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sorgers zu folge», der mit Nachdruck und Lärme den Least und die Erhebung zu schildern suchte, welchen frommer Gottvertrauen in den Lagen des Lrübsals dem gläubige» Herzen zu -eben vermag. Und als hätten die trtftenden Lotte in ihrem Innern die wunde Stelle getroffen, rollte au- ihrem seelenvollen Luge eine Lhräne über ihre blaffen Wangen al- stiller Zeuge ihrer innigen Kindesliebe. Nein, Nrau Elisabeth hatte dem armen Mädchen Unrecht gtthan, das fühlte sie jetzt selbst. Aber der Christian — ja er «ar es, der wiederum unausgesetzt nach Christinens Platze blickte und in dem Anschauen des Mädchen- v-llig versunken schien. Ihm wandte sich zunächst der ganze mütterliche Unwille zu, obgleich sich die Hofschlofferin im Stillen gestehen mußte, daß Christine in ihrer edlen Einfachheit und mit ihrem reinen Engelsantlitz wohl geeignet sei, die Aufmerk samkeit eines jungen Manne- zu fesseln, selbst wenn nicht, wie im vorliegenden Kalle, eine zusammen verlebte glückliche Kinderzeit mehr al- einen Anknüpfungspunkt dazu geboten hätte. Ihrem Sohne aber, welcher so streng über Ulrikens angebliche Flatterhaftigkeit geurtheilt, ziemte eS um so weniger, sein Auge auf ein Mädchen zu richten, dessen Vater eine- strafwürdigen Verbrechen- angeklagt, bereit- zum Gegenstände de-Stadtgespräch- geworden war. Und selbst wenn dieß Alle- nicht gewesen — der Sohn de- reichen Hofschloffers und die Tochter eine- armen Canzlisten, nein, da- wäre ohnehin ein zu großer Abstand. — Da- «arm ungefähr die Gedanken der Krau Elisabeth, al- sie nach beendetem Gottesdienst sich erhob, und nachdem sie sich überzeugt, daß Christine, ohne sich umzusehen, still und sittig nach dem Ausgange der Kirche zuschritt, nach der Lhür des BetstübchenS eilte. Da trat ihr Christian mit freundlichem Gruße in der Lhür entgegen; er hatte seine Mutter bemerkt und «ar herbeigeeilt, um sie nach Hause zu begleiten. Dre Hofschlofferin ging still neben ihrem Sohne her bis vor den AuSgang der Kirche. Hier aber brach sie ihr nichts Gutes verheißende- Schweigen. „Ich störe doch nicht etwa den Herrn Sohn," begann sie mit Bitterkeit, „die Begleitung war wobl Jemandem anders zugedacht, und die Krau Mutter erhält wohl nur die Ehre, um den Schein zu retten ..." „Mutter!" unterbrach sie der erstaunte Christian, und eine schnelle Röthe überflog sein Gesicht. „Du glaubst wohl nicht", fuhr Krau Elisabeth fort, „daß ich Dich beobachtet habe, wie Du unverwandt nach Redlich- Christinen geblickt, al- ob Du nur ihretwegen in die Kirche gegangen wärest. Ich sollte wohl meinen, daß für Dich dre Zeit vorbei wäre, wo man nach jedem glatten Gesicht zu schauen pflegt und noch dazu in der lieben Kirche." „Mutter !" wiederholte Christian, indem er Krau Eli sabeth mit seinen schönen schwarzen Augen anbickte, als wollte er gleichsam ihre Aufwallung besänftigen. „Mutter, ist eS denn ein Verbrechen, wenn ich Christinen, die Ge spielin meiner Jugend, die so oft in unserm Hause verkehrt, anschaue, wenn ich mitempfinde, «a- da- unglückliche Mädchen in ihrer tiefbekümmerten Seele bei dem bedauerlichen Schick sale ihre- armen VaterS fühlt, wenn ich ergriffen von dem tiefen Leide, waS die Jugendblüthe de- guten Kinde- zu vernichten droht, die innigste und herzlichste Lheilnahme hege für die armen verlassenen Waisen? Da- sollte Unrecht sein, Mutter, was Du mir in meinen frühesten Kinderjahren selbst mit mütterlicher Sorgfalt eingeprägt?" — Krau Meister PeterS war fast erschrocken über die Wärme, mit welcher ihr Sohn sich vertheidigte, und ihr Argwohn wurde dadurch nur noch mehr bestärkt. Gleichzeitig fühlte fie aber auch, daß es am Ende doch nicht gutgethan sei, ihre wahren Gedanken sofort zu verrathen und ihren Sohn noch mehr zu reizen. Denn fie wußte recht wohl, daß Christian, so fügsam er auch sonst war, zuweilen, wenn seiner