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Sächsische Vorszettung Vezugsbe-tngungen: v» nlchrt»« t,d», w«ch«>«a« 1s- » Uh, Mit »«« v«m» d« r«O» vi» v*i»»»««dLtzr d«n»Ai Mart ,»tt«qahrltch.»« dO Pi», str Mo»M. VU » M »mch »t« »>q»NchE »t, c»«»^str»O« M>» h»rch Sri frvtrrL4^«r»«» t>»ha« rrh«*< »t, p»h »*4 I«D>Ii«»,^i»Mtzr —« « PI». 7«l«WU»mm^dr.: Vorfzrttu», vr«4««. Anzeiger für Stadt und Land mit der Beklage: ,^Illustrierter Zonntagr-Blatt" Amtsblatt für die Kgl. Amtshauptmannschaften Dresden-Altstadt und Dresden-Neustadt, für das Kgl. Amtsgericht Dresden, die Kgl. Z-rstrentämter Dresden, Moritzburg, Tharandt und die Gemeinden Gberlößnitz und Nadebeul. Anzeigen-Preise: Telephon: Dresden, Nr 3Y1S 67. Jahrgang. Dresden, Dienstag, den 26. September 1905. Da- ytenefte. Der erste Cholerafall in Berlin ist bei dem unter verdächtigen Erfcheinungen verstorbenen Schifter durch die bakteriologifche Untersuchung festgestellt worden. Minister von Witte ist in Berlin eingetroffen. Er wird heute mit dem Reichskanzler und dem Staats sekretär des Auswärtigen Zusammentreffen. Deutsche Truppen haben den aufständischen Wapogoro in Ostafrika schwere Verluste bei gebracht. Die Führer der ungarischen Koalition haben weitere Verhandlungen mit der Krone ab gelehnt und Wien verlassen. Zwischen Armeniern und Tataren im Kau kasus ist eine Art Schiedsvertrag abgeschlossen worden. Die Mitglieder der chinesischen Reform kommission wurden bei ihrer Abreise von Peking durch eine Bombe teils schwer, teils leichter verletzt. Dom sozialdemokratischen Parteitag. Die „rote" Woche ist am Sonnabend in Jena zu Ende gegangen, nachdem man sich acht Tage lang über die letzten Ereignisse innerhalb der Partei sowie über ver schiedene Pärteiftagen unterhalten hat. Der alte Agitator Bebel hat bewiesen, daß durch seine Adern immer noch das Blut so heiß wie in der Jugend treibt. Er hat immer wieder das Wort ergriffen, vielleicht in dem Gefühl, daß nur sein Temperament im stände sei, die graue Oede der Langeweile zu bannen, sicherlich aber mich aus dem Bewußtsein, daß er weit hinausragt über seine sämtlichen Gefährten und darum das Recht besitzt, der ganzen Tagung seine persönliche Marke zu geben. Was bleibt denn übrig, wenn man aus den Berichten von Jena die Persönlichkeit dieses Mannes ausschalten wollte? Da bliebe der vorsichtige, süffisante Heine, die blutrünstige Rosa Luxemburg, der Doktrinär Bern stein, dem trotz aller radikalen Phrasen doch die „Wissen schaftlichkeit" immer an den Flügeln klebt, da bliebe Bollmar, der sich in den Mantel seiner Würde hüllt und der Masse nie recht vertraut geworden ist, David, der kluge Gegner aller revolutionären Mätzchen, da blieben die Männer der Gewerkschaft, die mehr und mehr die ökonomische Seite der Bewegung betonen und deren Führer Robert Schmidt Herrn Bebel entgegen rief, er sei „ein brillanter Reitergeneral auf dem Pa- radrfelde der politischen Parteien, aber seine Attacken würden im Ernstfall in lausend Atome zerschellen". Er hat es gewagt, die Empfehlung des Generalstreiks als einen Hinterhalt zu bezeichnen, und verkündet, daß große Massen, wenn er proklamiert wird, den Gehorsam verweigern würden, er hat es gewagt, selbst den Zorn Rosas herauszufordern, die dem Parteitag grollend das Bild Rußlands vor Augen führte und im höchsten Diskant ihm zurief: „Die Arbeiter