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Esped u. Redaktw» tzreSdeu-Xensttcht L Meißner »affe 4. Vit Zeitung erscheint Tteuftag, kounerstag und «onnabend früh. Advunement»» Prei»; vterleljährl. Ml IFO Zu beziehen durch die kaiserlichen Post- «chatten und durch unsere Voten. vei freier Lieferung in« HauS erhebt die host noch eine Le» Whr von 2b Pfg. älhsislhe V orh nlunS. Ein unterhaltendes Blatt für den Bürger und Landmann. Amtsblatt für die kgl. AmtShauptmannschasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für die Ortschaften des kgl. Amtsgerichts Dresden, sowie für die kgl. Forstrentämter Dresden, Tharandt und Moritzburg. Verantwortlicher Redakteur und Verleger «Herrmann Müller in Dresden. 8>ser«te »erden biß Montag Mittwoch u. Freiia, Mittag angenommen und kosten : »ielspaltZeilelbPs^ Unter Eingesandt: SO Pfg. Inseraten» Annahmestellcnr Die Arnoldische Buchhandlung. Jnvalidendank. HaascnsteinLVoglerz Rudolf Mosse, L. L. Daube C». in Dresden, Leipzig, Hamburg, Berlin. Frankfurt a/M. u. s. w. Ar. 61 Aienstag, den 24. Mai 1887. 49. Jahrgang. Abonnements-Einladung. Bestellungen auf die „Sächsische Torfzeitung" für den Monat Juni nehmen alle kaiserlichen Postanstalten und Posterpeditionen, sowie auch alle Landbriesträger gegen Vorausbezahlung von 50 Pfg. entgegen. Die Verlags-Expedition. Politische Weltschau. Deutsches Reich. ES giebt immer noch gute Menschen — schreibt man auS Berlin — welche dafür sorgen, daß selbst in einer so ernsten Zeit, wie die jetzige, auch der Humor zu seinem Rechte gelangt. So liegt unS z. B. eine köstliche Leistung unfreiwilliger Komik seitens der russischen Presse vor, die wir unseren geschätzten Lesern unmöglich vorenthalten können. Eine russische Zeitung hat nemlich die Entdeckung gemacht, daß in Berlin ein eigenes „Departement für Spionage" eristirt, dessen „officielles Organ" daS „Berliner Tageblatt" ist. — Unter dem Titel: „Die Organisation der deutschen Spionage" bringt die „Nowoje Wremja" einen spaltenlangen Artikel auS Brüssel, dessen Quintessenz sich in Folgendem zusammenfaffen läßt: Fürst BiSmarck, beseelt von dem Wunsche, dem deutschen Reiche die Weltherrschaft zu sichern, scheut, um dieses Ziel zu erreichen, kein Mittel; er säet überall Unfrieden, um dann die Zwistigkeiten anderer Staaten in seinem Interesse auSzunutzen. Zu diesem Zwecke bedarf er natürlich einer Menge Spione und unter diesen nehmen die ausländischen Korrespondenten des „Berliner Tageblattes" die erste Stelle ein. Der Pariser Korrespondent dieser Zeitung, Otto BrandeS, sowie dessen Schwiege,mutter besitzen in der französischen Hauptstadt sogar ein Specialbureau, dessen Meldungen durch die Redaktion deS „Berliner Tageblattes" dem Reichskanzler mitgetheilt und sodann, mit Bemerkungen versehen, veröffentlicht werden. Alle deutschen Konsuln, alle Mitglieder der deutschen Gesandtschaften, sowie die Mi- litärbevollmächtigten sind Spione. — Wir würden die Wirkung, welche dieser ungeheuerliche Blödsinn auf die LachmuSkeln unserer Leser ausüben wird — bemerkt hierzu das „Berliner Tageblatt" — nur beeinträchtigen, wenn wir denselben kvmmentiren wollten. In der That wissen wir nicht, waS wir mehr bewundern sollen, ob die Phantasie deö „Brüsseler Korrespondenten" der „Nowoje Wremja" oder die liebenswürdige Naivetät der Redaktion dieses BlatteS. Am Meisten sind