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Juli 1887.49. Jahrgang. Ar. 79. Politische Weltschau. Deutsches Reich. In der ganzen ge bildeten Welt werden die Enthüllungen, welche man dem jetzt in Leipzig stattfindenden LandeSverrathS- prvceffc verdankt, starreS Erstaunen Hervorrufen. Wenn die verschiedenen Kriegsverwaltungen in ihrem Eifer, etwas über die militärischen Verhältnisse der an deren Nationen zu erfahren, die Grenzen deS Zu lässigen auch oftmals überschreiten mögen, so dürfte doch noch niemals daS Völkerrecht in so schmachvoller Weise mit Füßen getreten sein, wie dies seit einer Reihe von Jahren seit nS einiger officiellen Persönlichkeiten in Paris geschehen ist Der Fall „Schnäbele" gewinnt nunmehr denn auch ein ganz neues Gesicht und man muß unwillkürlich die Nachgiebigkeit der deutschen Re gierung bewundern, welche den in ihre Hand gerathenen Urheber jenes landeSverrätherischen Komplottes wieder an Frankreich auSgeliefert hat. ES wird nunmehr klar, welche ernste Zweifel anfangs die deutsche Regierung hegen mußte, ob diese Auslieferung auch opportun sei. Denn die Verletzung deS internationalen Rechtes und deS althergebrachten AnstandeS seitens der französischen Behörden ist durch die Verwandlung deS Schnäbele und seiner Epecialkollegen auS Grenzbeamten in syste matische Spione eine so arge, daß die Frage nahe liegt, ob hierauf anders als mit Retorsionsmaaßregela geantwortet werden könne. Nichtsdestoweniger wird die moralische Verurtheilung, welche die Herren im fran zösischen Kriegsministerium und die von ihnen verwendeten französischen Beamten als offene Anstifter zum Landes- verrathe trifft, genügen, um diese Leute vor ganz Europa bloS zu stellen. Man darf eS als die Spitze der Unver frorenheit bezeichnen, wenn eine Regierung, welche zum Schaden einer benachbarten Macht die Verleitung zum Verbrechen der Spionage und deS VerratheS officiell be treiben läßt, durch ein sogenanntes Spionengesetz den Anschein zu erwecken sucht, als sei sie der von allen Seiten durch Kundschafter bedrohte Theil, der sich im Stanke der Nothwehr befinde. Die sich häufenden Proceffe wegen LandeSverratheö, die immer auf'S Neue auf die französische Regierung Hinweisen, haben eine sehr ernste Seite; sie beginnen bereits hart an das zu streifen, waö eine Regierung von der anderen sich bieten lassen kann. Es bedarf der unerschütterlichen Kaltblütigkeit und Ge duld der deutschen Regierung, um derartige Dinge über sich ergehen zu lassen Mit Bezug auf die Wirkung der Unfallsver- sicheruvg der Arbeiter schreibt der bekannte National- ökoaom vr. Klein in der Zeitschrift „Glaser'S Annalen": „Der große Werth deS Gesetzes zeigt sich vorzüglich in der wwthschaftlichen Bedeutung der Feuilleton. In den Wollen. Rach dem Englischen von Jenny PiorkowSka. (Fortsetzung und Schluß.) Während er mir mit teuflischem Lächeln über den Erfolg seiner L«st eine Feder reichte, ergriff ich ihn mit einer Hand an der Kehle und zog mit der anderen heftig an dem Seile, daS auö dem Ballon über unS hing. Auf diesen Angriff war er nicht vorbereitet, er hatte geglaubt, mich einschüchtern zu können und ohne Gewalt zum Ziele zu kommen. Doch war er sehr stark und mein Halt an seiner Kehle nur schwach . . . sobald ich ihn loSließ, war er der Stärkere. Aber ich fühlte, daß ich nicht ohne Erfolg an dem Ventil ge zogen hatte und daß wir schnell abwärts gingen. Meine Vertheidigung hinderte mich, daS Seil länger zu halten, denn ich brauchte auch meinen zweiten Arm in dnn Kampfe, der jetzt folgte. Meine Absicht »ar, Zeit zu gewinne» und dadurch, daß der Franzose durch daS rapide Fallen deS BallonS eivgeschüchtert wurde, den Vortheil auSzugleichen, den seine Körperkraft ihm verlieh. Ich befürchtete nur, daß er mit Schießwaffen versehen war und sein eifrige- Bemühen, die Hände frei zu bekommen, bestärkte mich in meinem Glauben. Er besaß ganz kolossale Kräfte und trotz all' meiner Anstrengungen gelang ,S ihm endlich, seine rechte Hand frei zu machen Hastig -nss er nach der Brusttasche, zog eine geladene Pistole -arav- hervor und zielte damit nach meinem Kopfe. Rente. Sowohl im Falle der Körperverletzung, wie im Falle deS TodeS wirft daS Gesetz Entschädigungen für den Verlust