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Seite 8. — „Sächsische Dorfzeitung." — 17, August 1905. Familie, bei der er wohnt, verhätschelt Die Bewohner von Gheel verstehen sich auf die Behandlung von Ver rückten aanz ausgezeichnet; daS ist die Folge jahr hundertelanger Erfahrungen, die vom Vater auf den Sohn überliefert werden. Der Kranke ist wirklich der Gast, des Hauses. Er bekommt den Lehnstuhl und den besten Platz bei Tisch, er genießt die meiste Aufmerk samkeit, und so lernt er unmer mehr den Wert der Achtung schätzen, die man ihm zollt, und bemüht sich daher, seine Krankheit zu, meistern, um seine Vorrechte nicht zu verwirken. Selbst die Kjzcher in Gheel sind an den Umgang mit Irren gewöhnt. Man sieht sie, wie ein englischer Besucher der Stadt schreibt, zu Dutzenden, wie sie Hand in Hand mit großen robusten Männern gehen und vertraulich mit ihnen schwatzen. Ja, oft versorgt der Kranke daS Baby de- Hauses; meist ist er ein vorzüglicher Pfleger. Natürlich wimmelt es in Gheel von „Kaisern", „Königen", „Königinnen", „PäpstenV „Erzbischöfen", ..Millionären", „Pascha-" usw. Die Bewohner der Stadt. gehen willig auf diese Hirngespinste ihrer un glücklichen Gäste ein. Ein „König" erzählt allen eben Angekommenen, daß er zwei linke Beine habe und dementsprechend..seine Stiefel und Hosen machen lassen müsse. Gin anderer alter Herr, der sich für den Papst in Rom hält, meint, er könne zum Himmel fliegen, im Augenblick sei er nur zu dick. Sein Wirt ist scheinbar erbötig, ihm bei einem Fluge aus einem Fenster des zweiten Stocks zu helfen; aber er warnt ihn doch, er könnte fallen und sich den Hals brechen, worauf der „Papst" lieber bis „nach dem Tee" wartet. Ein jüngerer Mann sucht immer nach einem Beil; er lebt in dem Wahn, er sei plötzlich so stark geworden, daß er den Türeingang abhauen müsse, um ein- und aus gehen zu können. Ein anderer wieder bittet die Fremden in den Straßen Gheels tränenden Auges uin Schutz gegen einen schrecklichen Riesenschmetterling, der ihn angreifen und sein Gehirn essen wolle. Wieder einer hält sich für ein Samenkorn und bittet, man möchte ihn doch in die Tasche stecken, damit der Wind ihn , nicht fortbläst. Vor kurzem war einer der „Un schuldigen" schrecklich aufgeregt, weil er sich für ein Senfkorn hiest und glaubte, die Vögel würden ihn ver schlucken. Sein Wirt beruhigte ihn aber und meinte: „Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß Sie sicher sind, da die Vögel nur Hanfsamen essen." Eine „Königin von Holland" hält mit der größten eingebildeten Pracht Hof; ihre Besucher empfängt sie mit großem Pomp, bedauert, daß ihnen zu Ehren die Truppen nicht präsentiert haben und singt dann in den höchsten Tönen Arien ans den bekanntesten Opern. Verläßt man sie, so geht sie ans Fenster, gibt einem Kammer herrn, der nur in ihrer Vorstellung lebt, Befehle und meist auf die Regimenter vorüberziehender Truppen, die natürlich auch nicht existieren. Sie ist die Tochter eines hohen holländischen Staatsbeamten. In den Wirtshäusern inGheel sind die Wirte sehr höflich und rücksichtsvoll gegen die „Un schuldigen", gehen avf alle ihre Launen ein und führen anscheinend ihre wildesten Wahnideen aus. Es ist ein merkwürdiger Anblick; aber es ist wirklich rührend, wie