Suche löschen...
Sächsischer Landes-Anzeiger : 27.09.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-09-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id512384622-188809274
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id512384622-18880927
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-512384622-18880927
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Sächsischer Landes-Anzeiger
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-09
- Tag 1888-09-27
-
Monat
1888-09
-
Jahr
1888
- Titel
- Sächsischer Landes-Anzeiger : 27.09.1888
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
!. 22«. — 8. Jahrgang. D« jeden Wochentag Abend (mit Datum des folgenden Tages) zur Versendung gelangmde.,Sächsische LandeS-Anzetger" mit täglich einem Extra-Beiblatt: i. Kleine Botschaft L. Sächsischer Erzähler 3. Sächsische Gerichtszeitung 4. Sächsisches Allerlei e. Jllustrirtcs Unterhaltungsblatt s. Sonntngsblatt 7. Lustiges Bilderbuch lostet bei den Ausgabestellen monatlich 70 Pfg., bei den Post-Anstalten 75 Pfg. (Post-Zeitungs-Prcisliste Nr. 8035.) Sächsischer Unparteiische tägliche Zeitung für Sachsen und Thüringen. Verlags-Expedition: Alexander Wiede, BttchdrnÄerei, Chemnitz, Theaterstratze Nr. 5. Fernsprech'Anschluß Nr. 136. — Telegramm-Adresse: Landes-Anzeiger, Chemnitz. Donnerstags 7. September1888. Von den Hanptblättcrn des „Sächsischen Landes-Anzeigcrs" erscheint (ohne besten tägliche Extra - Beiblätter) eine billigere Svnder-Ansgabc unter dem Titel: Chemnitzer General-Anzeiger für monatlich nur 80 Pfg. mit Zutrage»; außerhalb Chemnitz mountl. 57 Pf. m. Ztr. (Zeitungs-Preisliste Nachtr. Nr. >350»^ ür Abonnenten crscheintjc einmal im Jahr! JNnsttirtcsZahrcsbnchdcslrimdes-Aiizeigers. Anzeigenpreis: Raum einer schmale» CorpttSzeile l5 Pfg. — Bevorzugte Stelle (Ispaltige Petitzeile) 30 Pfg. — Bei Wiederholung großer Anzeige» Preisermäßigung. — Bei Bestellungen von Auswärts wolle man den Einrückungsbetrag (in Briefmarken) beifügen lje 8 Silben Corpusschrift bilden ca. 1 Zeile.) — Anzeige» können nur ' " " " ^ - " - — -» - . . .. . - . .. nur bis Voruiittag angenommen werden, da Druck »nd Verbreitung der großen Auslage längere Zeit erfordern. — Die Anzeigen finden ohne Prcisanfschlag gleichzeitig Verbreitung durch den „Chemnitzer General-Anzeiger" (billigere Sonder-Ausgabe der Hauptblätter des „Sächsischen Landes-Anzeigers" ohne dessen tägliche Extra-Beiblätter). Telegraphische Nachrichten. Vom 26. September. Detmold. Kaiser Wilhelm kam gestern Abend 8 Uhr hier an, von den Spitzen der Behörden, wie vom Publikum enthusiastisch chegrüßt. Die Stadt war glänzend erleuchtet, von den Bergen stammten mächtige Feuer. Beim Festmahl brachte der Fürst einen Trinkspruch auf den Kaiser aus. Dieser dankte für den herzlichen Empfang und gab der Erinnerung Ausdruck, daß er als Knabe vor dem unvollendeten Herrmannsdenkmalc gestanden habe, in eitler Zeit, Wo Deutschlands Einheit noch zu erkämpfen war. Kaiser Wilhelm gab hierbei seiner Uebcrzcngnng Ausdruck, daß die Söhne des Landes Lippe, welche unter der Führung ihres Fürsten auch für die Einigkeit Deutschlands geblutet, fernerhin in deutscher Gesinnung beharren werden. Der Trinkspruch gipfelte in einem Hoch auf den Fürsten und das fürstliche Hans. Paris. Präsident Carnot wird am 6. Oktober eine Reise über Lyon nach Dijon unternehmen und am II. Oktober wieder hier ein- treffen. Der Tag des Wicderzusainmentritts der Kammern ist noch nicht festgesetzt. London. Einer Reiitermcldniig ans Zansibar zufolge tödtctcn die Eingeborenen