haben nichts zu ver lieren, als ihre Ketten, aber eine Welt zu gewinnen." Da ist Stadthagen, dessen unwahres Pathos niemals darüber hinwegtäuscht, daß ihm die Sache der Arbeiter innerlich gleichgültig ist, daß sie ihm nur dazu dienen soll, seinem Ehrgeiz zu genügen. Keiner von ihnen allen reicht an Bebel heran, an diesen Fanatiker, der zweifellos sagt, was er glaubt, und sogar glaubt, was er sagt. So wird es verständlich, daß man ihm immer wieder das Wort läßt und daß jede Entscheidung bereits gefallen ist, wenn er gesprochen hat. Er ist im vollsten Sinne der Diktator der Partei. Aber trotz aller Zügellosigkeit seines Temperaments ist er auch der Taktiker der Partei. Er weiß genau, daß die Frage der Generalstreiks wohl geeignet ist, einen tiefen Riß durch die Partei zu ziehen, er weiß auch, daß die Bewegung, die sich an den Namen Kriedeberg knüpft, keineswegs ungefährlich ist, daß die ungeheuere Masse des Proletariats zahlreiche Elemente birgt, die nach so vielen Reden auch einmal Taten >>den und auf die Gasse hinabsteigen möchten, um Barrikaden zu bauen. Darum wirst er ihnen mit seiner ResoUttion über den Massenstreik einen Brocken hin, der sie für den Augenblick zufriedrnstellen soll. Man dar schließlich die Rrwlution mit 288 gegen 14 Stimmen angenommen, die Einigkeit der Partei ist also wieder einmal glänzend demonstriert, und der „Vorwärts" kann jubeln über diese Kundgebung „der Energie, der Klar heit und Besonnenheit". Die Rede Bebels umfaßt nicht weniger al» vierzehn Spalten des ZentralorganS, es kommt also auf je einen dissentierenden Genossen je eine Spalte. Ein Teil der Auseinandersetzungen ist für die Allgemeinheit vollständig gleichgültig, für die Hörer wahrscheinlich recht langweilig gewesen. Die ältesten Schinken wurden in den Rauch fang gehängt und die verschimmeltsten Würste wieder angeschnitten. Einen leitenden Faden der Rede fest zustellen, ist kaum möglich, jeder Zwischenruf veranlaßte den Redner, abzufchweifen und so aus dem Hundertsten in das Tausendste zu kommen. Selbst seine wütenden Expektorationen gegen die Ueppigkeit der Bourgeoisie, die für ein einzelnes Festmahl 50 000 M. auSgibt, und die „an die verdorbensten Zeiten des römischen Kaiser reiches erinnert, wo man die Gäste mit Pfauenaugen fütterte' — ob Herr Bebel hiermit wohl den Schmetter ling (Vanessa l^.) meinte? — sind doch viel zu abgedroschen, als daß sie selbst vor den Parteitag von Jena gehörten. Solche Bemerkungen muß er Herrn Zubeil überlassen. Was haben denn schließlich auch Pfauenaugen mit dem Generalstreik zu tun? Aber, so kann man nach Bebels Rede auch fragen, wozu ist denn der Generalstreik überhaupt nötig? Er selbst versichert ja, daß die ganze auswärtige Politik sich noch den Strömungen der Sozialdemokratie richten muß, daß die Regierung Heidenangst hat vor einem Zusammenschluß mit den russischen Revolutionären, da es „bereits ganze Regimenter gibt, die aus Genossen bestehen?" Es könnten ja, so meint er, wieder Ausnahmegesetze gemacht werden, aber solche Ausnahmegesetze würden der Partei doch nur Spaß machen, es gebe ;a kein größeres Ver gnügen, als nach des Tages Last und Hitze davon zu plaudern, wie man einst die Polizei genarrt hat. Aber plötzlich überkommt Herrn Bebel wieder die Sorge vor den Radikalen, vor den Blutrünstigen, vor denen, die sich nach der Barrikade sehnen, und