schonend, taktvoll und wohlwollend auch die einfachen Leute mit den Unglücklichen umgehen. Das gänzliche Fehlen jeden Zwanges würde die modernsten Irrenärzte in Erstaunen setzen Nervenärzte aus der ganzen Welt kommen denn auch, nach Gheel, Kranke aus aller Herren Länder werden dorthin gebracht. Alle Aerzte, die dort gewesen sind, haben einen tiefen Eindruck von der Wirksamkeit der Behandlung empfangen, die sich nur auf Freundlichkeit und Takt beschränkt. Alle Patienten scheinen vollkommen zufrieden zu sein; sie bekunden die größte Liebe zu ihren Wirten und singen das Lob der Stadt, Für gefährliche Fälle ist in Gheel eine Anstalt unter Leitung staatlicher Aerzte, die auch regelmäßig die Kranken in der Stadt besuchen. Tages-Vreigniffe. — Halle a. S. Auf der Dorfstraße in Greppin überfiel vergangene Nacht der..Arbeiter Schumann die Brüder Albert und Anton Poperawa mit einem Nickfänger. Albert war sofort tot, und Anton liegt hoffnungslos darnieder. . o .« — Kottbus. Ein gemeinsames Denkmal will die Eisenbahnverwaltung den vier Eisenbahnbeamten Lokomotiv führer Krug und Seidel und Lokomotivheizer Walter und Fröse, die bei dem Spremberger Eisenbahnunglück ihr Leben einbüßten, auf dem hiesigen Friedhof errichten lassen. Die vier Beamten wurden hier in einem gemeinsamen Grabe beerdigt. — Glogau. , Die Verhaftung eines praktischen Arztes, des vr. mell. Bork, wegen Vergehens gegen 8 218 des Strafgesetzbuchs erregt in Neusalz peinliches Aufsehen. Bork wurde ins Untersuchungs-Gefängnis nach hier über geführt. — Worbis. Verblutet hat sich der Landwirt Schiebung in Zwinge, dem von der Trommel einer Dampf dreschmaschine der rechte Arm ausgerissen wurde. Der so Verwundete rannte nach dem Bache, um die Wunde zu reinigen, brach dort aber tot zusammen. — Kassel. Zwischen einer Anzahl Pfleglinge der Landesirrenanstalt Haina entstand bei einem Spaziergange in den Gartenanlagen eine ernste Prügelei, wobei einer der Pfleglinge totgeschlagen wurde. — Kreuznach. Freiwillig gestellt hat sich der Kassierer Klose, der, wie wir schon gemeldet haben, große Unterschlagungen bei dem Kreuznacher Gas- und Wasser werk sich zu schulden kommen ließ. Er hat die unter- schlagene Summe eingesandt und sich freiwillig der Polizei gestellt. — Jülich. Ein achtzehnjähriger Füsilier der Königl. Unterofsizierschule war von einer Fliege in die Lippe ge stochen worden. Aus der anfänglich gar nicht beachteten Verletzung entwickelte sich eine Blutvergiftung, an deren Folgen der junge Mann nach vier Tagen starb. — Fra nkfurt a. M. Die Landwirte der Umgebung beschlossen, den Preis der Milch um zwei Pfennige zu er höhen. Der Milchhändlerverein schloß hierauf mit aus wärtigen Großmolkereien Kontrakte auf Tausende von Litern ab. — Auf dem Friedhof zu Bretzenheim wurden nicht weniger als 67 Grabsteine umgerissen und demoliert. An dem berühmten Puricellischen Grabmal wurden die Arme abgeschlagen. Zigeuner sind der Tat verdächtig. — Frankfurt a. M. Im Frankfurter Stadtwalde treibt ein Frankfurter Apotheker eine seltsame Kur. Er peitscht sich über und über mit Brennesseln und stürzt sich, nachdem er den Hals sich mit Oel „gesalbt" hat, in jeden Ameisenhaufen. Er behauptet: diese Kasteiung sei das neueste und billigste und dazu wirksamste Mittel gegen