daselbst am 21. September zwei Angestellte der dcutsch-ostafrikanischen Gesellschaft. I» Kilwa haben sich die Ein geborenen, welche Bogamogo angriffcn, ins Innere des Landes zurückgezogen. Politische Rundschau. Chemnitz, den 26. September. Deutsches Reich. Kaiser Wilhelm hat am Dienstag seine Reise nach Detmold angetretcn, wohin ihn der Fürst Woldemar von Lippe zur Abhaltung von Jagden geladen hat. Die Reise ging über Magdeburg und Börssum. — Der Kaiser hat das Protectorat über die Deutsche Allgemeine Ausstellung für Unfallverhütung — Berlin 1889 — übernommen. — Fürst Bismarck ist am Montag Abend ^10 Uhr plötzlich von Friedrichsruhc in Berlin eingeirvffen. Am Dienstag Vormittag begab er sich mit dem Grafen Herbert Bismarck nach Potsdam; der letztere wurde zuerst vom Kaiser empfangen und sodann der Kanzler. Da der Kaiser unmittelbar vor seiner großen Reise »ach dem Süden steht, so liegt es ans der Hand, die Reise daniit in Verbindung zu bringen. Sie scheint aber auch durch die Publikation des Tagebuches Kaiser Friedrichs mit veranlaßt zu sein, denn die Abreise aus Friedrichsruhe erfolgte ohne jede Vorbereitung. Der Fürst trug seine Kürassieruniform, während er sonst stets in Civil reist. Nach dem^Empfang durch den Kaiser kehrten der Kanzler und sein Sohn nach Berlin zurück; am späten Abend gedachte Fürst Bismarck wieder -in Friedrichsruhc einzutreffen. Nach anderweiten Gerüchten hätte Die Reise bestimmten Aufgaben in der inneren Politik des Reiche gegolten oder den bevorstehenden preußischen Landtagswahlen. Man sagt, der Kaiser habe sich mit großer Bestimmtheit dahin ausge sprochen, daß bei den Wahle» unbedingte Objcctivität beobachtet werde. — Das Tagebuch Kaiser Friedrichs bildet fortwährend den Mittelpunkt der Erörterungen. Die „Nordd. Allg. Zig." hatte mit getheilt, nicht der ganze Inhalt sei echt. Daran, daß der Haupt inhalt vom Kronprinzen Friedrich Wilhelm hcrrührt, ist aber nicht zu zweifeln. Selbst die „Nat.-Ztg." äußert sich in diesem Sinne, indem sie schreibt: „In der Hauptsache rührt das Tagebuch wohl jedenfalls von dem verstorbenen Kaiser her. Aber schon aus der Erklärung der Redaction der „Deutschen Rundschau" ergab sich, daß der unbekannte Einsender auf Grund dessen, was er für Discrciivn hält, Aenderungen, mindestens Sireichiingcn vorgcnommen hat, und dadurch kann der Sinn des Schriftstückes sehr geändert werden. Es Wird an berufener Stelle bezweifelt, daß der Kronprinz Alles, was unter seiner Flagge jetzt an die Ocffcntlichkeit gebracht worden ist, Der Geistersee. Original-Novelle von Gustav Höcker. Fortsetzung. Nachdruck verboten. Ans dem Wege dahin besann sich Leopoldine, daß es besser sei, wenn sie vorerst einen vorsichtigen Fühler ausstrccke. Sie dämpfte ihre Schritte und lauschte ein paar Augenblicke an der Flngelthüre, welche sich in das Atelier öffnete. Jeder dieser Flügel führte in eine andere Abiheilung des Ateliers, aus welchem durch einen großen Vorhang von schwerem Wollcnstofse zwei vollständig abgesonderte Räume gebildet waren. Dieser Vorhang hatte die ganze Länge und fast auch die ganze Höhe des Ateliers und lief in Ringen an einem Eisenstabe vom Eingänge bis zu einer diesem entgegengesetzten Thürc, welche zwischen den beiden hohen Fenstern in den Garten hinausging. Unhörbar trat Leopoldine in denjenigen Theil des Ateliers, in Welchem Orlando seine Utensilien, Requisiten, Skizzenblätter aufzu bewahren Pflegte. Seine Staffelet mit einem »och nicht vollendeten großen Bilde, an dem er seit Monaten eifrig malte, befand sich jen seits des