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ZSWche Vortzettmg Anzeigen-preise ^qramm.Kdr.: vors,«it»Ng vrer-e». Telephon: Dresden, Nr. 3916 67. Jahrgang Dresden, Mittwoch, den 27. September 1905. llr. 225 Da- Vteueste. Reichskanzler Fürst Bülow stattete gestern dem russischen Minister von Witte, der abends nach Aminten abrciste, einen Besuch ab und empfing nach her den Botschafter Bihourd zu einer lüugeren Unter redung. Ter Ministerpräsident Baron Fejervary ist gestern nachmittag nach Wien abgereist, wo er heute vom König in Privataudienz empfangen wird. Der Erzbischof Kardinal Ferrari zu Mailand stattete dem König und der Königin von Italien im Königlichen Schloß einen Besuch ab; der König unterhielt sich mit dem Erzbischof 20 Minuten. Das Abkommen über die Trennung der Union zwischen Schweden und Norwegen ist gestern abend veröffentlicht worden. Eine Versammlung hervorragender Polarforscher in Mons beschloß gleichzeitige Expeditionen nach dem Nord- und Südpol vorzubereiten. Der „Daily Telegraph" berichtet aus Tokio, China habe Rutzland und Japan notifiziert, daß es nicht einverstanden sein könne mit der Räumungs frist, welche für die Mandschure i im Friedensvertrag festgesetzt worden sei. Ferner bestreitet China Japan das Recht, Militärposten längs der Eisenbahn auf- zustellen 10 Mg anjrlaen.Nmuihm« «folg« di» MtllLM >2 UM. — UxittH G»ichtft»ft«u«, kUtn« Mritzner «daN» Nr 1> 5i>vul^cnda>ck, Kaasoiftrta v-vieler, Nud- Mogi, <d. L. Vmtd« » t«. t» crtpziz, Frankfurt » M ; » U»tzI tn U«N«l^arf: öuao Nküchkr t» UdMtdr» drova, DIW vittrick» t» Nrttl^.dori, »pttz « Lrubnitz-ll^uoirra. rmU lloliau in Nadrd»»^ »«d. Lrtinm tu vrrrixn-wolfnttz, Friedlich Lrucher» »n L»N<daud«, Ott» tu Lott«. Ma, lOtXX) Personen zählenden Menge auf dem of erwartet. Vor Ankunft des Zuges fang die Bezugsbedingungen r KU ^orf^trun^' «richttM frdrn wochrnta- ^chmttto«» d Uhr Mit dem Votum d« folgenden Vie v«»u,»,rbichr d»trä,I l« Mark ^«IjttzrUch »d« t>v Pf,, für teden Monat. Vie ^rirrtwng» ist )» deztehen durch di« katirrlichen nch«istolt»n. di« canddrirfttdMr UN» durch Devoten. Nei freier Lieirrung in» kfau» «rtzedt ch p«i> noch di« LuiteUungtgedühr von 4d pf^ Anzeiger für Stadt und Land mit der Beilage: Illustrierter Sonntags-Blatt" Amtsblatt für die Rgl.Amtshauptmannschasten Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für das Agl. Amtsgericht Dresden, die Agl. Zorstrentämter Dresden, Moritzburg, Tharandt und die Gemeinden Gberlößnitz und Radebeul. Amtes bezeichnet worden. Jetzt hat der Beschimpft die Verleumdungsklage gegen beide Blätter angestrengt- Er beabsichtigt, als Zeugen u. a. den Rei Kanzler Fürsten Bülow und Herren der Auswärtigen Amtes, sowie den Chef der politischen Polizei vorzuladen. Skandalöse Schulzustände in Bayern. Der „Unterfränkische Schulanzeiger- veröffentlicht ein Urteil des Obersten Landgerichtes, das auch weitere Kreise interessieren dürfte. Ein Sonntagsschüler hatte der Predigt des sonntägigen Hauptgottesdienstes nicht bei gewohnt. Der Pfarrer als Lokalschulinspektor ordnete eine körperliche Züchtigung an, die aber nicht vollzogen werden konnte, da sich der Schüler der Züchtigung mit Gewalt widersetzte. Der Vater erzählte den Vorfall im Wirt-Hause und drohte, den Pfarrer zu erschießen, wenn er den Sohn wieder anpacke. Vom Landgerichte wurde sowohl der Sohn als der Vater zur Gefängnis strafe verurteilt; das Oberste Landgericht hat das Urteil