Rheumatismus. — Hamburg. Auf der Svcndborger Foehrde kenterte infolge eines Windstoßes ein Ruderboot. Der Malermeister Hansen nebst drei Söhnen wurden gerettet, seine drei Töchter ertranken. — Hamburg. Hier hat ein Schiffsheizer bei der Rückkehr von einer Seereise in einem Eifersuchtsanfall seiner Frau die Nasenspitze abgebisscn. Er wurde ver haftet. — Essen. In dem Teerbassin der Zeche „Mathias Stinnes" bei Carnap wurde der Bergmann Jaguscherski ermordet aufgefunden. Als vermutlicher Mörder wurde der Bergmann Garlick verhaftet. — Bochum. Bei einem in Gladbeck ausgebrochenen Streit, in den der Gendarm Husemann eingriff, wurde der Beamte durch zwei von einem Bergmann abgegebene Re volverschüsse tödlich verletzt. — Straßburg. Vier beim Tunnelbau Teterchen — Hargarten beschäftigte kroatische Arbeiter überfielen den Zahlmeister und einen Ingenieur und verletzten beide mit Messern und Revolverfchüssen tödlich. Der Zahlmeister starb bald darauf. Die Räuber, denen 15 000 M. in die Hände fielen, sind entkommen. — Mühlheim a. R. In Obermeiderich wurde ein an der Oberleitung der Straßenbahn beschäftigter Arbeiter durch den elektrischen Strom sofort getötet. — Prag. Das Spielen mit Waffen hat wieder ein Opfer gefordert. In einer Schuhmacherwerkstätte in Prachatitz spielte der Geselle Sladek mit einem geladenen Revolver. Die Waffe entlud sich plötzlich und die Kugel drang dem neben ihm stehenden 15 jährigen Lehrling Salomon in den Kopf. — St. Bernhard. Infolge eine- großen Fels sturzes ist die Straße über den großen St. Bernhard an fünf Stellen zerstört. Eine Brücke ist eingestürzt, der Ver kehr unterbrochen. Der Schaden ist bedeuHyd., — Bern. Der Dämm des Elektrizitätswerkes Wangen, das 10000 Pferdekräfte Energie erzeugt,-ist geborsten. Der Schaden beträgt Hunderttausende von Franken. Das Werk gehört einer Aktiengesellschaft. Der Betrieb bleibt mehrere Monate lang unterbrochen. — Zürich. Seit Sonntag werden hier drei Kinder im Alter von 8 bis 11 Jahren vermißt. Ae hatten ihren Gespielen erzählt, ein Mann wolle sie auf eine Eisenbahn fahrt mitnehmen. Ws jetzt fehlt jede Spur der Ber- schwundenen. — Marseille. In einer in der Nähe des Bahn- Hofs belegenen Pulverfabrik hat sich eine Explosion er- eignet. Dabei ist eine Person getötet worden; 2 Personen erlitten Verletzungen. Land- und Volkswirtschaftliches — Großenhainer Schweinemarkt. Preis eines Ferkels 12 bis 27 M., eines Schweines 40 bis 100 M. Zufuhr: 359 Ferkel und 108 Schweine. — Wie die Viehpreise künstlich in die Höhe getrieben werden. Die liberalen „Münch. Neuest.Nachr." schreiben . „Eine Schmutzmanipulation, wie sie in Anbetracht der gegenwärtigen enormen Preise für Schlachtvieh wohl kaum verwerflicher gedacht werden kann, wurde vergangenen Montag im städtischen Schlacht- und Viehhof aufgedeckt. Am Freitagsmarkt standen 158 Ochsen österreichischer Her kunft zum Verkaufe. Offenbar war einigen österreichischen Händlern diese Zutriebsziffcr zu hoch, so daß für sie ein Rückgang der Preise zu befürchten stand. Infolgedessen wurden ohne Vorwissen der Schlachthofdirektion etwa 50 Stück dieser Tiere in den Stallungen zurückbehalten und nicht auf den Markt gestellt, obwohl sie in die amtliche Markt-Frequenzziffer hineinbezogen waren. Dadurch war erreicht, was angestrebt