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kxped. u. Redaktion rr«»-en-Reufta-t n. Meitzner Vaste 4. Tie Zeitung erscheint rteuftag, roanerftag und eonna-en- früh. Avonncment-- Preis. dierttljährl.Mt 1,50. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post» anstaltcn und durch unsere Boten. Bei freier Lieferung ins Hau« erhebt die Post noch eine Ge bühr von 25 Pfg. Sächsische VacheilMK. Em unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. AmtShauptrnannschasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften de- kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrmann Müller in Dresden. Inserate werden bi- Montag, Mittwoch u. Freitag Mittag angenommen und kosten: die1spalt.Ze«le15Pfg. Unter Eingesandt: 30 Psg. Jnseraten- AnuahmestcScu: Die Arnoldische Buchhandlung, Jnvalidcndanr, HaascnsteinLVogler, Rudolf Mosse, G. L. Daube L Co. in Dresden, Leivzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt aM. u. s. w. Sonnabend, den 30. Juli 1887. 49. Jahrgang. Abonnements - Einladung. Bestellungen auf die „Sächsische Torfzeitung" für die Monate August und September nehmen alle kaiserlichen Postauftalten und Posterpeditionen, so wie auch alle Landbriefträger gegen BorauSbezah- luug von 1 Mark entgegen. Die Verlag-- Expedition. Politische Weltschau. Deutsches Reich. Die „National-Ztg." äußert sich in einem Artikel über die gegenwärtige politische Lage folgendermaaßen: Den bleibenden Kern, um wel chen alle diejenigen Clemente in Europa, denen eS ernstlich um die Erhaltung deS Friedens zu thun ist, sich naturgemäß schaaren, bildet die deutsch-österreichische Allianz. Ihre äußere Bekräftigung hat dieselbe nun schon seit einer Reihe von Jahren durch die stets sich wiederholenden Zusammenkünfte deS deutschen Kaisers mit dem Kaiser von Oesterreich in Gastein gefunden. Von dorther ist jedes Jahr die Zuversicht aus Erhal tung deS Weltfriedens genährt worden und wenn sich neuerdings auch die allgemeinen Verhältnisse so gestaltet haben, daß die feindseligen Bestrebungen der europäischen KriegSpartei schärfer hervortreten und bestimmtere Form aunehmen, so ist die jetzt bevorstehende Zweikaiser- Zusammenkunft in Gastein doch immer noch dazu an- gethan, die Hoffnungen, daß jene Bestrebungen auch jetzt wieder zu Schanden gemacht werden dürften, neu zu beleben, jedenfalls aber allen Freunden deS Friedens und der Ordnung die Zuversicht einzuflößen, daß die Gegner derselben auch durch einen Krieg ihr Ziel, nemlich den Umsturz der gegenwärtigen europäischen Ordnung, nicht erreichen werden. ES ist unter solchen Umständen dem greisen Kaiser Wilhelm zum höchsten Verdienste anzu- rechnen, daß er auch io diesem Jahre die Strapazen der Reise nicht gescheut hat, um in der nun einmal herkömm lich gewordenen Weise mit dem Herrscher deS verbündeten Oesterreichs zu herzlicher Begrüßung und vertraulichem Gedankenaustausche zusammenzukommen. Dabei ist eS von höchster Bedeutung, daß daS Derhältniß zwischen den beiden Mächten Oesterreich-Ungarn und Deutschland nicht vorwiegend einen persönlichen Charakter trägt. Seit die Einigung der deutschen Nation Wirklichkeit geworden, hat sie in Europa ihr Gewicht nur zu Gunst» deS Friedens in die Waagschale geworfen; daS Größte, daS Bewunderungswürdigste an Kaiser Wilhelm ist eö, daß kein kriegerischer Ruhm ihn zu berauschen vermochte. Ihn. jetzt wieder die alten Bahnen io Gastein wandeln, dort mit seioem kaiserlichen Freunde zusammen treffen zu sehen, muß auch in besorgten Gemüthern die Zuversicht auf die Erhaltung deS Friedens stärken. Nicht daS Gefühl der Schwäche, sondern daS Bewußtsein der beiderseitigen Kraft ist eS ja, waS Oesterreich und Deutschland zusammengeführt hat und zusammenhält. Wäre dagegen anderwärts nicht daS knirschende Gefühl der Schwäche vorherrschend — der Friede hätte längst aufgehört zu bestehen. Neuesten Nachrichten auS Gastein zufolge läßt daö Befinden deS Kaisers Wilhelm nichts zu wünschen übrig, infolge dessen der Monarch auch den Regierungs geschäften mit großem Eifer obliegt. Die Korrespon denz, welche täglich zu früher Stunde ein Kurier auS Berlin bringt, wird auf daS Pünktlichste erledigt. Sind die StaatSgeschäfte beendigt, so greift der erlauchte Herr zur Zeitung oder zu einem Buche. Dank diesem er freulichen Wohlbefinden ist es dem Kaiser auch möglich, Besuche