immerhin wir selbst überrascht, denn wir haben nie geahnt, daß man unS m AuSlande eine so noble Mitarbeiterschaft, wie die jenige deS Reichskanzlers, zutraut. Und dabei gelten wir in den Augen der deutschen Ofsiciösen als — „Vaterlandöfeinde" und „Vaterlandöverräther"! Wte auS Petersburg gemeldet wird, hat Ge neral KaulbarS nach seiner Rückkehr dorthin dem Claren Bericht über seinen Aufenthalt in Berlin, ins besondere über seine Unterredung mit dem Fürsten BiS marck erstattet und die Ueberzeugung ausgesprochen, daß die bulgarische Angelegenheit sich mit Hilfe Deutschlands werde friedlich erledigen lassen. In Berlin kursiven sehr beunruhigende Gerüchte über den Gesundheitszustand deß angeblich schwer er krankten deutschen Kronprinzen, ja man will sogar wissen, daß dessen HalSleiden einen operativen ! Eingriff nothwendig macht. Eine Bestätigung dieser ! Nachricht bleibt abzuwarten. Der „Reichöanzeiger" macht darauf aufmerksam, daß die neue österreichisch - ungarische Zolltarifnovelle voraussichtlich am I. Juni d. I. in Wirksamkeit treten wird. Dieselbe enthält bekanntlich eine große Anzahl j Zollerhöhungen, welche vielfach auch für Deutschland wichtig sind Dem Bundesrathe ist ein Gesetzentwurf, betreffend die ! Ernennung und Besoldung der Bürgermeister und Bei- ! geordneten (Stadträthe) in Elsaß-Lothringen, zugegangen. Danach sollen diese Aemter nicht mehr, wie bisher, als Ehrenämter gelten, vielmehr sollen dieselben mit „Berufs- personen", wie e- in der Vorlage heißt, besetzt werden. ! Diese Verordnung wird folgendermaaßen begründet: AuS ! den nunmehr fast stebenzehnjLhrigen Erfahrungen hat di* Regierung die Ueberzeugung gewonnen, daß daS bisher bei Besetzung genannter Stellen befolgte Princip weder ' den Interessen der Gemeinden, nock den Bedürfnissen der Verwaltung entspricht und daß eine Aenderung der be- ' stehenden rechtlichen Zustände erforderlich ist, wenn die Ansprüche an die Thätigkeit und die politische Grsin- I nung der Gemeindevorstände nicht auf ein unzulässiges Maaß herabgesetzt werden sollen. Der Reichstag berieth am Freitag und Sonnabend i den Gesetzentwurf, betreffend den Verkehr mit Kunst- i butter. Nach längerer Debatte, welche jedoch kaum all gemein Interessantes bot, wurde die Vorlage dem An träge der Kommission gemäß angenommen. Sonnabend Mittag gegen 1 Uhr war das Gebäude ! des Bezirkspräsidiums in Straßburg von einer Menge ! Schutzleute umstellt. Unter denselben bemerkte man den ! Polizeidirektor mit drei Kommissaren. Es handelte sich um die Verhaftung zweier Reichsbeamten, deS Boten- meisterS Brückner und deS Kanzlisten CalanneS, welche als deS LandeSverratheS dringend verdächtig in daS Untersuchungsgefängniß abgeführt wurden. Wie die „Frankfurter Ztg." erfährt, sollen dieselben Geheimnisse in Bezug auf den MobilmachungSplan an eine fremde Macht verrathen haben. Höchst bedauerliche Ausschreitungen seitens deS französisch gesinnten Theiles der Bevölkerung werden auS verschiedenen kleinen Ortschaften in Elsaß-Lothrin- geu gemeldet. Die Aufreizung der niederen Klaffen seitens der Franzosen scheint Erfolg gehabt zu haben und zu spät werben die blöden Majeftätsbeleidiger und „Vive la France" - Rufer erkennen, daß sie selbst die Opfer eines Systems geworden sind, daS vom völker rechtlichen Standpunkte auS verwerflich ist, das man aber in Frankreich für erlaubt