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Sette b „Sächsische Dorszettung." 8. September 1905. ES war bei einer Vorstellung der Oper „Poliuto" von Donizetti, bei der der große Tenor Mongrini die Hauptrolle sang; da der zweite Tenor plötzlich krank wurde, so war man in großer Verlegenheit, bis man sich endlich des jungen Tamaguo erinnerte, der nun den Part sang. Obwohl er nur wenig zu singen hatte, so fiel doch der gewaltige Umfang und die Rein heit seines Organs auf, und er steigerte seinen Gesang bis zu einer solchen Höhe, daß er Mongrini in den Schatten stellte. Schon damals erregte auch die dra matische «rast und das Feuer seiner Stimme Staunen, von der später Sir Henry Irving gesagt hat, er habe bei gewissen Noten TamagnoS die Empfindung, „al- ob flüssiges Feuer durch seine Adern rinne und Eises kälte ihm den Rücken herablaufe." Im „Maskenball" von Verdi betrat er dann zu Palermo als fertiger Sänger die Bühne, und von hier ging feine Ruhmes- laufbahn aus. Den Höhepunkt seines Andenkens bildete jener denkwürdige Abend im Skalatheater zu Mailand, an dem er die Titelrolle des Vertuschen „Othello" zuerst sang, die der MaSstro eigens für ihn geschrieben hatte. Das wundervolle, in der Geschichte italienischer Musik so bedeutungsvolle Theater, ein glänzendes, aus ganz Europa herbeiaeeilteS Publikum, vor allem aber die ehrwürdige Gestalt der berühmten Komponisten, des größten damaligen Musikers romanischer Rasse — all das trug dazn bei, daß man auch die Gestalt Tamagnos in einem verklärteren Lichte sah. Er hat nie eine vollendetere Gestalt geschaffen als den eifersüchtigen Mohren und nie wundervoller gesungen als in jener Nacht, da er unter den Augen seines verehrten Meisters sein eigenes Meisterstück ablegte. Er war von schwerem Krankenlager direkt zu den Proben nach Mailand ge reist. Man erzählt eine Anekdote, wie er in der letzten Szene, da er, von seiner eigenen Hand gefällt, über die Leiche der gelöteten Desdemona niederstürzt, über den Bettpfosten stolperte, ausglitt und hinfiel. Er wollte sich bei Verdi, der selbst die Proben leitete, ent- schuldiaen, aber der Maestro rief ihm schon vorder voller Bewunderung zu, das habe er vorzüglich gemacht, und so solle er es immer machen. Tamagno feierte seine größten Triumphe als Othello, jedoch auch in anderen Werken Verdis, Meyerbeers und anderer war er in ganz Europa und Amerika gefeiert. Er erhielt ungeheure Honorare. Nach einer Tournee mit Adelina Patti durch Amerika, bei der er für jeden Abend 8OO0 Frcs. erhielt, hatte er seine erste Million zusammeü. Für einen Zyklus von 40 Vorstellungen, die er in Buenos-Aires geben sollte, wurde ihm eine halbe Million Mark garantiert. Für zwei Konzerte in Ostende erhielt er 12 000 M. Seine größten Honorare waren die, die ihm von den Gram mophongesellschaften gezahlt wurden. Er besaß aber auch die bei einem Künstler seltene Fähigkeit, das Geld zusammenzuhalten, und war so sparsam, daß er dem Vorwurf des Geizes nicht entging. Wirklich hatte er auch Gepflogenheiten, die bei einem so gefeierten Künstler zum mindesten merkwürdig anmuten mußten. Reiste er mit einer Gesellschaft auf Gastspiele, so liebte er es, der Bezahlung feines Gepäcks aus dem Wege zu gehen. Halte irgend eine Kollege oder noch besser eine Kollegin einen Wagen gemietet und einen Gepäck träger engagiert, dann warf er so ganz beiläufig hin: „Besorgen Sie mir doch mein Gepäck mit, da sie schon einmal dabei sind", und dann ließ er fünf bis sechs gewaltige Koffer aufladen, die die Kosten des gefälligen Kollegen für die Beförderung verdoppelten und ver dreifachten. In seinen Kontrakten machte er mit dem Impresario oder Tirektor aus, daß ihm alle Kosten für Wohnung und Lebensunterhalt zurückerstattet werden müßten. Kam er dann in einer Stadt an, so ging er in das teuerste Hotel und verlangte dort ein sehr be scheidenes Zimmer nach hinten heraus, „um ganz un gestört zu sein und recht zurückgezogen zu leben , wie er sagte. Auch im Essen war er sehr sparsam, aber in seiner Rechnung setzte er dann