Vorhangs. Von dem, was drüben gesprochen wurde, konnte Leopoldine kaum ein Wort entgehen. „Ich habe Sie nur komme» lassen," hörte sie ihren Gatten sagen, „weil Sie mir als geeignetes Modell für meinen König Phi lipp empfohlen worden sind. Im Ucbrigen kenne ich Sie nicht. Nur ein einziges Mal habe ich Sie gesehen, und das war auf der Straße, wo Sie mich anredeten. Schon damals hielten Sie mich für eine» Andern, denn Sie fragten, wie mir meine Stellung in Westerlünnc behage, ob ich meine Frau mitgebracht habe und wie lange ich mich hier aufziihaltcn gedenke. Ich bi» später auch noch von andern, mir ganz fremden Lcnten gegrüßt und mit „Zelter" angcredet worden. Einen Maler dieses Namens hat cs allerdings früher hier gegeben. Wie man mich aber mit ihm verwechseln kann, begreife ich nicht; so gar meine Fra», die ihn selbst gekannt hat, giebt nur eine sehr ent fernte Aehnlichkcit zu. Doch lassen wir das auf sich beruhen und gehen wir an unser Geschäft. Bor allen Dingen müssen Sie genau die Lage einnchmen, wie die Figur dort auf meinem Bilde. Damit aber Ihr Kopf nicht zu tief liegt, will ich mich nach einem geeig neten Kissen umsehcn." Orlando näherte sich dem Vorhänge, und Lcopoldine schlüpfte wieder in den Hausgang zurück. An der Thürc lauschend hörte sie ihren Galten in der von ihr verlassenen Atelierabthcilung herum- dainals in sein Tagebuch geschrieben habe." Der Widerstreit wird sich ja bald aufklären. Ist der Urheber der Publikation im Recht, wird er auch mit den Beweisen dafür hervortrcten, und dann wird sich auch die Veröffentlichung weiterer Tagebuchbriichstücke nicht um gehen lassen. Am besten wäre eine officielle Kundmachung, wodurch von vornherein alle Differenzen ausgeschlossen sein würden. — Wie verlautet, haben die Kommissionsperhandlnngen in der deutschen Admiralität über die Neuordnung der obersten Marinebe^ Hörde jetzt ihren Abschluß gefunden. In Marinekrcisen hält man cs für feststehend, daß die wesentlichste Aenderung die Abirennung der Kommando-Abtheilung von der Admiralität sein wird. Die Kommando- Ablhcilmigen werden in Zukunft unter dem kommandirenden Admiral stehen. Nach der Trennung von Kommando und Verwaltung, die voraussichtlich schon mit dein Beginn des neuen Jahres herbeigeführt werden wird, dürfte Vicc-Admiral Graf von Monts mit dem Ober- ommando betraut werden. — Wie mitgetheilt wird, hat der preußische Minister des Inner», Hcrrfnrth, eine Circnlarverfügnng an alle Landräthe erlassen, in welcher jede amtliche Wahlagitation verboten wird. — Der deutsche Gendarm, welcher sich ans französischem Boden letzthin erschossen hat, ivar ein geborener Brandenburger; er stammte ans dem Dorfe Wansdorf im Kreise Osthavelland, wo seine Eltern, Geschwister und seine Braut wohnhaft sind. Von alle» diesen hat er in einem Briefe, der bei der Leiche vorgcfuiiden wurde, Abschied genommen. Da das Couvert des Schreibens völlig mit Blut befleckt war, so hat die Vorgesetzte Behörde den Brief in einem amtlichen Couvert an den Vater des Verstorbenen, Stellmachernieistcr Carl Stärke in Wansdorf, abgesandt. Das Schreiben hat nach dem „Spandauer A»z." folgenden Wortlaut: „Strüth, den 7. Scpt. 1888. Liebe Eltern und Geschwister! Wenn Sie diesen Brief erhalten, bin ich nicht mehr unter den Lebenden. ES ging nicht mehr anders, ich habe cs mir jetzt vorgenvmmeu und cs ist vorbei. Ich sterbe, weil es »»serm Oberwachtmeister nicht einlenchtcn kan», warum ich einen Mann wegen Diebstahls cingcsperrt habe. Meine Sachen wird Ihnen wohl mein Kamerad Haak zuschicken. Es ist ein Bett, ein