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X 186 Ziehung der Mitglieder aus den Ländern der ungarischen Krone. Von tzer Berathung diese- enteren ReichtzDathS find nach § 10 des armerogenen Gesetze- daS^Rilitärwesen, die Regelung -e- Geld., ÄKtz- und MünzwesrnS,' sowie überhaupt die An gelegenheiten der Reichsfinanzen, die Prüfung de- Staats haushalt-, die Aufnahme neuer Aylehen, die Erhöhung der Steuern rc. ausgeschlossen. Diese letzteren BerathungSgegen- stände können erst dann auf die LageSordnung kommen, wenn Ungarn mit seinen Nebenländern in dem Reichsrathe vertreten ist; die- hindert jedoch nicht, daß dz^ hi^ eiMlagMen Rl- gierung-vorlagen vorläufig einer Begutachtung dtS engeren ReichSrathS unterzogen werden, um später eine raschere Be schlußfassung herbeizuführen. — Da- erste Gesetz, welche- in beiden Häusern berathen worden und die Sanktion de- Kaisers gefunden hat, betrifft lediglich den ReichSrath selbst, nämlich die Auszahlung von Diäten an die Mitglieder. Dagegen hat die Regierung die Vorlage einer neuen Gemeindeordnung an- gekündtgt, welche bestimmt ist, den Gemeinden hl ihrer inneren Verwaltung die längst gewünschte größere Unabhängigkeit und Selbständigkeit zu verleihen. — Der Rücktritt des Erzherzogs Karl Ludwig al- Statthalter von Tirol wird als nahe bevor stehend bezeHnet; bekanntlich hat dieser Prinz die intoleranten Bestrebungen der Ulttümontanen gegen das neue Protestanten- gesetz ziemlich offen unterstützt. In Ungarn hängt noch Alle- in der Schwebe; doch ist durch die Annahme des Deak'schen Antrag- die Hoffnung auf " eine friedliche Verständigung nicht geschmälert worden, so groß auch die Schwierigkeiten find, die einer solchen Lösung noch entgeaenstehen. Die Unterhandlungen darüber find noch nicht zum Abschluß gekommen; doch soll die Regierung ihre Geneigt heit zu erkennen gegeben haben, bi- an die äußerste Grenze der Nachgiebigkeit zu gehen, um eine Ausgleichung zu ermög lichen. — 3m ungarischen Unterhause beschäftigt man fich gegenwärtig mit der Specialberathung de- Deak'schen Adreß- entwurfs, wobei die extremsten Anforderungen ihren Ausdruck finden. So bat man z. B. beschlossen, daß die Anrede, nicht wie üblich, „kaiserlich königliche Majestät", sondern nur „Ew. Majestät" lauten solle und zwar unter dem ausdrücklichen Hin zufügen, daß dieser Litel nur der Ausdruck für „factische Ge walt" sei. Mit solchen Beschlüssen glaubt die magyarische Volksvertretung der Sache ihre- Landes zu dienen. Schweiz. In dem großen Uhrmacherdorfe La Chaux- HA e- am 31. Mai einen nicht unbedeutenden Krawall gegeben, den wir um de-willen nicht unerwähnt lassen, weil schweizeri sche Blätter andeuten, e- werde seit einiger Zeit in dem Kanton Neuenburg für die Annexion an Franneich gewirkt und jener Lumult stehe damit im Zusammenhänge. Wie in jedem Fa brikbezirk giebt eS auch dort eine Anzahl feiernde oder arbeits scheue Individuen; unter diesen entstand ein an fich unbedeu tender Exceß, welcher die Verhaftung eines Arbeiters zur Folge hatte. Am Abende desselben Lage- zog aber ein beträchtlicher Arbeiterhaufe vor da- Präfecturgebäude, um den Gefangenen zu befreien und in dem Innern de- Hause- allerhand Gewalt- thätigkeiten zu verüben. Schließlich wurde Generalmarsch ge schlagen und eS erschienen zwei Abtheilungen Milizen, upMe 17 der Aufrührer gefangen nahmen, während die' anderen ent flohen. Unter den Lumultuanten befanden fich viele dort wohn hafte Franzosen und die-, sowie noch andere Wahrnehmungen haben zu der oben erwähnten Anschuldigung framöfischer Wüh lereien geführt. S- mag aber auch sein, daß die im Kanton herrschende Geschäftsstockung, welche neuerdings durch die ame rikanischen Wirren noch vermehrt worden ist, die Zahl der dort vorhandenen Proletarier noch vermehrt und den Ausbruch ei ne- Arbeiterkrawalls begünstigt hat. Italien. Da- plötzliche Hinscheiden des Ministerprä sidenten Cavour, auf dessen politische Bedeutung wir in einem besonderen Artikel zurückkommey, hat in ganz Italien tiefe Trauer hervorgerufen. Man bettachtet den Lod dieses Staats mannes allgemein als einen schweren, ja unersetzlichen Verlust für die Sache Italien-, welche der Verstorbene mit ebenso viel Geschick als Energie bi- an sein Ende vertreten, ohne daß eS ihm vergönnt gewesen, seine große Ausgabe vollständig zu lösen. Selbst Pie Pplitischen Gegner dtzs Geschiedenen er kennen an, daß sein jäher Tod als ein natioutfles Unglück zu betrachten, und Niemand vorhanden, der den