de- Arbeitsverdienstes auS. Aber eS ge schieht dies nicht in Form einer Armenunterstützung, sondern es findet die Entschädigung in der Weise statt, daß der Gesetzgeber die ErwerbSthätigkeit deS Versicherten als ein nach dem Arbeitsverdienste zu bestimmendes Kapital ansieht, von welchem der Beschädigte oder die empfangs berechtigten Hinterlassenen des Getöotelen ein fortlaufendes Einkommen auf den im Gesetze bestimmten Zeitraum beziehen. Hierdurch ist die ErwerbSthätigkeit deS Versicherten in einen Kapitalswerth umgesetzt und ferner wird ihm durch die Versicherung seines Arbeits verdienstes ein Vermögen gewährleistet. Der Versicherte tritt infolge dieser Einrichtung auS dem Stande der namentlich in socialpolitischen Kreisen so viel genannten und beklagten Besitzlosen und Armenempfänger in den Stand der Besitzenden. So hat denn d,e Versicherung der ErwerbSthätigkeit ein wirthschaftlicheS Gut geschaffen, ein Gut, welches sittlich erhebend und wirthschaftlich wohlthätig wirkt, indem eS einerseits daS beschämende und niederdrückende Gefühl deS der Armenpflege unter stellten Besitzlosen beseitigt, andererseits der Einzelperson, wie ganzen Familien durch Zuführung eines sicheren Einkommens eine feste ökonomische Grundlage verleiht. Mit Fug und Recht darf man in der Bildung diese- neuen wirthschaftlichen GuteS eine Erhöhung deS Volks wohlstandes erblicken Denn sobald letzterer um ein Gut bereichert wird, wie in diesem Falle um den Kapitals werth der ErwerbSthätigkeit, hat er an Ausdehnung ge wonnen und nimmt daran weiter zu, je höher die Arbeit im Preise steigt, je mehr der Arbeitsverdienst an Kapitals werth wächst. Dem Gesetzgeber konnte eS nicht ge nügen, den Versicherten oder dessen Angehörigen von der immerhin bedingten, mehr oder weniger drücken den Abhängigkeit von den Armenkassen zu befreien; ihm mußte vor Allem daran gelegen sein, ein in seinem Umfange für alle Fälle bestimmtes, thunlichst auS- giebigeS, die Arbeitslust erweckendes und festigendes, alle Zeit streitloS vorhandenes Gut entstehen zu lassen. Dieses WirthschaftSgut würde aber fast ausnahmslos seine wohlthätige, Elend verhütende Wirkung versagen, wenn man, wie beispielsweise bei Ansprüchen auf Grund von Policen der LebenS-, Feuer- und UnfaüSver- sicherungSgesellschaften, die Gefahren von Streitigkeiten betreffs der Rechtmäßigkeit der Forderung an sich bestehen ließe. Aehnlich dem Erben deS Be güterten sollte dem Arbeiter und ebenso dessen Ange hörigen der Anspruch auf Erwerb eines wenigstens die bitterste Noth fernhaltenden Vermögensgegenstandes ge boten werden, dessen Besitzerlangung — wie bei dem Erben mit dem Tode deS Erblassers — mit dem Ein- Jch glaubte, meine letzte Stunde sei gekommen; aber mit Übermenschlicher Kraft schüttelte ich seine linke Hand ab, mit der er mich festhielt und alS der Schuß losging, flog die Kugel über mich weg ... sie fuhr io den Ballon und durchlöcherte denselben, wie ich mit einem Gemisch von Freude und Entsetzen bemerkte . . . Freude darüber, daß unser TvdeSkampf nuu bald zu Ende war, Entsetzen bei dem Gedanken an den grausen- vollen Tod, der unS bei dem plötzlichen gänzlichen Ent strömen deS GaseS bevorstand. Die Schnelligkeit, mit der wir fielen, war furcht bar. Der große Ballon schrumpfte zusehends zusammen, und die Gondel wurde immer heftiger hin und her ge schleudert. Bei der größten Anstrengung war eS so schwer, da- Gleichgewicht zu erhalten, daß wir Beide gleichzeitig in unserem Kampfe etvhielten und nur auf Rettung unseres LebenS bedacht waren. Ich kann mir nicht- Entsetzlichere» vorstellen, al» jene- rapide Fallen unseres Ballon-. Wir näherten unS rasch der Erde. Felsen, Strand, See, Alle- lag deutlich unter unS und eS handelte sich jetzt nur noch darum, ob wir an den Felsen und Klippen zerschmettert oder in die See stürzen und dort in den Wogen um kommen würden. In beiden Fällen schien der Tod unvermeidlich. Fast nur an meine eigene Gefahr denkend, bemerkte ich doch den Blick deS Entsetzens, den Herr Andr^ auf daS Meer richtete, dem wir unS schnell näherten und sofort drängte sich mir der Gedanke auf, daß er nicht schwimmen könne und da kam mir ein Hoffnungsstrahl, daß sein Tod vielleicht meine Rettung sein werde, denn tritte