hält, weil man dort den Erfolg deS Korrumpirens deS Volkes von jeher schätzen gelernt hat. Hoffentlich wird die Bevölkerung der Reichslande in nicht allzu ferner Zeit zu der Em- sicyt gelangen, daß Gassenbübereien zwecklose Demon strationen sind, die dem deutschen Gerste, der bleibend in Elsaß-Lothringen herrschen wird, nicht aufzupfropfen sind. Vorläufig nährt ja Frankreich durch kleinlicke und erbärmliche Mittel die Ansicht, daß eS sich eigent lich noch immer im Kriegszustände mit Deutschland be findet und daß die gegenwärtige FriekenSepoche nur qe- wiffermaaßen ein Waffenstillstand ist, der jeden Tag enden kann. Hoffentlich wird dieser unerträgliche Zu stand der Dinge bald ein Ende nehmen. Frankreich, v. Freycinet hat eS abgelehnt, die Neubildung deS KabinetteS zu übernehmen, da er nicht glaubt, daß ein Ministerium unter seinem Vorsitze von langer Lebensdauer sein kann. Obige Befürchtung ist namentlich durch di* Haltung Clemenceau's hervor» gerufen. Dieser Führer der Radikalen hat zwar selbst nickt den Muth, sich an die Spitze eines neuen Mi nisteriums zu stellen, er will indessen keine Verpflichtung eingehen, welche ihn eventuell verhindern könnte, zur Auffrischung seiner stark im Erlöschen begriffenen Popu larität in Opposition zu der Regierung zu treten. Man darf ferner annehmen, daß die Ablehnung Fren- cinet'S und zum Theile auch die Haltung Clemenceau'S dadurch bedingt wurden, daß die Opportunisten sich entschieden geweigert haben, auf den Vorschlag der Radikalen einzugehen, Boulanger auch unter Freycinet sein Portefeuille zu belassen. Wie die Verhältnisse in dessen heute in Frankreich liegen, wird eS überhaupt schwer sein, ohne Boulanger ein Kabinett zu bilden. Der ganze Troß der Reoanchehelden, unterstützt von dem Pariser Mob, würde ob der Beiseiteschiebung Boulanger S sofort einen Höllenspektakel erheben und wie sehr man sich in den maaßgebendsten Kreisen zu Paris vor solchen Manifestationen fürchtet, das haben die letzten Wochen zur Genüge gezeigt. Inmitten der in Frankreich herrschenden allgemeinen Ratlosigkeit fehlt eS nickt an allerhand weisen Rathschlägen, wie daS äußerliche Feuilleton. In geheimer Mission. Novelle aus den letzten Zeiten der französischen Direktorial - Regierung. (8. Fortsetzung.) „Herr von Vitry", rief Helene von tiefer Rührung ergriffen, „mögen Sie mich immerhin für stolz halten, aber eine Undankbare will ich nicht in Ihren Augen sein. ES ist tief in meiner Seele eingegraben, mit welch' aufopfernder Freundschaft Sie meinen armen Vruder pflegten .... eS soll Ihnen nie vergessen sein." „Berühren wir nicht weiter jene schmerzenden Er innerungen, mein Fräulein! . . . Heinrich hätte an mir genau so gehandelt. Ach, hätte ich ihn vom sicheren Lode zu erretten vermocht! Leider konnte ich nichts für ihn thun, als ihn vom Scklachtfelde nach dem Verband plätze zu tragen, wo er der Pflege deS ArzteS und den lchten Trostspenden der Religion wenigstens nickt er mangelte." Helene drückte dem jungen Kapitän die zitternde Hand, der sie mit Inbrunst an seine Lippen preßte Thränen der Rührung perlten an ihren Augen. ES sei unS hier zum besseren Verständnisse deS Leser- gestattet, einen kurzen Streifzug in die Vergangenheit zu unternehmen. Im Jahre 1792 hatte sick Reymond von Vitry der Armee der emigrirten Prinzen angeschloffen. Der Kövig und die Königin waren