abzustatteo und einige Abende in der Woche außerhalb seiner Wohnung zuzubringen. Mit Vorliebe weilt Kaiser Wilhelm in der Villa seines Flügeladju- tanten, deS Grafen Lehndorff. Hier fand auch jüngst eine Theatervorstellung statt. Man hatte sich für die Aufführung d,S bekannten Förster'schen Lustspieles „Ein vorsichtiger Ehemann" entschieden und Operndirektor v. Strantz war damit betraut, diese Dilettanten - Vor stellung zu insceniren und zu leiten. In angeregter Stimmung nahm der Kaiser später den Thee inmitten des Eirkels ein. Es war bereits die Stunde, zu welcher der hohe Herr gewohntrrmaaßen Ruhe zu suchen pflegt, schon verstrichen, als er sich erhob und in Be gleitung deS dienstthvenden MajorS v. Bülow in'S Badeschloß zurückfuhr. Fürst Bismarck beabsichtigt am 1. August Varzin zu verlassen und sich über Berlin nach Kissingen zu begeben. Der Aufenthalt daselbst dürfte etwa drei Wochen dauern. Von einer Nachkur in Gastein oder in einem anderen Badeorte ist bisher noch nicht die Rede gewesen. Einige Blätter behaupteten, der russische Botschafter in Berlin, Graf Schuwaloff, sei mit den Finanzkreisen in der deutschen Reichshauptstadt in persönliche Beziehungen getreten, um beruhigende Versicherungen über die russische Politik abzugeben. Diese Behauptung wird nun seitens der officiösen „Berl. Pol. Nachrichten" als unbegründet bezeichnet. Wenn Graf Schuwaloff in der Lage ge wesen wäre, Mittheilungen von thatsächlichrm Werth« über die russische Finanzlage zu machen, so würde er dieselben in politischen Kreisen zur Sprache gebracht haben. Daß ein Botschafter in privaten Unterhaltungen nicht anders als beruhigend über die Finanzlage deS von ihm vertretenen Landes sprechen kann, ist selbst redend. Bezüglich der Thatsache, daß die französische Re gierung beschlossen hat, ein Armeekorps probeweise zu mobilisiren, meint die „Köln. Ztg.", eS sei schwer er findlich, welchen Nutzen man sich von einem derartigen Unternehmen verspreche; denn die hauptsächlichsten Leistungen, welche bei einer wirtlichen Mobilmachung in Frage kämen, würden in anderen LandeStheilen stattfiaden als dort, wo der jetzige Versuch ge macht werden solle. „AlS im vorigen Jahre" — heißt eS dann weiter — „General Boulanger mit seinem Mobilmachungsprojekte auftrat, wurde die französische Regierung von deutscher Seite darüber nicht im Un klaren gelassen, daß man in Berlin mit der sofor tigen Mobilmachung von drei Armeekorps antworten werde, sofern nemlich jiner Versuch an der Ostgrenze vorgenommen werden sollte. Jetzt hat man aber bei unS keinen Grund, jenem Unternehmen eine besondere Bedeutung beizulegen, da dasselbe auf einem von unserer Grenze entfernt gelegenen Gebiete stattfinden wird. Trotz aller Vorfichtsmaaßregeln seitens der Be hörden steht der Vertrieb der socialistischen Zeitschriften in Deutschland noch immer im schönsten Flore. Der Schmuggel der in Zürich hergestellten Druckschriftra über die deutsche Grenze geschieht so systematisch, daß selbst die Verhaftung einer großen Anzahl der Ver breiter und die Beschlagnahme umfangreicher Posten von Zeitungen und Broschüren dem Vertriebe der- ftlben nur in geringem Maaße Abbruch thun können. So berichtet z. B. die Post: Der „Socialdemvkrat". dessen Auflage gegenwärtig die Höhe von 12,000 er reicht hat, wird allwöchentlich in ungefähr 9000 Erem- plaren heimlich in Ballen über die deutsche Gr nze ge schafft, während etwa 400 Eremplare in verschlossenen KouvertS direkt durch die Post an deutsche Empfänger gelangen. Den Transport der Schriften über die Grenze vermitteln die Parteigenossen in denjenigen Kantonen, welche der deutschen Grenze zunächst liegen. Die Sen dung erhält zunächst einer der Vertrauensmänner, der sich dann drei bis vier Genossen auSwählt und mit diesen gewöhnlich deS Sonntags die anderthalb Centnrr schweren Packete über die Grenze befördert. Während dann die Genossen den Rückweg aatreten, fährt der Vertrauensmann mit der Sendung per Fuhrwerk oder Eisenbahn einige Meilen landeinwärts, um am folgenden Tage in irgend einer Stadt eine gewöhnlich als Räucher- waaren deklarirte Kiste als Frachtgut einer Güter- erpedition einzuliefern. Solcher „Vertrauensmänner" stehen der Züricher „Volksbuchhandlung" stets ein halbe- Dutzend zur Verfügung, die sich unter einander jedoch keineswegs kennen. Natürlich