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Sette 5. — „Sächsische Dorszeitung." — 28. September 1905. ArnMche Bekanntmachungen. Das im Grundbuche für Obergorbitz Blatt 52 auf den Namen des Gärtners Carl Heinrich Richter eingetragene Grundstück fall am L2. ttlttokerr 1SVS, vormittags */,1v Uhr, an der Gerichtsstelle, Lothringer Straße 1, l, Zimmer 131, im Wege der Zwangsvollstreckung versteigert werden. Das Grundstück ist nach dem Flurbuche 66,7 Ar groß und auf 36110 M. geschätzt. Es besteht aus einem Wohn- und einem Schuppengebäude, sowie Gärtnereiland und liegt in Obergorbitz, Leutewitzer Straße 9. Das Grundstück ist dauernd zum Gärtnereibetriebe eingerichtet. Das als Zubehör in Frage kommende Gärtnereiinventar ist mit 20 M. bewertet. Die Einsicht der Mitteilungen des Grundbuchamts sowie der übrigen daS Grund stück betreffenden Nachweisungen, insbesondere der Schätzungen, ist jedem gestattet. (Zimmer 72.) Dresden, den 12. August 1905. kLr. 82/05. Nr. 4. Königliches Amtsgericht, Abt. m. In das Güterrechtsregister ist heute eingetragen worden, daß der Bademeister und Masseur Friedrich Max Manig in Laubegast, Uferstraße 2, und dessen Ehefrau Gmma Auguste Manig geb. Zenker durch Vertrag vom 25. Sep tember 1905 Gütertrennung vereinbart haben. Dresden, am 26. September 1905. 1410/05 Königliches Amtsgericht, Abt. L». In dem Konkursverfahren über das Vermögen des Baugewerken Ernst Wilhelm Ääurig in Cossebaude ist infolge eines von dem Gemeinfchuldner gemachten Vor schlags zu einem ZwangSverglriche BergleichStermin auf ckon 17. OIrt«>l»«r IVOS, vormittags V Uhr, vor dem hiesigen Königlichen Amtsgerichte, Lothringer Straße 1, I, Zimmer 69, an- beraumt worden. Der Bergleichsvorschlag und die Erklärung deS GläubigerauSfchuffeS find auf der Gerichtsschrciberei des Konkursgerichts zur Einsicht der Beteiligten niedergelegt. Dresden, den 26. September 1905. 3 k 51/05. Königliches Amtsgericht. Bekanntmachung. Der 3. Termin Landrente und Landeskulturrente auf 1905 ist am 21. d. Mts. fällig geworden und zur Vermeidung der zwangsweisen Beitreibung bis .5. OKkovSR an die hiesige Ortssteuer-Einnahme — Rathaus, Zimmer Nr. 13 — zu bezahlen. Radebeul, am 26. September 1905. 4»ei»«1n<l«vttr«tnn<l Werner. Augenblicklicher Stand der Diebpreise In den Preisnotierungen für Schlachtvieh setzt sich die steigende Richtung noch weiter fort. Die Differenz gegenüber der Vergleichszeit 1904 tritt immer schärfer hervor, trotzdem schon im September 1904 infolge der ungünstigen Futterernte die Viehpreise zu steigen be gonnen hatten. Von den Preisaufschlägen am Waren markt, die im laufenden Jahre fast alle wichtigsten Lebensmittel erfuhren, ist auch im September wieder der bei Schweinen am beträchtlichsten. Die Steigerung der Schweinepreise, die in Berlin von Mitte September 1903 auf 1904 ca. 1—2 M. pro 50 Kilogramm betrug, stellte sich von 1904 auf 1905 auf ca. 14 M. pro 50 Kilogramm. Anfang September hatte sie sogar ca. 18 M. betragen. Nicht ganz so stark sind die Preise für Rinder und Kälber hinaufgeschnellt, aber auch sie stehen bedeutend über dem vorjährigen Niveau. Dies wirkt schon deswegen ungünstig, weil dadurch ein Ersatz für Schweinefleisch bei der auf die billigsten Nahrungsmittel angewiesenen Konsumentengruppe weg fällt. Der Preis für Kälber, der im September 1904 gegen 1903 nicht unbedeutend gewichen war, ist wieder so hoch wie im Jahre 1903; Schafe haben sich gegen 1904 ganz bedeutend, gegen 1903 ebenfalls stark ver teuert. Es kosteten nämlich Mitte September in Berlin 50 Kilogramm 1903 1904 1905 Ochsen. . . 27-46 27—46 28—48 Bullen. . . 30—43 25—42 29—46 Färsen, Kühe 22—32 18—31 23—34 Kälber. . . 26-55 22—51 26-58 Schafe. . . 