Schrank und ein Tisch, eine Lampe, ein Regulator, eine Weckuhr, mehrere Bilder, zwei Handkoffer, ein hölzerner Koffer und eine Cylinderuhr. Alwine soll sich nicht sehr grämen, auch Sie nicht, liebe Eltern und Geschwister; glauben Sie nicht, daß ich was ansgefresscn habe, Sie können sich danach erkundigen. Ich sterbe in Ehren. Ihr Sohn Rudolf." — Zu den deutsch-englischen Streitigkeiten im Niger-Gebiet er greift die „N. A. Z." das Wort nnd schreibt: „Verschiedene Zeitungen brachten die Notiz, daß das deutsche Auswärtige Amt dem in Folge seiner Konflikte mit der Noyal Niger Company au-Z dem Ge biete der letzteren ansgewiesencn deutschen Kaufmann Hönigs- bcrg amtlich eröffnet haben soll, daß seine Beschwerden gegen die Sperrung des Niger als gerechtfertigt von der englischen Regierung anerkannt worden seien und der Wiederaufnahme seiner Geschäfte von englischer Seite nichts mehr in den Weg gelegt werde. Wie wir von autorisirter Seite hören, ist diese Nachricht ungenau. Herrn Hönigsberg ist lediglich mitgetheilt worden, daß die englische Ne gierung sich bereit erklärt habe, seine Rückkehr nach dem Gebiete der genannten Gesellschaft zu vermitteln, falls er seine Entschädigungs ansprüche fallen lasse. Nicht minder nnrichlig ist die kürzlich durch die Presse gegangene Behauptung, daß die kaiserliche Negierung in derselben Angelegenheit kürzlich ein Ultimatum nach London ge richtet habe." — Aus Zanzibar wird noch berichtet, daß umfassende deutsche militärische Operationen an der Küste, ui» die Ordnung wieder- herznstellcn, bcvorstehcn. Die Unsicherheit ist so groß, daß der eng lische Generalkonsul seinen Landsleuten das Betreten der Küste ver boten hat. Man hofft, daß die Unterdrückung des offene» Aufruhrs bald gelingen wird, doch wird es schwer halten, die arabischen Eingeborenen zu gewinnen. Die Leute sind furchtbar gegen alle Weiße» erbittert. l Oesterreich-Ungar». Die „Neue Freie Presse" findet, daß 1 weder vom Standpunkt des geeinigten Deutschlands, noch von dem jenigen des Verdienstes, welches de» an dem Einignngswerk be- thciligten Feldherren und Staatsmänner» zukommt, das Zengniß von Kaiser Früdrich's Tagebuch zu fürchten wäre. Die staats- männischc» Eigenschaften des Reichskanzlers zumal seien vielleicht niemals glänzender beleuchtet worden, als durch diese Aufzeichnungen, welche wiederholt die ruhige Besonnenheit Bismarck's im Kampfe mit dem jugendlichen Stürmen nnd Drängen des Kronprinzen er scheinen lassen, nicht zum Nachtheile des Reichskanzlers, zu dessen größten Vorzügen cs gehört, daß er auch durch den höchsten Erfolg sich nienials hat berauschen oder zu einer Unbesonnenheit hinrcißen lassen. Italien. An der Flottcnrevue bei Neapel zu Ehren Kaiser Wilhelm's II. werden 20 Kriegsschiffe und 22 Torpedoboote unter dem Oberbefehl des Admirals Acton theilnchmen. Die Majestäten nehmen ihren Platz auf der Jacht „Savoia". Die in Messina, Catania und Palermo wohnenden Deutschen werden Vertreter nach Nom sende», welche dem Kaiser Wilhelm eine kostbar gebundene Glückwunsch-Adresse überreichen sollen. Andere deutsche Kolonie» werden diesem Beispiel folgen. Frankreich. Die Minister des Krieges und der Marine, die Herren Freycinct und Admiral Krantz, haben ihre liebe Noth mit dem Budgctansschuß der Dcpniirtenkammer, der alle seine Hvffiinngen zu spare» durch die beträchtlichen Mehrforderungen der beiden Minister zerstört sieht. Die Herren der Kommission machen ein so schiefes Gesicht zu dem Ansinnen der beiden Minister, daß die Letzteren mit ihrem Rücktritt zu drohen