bestätigt. Aus den Urteilsgründen ist bemerkenswert, daß das Gericht zwischen Werktags- und Sonntags schülern einen Unterschied hinsichtlich des Besuches des Schulgottesdienstes nicht gelten läßt, sowie daß der Schulinspektor zur Anordnung der Strafe zuständig und befugt war. Die durch das Oberste Landgericht in Bayern sanktionierte Einprügelung der kirchlichen Botmäßigkeit und ihre Ergänzung durch Freiheitsstrafen bietet ein häßliches Bild von Unkultur. .Oesterreich-Ungarn. Die öffentliche Mei nung drückt einmütig ihre Enttäuschung darüber aus, daß der so feierlich inszenierte Empfang der Führer der Koalition beim König, von der jedermann eine Wendung zum Besseren erwartete, zum Ausgangs punkt neuer Reibungen und Kämpfe geworden ist Die Art, in der die Vertreter der koalierten Parteien ab gefertigt wurden, die Schroffheit, mit der der Herrscher ihnen kurz und bündig nur seinen Willen mndgab, ohne die sorgsam vorbereiteten Vorschläge anzuhören, und die Zumutung, mit dem Minister des Aeußern zu verhandeln, der in den inneren ungarischen Fragen nicht zuständig ist, alles dies begegnet in den Blättern ohne Unterschied der Parteistellung einer ungünstigen Beurteilung. Die ungarischen Koalitionsführer trafen gestern abend 7 Uhr in Pest ein und wurden von einer etwa I Bahnhof Menge das Kossuthlied und nach jeder Strophe ertönten tausendstimmige stürmische Rufe: „Nieder die Dynastie'/' „Es lebe die Revolution!" Den KoalitionSführern wurden beim Verlassen des Zuges begeisterte Ovationen dargebracht, namentlich auf Kossuth brachte die Menge stürmische Eljenrufe aus. Kossuth hielt ein kurze An sprache an die Menge. Er sagte, daß man in Wien die Nation in die Zwangsjacke habe stecken wollen, um die Entwickelung Ungarns unmöglich zu machen. Die Nation stehe vor großen folgenschweren Ereignissen. Die Führer hätten widerstanden und würden auch fernerhin zu widerstehen suchen. — Diese Versicherung wurde mit lärmendem Beifall ausgenommen. Frankreicd. Der französische Politiker und ehe malige Kriegsminister Gode fr oy Cavaignac ist gestern in Paris, 52 Jahre alt, gestorben. Ein arger Kolonialskandal wird jetzt in Frank reich an die Oeffentlichkeit gezogen Die Anklagen, die man bisher des öfteren gegen belgische Staatsdiener und Kolonialgesellschaften wegen mehr oder weniger schlimmer Grausamkeiten in der Verwaltung des Kongo staates erhoben hat, scheinen harmloser Natur zu sein im Vergleiche zu den Beschuldigungen, die jetzt gegen einen hohen französischen Beamten und berühmten Ge lehrten laut werden. Ein Privattelegramm meldet: Schwere Anklagen gegen Gentil, den gegenwärtig m Paris weilenden französischen Kongo-Gouverneur, ent hält der Bericht der kürzlich auf der Heimreise ver storbenen Spezialkommissars Savorgnan de Brazza. Es handelt sich um furchtbare Grausamkeiten gegen die al- Geißeln in Konzentrationsfeldern vereinigten Frauen und Kinder, um große Unregelmäßigkeiten bei Ent lohnung der im Staatsdienst angestellten Eingeborenen, um unerlaubte Begünstigung einer Privatgesellschaft und andere Handlungen, welche der Regierung zweifel los einschneidende Aenderungen in der Verwaltung des Kongogebietes aufnötigen werden. Rußland. Gestern ist in Moskau eine Ver sammlung der Vertreter der Städte und der Semstwos der inneren Provinzen, der Vertreter Politische Weltschau. Deutsches Reich. Der Kaiser war gleich am ersten Abend seiner Anwesenheit in Rominten vom Jagdglück