25—38 21-35 30-42 Schweine . . 47—54 49—55 63—69 Nächst Berlin weist die schärfste Schweinepreis- fteigerung Chemnitz auf; während im Vorjahr Mitte September 51—58 M. für 50 Kilogramm bezahlt wurden, notierten sie im laufenden Jahre 71—78 M., Mitte August war die Differenz noch nicht so groß gewesen. Auch der Kälberpreis stieg in Chemnitz äußerst stark. Fast ebenso hoch wie in Chemnitz, steht der Preis für Schweine in München; allerdings ist der Abstand gegen 1904 nicht ganz so kraß. Der Aufschlag für Schweine beträgt für 50 Kilogramm 12—13 M„ Rindvieh steht um ca. 8 M. höher im Preise als im Parallelmonat 1904. Im August war die Notierung für Ochsen noch lange nicht so hoch; im Laufe des September erhöhte sie sich um rund 3 M. pro 50 Kilogramm. Von den größeren Markt plätzen Süddeutschlands ist noch Stuttgart mit einer auffallenden Verteuerung des Schlachtviehs zu nennen, die sich bei Kälbern, ganz besonders aber bei Schweinen, zeigt. Der Preis für Schweine, der schon Mitte August einen ganz besonders hohen Stand gehabt hatte, ist in allerletzter Zeit noch bedeutend hinaufgegangen: gegen 53 67 M. Mitte September 1904 mußte man im August schon 62—72 M. bezahlen; am 16. September aber kosteten 50 Kilogramm gar 68—79 M. Damit weift Stuttgart den höchsten Preisstand für Schweine unter insgesamt 19 wichtigen deutschen Marktplätzen auf. Nicht ganz so erheblich ist der Abstand gegenüber dem Vorjahre am Viehmarkte Dortmunds; doch ist auch hier von August auf Sep tember noch eine weitere Preiserhöhung für sämtliche Viehsorten eingetreten. In Norddeutschland ist es außer Berlin besonders Hamburg, das von der Fleischnot erheblich betroffen wird; während bei Rindvieh der Preisaufschlag gegen 1904 nur 2—3 M. beträgt, sind Schwein: gegenüber dem Vorjahr um 18—19 M. ge stiegen. Drese Steigerung erfolgte zu einem großen Teile gerade in den letzten Wochen. Touristik und Wetter. lieber dieses Thema sprach am Sonntag Herr Prof. l)r. Gravelius aus Dresden auf der in Rade berg abgehaltenen 28. Generalversammlung des Ge- dirgsverems für die Sächsische Schweiz in interessanter Weise. Er führte dabei u. a. auS: Zum Wandern gehört vor allem Denken. Wer gedankenlos wandert, bat Mr geringen Nutzen. Er stöhnt nur der Neugier und gewinnt keinen Einblick in den Zusammenhang Mjchen Natur und Menschenleben. Rur wer bewußt und denkend wandert, erkennt auch im Kleinsten in der Natur ein Abbild der großen LntwickelungSgeschichte der Erde. Bon großer Bedeutung fürs Wandern ist aber das Wetter. Dieses wiederum wird wesentlich beeinflußt von der Bildung und dem Wechsel der Wolken. Die ganze Geschichte und die Entwickelung eines Landes ist davon mit abhängig. Ausschlaggebend für gutes und schlechtes Wetter — Regen oder nicht Regen — ist immer die Basis oer Wolke. Ist diese unten gerade abgeschnitten, so wird kein Regen fallen. Alles ist Bewegung und Leben. Die Haufenwolke loumulus) ist die eigentliche Schönwetter-Wolke. Da her finden wir sie auch auf den Gemälden unserer Maler. Sie gehört zum Lebensbedürfnis unserer Zone. Wochenlang blauer Himmel und regenlose Zeit, wie im Vorjahre 26 Tage, ermüdet und langweilt. Wir lieben unsere Wolken; sie bringen uns Kunde von jenseits der großen Wasserwüste. Der Volkscharakter und das Schicksal der Völker wird durch Wetter und Klima beeinflußt. Die feine Wolke (oirrus) liegt 18 bis 20 Kilometer über der Erdoberfläche. Die langen Wolkenstreifen sind die Köpfe gewaltiger wandernder Wogen in eminenter Höhe, in der ein warmer Luft strom über einen kalten Hinwegrast. Man nennt sie Wolkenwogen oder Wogenwolken. Die Schnellig keit der Bewegung beträgt in 4 Kilometer Höhe 26 bis 28 Meter in der Sekunde, bis 8 Kilometer Höhe 30 Meter in der