beginnen, für den Fall, daß Abstriche ge-, macht werden. Zunächst handelt es sich nur um die beiden Ressort minister, doch ist cs möglich, daß schließlich das ganze Kabinet Floqnet in den Geldstrcit verwickelt wird — Bei der Enthüllung eines Denkmals für den von dem deutschen Soldaten Kauffmann er schossenen französischen Jäger Brignon in Vexaincvurt hielten Pariser Ncvanchcmänner so wüthcnde Hetzreden gegen Deutschland, daß eS endlich den Ortsbewohnern selbst zn arg wurde und Streitereien die Folge waren. Die dort bisher sehr unbestimmte Grenze ist jetzt genau markirt. England. Zwischen der britische» Expeditionsarmer nach Sikkim und den Tibetanern haben in dcnletztcn Tagen wiederholt Gefechte stattge- fnnden, die aber ohne Entscheidung blieben. Die Tibetaner haben sehr feste Stellungen. — Oberst Graham schlug die Tibetaner im Jclaplapatz nnd geht aus Rinchigong im Chumbithale vor. Die Tibetaner hatten 400 Tobte und Verwundete. Oberst Bromhead verlor den rechten Arm; 9 Sepoysoldate» wurden verwundet. Orient. In Rumänien wird die Agitation der bevorstehenden allgemeinen Kammerwahle» mit großer Kraftanstrengung betrieben. Das Ministerium Nosctti-Carp veröffentlicht selbst ein Wahlprogramm, in welchem cs verständige Verwaltung und Reformen, sowie eine friedliche auswärtige Politik verhcißt. Ohne Blutvergießen werden freilich die Wahlen auch diesmal nicht abgehcn; besonders auf dem Lande gährt es »och immer, und russische Agenten schüren kräftig mit Worten und Geld die herrschende Aufregung. kramen. Er schien das Gesuchte nicht zn finden nnd kam plötzlich auf die Thür selbst zngcschritten. Lcopoldine blieb nicht Zeit genug, um ihr Zimmer wieder zu erreichen, das zu weit »ach vorne lag. Sie zog sich daher nach dem Hintergründe des Ganges zurück, wo sich cin in die dicke Wand cingclassencr großer Schrank befand, in wel chcm Fanny ihre Kleider und Wäsche bewahrte. Glücklicherweise stak der Schlüssel daran, so daß Lcopoldine sich hinter der Schrankthüre zu schaffen machen nnd vo» ihrem Gemahl leicht für die Zofe ge halten werden konnte. Orlando trat ans dem Atelier und ging nach seinem Bibliothek- Zimmer, welches Leopoldincns Zimmer gegenüber lag. Sic hielt es für geralhen, sich vorläufig zurückzuziehcn. Hier horchte sie eine ge raume Weile, ohne daß sic jedoch ihren Gemahl aus der Bibliothek hätte zurückkonnnen hören. Bei dem starken Geräusch der ans der Straße vorübcrrasselnden Wagen konnte sie es leicht überhört haben. So war cs auch in der Thai, denn als sic endlich, des langen Wartens müde, sich wieder ins Atelier wagte, vernahm sie von der anderen Seite des Vorhangs die Stimme Orlandos, der eben sagte: „Ich fühle mich nicht berufen, Sie vo» einem so Ihörichtcn Aber glauben zu bekehren, aber —" „Lassen Sie mich nie wieder dieses Wort hören," fiel der andere gereizt ei», „wenn Sie von meinen Diensten Gebrauch machen wollen. Ich habe nun einmal meine Ueberzeugnngcn und alle Ihre Herren Kollegen wissen diese Ueberzcugnngen zu achten." „Nun, so will ich mich anders ausdrückcn," lenkte Orlando ein, dem an seinem Modell viel gelegen sei» mochte, „und will sagen, Sic haben Unglück mit den Achnlichkciten, nicht mir bei den Lebenden, sondern auch bei den Tobten. Die Begegnung, die Sic vorhin gehabt haben, geschah doch nur ganz flüchtig auf der Straße. „Wie leicht kann man sich da täuschen. Das Grab giebt seine Opfer nicht zurück. Und mit der Erscheinung des tobten Kindes wird cs auch eine natürliche Bewandtniß gehabt habe». Doch das wollen Sie mir erst »och erzählen; ich habe Sie