deS Unfalles in der gesetzlich geordneten Art ge schieht Hält man daran fest, daß die versicherte ArbeilS- thätigkeit oder der versicherte Arbeitsverdienst alS Kapitals gut zu betrachten ist, so stellen sich die in der Gestalt von Renten zu leistenden Entschädigungen als Zia-ab- würfe dieses Kapitalsgutes dar. Unter solcher Voraus setzung darf man sagen, daß der Grundstock deS Ver mögens deS Versicherten dauernd bei der UnfallSver- sicherungSkaffe ruht, daß diese im Falle deS TodeS deS Versicherten jene ZinSabwürfe von dem Kapital-gute de- versicherten und vererbten Arbeitsverdienstes so zu ge währen hat, wie eine mit Auszahlung eines Ver mächtnisses beschwerte Person; daß ferner die Erben des Verunglückten durch die Unfallsversicherung von ihrem Erblasser ein zur Erhaltung der Familie geschaffene- und bei derselben während der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit verbleibendes, rechtlich unangreifbares Stamm vermögen erlangen, ähnlich der Vererbung von Stammgütern in einzelnen Familien der Geburts- und Geldaristokratie. Unter allen Umständen ist daS An spruchsrecht auf Rentenbezug mit einem dem Betreffenden eingeräumten Nießbrauchrechte vergleichbar, welches auch schon bei und während Lebzeiten deS Verunglückten zur Wirksamkeit gelangt. Mag man wie immer die wirthschastliche und rechtliche Bedeutung der Rente be leuchten und klarzulegen versuchen — die Thatsache ihrer Einführung bezeichnet in wirthschaftlicher und rechtlicher Hinsicht eine socialpolitische Segnung ersten Ranges für jedes EtaatSwesen, einen in der WirthschastS- und RechtSgeschichte noch nie dagewesen Vorgang von bleibendem Werthe und weltgeschichtlicher Tragweite." Am Montag Abend I0>/4 Uhr trat der deutsche Kaiser vom Potsdamer Bahnhöfe in Berlin auS seine Reise nach Bad EmS an. Die Abfahrtshalle war mit Menschen dicht gefüllt, welche, als der offene Wagen deS Kaisers in Sicht kam, denselben mit jubelnden HurraHS begrüßten. Auf dem Perron hatten sich die Generalität, der Kommandireade k«S GardekorpS, General v. Pape, verschiedene Militärbevollmächtigte, sowie Damen und Herren der Aristokratie versammelt. Der Ertrazug für den Kaiser bestand auS drei Salonwagen, drei Wagen II. und III. Klaffe und zwei Gepäckwagen. Der Mo narch trug JnterimSuniform, Feldmütze und stützte sich mit der linken Hand auf einen Stock, welchen er auch :m Wagen bei seinen letzten Spazierfahrten mit sich führte. Eine Dame überreichte dem Kaiser ein herr liches Rosenbouquet. Der Monarch schritt langsam aber sicher die an den Wagen gerückte Treppe hinauf und stieg, von einem Leibjäger unterstützt, ein. In diesem Augenblicke brach daS Publikum, welche- eine Zeit lang in ehrfurchtsvollem Schweigen verharrt hatte, unter Hüte- schwenken abermals in stürmische Hochrufe aus. Die drei ich war von Jugend auf ein ausgezeichneter Schwimmer gewesen. Wir fielen mit immer zunehmender Schnelligkeit. Ich konnte keine menschliche Wohnung entdecken; nicht- war zu sehen, alS hohe Klippen, steinigter Strand und ein ruhiges Meer. Ich war überzeugt, daß wir in dasselbe fallen würden, denn der Wind trieb unS vom Lande weg, der See zu, aber vielleicht soweit hinaus in die See, daß, auch wenn ich mich vom Ballon loS- machen konnte, meine Schwimmkunst nicht genügte, den Strand zu erreichen. Diese Gedanken fuhren mir durch den Sina, während wir unS schnell dem Meere näherten, aber schon die Möglichkeit der Hoffnung mußte sich auf meinem Ge sichte «iederspiegeln und Herr Andrö, auf dessen Zügen sich die furchtbarste Angst ausprägte, mußte meine Ge danken errathen haben, denn plötzlich sprang er auf und packte mich an der Kehle. „Wir wollen zusammen untergeben!" rief er. „Sie können schwimmen, aber ich lasse Sie nicht loS . . . Ihr Leben ist in meiner Hand!" Im nächste» Augenblick berührten wir die Fluthen; die Gewalt de- Sturze- war so heftig, daß wir mehrere Fuß tief tauchten, während wir in der Gondel auf Tod und Leben kämpften. Die Schrecken dieser wenigen Sekunden übertreffen Alle», waS ich bisher durchlebte. Andr6 klammerte sich mit der Kraft eines Verzweifelnden an mich und ich strengte mich an, mich von ihm loSzureißen, denn ich sah ein, daß ich gerettet war, wenn ich mich frei machen konnte.