Sekunde. Auf der Erde bedeuten 22 Meter in der Sekunde schon Sturm, bis 50 Meter Orkan. Aber ein rechter Wanderer ist auch mit Regen und Sturm vertraut. Eigentümlich ist es, daß die Bevölkerung im Osten luftempfindlicher ist als im Westen, wo der Wind ganz anders pfeift wie hier. Was man an der Mosel Zug nennt, das ist bei uns schon Sturm. Im Mittel geht im Elbtal der Wind nicht schneller als 2 Meter in der Sekunde; im Westen beträgt die Schnelligkeit das Doppelte. Am schönsten wandert sich's in der Herbstzeit bei lebhaftem Wind. Bei schönem Wetter langweilt sich der naturfreudige Wanderer leicht. Der Widerstand gegen eine Gegen kraft reizt und befriedigt. Für den rechten Wanderer gibt es kein schlechtes Wetter. Unser Elbtal kennt auch ein eigentlich schlechtes Wetter nicht. An einem Regen tage bei uns regnet es im Mittel nur 2 Stunden, und zwar verteilt auf 3—4 Stunden. Die Regenhöhe in der Reqenstunde eines nassen Monats beträgt höchstens 2*.z Millimeter, während im allgemeinen der Regen pro Stunde nicht mehr als ^/, Millimeter ergibt. Diese Mittelwerte lassen erkennen, daß wir mit unseren Weiterverhältnissen sehr zufrieden sein können. Wenn die Haufenwolke (eumulus) unten keine gerade Linie aufweist, sondern bogenförmig ist, wenn die Ränder nach oben flatterig werden und der Schleier (oirrus- Schleier) oben heraustritt, so ist die Haufenwolke zur Gewitterwolke umgebildet Ist der Schleier schon unten an der Wolke bemerkbar, so ist dies schon der fallende Regen. Bei einem Gewitter soll man vor allem den Waldrand meiden, lieber in den Wald hinein gehen und sich im übrigen nicht am Weitermarschieren hindern lassen. Solche Gewitterwolken haben oft eine große Dichtheit, so hatte am 10. August d. I., als es nach mittags ganz finster wurde, die Gewitterwolke eine Dichtheit von sicher 12 Kilometer. Wer richtig ünd gern wandert, für den gibt's kein schlechtes Wetter: ?ost nubila Phoebus, d. h.: Auf Regen folgt Sonnen schein ! In der Peter-Pauls-Aestmtg. Einer von den Unzähligen, die in der Petersburger Bastille gefangen gehalten wurden, ist Fürst Peter Krapotkin. Seit seine „Memoiren eines Revolutionärs* in emer guten deutschen Ausgabe (von Max Pannwitz besorgt) im Verlag von Robert Lutz in Stuttgart er schienen sind (2 Bände, Preis brosck. S M., geb 11 M ), ist dieses bedeutsame Buch auch bei uns bekannt ge worden, und eS liegt bereits in dritter Auflage vor. Wer es zur Hand nimmt, wird eS nicht sobald wieder fortlegen. Ein von Idealismus erfüllter kraftvoller Geist spiegelt sich darin wider, zugleich mit den Zu stünden Rußlands, die uns in voller Klarheit entgegen treten. Im März 1874 wurde Krapotkin wegen Teil nahme an einer geheimen Verbindung verhaftet und nach der Peter-Pauls-Festung gebracht. Er berichtet darüber in dem genannten Buche: Da- war also die schreckliche Festung, hinter deren Mauern in den drei letzten Jahrhunderten so viel von Rußlands wahrer Kraft zu Grunde gegangen ist, und deren bloßen Namen man in Petersburg nur mit bebender Stimme aussprach. Hier folterte Peter I. seinen Sohn Alexis und tötet^ ibn mit eigener Hand; hier sperrte man die Fürstin Tarakanowa in eine Zelle, die sich bei Eintritt einer Ueberschwemmung mit Wasser füllte, so daß die Ratten, um sich vor dem Tode des Ertrinkens zu retten, an ihr emporkrochen; hier folterte der fürchterliche Münnich seine Feinde und ließ Katharina ll. diejenigen lebendig begraben, die sich der Ermordung ihres Gatten wider setzten. Von den Zeiten Peters l. ist so die Geschichte dieser Stein mässe, die im Angesichte des Winterpalastes vom Spiegel der Newa empvrsteigt, einhundertsiebzig Jahre hindurch eine Geschichte des Mordes und der Folterung gewesen oder sie erzählte