dem Impresario die höchsten Preise auf, wie sie in einem solchen Hotel üblich waren. Dagegen war er, abgesehen von diesen Sonderbarkeiten, die sich bei ihm fast zu einem Sport ausgebildet hatten, von großer Güte und Wohltätigkeit; vor allem für seine einzige Tochter, die er abgöttisch liebte, war ihm nichts zu teuer, und wenn er ihr eine Freude machen konnte, dann strahlte sein Gesicht vor Freude und er ließ jenes sonore und kräftige Lachen erklingen, daS ebenso schön war, wie seine Stimme. Er hatte zu San Remo einen wundervollen Palast und träumte davon, seinen Lebensabend in Ruhe zu verbringen und seiner Tochter seine Millionen zu hinter lassen. Tages - l^reigniste. — Breslau. Am Dienstag abend um 90« Uhr sind auf dem Bahnhof Peiskretscham zwei Güterzüge zu- sammengestoßen. Eine Lokomotive und neun Wagen sind entgleist, drei Gleise gesperrt. Der Lokomotivführer Geister und der Zugführer Heider sind verletzt, der Materialschaden ist bedeutend. Aerzte und Hilfspersonal waren sofort herbei geeilt, auch der Streckendezernent begab sich sofort nach der Unfallstelle. Die AufräumungSarbeiten werden im Laufe des heutigen Tages beendet werden. — Beuthen. Auf der Flucht aus dem Kloster „Zum guten Hirten" ist die 20jährige Insassin Gertrud Filla nachts beim Herabklcttern am Blitzableiter drei Stock- werke abgestürzt. Sie brach sich das Rückgrat. — Reichenbach (Schlesien). Die hiesigen Weberei besitzer haben beschlossen, sämtlichen hiesigen organisierten Textilarbeitern zu kündigen. - Glogau. Der 18 jährige Sohn Hans des Strumpf fabrikanten Rumpf in Neusalz fuhr mit feinem Motorrad auf der Heimfahrt von Glogau nach Neusalz gegen ein unbeleuchtetes Fuhrwerk und wurde getötet — Posen. Unter dem Verdacht der Engelmacherei ist in Posen die Tapeziererfrau Nowacka verhaftet worden. Sie wird beschuldigt, mehrere Pflegekinder vergiftet zu haben — Posen. In Posen sind am vorigen Mittwoch 19 Typhusfälle zur Anmeldung gelangt. Die Gesamtzahl der bisher vorgekommcnen Fälle von Typhus beträgt 285. — Erfurt. Unter dem Verdacht, das Dienstmädchen Greiner ermordet zu haben, wurde auf Verlangen des Erfurter Staatsanwaltes der Fleischergesette Otto Eschrich in Arnstadt verhaftet und nach Erfurt übergeführt. — Würzburg. Bei heftigem Sturm kenterte auf dem Main bei Fechenbach ein Boot mit fünf Insassen, von denen zwei ertranken. — Würzburg Der Assistent vr. Runge am Chemischen Institut der Universität wurde wegen Dieb stahls eines Platinafchmelztiegels zu fünf Wochen Ge fängnis verurteilt. Die übrigen Diebstähle am Institut sind noch unaufgeklärt. — Trier. In Kausen wurde der Schuhmacher Gracomi mit Stichwunden bedeckt und seiner Wertsachen beraubt, tot im Walde aufgefunden. — Rom. Die Basilika Santa Cecilia steht in Flammen. Das Feuer war im Nonnenkloster ausgebrochen, das mit der Kirche einen Gebäudekomplex bildet. Vier Zellen sind ausgebrannt. Das Dach des Klosters ist ein gestürzt. Die Macht des Feuers ist gebrochen. — Warschau. In einem Chambre garni der Alhambra erschoß sich ein Freiwilliger eines Dragoner- Regiments namens Chotinski, der vorher seine 23 jährige Geliebte Lydia Meyer erschossen hatte. Chotinski ist ein Neffe des Ministers Witte. — London. In der Premier-Mine in Johannes burg soll wieder ein Riesendiamant gefunden worden sein. Er soll 460 Karat wiegen und fehlerlos sein. Handel, Industrie und Verkehr 8 In Berliner Bankkreisen war mit Rücksicht auf die in diesem Jahre erfolgte Emission 3'/zproz. Reichs anleihen und im Hinblick auf die andauernde Schwäche des Kursstandes der 3proz. sächsischen Staatsanleihe die Erwartung gehegt worden, daß auch die sächsische Staatsrcgierung sich bei Realisierung ihre- Geldbedarfs vorübergehend zur Ausgabe 30, Proz. Titre- entschließen dürfte. Demgegenüber teilt dem „B. Akt." auf eine dies bezügliche Anfrage der sächsische Finanzminister unter dem 3. d. M mit: „Auf Ihre Anfrage wird Ihnen mit- geteilt, daß hier zur Zett weder darüber, ob im Jahre 1906 die durch das Königlich sächsische Gesetz vom 4. Juli 1902 bewilligte