war, denn tatsächlich gingen die Preise für Ochsen sämtlicher Qualitäten wieder um eine Mark pro 50 Kilo in die Höhe. Wie wir hören, wurde seiten der Innung der hiesigen Metzgermeister sofort An trag auf strenge Bestrafung der Schuldigen gestellt, da nach den marktpolizeilichen Vorschriften sämtliches zugeführte Vieh auf den Markt gestellt werden muß." — Der Rückgang der Schafzucht in Deutsch land geht aus den jüngst veröffentlichten Ergebnissen der Viehzählung vom 1. Dezember 1904 klar hervor. Während im Zeiträume von 1900 auf 1904 alle übrigen Vieharten Stückoermehrungen aufzuweisen, Schweine sogar eine An zahlerhöhung um 2,1 Millionen oder um nahe 12,5 Prozent erfahren haben, wies der Schafbestand 1904 gegen 1900 einen Stückrückgang von 1,8 Millionen oder von 18,5 Prozent auf. Auch in keinem der Bundesstaaten, ja in keiner preußischen Provinz ist ein Stillstand oder gar eine Er höhung des Schafbestandes zu bemerken gewesen, lediglich im Umfange des Rückganges unterschieden sich diese Ge- bietsteile ein wenig voneinander. So hat Mecklenburg- Schwerin einen Rückgang von 19,5 Prozent, Schleswig- Holstein von 17 Prozent aufzuweisen. Es ist danach, was ja auch sonst nicht unbekannt war, ganz klar, daß sich die Schafzucht in Deutschland nicht auf dem aufsteigenden Aste befindet. UrivaL -Bekanntmachungen. Zurückgekehrt vom Grabe unserer lieben, viel zu früh dahingeschiedenen Tochter, Schwester und Schwägerin Kt'ara Körnig, welche im Alter von 22 Jahren sanft entschlief, sagen wir für die vielen Be weise liebevoller Teilnahme und den überaus reichen Blumenschmuck allen Ver wandten, Freunden und Nachbarn innigsten Dank. Insbesondere herzlichen Dank der Jugend zu Weißig für das freiwillige Tragen und zahlreiche Ehrengeleit zur letzten Ruhe, sowie dem Musikchor für die rührende Trauermusik. 2,, Dank auch unserm Herrn Pfarrer Mannschatz für die ergreifenden Worte am Grabe und Herrn Kantor Hänichen und der Schuljugend für die erhebenden Gesänge. Im tiefsten Schmerze sagen wir nochmals allen herzlichen Dank. Dir aber, liebe Tochter, Schwester und Schwägerin, rufen wir ein „Ruhe sanft" in die Ewigkeit nach. WeiHig den 11. August 1905. Familie Wilhelm Hornig. Wenn Liebe könnte Wunder tun und Tränen Tote wecken, Dann würde Dich gewiß nicht schon die kühle Erde decken. Sei raten! Wer sich glücklich und paffend verheiraten will, der wende sich vertrauensvoll an mich Die größte Verschwiegenheit wird zugesichert. Briefe werden beantwortet, wenn 20 Pf. in Briefmarken mit eingesandt find. Ich habe HeiratS-, Hypotheken- und Stellenver mittelung seit 18SV. Hochachtungsvoll Bischofswerda, Wallgasse. Wegen Uebernahme eines größeren Gutes verkaufe ich wem schön gelegenes Gut, 21 Acker 37 groß und mit 463,76 St.-E., in der Nähe von Stadt und Bahn « Orte. Gebäude und Inventar in bestem Zustande. Offerten unter L. 300 an die Expedition der „Sächsische« Dorfzeitung" erbeten. Ein Juwel ist ein zartes, reines Gesicht, rosiges, jugendfrisches Aussehen, weiße, sammet weiche Haut und blendend schöner Teint. Alle- dies wird erreicht durch: Steckenpferd' Lilienmilch - Seife v Bergmann S» Go., Radebeul mik Schutzmarke: Steckenpferd. ä St. 50 Pf. bei: Ernst Dreßler, Heinr. 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