von Lebendig begrabenen, die zu langsamem Tode verurteilt waren oder in der Oede ihrer dunklen und feuchten Verliese zum Wahnsinn getrieben wurden. Hier begann das Märtyrertum der Dezembristen, die zuerst in Rußland die Republik und die Auf hebung der Leibeigenschaft auf ihr Banner schrieben, und man kann vielleicht noch heute Spuren von ihnen in der russischen Bastille finden. Hier wurden die Dichter Rylejew und Schewtschenko, Dostojewsky, Bakunin, Tschernischewsky, Pistrew und so viele andere von den besten Schriftstellern unserer Zeit eingekerkert. Hier wurde Karakosow gefoltert und gehängt. Hier war auch in irgend einem Winkel des Alexis-Wall schilds das Gefängnis Netschajews, den die Schweiz an Rußland wegen eines gemeinen Verbrechens ausge liefert hatte, der aber als gefährlicher Staatsgefangener behandelt wurde und nie wieder das Licht der Welt erblickte. Dasselbe Wallschild barg in sich auch zwei oder drei Männer, die Alexander ll., wie das Gerücht ging, zu lebenslänglichem Kerker verdammte, weil sie von irgend einem Palastgeheimnis wußten, das andere nicht wissen dürfen. Der eine von ihnen wurde im Schmucke seines langen grauen Bartes erst kürzlich von einem meiner Bekannten in der geheimnisreichen Festung gesehen. Alle diese Schatten beschwor meine Einbildungskraft herauf. Vor allem hasteten meine Gedanken aber an Bakunin, der nach 1848 zwei Jahre lang in einem österreichischen Gefängnis, an die Mauer gekettet, zubrachte und dann, an Nikolaus I. auSgeliesert, noch sechs Jahre in der Peter-Pauls- Festung schmachten mußte. Als er hierauf durch den Tod des eisernen Zaren erlöst wurde, kam er frischer, lebenskräftiger heraus, als seine in der Freiheit ver bliebenen Kameraden waren. „Er hat es ausgehalten", sagte ich zu mir, „und das muß ich auch; ich will hier nicht unterliegen!" Meine erste Bewegung war nach dem Fenster ge richtet, da- so hoch lag, daß ich es kaum mit meiner ausgestreckten Hand erreichen konnte. ES war eine lange, niedrige in die fünf Fuß dicke Mauer gelassene Oeffnung, die von einem «fernen Güter und einem doppelten eisernen Fensterkreuz verwayrt wurde. In einer Entfernung von 12 Metern sah ich die ungeheuer dicke äußere Festungsmauer, auf deren Spitze sich ein graues Schilderhaus unterscheiden ließ. Nur wenn ich aufwärts blickte, vermochte ich ein Stückchen Himmel inS Auge zu fassen. Ich untersuchte den Raum, in dem ich nun wer weiß wie viele Jahre verbringen sollte, auf das genaueste. Mein Zimmer war eigentlich die Kasematte für eine mächtige Kanone und das Fenster die dazu gehörige Stückpsorte. Die Strahlen der Sonne konnten niemals hineindringen und verloren sich selbst im Sommer in den dicken Mauern. Aus gestattet war das Zimmer mit einem eisernen Bett, einem kleinen eichenen Tisch und einem eichenen Schemel. Der Boden war mit gelber Oelfarbe angestrichen, und die Wände waren mit gelbem Papier bekleidet. Doch hatte man, um den Schall zu ersticken, das Papier nicht unmittelbar auf der Mauer angebracht; es war auf Leinwand geklebt, und hinter dieser ent deckte ich ein Drahtgitter, das wieder über einer Filz lage ruhte; erst dahinter konnte ich die Steinmauer er reichen. Auf der nach innen liegenden Seite des Ge lasses befand sich ein Waschtisch und eine dicke Tür von Eichenholz, in der ich eine zum Herrinreichen der Nahrung bestimmte Oeffnung bemerkte, sowie einen schmalen, mit einer Glasscherbe und außen mit einem Schieber versehenen Spalt: da- war der „JudaS*, durch den man den Gefangenen jeden Augenblick ausspähen konnte. Die Sckildwache, die draußen im Gange stand, zog den Gchiever häufig auf und schaute herein; man hörte eS am Knarren der Stiefel, wenn sie zur Tür schlich. Ich woltte z': ihr