Anleihe begeben werden wird, noch darüber, ob in Zukunft pem 30,prozentigcn Zinsfüße vor dem 3 pro- zentigen der Vorzug zu geben sein wird, Entschließung ge faßt worden ist." - Vermisstes. * Sächsische Bolkswörter. Mit der Kehreule geht die Hausfrau besonders den Spinne (ge) weben (auch Gellert sagte: eine Spinnewebe) zu Leibe, denen sie spinne- feind ist, trotzdem sie sich als Freier zeigen, das heißt freilich nicht als Brautwerber, sondern wohl nur als frei schwebende, nämlich Ganker oder Kanker. Richtiger ist aber der Kanker (ch) oder Gangert (um Leipzig) Bezeichnung für die Spinne selbst. Man erklärte das Wort früher als Entlehnung aus dem Lateinischen, aber die Bedeutung von ouiicor ----- Krebs (vergl. oarosr und Kerker) stimmt schlecht damit überein, während die Annahme eines ur- germanischen Stammes kuug — spinnen mehr für sich hat. Nicht minder verhaft wie die Spinne ist der Haus- frau die Ameise, die im Erzgebirge als Sächums oder Süchwams, im Niederlande als Sächamse, ja sogar als Sägamsel angesprochen wird. Der eine genauere Be stimmung enthaltende Zusatz, der vom mittelhochdeutschen stziottoit kommt (vergl. Bißemse um Halle), bezieht sich auf die Absonderung der scharfen Säure, die auch der gemeine Mann als Ameisenspiritus in der Apotheke verlangt. Die schriftdeutsche Ameise, althochdeutsch ulnsiis, die mundartlich zu einer Silbe zusammenschrumpft, bringt man zusammen mit althochdeutsch umi-ri ----- beharrlicher Fleiß, Stetigkeit, so daß die Ameise schon mit ihrem Namen die Vorstellung des Fleißes, der Emsigkeit erweckt. Das Ge wimmel oder Gewiebel des Ameisenhaufens leitet sich vom mittelhochdeutschen wibelen her, erzgebirgisch wiwln, das heißt durch einander hin und her laufen, und mittels dieses Wortes erklärt sich der Pfärwiwl, wie der Roß oder Mistkäfer im Gebirge heißt. Das Pferd wiederum findet sich auch in der volkstümlichen Benennung der Heu schrecke oder des Grashüpfers als Heupferd oder Heuhappel lum Leipzig Graspferd) und als Zusatz zur Horniffe, mund- artlich ----- Hornzche und Horlsche, in den Ausdrücken Pfürehanzche oder Färehunsche. (Der an das liebkosende' — chrn erinnernden Silbe che (vergl. Nr. 40) erfreut sich um Leipzig auch die Wänzche.) Auch der Esel kommt unter den Insekten vor als Maueresel (Kamenz», das ist die (Keller-)Asfel (im 16 Jahrhundert Rassel), die dem lateinischen aselius entstammt. (Zuschriften werden erbeten an den Ausschuß für sächsische Bolkswörter Dresden-Altstadt, Breite Straße 7, l.) * Ein hübsches, bisher unbekanntes Witz wort des Kaisers verdient grade jetzt, nach dem vor- läufigen Abschluß der Denkmalsepoche, mitgeteilt zu werden. Die Aeußerung knüpfte sich an einen Atelierbesuch, der schon ein paar Jahre zurückliegt. Als fast überall in den Werkstätten Denkmäler Kaiser Wilhelms, Kaiser Friedrichs, Bismarcks usw. herzustellen waren, benutzte man als Vor bild für die Köpse nahezu allgemein die nach dem Leben modellierten meisterlichen Büsten von Professor Reinhold Begas. Der Künstler machte in seiner großherzigen Art nirgends Einwendungen dagegen, obwohl die Köpfe viel fach direkt kopiert wurden. Ein sehr geschäftstüchtiger Bildhauer hatte nun eine Denkmalsbüste der Kaiserin Friedrich auszuführen. Auch hier gab es natürlich kein besseres Material, als die sprechende, lebensprühende Büste der Kaiserin, die Reinhold Begas geschaffen hat. Der Kaiser nahm die Denkmalsbüste in Augenschein, betrachtete sie kritisch und sagte dann kurz und treffend: „Sehr gut, Mrivcrt -^Lskanntrnachungen. Donnerstag den 7. September traf ich wieder mit einem großen Transpott der besten pommerschen Milchkühe, hochtragend und mit Kälbern im Oberen Gasthofe zu KefselSdorf ein und stelle dieselben billigst zum Verkauf. HU. aus Hackrasberg bei Kalmar. Telephon Amt Wilsdruff Nr. 43. Ausstellung von 50-60 Stück original ostfricsischrn hochtragen den und srischabgekalbtcn jungen Kühen!und Kolben, sprnng- Wgen'Znchtbnllen nsto. in schwerster und bester Onalitüt. 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