schmetternd ruft er hinaus: „Schließlich gibt es auch einen Punkt, wo man nicht mehr nach dem Schaden fragen darf. Nichtswürdig, erbärmlich ist die Arbeiterklasse, die sich wie Hunds- sötter behandeln ließe, die ihren Bedrängen! nicht die Spitze zu bieten wagte. Da ist Rußland, da ist die Junischlacht, da ist die Kommune! Bei den Manen dieser Märtyrer solltet ihr nicht einmal ein paar Wochen hungern können, um eure höckfftrn Menschenrechte zu verteidigen?" Nachdem Herr Bebel also geredet und den Fnedebergern eitel Honig gereicht hat, weist er ein Stündlein hindurch wieder nach, daß man mit dem Generalstreik die bürgerliche Gesellschaft niemals aus den Angeln heben kann, dann wieder versichert er unter tausend Donnerwettern und vielfacher Berufung auf den Teufel: „Wir stehen da wie Leute, denen alles gleichgültig ist. Wir kriegen einen Hieb über den Rücken nach dem anderen, und schweigen — und schweigen! Das geht auf die Dauer nicht fo weiter! Wollen wir es uns dauernd gefallen lassen, daß Junker, Pfaffen und Bourgeoisie uns den Fuß auf den Nacken setzen?" Und wieder macht er eine Wendung nach der anderen Seite: „Die Anarcho-Sozialisten seien geistig ver kommene Leute, man solle der ganzen Geschichte keinen Wert beilegen." Als er dann die Geister, die er ge rufen hatte, nicht los werden konnte, und auf Heines kühle Versicherung, daß der Generalstreik den Junkern nur die längst ersehnte Gelegenheit zur Niederkartätschung des Proletariats liefern würde, Rosa so heftig nach Kampf und Mord und Tod scbrie, daß Genosse David von Hellem Wahnsinn sprach, als Frau Klara Zetkin dem Staate mit einer Antwort im russischen Revolutions stil drohte, da wird Bebel wieder mild und harmlos: „Nie waren die Reden so drohend und grimmig von Blut und Revolution. Ich in meinem harmlosen Ge- müte habe daran nicht gedacht, und habe doch auch durch meine Rede nicht dazu angeregt." Vielleicht fiel hier sein Auge auf das erstaunte Antlitz eines Radi kalen, eines Blutmenschen, und so rief er denn mit gewaltigem Pathos: „Es wurde vom Blutvergießen und Mord geredet und manche Spitze gegen mich ge richtet. Ich sage Ihnen, an dein Tage, an dem Blut fließt, bin ich in der ersten Reihe!" Man hat, wie gesagt, die Resolution angenommen. E» hat sich nicht viel damit geändert. Immerhin ist die Episode, deren Inhalt sie bildet, überaus interessant gewesen. Sie zeigt uns nur, daß innerhalb der Partei und selbst im Kopfe Bebels noch volle Unklarheit herrscht. Politische Weltschau. Deutsche- Reich. Da- Kaiserpaar gedenkt nach den bisherigen Bestimmungen etwa zehn Tage in Rominten zu verweilen. Den Weg von der Bahn station Gr. - Rominten nach dem Jagdschloß legten die Majestäten bei ihrer Ankunft mit der Prinzessin Viktoria Luise und dem Generaladjutanten von Plessen im Automobil zurück. Beim Passieren der neuen, mit vier Hirschen geschmückten Brücke vor Rominten wurden die hohen Herrschaften durch eine jugendliche Lhrenkompagnie begrüßt; es waren die- Romintener Knaben im Alter von 5—8 Jahren, die bei der Ankunft de» Kaiferpaares präsentierten. Die Autrüstung für die Jungen, die in einer vollständigen Infanterie-Uniform besteht, ist ein Geschenk des Kaisers. Die geschiedene Großherzogin Melitta von Hessen und Großfürst Kyrill von Rußland halten sich augenblicklich beide in Bayern auf. Der Großfürst hat eine