findet unter diesem Per- Feuilleton. Schatten! Kriminal-Novelle von N. I. Ander-. lS. Fortsetzung.) „Gut, Herr Bürgermeister, so werde ich mir er lauben, Ihnen eine Dette nach meiner Art zu propo- uiren", rief Kühn beinahe mit Hast, während sein Ge sicht mit Purpur übergossen schien „Haben Sie recht, daS heißt, ist der Eivgeliefert« der Mörder Hinzmann'-, so zahle ich hundert Thaler; ist er indessen unschuldig und glückt eS mir, den Verbrecher zor Verantwortung zu ziehea, so verpflichten Sie sich, mir eine Ditte zu erfüllen, deren Gewährung in Ihrer Macht liegt und die Sie weder Geld noch GeldeSwerth kostet!" DaS ist ja eine Propofition, die ich annehmen kaun!" rief der Bürgermeister lachend „und ich wünsche wirklich, der arme Teufel wäre unschuldig, weil ich begierig bin, den Gegenstand Ihrer Bitte kennen zv lernen." In diesem Augenblicke trat Marte eia und kurz darauf empfahl sich Kühn. Der Bürgermeister mußte wohl mit der Wette sehr beschäftigt sein, sonst hätte er bemerkt, wie sein Töchterlein erröthete, alS der junge Mann ihr beim Abschiede die Hand küßte. Kühn fühlte da» leise Zittern und den milden Gegendruck ihrer Hand; er schwelgte, als er da- Hau» verließ, in einem Meere ui« geahnter Wonne. Tiefe Nacht lag über dem Städtchen auSgebreitet, al» er die Straße wieder betrat. Forschend blickte er auf jede- Hau-. Er hatte nicht lange Zeit zu suchen, r bald fielen ihm über der Thür eines alterthümlichea Ge bäude- die Worte „Gasthaus zum Kreuz" in'S Auge. Er schritt über den mit Steinen gepflasterten Flur, stieg dann ein paar Holzstufen hinan und befand sich bald darauf in dem trotz der vorgeschrittenen Zeit mit Gästen und TabakSqualm gefüllten Gastzimmer dem Wirth, einem gutmüthig dreinschauenden, korpulenten alten Herrn gegenüber. „Ich kann doch hier zur Nacht bleiben?" Mit der größten Zuvorkommenheit bejahte der Wirth diese Frage. „Nun, so bringen Sie mir zunächst ein« Flasche guten alten Landweivs." Diese Bestellung mußte dem Wirth« noch m«hr imponiren, da sie bei ihm zu den Seltenheiten zählte und mit seltener Geschäftigkeit brachte er, während Kühn die auf dem Tische befindliche Zeitung durchflog, da- Gewünschte. „Hören Sie, guter Freund", redete Kühn den zurück- kehrenden Wirth an, „da bin ich vor einigen Tagen mit Jemandem zusammevgefahren, der mir Ihr Gasthaus empfahl und besonders da- Zimmer, in dem er hier zuletzt übernachtete, seiner Behaglichkeit halber nicht genug loben konnte. Nun möchte ich gern, wenn eS anging, dasselbe Zimmer haben." „Ja, Du lieber Gott, mein Herr, hier verkehren viele Fremde und wenn Sie den Namen Ihres Reise gefährten nicht wissen, da dürfte eS schwer halten, da- Zimmer herauSzufindeo." „DaS ist allerdings eine fatale Geschichte", er- wiederte Kühn lachend; „er nannte mir zwar seinen Namen, doch der ist mir wieder entfallen. Nur so viel weiß ich, daß eS eine Art Handelsreisender oder so etwa- sein mußte. Er sprach sehr viel von Viehpreisen und kam auch, wie er erzählte, direkt vom Viehmarkle io Halle, wo er ein sehr gutes Geschäft gemacht haben will." „DaS ist Brem und kein Anderer gewesen", er klärte der Wirth. „Ein ziemlich großer, starker Herr mit einer Glatze." „Richtig, nun find wir ja gleich darüber einig." „BiS auf den Punkt , erwiederte d«r Wirth lachend, „daß er nicht, wie er sagt, häufig hi«r logirt, sondern überhaupt nur zweimal und zuletzt vor etwa vier Wochen bei mir zur Nacht geblieben ist. Wenn eS Ihnen also Vergnügen macht, in demselben Zimmer zu logiren, so habe ich nicht- dagegen uad soll eS mir lieb sein, wenn e- Ihnen ebenso gefällt." „Ich will eS hoffen." Mit diesen Worten entließ Kühn den Wirth. Erst jetzt konnte der Kriminalbeamte seine Umgebung mustern. Lange währte «S, ehe selbst sein scharfe- Auge sich daran gewöhnte, die dichten Wolken von TabakSqualm zu durchdringen und die einzelnen Gegenstände und Per sonen im Zimmer zu unterscheiden. Viel war eS nicht, waS sich ihm bot: daS Einerlei der Physiognomie, wie man eS in allen Bierstuben kleiner Städte findet, auch daS Einerlei der Unterhaltung, wie fie dort beliebt ist. Selbstredend bildete die Einlieferung deS muthmaaßlichen Mörder- heute da- Tages- oder vielmehr daS Nacht gespräch und dieser Umstand veranlaßte Kühn, sich noch lange im Gastzimmer aufzuhalten. Der Kriminalbeamte gleicht in gewissem Sinne dem