Ueberzeugung gleichem Gewalt anthun wollte, eine Selbstständigkeit geltend zu wachen suchte, die seinem sonst sanften und welchen Charakter eigentlich fremd zu sein schien, über die sich aber seine Mutter gar öfters im Stillen gefreut hatte, eineStheils, weil fie in solchen Källeu gewöhnlich die Einficht und begründete Ueberzeugung ihre- Sohnes schätzen mußte, anderatheils, «eil fie in lhrer Eitel keit hierin ein auf ihn üdergegangenes mütterliches Erbtheil zu erblicken vermeinte. Bis dahin durfte es aber, da* fühlte Krau Elisabeth recht «ohl, jetzt nicht kommen, wenn nicht ihr ganzer Liebling-plan scheitern sollte. Sie fuhr daher «eit ruhiger, al- fie begonnen, fort: „Nun, ich meine es ja nicht so döse; Du «irst mir aber selbst Recht geben, daß es sich für Dich nicht schicken würde, wolltest Du jetzt eine Bekanntschaft erneuern, die Deinen Kinderjahren angehörte und längst vergessen ist; was würden die Leute dazu sagen, «enn Du mit der Lochter eines Verbrecher- verkehrtest" . . „Mutter, versündige Dich nicht!" fiel hier der Stück meister rasch ein. „Urtheile nicht, wie die böse Welt zu urtheilen pflegt und richte nicht über einen Mann, der trotz dem schlimmen Scheine, der wider ihn zeugt, vielleicht rem und schuldlos dasteht!" „Vielleicht," erwiederte begütigend die Hofschlofferin» „aber Du weißt, wie schwer ein solcher Makel abzuwaschen ist in einer Zeit, wo so viele- Unrecht zum Recht gestempelt und Lug und Trug von mächtigen Leuten ungestraft ge trieben wird. — Und überdies," fuhr Krau Elisabeth be deutsam fort, „bedenke doch auch, daß Du Ulriken Rück-, fichten schuldig bist." „Nun, wir wären allenfalls quitt," meinte Christian» ziemlich gleichgültig. „Denn wahrscheinlich ist's nicht höher anzurechnen, wenn ich eine alte Bekannte anschaue, als wenn sich Jungfer Ulrike an den Arm eines Offizier- hängt, den. sie vielleicht kaum ein Paar Mal vorher gesehen hat." Frau Elisabeth fand eS jetzt gerathen, das Gespräctz abzubrechen, nachdem fie vorher von ihrem Sohne die für fie sehr beruhigende Versicherung erhalten, daß er, seit Christine durch ihren Machtspruch gewissermaßen aus dem Hause deS HofschlosserS verbannt worden war, mit ihr nicht gesprochen oder sonst verkehrt habe. Aber fie über schaute von nun an den Stand der Dinge mit klarem Blicke, und ihr Entschluß stand unwiderruflich fest. Dir Heirath mit Ulriken mußte möglichst schnell betrieben wer den, «enn sich der ganze Plan nicht völlig zerschlagen sollte. Dieses Ziel suchte von jetzt an die Hofschlosserin mit aller Energie und Consequenz zu verfolgen, die ihrem selbstsüchtigen Charakter eigen war, und fie wußte im Bor- au-, daß fie im Hause des Brauherrn Linke hierbei auf die bereitwilligste Unterstützung rechnen konnte. Mit der Ursache der Verhaftung deS Canzlisten Red lich verhielt eS sich wirklich so, wie der Registrator Säubere lich im „Pelikan" ziemlich ausführlich mitgetheilt hatte. Die gegen ihn vorliegenden dringenden VerdgchtSgründo veranlaßten die Gerichtsbehörde, die Untersuchung mit aller Strenge zu führen, denn daS beharrliche Leugnen Redlich'* sprach eben nicht zu seinem Gunsten, und die Ueberzeugung des Richter-, daß der Canzlist, durch die Noth getrieben, zum Verbrecher geworden, gewann um so mehr Raum, da sich der Canzlist sogar weigerte, darüber Au-kunst zu geben, wo er den zur Auswechselung angebotenen Schein herge nommen, wenn e- nicht derselbe sei, der in der Expedition deS Cassirers Weller vermißt wurde. Alles Zureden und alle Vorstellungen de- Inquirenten, Redlich möge durch sein Leugnen und Schweigen seine Lage nicht noch mehr verschlimmern, blieben vergeben-. Der Canzlist berief fich nur immer auf den Grafen Brühl, ihm allein wollte er Rede stehen. Da kam ganz unerwartet die Anzeige deS HofschlosserS PeterS hinzu, und der Richter hatte nun über die Vorgefundene zerbrochene WachSform, die Redlich al*