ersten Platz lm Rathe des Kön^S in Ker augenblickliche« kritischen Lage eben bürtig auszufül^n vermöge Graf Eavo^Harb, wte schon kurz gemeldet wurde, am^. Ium Morgen^um^ Uhr. Seine Krankheit hatte schon am Abend vorher einen so bedenklichen Cha rakter angenommen, daß er mit den Sterbesakramenten versehen wurde. Doch hatte er zuvor noch chiPet-sig* Unterredung mit dem Könige Victor Emanuel, in welcher er fein^ Wünsche und Anschauungen über die Zukunft Italiens nochmals aus führlich darzulegen bemüht war und namentlich den Rath er- theilte, mit Frankreich gute Nachbarschaft zu halten. Seine letzten Worte sollen folgende gewesen sein: „Ich that meine Schuldigkeit; Italien kann nicht mehr zu Grunde gehen!" — Im Parlamente brachen mehrere Deputirte, alt der Lod Ca vours verkündet wurde, in lautes Weinen aus puh die Ver handlungen wurden sofort vertagt. Als fich die Lrauerkunde in Lunn verbreitete, wurden alle Läden geschlossen und es gab fich unter allen Volksklassen die allgemeinste Lheilnahme kund. Als am 6. Juni Abends der freie Zutritt in das Sterbeh-us geöffnet wurde, bewegte fich die ganze Nacht hindurch bis zum anderen Nachmittage ein dichter Menschenstrom durch das Krankenzimmer, wo die Leiche ausgestellt war. Am 7. Juni Abends fand das feierliche Leichenbegängniß mit fast königlichem Gepränge statt. Die Verwandten Cavours wollten dessen irdische Ueberreste nach seinem Landgute bringen; der König befahl aber, daß die Leiche in der Basilika der Superga*) beigesetzt werden solle, welche Ehre bisher nur den Souveränen und Prinzen von königlichem Geblüt Vorbehalten war. Der Lrauerzug bewegte sich am 7. Juni Abends nach 6 Uhr nach der Kirche „Unsere lieben Frauen", wo die einstweilige Bei setzung erfolgte. An dem Zuge betheiligten sich die sämmtlichen Mitglieder der höchsten Staatsbehörden, die Mitglieder des Senats und der Deputirtenkammer, alle in Lurin anwesenden Offiziere, die Geistlichkeit, die Municipalvertretung, die ange sehensten Männer Italiens, eine große Anzahl Frauen au- den ersten Familien der Hauptstadt, die Repräsentanten zahlreicher Corporationen und Vereine aus Lurin, Genua, Casale rc., und endlich eine unabsehbare Menschenmenge. Alle Häuser waren schwarz behängt und an den Fenstern erschien man nur in tiefer Trauer. In den übrigen Stadttheilen herrschte während der Trauerfeierlichkeit Kirchhofstille. Mit der Bildung eines neuen Ministeriums ist vom Könige der ehemalige Statthalter von Toscana, Baron Ricasoli, be auftragt worden und man schließt hieraus, daß der Wille des Königs ist, an der gemäßigteren Politik Cavours festzuhalten; im entgegengesetzten Falle würde Ratazzi, der Führer der Actionspartei, an die Spitze des Kabinets berufen worden sein. . Die durch den Telegraphen gemeldete Nachricht, daß gleich nach dem Tode Cavours auch der Papst, Ricasoli und Gari baldi bedenklich erkrankt seien, wirH als übertrieben bßzeichnet. Der Papst ist allerdings von einem abermaligen Unwohlsein betroffen worden, aber bereits wieder; genesen; Ricasoli befindet fich nach einem Aderlaß ebenfalls wreder munter und Gari- *) Die Basilika der Superga (königliche Gruftkirche) liegt auf einem -400 Fuß hohen Berge, drei Stunden östlich von Turin, von wo man eine prächtige Aussicht genießt. Sie besteht aus einem ansehnlichen Kuppelbau mit Saulenvorhalle; in ihr find die Könige aus dem Hause Savoyen beige- setzt, zuletzt 1S4- Carlo Alberto, neben welchem, nah dem Wunsche des jetzigen Königs, Cavour ruhen soll. Auf jenem Berge recognoscirte 170S (7. Äept.) Prinz Eugen, der edle Ritter, das feindliche Lager vor Beginn jener be rühmten siegreichen Schlacht gegen die Franzosen, die unter den Mauern von Turin geschlagen wurde und welcher das Hau- Savoyen den Wieder- befitz des HerzogthumS und im Frieden von Utrecht (1718) den Königstitel verdankt. Prinz Eugen führte den Oberbefehl über das deutsche Heer, be stehend au- den Kaiserlichen und ihren Hilfstruppen, Pfälzer, Hessen, Gothaer und Preußen, letztere unter dem alten Dessauer. Der Herzog von Savoyen, welcher fich an der Seite des Primen Eugen befand, gelobte damals für den glücklichen Ausgang der Schlacht der Jungfrau Mana eine Kirche und löste die- Gelübde durch Erbauung der Basilika der Superga. Wn SrSept. fand alljährlich daselbst ein Dankfest wegen der Befreiung Turm- von dm Fran zosen statt; wahrscheinlich ist aber diese- Volksfest an- Rücksicht atzf, du Allianz mit Frankreich in den letzten zwei Jahren eingestellt worden.