die Gräfin ver ließ, lag dieselbe bereits zwischen dem Kanapee und dem Tische auf dem Boden; ob sie todt sei, konnte ich nicht beurtheilen." Aber noch während der schriftlichen Aufnahme dieses Geständnisses lenkte sie mit den Worten ein: „Eigentlich war ich es nicht; aber schreiben Sie nur, daß ich es war, ich füge mich in mein Unglück. Ich kann die Person nicht nennen, die es war." Aus dem am folgenden Tage erledigten Zeugenverhör er hellt gleichfalls ganz unumstößlich die volle Schuld der Angeklag ten. Des beschränkten Raumes halber geben wir dasselbe nur im kurzen Auszuge. Franz Janoschka ist Hausbesorger in dem Hause, wo die Ebergenyi in Wien wohnte. Da dre An geklagte Gift, angeblich zur Vertilgung der Ratten, bezogen hatte, so handelte es sich darum, ob die Nothwendigkeit vorlag, dergleichen schädliche Thiere im Hause zu vertilgen. Die Aussage des Zeugen lautete, daß es zu der Zeit m dem Hause keine Ratten gab. — Frau von Thurneifen, eine Freundin der Angeklagten, weiß über die Verhältnisse der Letzteren nicht viel zu erzählen, hat nur aus dem Munde derselben vernommen, daß Julie die Verlobte eines Offiziers sei und sich bald vermählen werde. Viel entschiedener tritt die Freundin der ermordeten Gräfin, die Zeugin Elise Malanotti mit ihren Aussagen hervor. Ihr gegenüber hat die Gräfin, wenn auch schonend, oft über ihren Gatten, seine Untreue, seine Mißhandlungen und Drohungen ge sprochen; die Gräfin habe wiederholt geäußert, daß sie ihres Lebens nicht sicher sei. — Agnes Mariot, Gouvernante im Hause des älteren Grafen Chorinsky, hat für die Ebergenyi, welche sie nicht kannte, einen auf den Namen „Marie Berger" lautenden Empfehlungsbrief an die Gräfin Chorinsky ausgefertigt, Bei der Modistin Marie Ernst hat die Angeklagte unter dem Vorgeben, sich bald zu vermählen, ein Brautkleid bestellt. — Der ehemalige Offizier, TheodorRam pacher, wurde nach der Rückkehr der Ebergenyi aus München von dem jungen Grafen dort hin gesendet, um sich über das Befinden der Gräfin zu er kundigen. Er erfuhr hier, daß die Gräfin seit zwei Tagen todt sei; kehrte, Unheil besorgend, nach Wien zurück und entdeckte seine Befürchtungen dem Polizei-Direktor Strobach. — Der Zeuge Camillo Angerer, Photograph, hat der Angeklagten 4 Loth Cyankali, 3 Loth Silber und ein halbes -Quentchen Chlorgold verkauft. Er erkennt das im Besitze der Angeklagten vorgefundene Fläschchen als dasjenige, in welchem er ihr das Cyankali geliefert hatte. —Das Dienstmädchen Elisabeth Kubesch hat die Theemaschine, welche die Angeklagte aus München mitgebracht, gereinigt, verborgen und später aber aus- geliefert. — Der Zeuge Albert Mikulitsch, Hörer der Philosophie, stand zu der Ermordeten in sehr intimen Beziehungen. Die Gräfin hatte ih.n über alle ihre Familienangelegenheiten unter richtet, und das unglückliche Verhältniß zu ihrem Gatten war zwischen ihr und dem Zeugen wiederholt besprochen worden; unter Anderem äußerte sie öfter, daß sie vor seinen Verfolgungen nicht sicher sei; der Graf habe ihr zu verstehen gegeben, daß er erwarte, sie werde sich selbst das Leben nehmen. Ueber den Grund der Zwistigkeiten zwischen den beiden Gatten befragt, erklärte der Zeuge nach einigem Zögern, der Graf habe der'Gräfin zu- gemuthet, daß sie ihre Reize verwerthen solle, und diese schändliche Zumuthung sei von der Gräfin mit Entrüstung zu rückgewiesen worden. Während ihrer Anwesenheit in München habe die Gräfin wiederholt ihre Furcht vor Geschenken aus fremder Hand zu erkennen gegeben und namentlich Blumen, Früchte u. s. w. nie berührt. Die dem Zeugen vorgewiesenen im Besitz der Ebergenyi aufgefundenen Gegenstände, als der ver hängnißvolle Theekessel, Schmucksachen, Ringe, werden von ihm als Eigenthum der Ermordeten anerkannt. Während der Vorlesung der Protokolle wird durch den Saal diener dem Präsidenten ein Brief überbracht, welcher soeben mit telst der Post eingegangen war. Derselbe ist mit dem Namen Viki Horvath unterzeichnet, dem Namen einer Dame, welche in dem Zimmer gewesen sein soll, als die Angeklagte am Abend des 21. Nov. v. I. angeblich von der Gräfin Abschied ge nommen. Der Brief, welcher an den Präsidenten des Gerichts hofes adressirt war, wurde verlesen und lautet auszugsweise: „Ich bin soeben angekommen und höre, daß Julie Ebergenyi unschuldig leidet. Ich erkläre öffentlich, daß ich die Mörderin der Gräfin Chorinsky bin. Ich werde mich nicht früher dem