vorhin unter brochen. Fahren Sie also fort. Aber rühren Sie sich nicht ans Ihrer Lage. Die Beleuchtung Ihres Gesichtes könnte nicht günstiger sein!" „Ich war gerade auf einige Tage verreist, als die Stadt von jener schrecklichen Ucberschwcnimung hcimgcsncht wnrde," ließ sich Orlandos Modell vernehmen. „Fast cin Drittel des Ortes war ver nichtet; auch in der Gegend des Kirchhofes hatte das Element übel Sächsisches. — Dresden, 26. September. König Albert trifft am 4. Oktober in Wien ein; am 5. findet beim Kaiser Franz Joseph zn Ehren des deutschen Kaisers und des Königs von Sachsen eine große Galatafcl statt. Abends erfolgt die Abreise der drei Majestäten zur Hochwildjagd nach Steiermark. — Die Königin wird sich nächsten Freitag nach dem Jagdschloß Rehcseld begeben, woselbst die Königl. Majestäten den schulpflichtigen Kindern der Gemeinde Rehe- fcld und Zaunhans nächsten Sonntag Nachmittag ein Kinderfest be- gchaust. Dort standen vereinzelte Häuser, »nd von diesen war nicht cin einziges verschont worden, alle hatte das Hochwasser fortgerissen, auch das Hänschen meiner Schwiegermutter, welche eine kleine Gärtnerei betrieb und mit Grabkränzen handelte. Sie selbst hatte sich »och zu retten vermocht, aber mein Weib und mein einziges Kind, cin vierjähriges Mädchen, waren in den Fluthen umgckommeu, wie hundert andere, denn dieselbe Katastrophe hatte die Unglückliche» im Schlafe überrascht. Manche vo» den Ertrunkenen sind nie auf- gefnnden worden, auch mein Töchterchen nicht, nnd Gott weiß, wohin die Wellen es gebettet habe». Nach diesem furchtbaren Unglück duldete es mich nicht mehr in der Stadt. Ich griff zum Wnnder- stabc, und wie ein einsamer Junggeselle ging ich in die Welt. Ein halbes Jahr später führte mich eine Geschäftsreise an der Stadt vorüber, wo ich so Trauriges erlebt hatte. Von der Bahnstation ans konnte man den Bahnhof sehen und ich verlieh den Eiscnbahn- zug, nm das Grab meiner Frau zn besuche». Es war an, Spät nachmittage gegen Ausgang des Sommers und die Sonne neigte dem Untergänge zu, als ich de» Kirchhof betrat. Schon von weitem sah ich ein Kind auf dem Grabe meiner Frau sitzen. Ich trat heran »nd plötzlich ging mir ein Schauer über den Rücken, eiskalt rieselte cs mir über die Stirn und an jedem Härchen meines Kopfes hatte ich das Gefühl, als ob eine unsichtbare Hand leise darüber hinstrich. Das auf dem Grabe sitzende Kind, welches das Auge unverwandt »ach den weißen Fcderwölkchcn am Himmel richtete, war mein er trunkenes Töchterchen! Ich hatte mich in meinen früheren Studien viel mit dem Ucbcrsimiliche» beschäftigt, und Wohl kein Buch, welche- diese Fragen behandelt, ist von mir ungelesen geblieben. Aber diese überwältigende Bestätigung jener Theorien war damals noch zu viel für mich. Mir schwanden die Sinne. „Wie lan^e i!> bewußtlos war, weiß ich nicht. Als ich die Augen wieder öffn ie, gind ich mich neben dem Grabe meiner Frau am Bode» liegend. Das Kind war verschwunden. Ich raffte mich auf und wollte zu meiner Schwiegermutter eilen, die mir über das Bcgcbniß vielleicht Ansklärung geben konnte. Noch ehe ich den Aus gang des Friedhofes erreicht hatte, kam sie mir entgegen. Sie trug eine Gießkanne und einen Jäte» i» der Hand, da die Unterhaltung der Gräber einen Theil ihres Erwerbes bildete. Als ich ihr er zählte, was ich gesehen hatte, hörte sic mir ohne Ucbcrraschnng zu. Die Erscheinung des Kindes auf dem Grabe seiner Mutter war ihr nichts Neues. Auch sie hatte es schon dort erblickt, ganz so wie ich.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite