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WMMWMWWWWD äch fische VochkAU 49. Jahrgang Sounakend, den 23. Juli 1887 Feuilleton Inserate werden biL Montag, Mittwoch u. Fre^ag Mittag angenoniinea und kosten: dielspalt.Zeile 15»^ sg. Unter Eingesandt: 30 Pfg. Politische Weltschau. Deutsche- Sl<ich. Die »Neue Preußische Ztg." erblickt den Grund für den Federkrieg, welchen die officiösen Blätter in Deutschland seit einiger Zeit gegen die russischen Werthpapiere führen, in der Verschuldung deS Czaren- reicheS, sowie in seiner deutschfeindlichen Haltung. WaS den ersten Punkt betrifft, so ist eS nach Ansicht deS genannten Blattes soweit gekommen, daß, werv daS Ausland dem russischen Reiche seine finanzielle Hilfe versagt, dieses fich gezwungen sehen dürfte, zu ver zweifelten Mitteln zu greifen, um sein Verderben wenigstens aufzuhalten. England würde sich selber daS Todesurtheil unterzeichnen, wenn eS seinem schlimmen Nebenbuhler Kredit bewilligen wollte. Frank reich hat Mühe und Noth gehabt, seine Staatsanleihen bei seinen eigenen Bürgern unterzubringen und damit die Aktionsfähigkeit seines Geldmarktes so geschwächt, daß eS selbst beim besten Willen außer Stande ist, den Russen eine materielle Unterstützung angedeihen zu kaffen. UeberdieS herrschen unter den Franzosen durchaus keine aufrichtigen Sympathien für Rußland; sie gedenken den Czaren nur als Mohren zu verwenden, der Dienste für sie gegen Deutschland verrichten und dann sich schleunigst empfehlen soll. Dagegen waren eS bislang die deutschen Kapitalisten, welche eS Wt ihrem Gelde den Russen ermöglichten, das innere Gefüge ihres Reiches zusammenzuhalten, Eisenbahnen zu bauen und Armeen auSzurüsten. Trotzdem gelang eS den Panslavisteu, den Czaren zu Maaßregeln zu bewegen, welche die Gefahren eines kriegerischen Zusammenstöße- nahe gerückt haben. Da ist eS denn wohl an der Zeit, daß der deutsche Inhaber russischer Werthe baldigst so viel zu retten sucht als irgend möglich. DaS Vorgehen deS hessischen Vor- mundschaftSgerichteS vom 18. Juni d. I., welches die Anlegung von Mündelgeldern in fremden Werthen verbot, wird bald vielseitige Nachahmung finden. Im Königreiche Sachsen üben unseres Wissens die Vormundschaftsbehörden schon lange diese Vor sicht. In seiner mißlichen Lage wird nun daS russische Finanzministerium wahrscheinlich zu dem äußersten Mittel greifen, daß eS die Goldanleihen in Kreditrubelanleihen umwandelt. ES wäre dies allerdings ein schreiendes Unrecht, aber darum kümmert sich die russische Politik nickt. Oder spricht etwa die über die in Rußland ansässigen Deut schen hereingebrochene wirthschaftliche und sociale Be drückung für RechtS- und Billigkeitsgefühl der Re gierung? Sucht man nicht in den Oftseeprovinzen schnurstracks wider alles Recht und alle Verträge die deutsche Sprache, die deutsche Kultur und evangelische Gesittung auSzurotten? Und vor dem deutschen Geld- rrpkd. u. Rtdakilo« Dresden-Neustadt kl. Meitzner Gasse 4. Die Zeitung erscheint Tirnfta«, Donnerstag und Sonnabend früh. Aber so rein gar nicht-, daS kann einen alten Beamten zur Verzweiflung bringen." „Freilich, freilich, eS ist daS eine mißliche Ge schichte, denn die Herren von der Regierung stellen sich die Sache oft weit leichter vor, alS sie ist", erwiederte Kühn „und wenn eS mir auch nicht gelingen sollte, Licht zu schaffen, so befinden wir unS Beide hi keiner angenehmen Lage." „DaS ist leider nur zu wahr", replicirte der Bürger meister, während er die Hände über da- ziemlich um fangreiche Bäuchlein zusammenschlug und den Kriminal- Kommiffarius mit einer Jammermiene betrachtete, die deutlich genug sprach: Wenn Du nicht hilfst, dann ist eS mit dem Ansehen der Obrigkeit hierfelbft für alle Zeit vorbei. Kühn schien nicht auf die Jeremiade deS Bürger meister- zu achten. Nach einer Weile sagte er: „Vor Allem, lieber Bürgermeister, muß ich Sie ersuchen, über Alles, waS wir miteinander verhandeln, gegen Jeder mann verschwiegen zu sein, gegen Ihre Familie, auch gegen Ihre Beamten. Ebenso darf kein Mensch außer Ihnen eine Ahnung von meiner amtlichen Stellung haben. Hier und wenn ich bitten darf, auch für Sie bin ich der Reisende Schlicht für eine Berliner Aktien- Gesellfchaft und ich ersuche Sie, mich durch Handschlag an Eide- statt Ihrer Verschwiegenheit zu versichern." Der Bürgermeister schlug in die dargebotene Rechte Kühn'- ein. Er war ein alter Beamter und fühlte eS: so kann nur ein Mann sprechen, der bereit- seine- Er folge- sicher ist. „Sie haben doch Akten in der Sache angelegt?" nahm Kühn da- Wort, nachdem Beide sich in die vor Lin unterhaltendes Blatt für den Bürger und Sandmann. Amtsblatt für die kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften de- kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentümter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger Kerrma»» Müller in Dresden. Schatten! Kriminal-Novelle von N. I. Ander-. (6. Fortsetzung.) „Seien Sie mir herzlich willkommen, Herr Kriminal- KommiffariuS", nahm der ältere Herr, der im Schlaf rocke, daS Wort, nachdem auch er die in ein Neben zimmer führende Thür verschlossen hatte und seinen Gast auf da- Sopha drückte, auf welchem <S sich der Kriminal- KommiffariuS Kühn, da- war der Fremde, den wir von jetzt ab bei dem richtigen Namen nennen wollen, recht behaglich machte. „Wie gesagt, mein lieber Herr Kriminal-Kom- miffariuS", nahm der Bürgermeister von Neuem daS Wort, während er seinem Gaste au- einem zierlichen Ebenholz-Kästchen Cigarren präsentirte, „eS ist mir angenehm, Sie endlich hier begrüßen zu können, denn die fatale Geschichte hat mir fast graue Haare gemacht. Ich war doch auch lange Polizeibeamter; eS find mir so manche Fälle in meiner PrariS vorgekommen, doch so rathloS, wie in diesem Falle, befand ich mich nie. So viel ich auch recherchiren ließ, nicht der leiseste An halt ist vorhanden, gegen eine Person einzuschreiten und ich werde fast wahnsinnig darüber, daß ich auf alle An fragen feiten- der Regierung immer die stereotype Ant wort geben muß: „In Sachen Hinzmann nicht- Neue- ermittelt." „Du mein Himmel", fuhr er in klagendem Tone fort, „wenn ich wenigsten- etwa- Alte- ermittelt hätte! Jnseraten- Annahmesteven: Die Arnoldische Buchhandluna, Jnvalidendam, Haasenstein LVogler, Rudolf Mosse. G L. Daube « l5o. in Dresden, Leipzig, Hamburg, Berlin, Frankfurt a/M. u. s. w. markte sollte Rußland mehr Respekt besitzen? Nein, gewiß nicht. UeberdieS verhehlt sich Rußland schwer lich, daß eS sich für Deutschland in der gegenwärtigen Zeit lage nicht nur darum handelt, seine Bürger möglichst wenig beschädigt unter Dach und Fach zu bringen, be vor die Stürme deS russischen Staat-bankerotte- mit allem Ungestüme loSbrechen, sondern auch darum, den deutschen Markt russischen Geldansprüchen total zu verschließen und somit den Haupturheber der fortwährenden Beun ruhigung Europas und dessen ebenso unberechtigten, al- unbändigen MachterweiterungStrieb, der eine halbe Welt in ihrer naturgemäßen Entwickelung aufhält, mindesten- auf ein Menschenalter hinaus lahm zu legen. ES wäre dieS die größte Wohlthat zugleich, welche man dem russischen Reiche erweisen könnte, indem man eS zu seiner inneren Gesundung gleichsam zwänge! Freilich, daS läßt sich nicht leugnen: Rußlands Ausschließung vom deutschen Finanzmarkte wird die internationale Stellung der Berliner Börse empfindlich schädigen. Doch dieS kann unS nicht hindern, zu thun, waS nöthig ist. Der Flor der Börse deckt fich nicht unter allen Umständen mit der Wohlfahrt und dem Ruhme einer Nation. Wohl mehren sich jetzt in der Umgebung d«S Czaren die Stimmen, welche eS als im Interesse Ruß lands liegend erachten, mit Deutschland von Neuem Freundschaft zu schließen. Aber der Preis, den man in Petersburg dafür begehrt, ist die volle Freiheit der Aktion im europäischen Orient, eine Forderung, die Deutschland niemals bewilligen kann. Ja Berlin rechnet man für absehbare Zeit nicht mehr auf ein freundschaft liches Einverständniß zwischen Rußland und Deutsch land, dagegen fürchtet man, daß GotteS strafende Hand daS Czarenreich über kurz oder lang schwer treffen wird, sei es nun daß eine Revolution, sei eS daß ein Krieg daS unglückliche Volk heimsucht. Wie bereits angekündigt, ist Kaiser Wilhelm am Dienstag Abend in Gastein eingetroffen, woselbst er sich im Badetchloffe einquartirte. Der Monarch, welcher jeden Morgen ein Bad nimmt, soll sich deS besten Wohlseins erfreuen. — Die Kaiserin wird voraussicht lich am 25. d. M. mit ihrem Hofstaate Koblenz ver lasse» und sich zunächst nach Homburg begeben. Wie nachträglich au- London gemeldet wird, be suchte der deutsche Kronprinz kurz vor seiner Abreise von dort daS in Golden Square befindliche Hospital für Halskrankheiten. Die Vorstandsmitglieder R. C. de Welch, Lord LondeSbrough und Henry Irving über nahmen die Führung d«S Prinzen, dessen besonderes Interesse der Fall eines alten Mannes erweckte, wel cher von einem ähnlichen HalSleiden, wie daS deS hohen Herrn, geheilt worden ist. Die Straßen in der Nähe deS Hospitals waren beflaggt und sowohl auf der Hin- n,i. Rückfahrt wurde der Kronprinz vom Volke lebhaft ^arüük Di- Nachricht übrigens, daß derselbe sich an Md» B-a- -Wk'"!-- -d Mb---" b.- kndm d-»«. -l- d"s'« «E rnd»-"?- portdampfer „OrooteS" zufammenstieß, wrrd letzt al- P--is-r MäN-r v-rrff-'.Mchl-n ,-r »'«»> ib» U°-n--d°ng w,Ick>- dem Papste und einem französischen StaatS- hob.» s-lltt. Dmm-a h-n- sich " L b.i d«s» dahm g.-°ß.n daß d-S mrdp-is»« «>«»»'"'»' '° kmd«S dlnb«a w»de. I"' nicht wieder eivräume, d,e »hm im Rathe der Völker acbübre Der Papst habe sich sodann über dle Thal- E daß die Franzosen den Verlust Elsaß-LothringenS bi- heute nicht verschmerzen können m längeren Be merkungen ausgelassen und schließlich s-me »^itw'll.g- keit au-g-drückt, die Forderung Frankreich- betreffs Rückgabe dieser Provinzen bei der deutschen Regierung zu unterstützen. ES muß wirklich Staunen erregen, daß so dreiste Erfindungen, die von Jedermann auf den ersten Blick alS solche erkannt werden, in sonst gut red>- girten Paristr Organen Raum finden konnten; noch größere Verwunderung muß eS aber Hervorrufen, daß auck nichtfranzöfische Blätter derartige Albernheiten ohne jede Bemerkung wiedergeben. Oder sollte eS thatsächlich -in vernünftiger «eufch für möglich halten, daß der Papst, der zu den hervorragendsten Diplomaten seine- Jahr hundert- zählt, so naive, der wahren Sachlage in keimr Weise entsprechende, mit dem Standpunkte und den Interessen der Kirche unvereinbareAeußerungen gethaa haben könnte? Doch ganz abgesehen davon, erscheint eS angesichts der Thatsache, daß seit längerer Zeit zwischen der fran zösischen Regierung und der Kurie ein überaus kühles Derhältniß besteht, geradezu unergründlich, welchen An laß der Papst haben sollte, gleichsam alS Anwalt der Machtstellung Frankreichs in Europa und der beson dere« Herzenswünsche der Franzosen bezüglich Elsaß- LolhringenS aufzutreten. In der ausländischen Presse, namentlich in spani schen Blättern, begegnet man in letzter Zeit vielfach der Behauptung, die deutsche Regierung beabsichtige, durck die Gewährung von hohen Exportprämien die Brannt- weinSauSfuhr auS Deutschland künstlich zu steigern und so die übrigen Staaten mit alkoholhaltigen Getränken zu überschwemmen. Dem gegenüber be merken nun die officiösen „Berliner Politischen Nach richten": Der Hauptgrund für die vorgenommeoe Branntweinssteuerreform lag in der Nothwendigkeit, die Einnahmen deS Reiches zu erhöhen. Auch schwebte dem Gesetzgeber der Wunsch vor Augen, den Branntwein- dem mächtigen Schreibtische befindlichen Stühle nieder gelassen hatten. „Gewiß", versicherte der Bürgermeister „und diese Akten sind, trotzdem ich noch nicht den kleinsten Erfolg aufzuweisen haben, bereits zu einem mächtigen Konvolut angewachsen." „Haben Sie dieselben im Hause oder auf der Re gistratur?" „Sie befinden sich hier, Herr Kriminal —" „Herr Schlicht, bitte zu sagen", verbesserte Kühn. „Herr Schlicht", wiederholte auch der Bürgermeister mtt einer so verständnisvoll pfiffigen Miene, als ob in diesen zwei Worten die ganze WeltweiSheit verborgen wäre. „Derartige Aktenstücke", fügte er hinzu, „pflege ich immer in meinem Privatbureau aufzubewahren. In einer so wichtigen Sache können in jedem Augenblicke Verhöre nothwendig werden, die keinen Aufschub dulden. Außerdem habe ich auch die Erfahrung gemacht, daß eS viele Leute giebt, die, wenn eS sich um eia Ver brechen handelt, mit ihren Mittheilungen nur zurück halten, weil dieselben in Gegenwart vieler Zeugen abge geben werden müssen, die aber weit gesprächiger sind, wenn sie sich mit einem Beamten unter vier Augen be finden. AuS diesem Grunde habe ich angeordnet, daß Angelegenheit zu jederzeit und für Jedermann in meiner Privatwohnung zu sprechen bin." " ° Herr Bürgermeister, in Ihnen einen so thätigen und umsichtigen Beamten kennen zu baß mir da- schwierige Werk Selingen wird. Nun aber darf ich wohl um die Akten bitten?" — — — —— Abonnement-- Preis. dierleljährl.Mk 1,50. Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- «mstaltcn und durch unsere Boten, »ei freier Lieferung inS Haus erhebt die Post noch eine Ge bühr von 2b Pfg.