begünstigt; er erlegte zwei kapitale Sechzehn ender, und zwar einen in der Nassawer, den anderen in der Szittkehmer Oberförsterei. — Für die dies jährigen Kaiserjagden in Oberschlesien ist ein Zeitraum von sechs Tagen in Aussicht genommen. Der Kaiser dürfte Ende November oder Anfang Dezember dort zu erwarten sein und u. a. den Fürsten zu Hohenlohe rn Slawentzitz und den Grafen v. Tschirschky-Renard in Groß-Strehlitz besuchen. Der Kaiser wird, wie der „Allgäuer Zeitung" berichtet wird, demnächst zum Be such des Großherzoglichen Paares von Baden auf der Insel Mainau eintreffen. Der Großherzog von Hessen ernannte den Geh. Oberregierungsrat l)r. Eucken-Addenhausen, Berlin, ordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister unter Verleihung des Titels Geh. Rat. Die Anwesenheit des Reichskanzlers Fürsten von Bülow in Berlin, die bereits vor mehreren Wochen auf den 25. und 26. d. M. festgesetzt war, wird wahrscheinlich die Entscheidung in verschiedenen wichtigen Fragen bringen, so auf dem Gebiete der Reichsfinanzen und der schwebenden kolonialen An gelegenheiten. Fürst Bülow wird während seiner An wesenheit hier mit den in Frage kommenden Persönlich keiten Rücksprachen halten. Der Reichskanzler empfing gestern abend den französischen Botschafter Bihourd zu einer längeren Unterredung. Ein interessanter Preßprozeß steht in Aus- sicht. In Artikeln, die das „Bert. Tagebl." und der „Vorwärts" über die Ausweisung des holländischen Journalisten Catz veröffentlichten, war der Herausgeber des „Deutschen Wochenbl. in den Niederlanden", Herr Prell, als Denunziant und als Spitzel des AuSwärttgen Ein englischer Protest gegen die Deutschenhetze in England. Herr Labouchäre, der bekannte englische Parlaments abgeordnete und Publizist, dem man — mag er sonst auch manche Fehler haben — jedenfalls einen gesunden und klaren Menschenverstand nicht absprechen kann, liest in der letzten Nummer seiner Wochenschrift „Truth" der englischen Hetzpresse und ihrem Anhang wegen ihrer Haltung Deutschland gegenüber gründlich die Leviten, yerr Labouchöre knüpft an den neulich von einer deutschen Zeitung wieder ausgegrabenen Brief Heinrich Heines aus dem Jahre 1846 an, in welchem aus- einandergesetzt wird, daß die freundschaftlichen Gefühle Englands für Deutschland nur so lange vorhalten würden, wie die deutsche Nation schwach sei, daß sie aber schnell in Haß übergehen dürften, sobald die Deutschen eine Flotte bauen und ernstliche Konkurrenten Englands auf dem Gebiete des Handels werden sollten. So sei es jetzt gekommen. Deutschland sei nicht nur die erste europäische Militärmacht geworden, sondern ei habe auch eine bedeutende Flotte und eine Handels marine, auf die es wohl stolz sein könne. Und die englische Freundschaft sei prompt in bitteren Haß über gegangen. Dieser Haß sei also im Grunde weiter nichts als Furcht und Eifersucht, und man könne sich daher nicht wundern, wenn es Leute gebe, die wie Heine es für eine Schande hielten, von England geliebt, und eine Ehre, von ihm gehaßt zu werden. Weiter meint Herr Labouch^re, er sei nicht der Ansicht, daß diese Erfühle der Nation bereits in Fleisch und Blut ubergegangen seien, aber eine gewisse Partei und ein großer Teil der Presse sei auf dem besten Wege, es dahin zu bringen. Derartige Zeitungshetzereien müßten aber immer zu einem bösen Ende führen, früher oder --- später; der Burenkrieg sei von den Zeitungen gemacht zum oldenburgischen