ihrer Freiheit für verlustig erklärt worden und der junge Aristokrat wurde von der heiligen Idee erfüllt, zu ihrer Befreiung sein Leben in ' die Schanze zu schlagen. In Begleitung seines Freundes Heinrich von Rencey wanderte er nach Deutschland aus; nachdem er mit Helenen, die damals noch nickt daS Alter von sechzehn Jahren erreicht, ein zarteS Band der Liebe geknüpft hatte. Beide liebten einander mit der heiligen, reinen Gluth der ersten Zuneigung, während ein verhängniß- volleS Schicksal ihre Väter, den alten Grafen von Vitry und den Marquis von Rencey, in unversöhnlichem Grolle gegen einander leben ließ. Es gab keinen Weg, der zu einer Aussöhnung führen konnte; aber wie einst Romeo und Julie ließen sich auch Reymond und Helene in ihrer gegenseitigen Liebe von der Zwietracht ihrer Väter in keiner Weise beeinflussen. Nach dem Heldentode Heinrichs von Rencey auf dem Schlachtfelde überkam den jungen Vitry eine tiefe Melancholie, eine unsagbare Traurigkeit. SchreckenvolleS Entsetzen erfaßte ihn, als er bald nachher die nieder schmetternde Trauerbotschaft von dem Tode deS König- erfuhr, welcher acht Monate später die Nackricht von dem Ableben der Königin folgte. Dem stolzen Jugend traume des jungen Mannes folgte ein ernüchternde- Er wachen. Der König war todt, dessen Fahnen Reymond den Eid der Treue geschworen. Mehrere Regimenter der Cond^'schen Armee erhielten ihre Entlassung. Auch Reymond litt eS nicht mehr in Deutschland, er schritt über die Grenzen der Schweiz und eilte über die Alpen nach Italien. Auf dem klassischen Boden HeSperienS entflammten die Siege Bonaparte - plötzlich wieder seinen ungestümen Drang nach Thaten, eine Anzahl früherer Kameraden ' fand er in den Reihen der in Italien kämpfenden Truppen wieder; „Vaterland und Ruhm" wurden wieder die beiden Pole, um welche die Welt seiner feurigsten Hoff nungen sich drehte und die Erinnerung an seinen alten Vater und der ihn stets begleitende Gedanke an Helene reiften seinen Wunsch zu festem Entschlusse. Frankreich seine Kräfte zu opfern, sich einen g«- achtelen Namen zu erringen, durch AuSdauer und helden- müthige Tapferkeit zur Beförderung auf eine höhere militärische Rangstufe zu gelangen, um nach Beendigung deS Krieges seinem Vaterland« entgegenzueilen und der Beschützer seines VaterS und.HelenenS zu werden daS war der beseligende Gedanke, der Tag und Nacht wie ein Engel mit flammendem Schwerte vor seiner Seele stand und ihn der Zahl der heldenmüthigsten Soldaten der italienischen Okkupationsarmee beizesellt«. Der Friede von Campo Formio machte seinem Wirken in Italien ein Ende. Von dem einzigen Wunsche beseelt, in die Arme seine- VaterS und seiner Geliebten zu eilen und in ihren wonnetrunkenen Umarmungen all daS bittere Seelenleid deS letzten Jahre- zu vergessen, meldete ihm plötzlich ein öffentliches Journal den grau sam blutigen Tod seines VaterS, den man al- einstigen Pair deS Königreiches im Verdacht hatte, insgeheim gegen die Republik zu konspiriren und demgemäß da- Schaflal zu besteigen zwang. Der erste Gedanke Reymond - bei dieser Nachricht war ein Gedanke wahnsinniger wilder Verzweiflung. Sein Leben und sein Schicksal verwünschend griff er zum Pistol. Da bevölkerte sich noch einmal sein Gedächtaiß mit den dahingeschwundenen Gestalten seiner Jugend und träumerisch-süße Erinnerungen woben ihren entzückenden