Nervenkur in der Anstalt Reu- WittelSbach bei München beendet, die Großherzogin verbringt mit ihrer Mutter, der Herzogin-Witwe Marie von Koburg, in jedem Jahre einige Monate an den Ufern des Tegernsees. Das tägliche Zusammensein des Großfürsten und der Großherzogin hat nun Anlaß zu der Vermutung gegeben, daß beide längst eia Paar, d. h. heimlich getraut seien. Hierzu schreibt die „N. G. C": Dieser Vermutung gaben wir, aus guten Gründen, schon vor einem halben Jahr hier Ausdruck. Jetzt darf mau bestätigen, daß Großfürst und Groß herzogin längst getraut sind. Wie sie sich mit dem Zaren auseinandersetzen werden, ohne besten Genehmigung ein Großfürst überhaupt keine rechtskräftige Ehe schließen kann, — das bleibt freilich Sache der jungen, nach soviel Hindernissen zueinander gelangten Eheleute. Auch einen Besuch aus London hat der Reichskanzler in Baden-Baden erhalten. Ter deutsche Botschafter in London, Graf von Metternich, welcher demnächst auf seinen Posten zurückkehrt, ist nämlich dort eingetroffen und stattete nach ieiner Ankunft dem Reichs kanzler einen längeren Besuch ab. Die preußische Regierung und die rhei nisch-westfälischen Zechen. Die„National-Zeitung" schreibt: Die Verhandlungen im Handelsministerium wegen der Beteiligung des Staates an der Rheinisch- Westfälischen Bergwerksgesellschaft nehmen einen be friedigenden Verlauf, so daß der Abschluß bereits in den ersten Tagen dieser Woche erwartet werden darf. Die Erwerbung der „Hibernia" für den Staat und der Eintritt der fiskalischen Zeche „Gladbeck" in das Kohlen syndikat dürfte im Zusammenhang mit der Regelung der Hüttenzechenfrage gesichert sein. Graf Götzen telegraphiert, daß nach einer über Jringa beim Gouvernement von Deutsch-Ostafrika «in- getroffenen Meldung die auf Mahenge gerichteten An griffe der Aufständischen Ende August erfolgreich abgewiefen wurden, nachdem ein geplanter Ueberfall verraten worden war. Die aufständischen Wapogoro verloren 350 Tote. Die Gefahr wurde einer Missions nachricht aus Ubena zufolge durch da» energische Bor- gehen der Kompagnie in Mahenge unter Hauptmann v. Hassel beseitigt. Die Kolonne Grawerth, mit der die Verbindung seit vier Wochen unterbrochen war, ist von Liwale aus in Kilwa eingetroffen. Sie hatte sechs für den Gegner verlustreiche Gefechte, ohne ihrerseits Verluste zu erleiden. Die Leichen des Bischofs Spies und des Feldwebels Faupel wurden beerdigt. Die Ver breitung der Bewegung wurde wesentlich durch falsche Gerüchte über Niederlagen der Weißen veranlaßt. Auch wurde vielfach ein bisher unbekannter heimlicher Fana tismus der Kämpfenden bestätigt, dauernd angefacht durch Begießen mit geweihtem Wasser seilens der Zauderer. Oesterreicd-Ungarn. Der Sonnabend war der aufregendste Tag der ungarischen Krise. In der Audienz der Koalitionsführer war der Kaiser sehr kühl und reichte den Erschienenen nicht die Hand. Das sich nach der Audienz verbreitende Gerücht von einer Nachgiebigkeit der Krone erfuhr mittags ein ent schiedenes Dement,. Bald darauf erfuhr man, daß die Koalitionsführer in brüsker Form Goluchowsky erklärt haben, mit Richt-Ungarn nicht »u verhandeln. Die Situation erschien als überaus schwer. Nachmittags kam die überraschende Meldung, daß der Kaiser Kossuth durch einen Kurier habe bitten lasten, noch in Wien zu bleiben, da er den ungarischen Obersthofmeister Grafen