Bundesrats-Bevollmächtigten, außer- worden, und wenn es zu einem Kampf zwischen Deutschland und Großbritannien einmal kommen sollte, dann werde man wohl dasselbe sagen müssen. Alles komme nun auf die Nation an, ob sie sich von einer solchen Partei betören lasse oder nicht. In Frankreich habe man neulich gezeigt, was man mit der Politik der Herausforderung und ihren Ver tretern machen müsse. Delcassö habe stets gesucht, mit Deutschland anzubandeln, ohne sich um die unausbleib lichen Folgen dieser Politik zu kümmern. Die Marokko- augelkgenynt sei nur eine Phase dieser Politik gewesen, «bald aber der Premier gemerkt habe, daß Gefahr mi Anzuge war. habe er den Herrn einfach an die Etzfiaesetzt, und die ganze Ration habe ihren Beifall ausgesprochen, ohne sich darum zu kümmern, daß sie eigentlich dem deutschen Kaiser zu einem diplomatischen Dnunlph verhalf. An dieser vernünftigen Haltung der Franzoien solle man sich hier ein Beilstiel nehmen und sich überlegen, was denn eigentlich für eine Ursache >>s «ttl -- >..« zu einem Kampf mit Deutschland vorliege. Da werde man nichts anderes finden als Eifersucht über Deutsch land- vollständig berechtigten Ziele und Furcht vor der Ueberlegenheit der Deutschen auf dem Gebiete des Handels und der Industrie. Das. sei aber wirklich einer Nation unwürdig, die auch nur den geringsten Respekt vor sich selbst und den Rechten ihrer Nach barn habe. Eine neue Gefahr, heißt es weiter, lieg« natürlich in der Allianz mit Japan. Dieser Vertrag sei voll kommen ohne Ueberlegung von einer Regierung ab geschlossen worden, die schon längst nicht mehr das Vertrauen der Nation genoß. Es sei schon ein Unsinn gewesen, sich auf das erste Bündnis mit Japan ein zulassen, um den Mikado so in die Lage zu setzen, einen Krieg mit Rußland zu beginnen, denn wäre Japan ge schlagen worden, dann hätte Großbritannien dem Ver bündeten helfen müssen und so, wo Rußland der be siegte Teil sei, werde dieses Reich sich natürlich einen Ausweg durch Indien suchen. Schon der erste Ver trag habe selbstverständlich Rußland nicht gefallen können, aber noch mehr müsse man sich in Petersburg über diesen zweiten ärgern, der direkt gegen Rußland gerichtet sei. Nun aber, wo das einmal geschehen sei, müsse man doppelt vorsichtig mit der Haltung Deutsch land gegenüber sein, denn man dürfe nicht vergessen, daß das Deutsche Reich, wenn es wolle, es für Rußland geradezu unmöglich machen könne, Indien anzugreifen Herr Laböuchöre glaubt nicht, daß Rußland jemals Indien überfallen werde, es sei denn, daß es dazu herausgefordert werde, aber er meint, man müsse auf der anderen Seite sich doch darüber klar sein, daß, wenn dieser Fall einmal eintreten sollte, Groß britannien sich dort genau in derselben Lage befinden werde, wie es sich in Südafrika befunden haben würde, wenn der Transvaal eine große Militärmacht gewesen wäre. Die Herrschaft zur See werde in einem solchen Falle nicht viel helfen. Das sei sicherlich der größte Fehler, den die gegenwärtige Regierung überhaupt gemacht habe, und das wolle wirklich etwas heißen. Der bene Beweis aber für den Unsinn, der in diesem Vertrag liege, sei, daß, sobald er abgeschlossen war, man gerade die dadurch geschaffene Situation benutzte, um die Notwendigkeit neuer Opfer für die Armee darzutun. Das sind alles Dinge, die die Herren von den „Times" und wie die anderen Hetzblätter alle heißen, sich gründlich hinter die Ohren schreiben sollten.